KULTUR Fre i t a g , 1 4 . Au g u s t 2 0 1 5 B ü n d n e r Ta g b l a tt 9 Auch eine Fledermaus kann sexy sein Jung, frech und sexy: Mit ihrer Inszenierung der Operette «Die Fledermaus» von Johann Strauss für die Schlossoper Haldenstein hat die Bündner Regisseurin Barbara-David Brüesch beim Publikum ins Schwarze getroffen. E ▸ F LU R I NA M AU R E R «Eigentlich bin ich ja kein Fan von Operetten.» Ein Satz, der in Gesellschaft öfters fällt. So auch wenige Minuten vor Beginn der «Fledermaus» in der Schlossoper Haldenstein. «Die Fledermaus» von Johann Strauss, die erstmals 1874 in Wien aufgeführt wurde, ist aber nicht irgendeine Operette, sondern eine der wenigen ihrer Gattung, die regelmässig auch an grösseren Opernhäusern gezeigt wird. Sebastian Tewinkel, der in Bälde seinen Posten als Chefdirigent der Kammerphilharmonie Graubünden abgeben wird, hat das Werk ausgesucht. Für die Regie verpflichtet werden konnte die Bündner Regisseurin Barbara-David Brüesch (Regieassistenz Curdin Casutt). Sie wählte eine modere Inszenierung und verlegte die gesamte Handlung kurzerhand in eine Hotellobby, die von einer geschwungenen Doppeltreppe dominiert wird. Das Orchester wurde sprichwörtlich aus dem Graben hinaus aufs Podest gehoben. Aus ästhetischer Sicht kein schlechter Zug, jedoch hatte darunter im Laufe des Abends immer einmal wieder die Akustik etwas zu leiden. Das fiel aber nur bedingt ins Gewicht, da das, was einem auf der Bühne geboten wurde, äusserst mitreissend anzusehen und -zuhören war. Champagnerlaune: Die üppig inszenierte «Fledermaus» im Hof des Schlosses Haldenstein geizt nicht mit optischen Reizen. (FOTO PETER DEJONG) Zelebrierte Schönheit Die Besetzung, die am Mittwochabend auf der Bühne stand, war jung, schön, charismatisch und äusserst talentiert. Gemeinsam wurde Musik und Schönheit zelebriert – nicht zuletzt auch dank der Tänzerinnen und Tänzer der Cinevox Junior Company. Und ebenfalls wichtig: Alle Beteiligten schienen dabei auch Spass zu haben. Gemeinsam machten sie aus einer an sich schon unterhaltsamen Operette eine Operette, bei deren ersten Akt das Publikum fast schon ununterbrochen am Lachen war. Till von Orlowsky als Gabriel von Eisenstein und Margarita Vilsone als seine Frau Rosalind verstanden es hervorragend, ein Ehepaar zu spielen, das zwar gegen aussen noch die grosse Liebe heuchelt, gegen innen jedoch bereits die Fühler in andere Richtungen aus- streckt. So will Gabriel von Eisenstein unbedingt an die Party von Prinz Orlofsky, während sich Rosalind nach dem Gesangslehrer Alfred verzehrt, den Xuecheng Zhang als eine selbstverliebte Mischung aus James Dean und Elvis verkörperte. Neben Johannes Leuschner als Dr. Falke, Anna Hybiner als Dr. Blind und Andrea Jörg als Ida glänzte insbesondere auch Younjin Kim in seiner Rolle als Gefängnisdirektor. Klaren Heimvorteil beim Publikum hatte die Sopranistin Sara-Bigna Janett, die als mit allen Wassern gewaschenes Stubenmädchen Adele den Aufstieg in die bessere Gesellschaft krampfhaft zu vollziehen versucht. Wie ein Wesen von einer anderen Welt liess Barbara-David Brüesch den Prinzen Orlofsky erscheinen. Eine Rolle, die der Mezzosopranis- tin Andrea Purtic geradezu auf den Leib geschneidert zu sein scheint. Spiel mit klassischen Rollenbildern Dass die Regisseurin keine Angst davor hat, die Rollen sexy zu inszenieren, ist erfrischend. Auch, dass sie für die Gesellschaftssatire mit dem klassischen Rollenbild von Mann und Frau spielt und dabei Männer Frauen den Po und die Hüften tätscheln, aber auch Frauen ihren Mann stehen lässt. «Die Fledermaus» hätte bis zum dritten Akt dann auch das Zeug dazu gehabt, einen perfekten Abend für das Publikum zu schaffen: Ein lauer Sommerabend, eine wunderschöne Kulisse, charismatische Sängerinnen und Sänger in Hochform und ein temperamentvolles Orchester unter der Leitung von Hermes Helfricht. Doch dann fällt plötzlich aus dem Nichts heraus der Name «Remo Stoffel». Herausgebrüllt von Stefan Suske, dem Gefängniswärter. Es beginnt eine Tirade auf den Bündner Unternehmer und sein Vals-Projekt, die im Publikum für viele Lacher, aber auch für versteinerte Gesichter sorgt. War das wirklich nötig? Nicht nur hat diese Abschweifung einen aus dem «Fledermaus»-Kosmos herausgerissen, sie hat einen geradezu dorthin katapultiert, wo man an diesem Abend eigentlich für ein paar Stunden nicht sein wollte: in die Realität. Nach Haldenstein. Auf einen Schlag waren die