filmemacher - Fachverlag Schiele & Schön

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filmemacher
EIN INDIE-FILMER AUF ERFOLGSKURS
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Text & Fotos: Heiko Riemann Fotos: Tom Bewilogua
Tom Bewilogua hat mit 1000 Gramm einen Kurzfilm gemacht, der polarisiert. Das Urteil eines gewöhnlichen Festivalbesuchers lautet in der Regel „Du willst mich wohl verarschen“ oder einfach nur
„Der Film ist scheiße“. Andererseits hat das Werk nach nur drei Monaten schon über 50 FestivalNominierungen auf seinem Konto. Wer ist dieser ungewöhnliche Filmemacher, der für seinen Film
gleichzeitig gefeiert und beschimpft wird?
Ewiger Provokateur:
Filmemacher
Tom Bewilogua
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EIN INDIE-FILMER AUF ERFOLGSKURS
Als der Abspann von 1000 Gramm beginnt, herrscht im VenusSaal des Sternenpalasts frostige Stille. Wir sind auf dem internationalen Filmfestival Biberach, auch bekannt als das „Familientreffen der deutschen Filmemacher“. Tom Bewilogua wird nach
vorne gebeten. Jetzt ist das Publikum an der Reihe und darf ihm
Fragen stellen. Mit einem gutmütigen Lächeln drückt der Intendant Adrian Kutter dem jungen Regisseur das Mikrofon in die
Hand. Doch keiner der Zuschauer traut sich. Wie meistens in solchen Situationen herrscht betretenes Schweigen. Dann bricht das
Eis: „War das dein Abschlussfilm?“, will jemand wissen. „Nein, ich
bin noch mitten im Studium“, antwortet Tom. „Da kommen sicherlich noch ein paar Streifen hinzu.“ Aber die vermeintlich
harmlose Frage war offensichtlich rhetorisch gemeint und diente
nur als Vorbereitung. Angriffslustig fügt der Mann aus dem Publikum hinzu: „Hoffentlich war es der letzte.“
Ganz anders als bei den meisten anderen Filmvorführungen
auf dem Festival, an die sich oft ein Publikumsgespräch mit viel
belanglosem Blabla anschließt, ist hier plötzlich eine seltsam aggressive Stimmung in der Luft. Tom muss sich anhören, wie
scheiße sein Film sei und dass es eine Zumutung sei, einen solchen Film dem Publikum zu zeigen. Ein Zuschauer findet es einfach nur widerlich, was er sich gerade anschauen musste. Man
möchte jetzt nicht in Toms Haut stecken. Doch der junge Filmemacher aus Hamburg scheint es gelassen zu nehmen. Er hat seine
eigene Sicht der Dinge und weiß die auch zu verteidigen: „Ich
wollte einen Film über die Realität machen, in der wir leben. Was
ihr da gesehen habt, waren teilweise dokumentarische Aufnahmen. Wenn euch das anwidert, dann solltet ihr euch vielleicht Gedanken über die Gesellschaft machen, in der ihr lebt und euch
nicht bei mir als Filmemacher beschweren.“
gungslos auf dem Boden liegt, nimmt er aus ihrem Geldbeutel
statt der vorhandenen 70 Euro nur einen 20-Euro-Schein. Wenig
später legt er seiner Familie ein großes Stück Fleisch auf den Tisch.
Auf die Frage seiner Frau, wo er das herhabe, sagt er nur: „Jemand
hat dafür bezahlt“.
Tom ist kontroverse Diskussionen gewohnt, die seine Bilder
auslösen. Es ist nichts Neues für ihn, auf der Bühne beleidigt zu
werden. Am Anfang hat ihn das mitgenommen, mittlerweile gefällt es ihm sogar. „Ich habe gelernt, das irgendwie zu genießen. Es
zeigt, dass ich etwas in den Leuten bewegt habe, sonst würden sie
„Film ist die persönlichste Ebene, auf
der ich kommunizieren möchte. Ich
brauch nicht unbedingt einen Namen wie
‚Künstler‘ dafür – ich würde es auch machen, wenn es Arschloch heißen würde.“
nicht so radikal reagieren.“ Mancher Zuschauer findet es durchaus gut, dass Tom die Dinge beim Namen nennt. Auf einem Festival in Bamberg beispielsweise, wo Zuschauer sogar während
der Vorstellung den Saal verließen, kam eine Frau am nächsten
Tag auf den Hamburger Regisseur zu und machte ihm ein großes
Kompliment: „Gestern wollte ich dich wirklich noch beleidigen.
Dein Film hat mich so fertig gemacht. Aber als ich darüber nachgedacht habe, heute Nacht, ist mir klar geworden, dass dein Film
der einzige hier auf dem Festival ist, der wirklich Substanz hat.“
1000 Gramm ist nach Scissu Toms zweiter, wie er sagt, „richtiger“ Film. Er ist bekennender Indie-Filmer, 30 Jahre jung und zurzeit Student an der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) in
Hamburg. Das ist nicht gerade der klassische Weg, Regisseur zu
werden. Zwar hat er es auch an der Hamburg Media School versucht. Dort wurde er aber nicht genommen, was er bis heute nicht
bereut. „Inhaltlich hat es für mich den Vorteil, dass ich sehr frei
bin, dass ich nicht sonderlich bevormundet werde. Letztlich bin
ich mehr mein eigener Herr als an irgendeiner Filmhochschule,
wo man sehr geformt wird.“ Und genau das möchte er um jeden
Preis verhindern. Auf keinen Fall möchte er in eine Schublade gesteckt werden. Auch den Begriff „Künstler“ hält er für genau das.
„Film ist die persönlichste Ebene, auf der ich kommunizieren
kann und möchte. Ich brauch nicht unbedingt einen Namen wie
‚Künstler‘ dafür – ich würde es auch machen, wenn es Arschloch
heißen würde.“
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Absurdes Gedankenspiel
Was aber hat den Zuschauer derart verärgert? 1000 Gramm setzt
sich mit einem ebenso unliebsamen wie naheliegenden Thema
auseinander: Das immer weiter fortschreitende Auseinanderdriften von Arm und Reich innerhalb unserer Gesellschaft. Zur Veranschaulichung bedient sich Bewilugua einem irgendwie absurden, aber auch interessanten Gedankenspiel: Während es in
unserem Land Menschen gibt, die sich für mehrere tausend Euro
ein paar Gramm Fett absaugen lassen, können sich andere nicht
einmal ausreichend Fleisch leisten, um ihre Familie zu ernähren.
In eine Kurzgeschichte gegossen sieht das so aus: Wir sehen eine
gutsituierte Familie beim Abendessen. Auf den Tellern liegt ein
saftiges Steak, dazu gibt es Rotwein. Zu sagen haben sie sich
nichts. Das Kind spielt desinteressiert mit seinem Gameboy. Dann
liegt die Frau plötzlich in einem Operationssaal. Mit einer langen
Metallstange stochert der Chirurg in ihrem Bauchgewebe herum,
während sich der Behälter daneben langsam mit einer gelb-roten
Mischung aus Blut und Fett füllt. Kurz darauf ist sie schon wieder
auf dem Rückweg. Als sie im Parkhaus zu ihrem Auto geht, lauert ihr ein Unbekannter auf und überfällt sie. Doch der Maskierte
stellt sich stümperhaft an und so gerät die Situation außer Kontrolle. Im Affekt schlägt er die Frau brutal zusammen. Als sie re-
Never change a winning Team
Trotz rebellischer Haltung und empörter Zuschauer läuft es zurzeit gut für den Hamburger. Scissu wurde insgesamt auf 71 Festivals gezeigt und hat bis heute 15 Preise gewonnen. 1000 Gramm
hat schon 50 Festival-Zusagen, gewann in Biberach den KurzfilmPreis und konnte in Wiesbaden den dritten Platz für sich behaupten. Außerdem gab es einen Preis in Japan und in Sarajevo
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