Felder, Wiesen und Weiden ausserhalb der Schlossmauern wieder sehr präsent. Den Weg zurück in die Inszenierung zu finden war an diesem Punkt schwierig, wenn nicht un- Oberengadiner Kulturpreis für Klainguti Die Kulturförderungskommission des Kreises Oberengadin vergibt ihren Kulturpreis an den Schriftsteller Göri Klainguti. Weitere Preise gehen an Laura Zangger und Curdin Nicolay. Für sein langjähriges kulturelles Engagement als Schriftsteller, Publizist und Redaktor sowie insbesondere für seine herausragenden Verdienste zugunsten der rätoromanischen Sprache und Literatur des Oberengadins wird Göri Klainguti mit einem Anerkennungspreis von 8000 Franken ausgezeichnet. Das teilte der Kreisrat Oberengadin gestern mit. Göri Klainguti, geboren 1945, widmet sich nach seiner Lehrertätigkeit in Samedan und Zuoz neben seinem Landwirtschaftsbe- trieb ganz der Schriftstellerei und Malerei. Mit seiner tiefgründigen humoristischen und kriminalistischen Prosa, mit seinen satirischen Gedichten und mit seinem Theatertext «Adam da Chamues-ch» prägt Göri Klainguti die rätoromanische Literatur des Oberengadins in den letzten Jahrzehnten entscheidend. Als begnadeter und beliebter Publizist und Karikaturist veröffentlicht er zahlreiche Beiträge im Radio Rumantsch sowie in Anthologien, Zeitungen und Zeitschriften. Seine Bücher werden unter anderem auf Deutsch und Französisch übersetzt, für sein literarisches Gesamtwerk erhielt er einen Preis der Schweizerischen Schillerstiftung. Zwei Förderpreise Engagiert für das Rätoromanische im Engadin: Der Schriftsteller und Maler Göri Klainguti. (FOTO ROLF CANAL) Für ihre «herausragenden künstlerischen Leistungen in den Sparten Musik und Literatur» – so die Mitteilung – wird Laura Zangger mit einem Förderpreis von 4000 Franken ausgezeichnet. Laura Zangger, geboren 1983, spielt seit ihrer Kindheit Geige und hat an der Zürcher Hochschule der Künste das MasterStudium abgeschlossen. Seit ihrer Schulzeit ist sie, zuerst als Hobby, heute als professionelle Musikerin, in verschiedenen Chören, Bands, Ensembles und Orchestern aktiv. Für seine «herausragenden künstlerischen Leistungen in der Sparte Musik» wird Curdin Nicolay mit einem Förderpreis von 4000 Franken ausgezeichnet. Curdin Nicolay, geboren 1981, ist Musiker und Liedermacher. Er hat in verschiedenen Engadiner Bands mitgewirkt und ist in den letzten Jahren als solistischer rätoromanischer Singer-Songwriter über Graubünden hinaus bekannt geworden. Die öffentliche Preisverleihung findet am Freitag, den 30. Oktober um 19.30 Uhr im Gemeindesaal Samedan statt. (BT) möglich – obwohl es das Sängerensemble und die Kammerphilharmonie Graubünden mehr als verdient hätten. Barbara-David Brüesch hat «Die Fledermaus» hervorragend inszeniert, dabei auch grossen Wert auf die Ästhetik gelegt, und damit beim Publikum ins Schwarze getroffen. Es wurde gelacht, geklatscht und gejubelt, wie es in Graubünden nicht alle Tage passiert. Da hätte auf die Lacher auf Kosten von Remo Stoffel getrost verzichtet werden können. Gesellschaftssatire und «Turm von Vals» hin oder her. Weitere Aufführungsdaten: Heute Freitag, 14. August, sowie am 15., 18., 21. und 22. August, jeweils um 20 Uhr. Vorverkauf: Chur Tourismus, alle Infos unter www.schlossoper.ch Headline kurz ein- bis dreizeilig SCHLAGWORT Text GESANG Die 55 Sänger des Chor viril Surses werden an ihrer Generalversammlung Ende August den 50-jährigen Rainer Held zum neuen Dirigenten wählen. Die Berufung Helds, der den abtretenden Luzius Hassler ersetzt, ist für den Chor und den Männerchorgesang im Surmeir ein Glücksfall, der zuversichtlich stimmt, wie der Chor in einer Mitteilung schreibt. Mit Rainer Held fällt die Wahl auf den Wunschkandidaten der ersten Stunde, sagt Maurus Dosch, Präsident des Chors. Noch vor zwei Jahren bekam der Chor eine Absage. Rainer Held ist in Landquart aufgewachsen und wohnt heute in Hitzkirch (Kanton Luzern). Nach der Ausbildung zum Primarlehrer studierte er in Zürich und Luzern. Nebst Studienabschlüssen in Dirigieren, Solo-Gesang, Schulmusik I und II verfeinerte er sein Handwerk in diversen Meisterkursen im Ausland. Was den Professor für Musikpädagogik und Leiter der Abteilung Musik an der Pädagogischen Hochschule Luzern dazu bewegt, einen ambitionierten Laienchor wie den Chor viril Surses zu übernehmen, begründet er mit den Worten: «Es ist ein ‘zurück zu den Wurzeln‘.» (BT)
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