die wunderbare Welt des Bargelds

44 Bargeldlos bezahlen
Freitag, 5. Februar 2016
medianet.at
53%
Barzahlungsanteil
Während es für
Österreich keine
aktuellen Zahlen
gibt, zahlen in
Deutschland
­Privatpersonen
laut der Bundes­
bank 53% der
Umsätze bar.
Die wunderbare Welt
des Bargelds
© APA/Herbert Pfarrhofer
Bargeld ist nicht nur teurer, sondern auch zeitaufwendiger als
Kartenzahlungen. Trotzdem sind die Scheine weiterhin begehrt.
••• Von Christian Horvath
medianet.at
Freitag, 5. Februar 2016 bargeldlos bezahlen 45
S
Entscheidung des Kunden
„Meines Erachtens wird der Anteil des unbaren Zahlungsverkehrs
zunehmen und trotzdem wird
Bargeld bleiben“, so BundesbankVorstand Carl-Ludwig Thiele gegenüber der Bild-Zeitung nach dem
Cryan-Vorstoß. Barzahler schätzen es, dass sie einen genaueren
Überblick über ihre Ausgaben haben und sich beim Bezahlen keine
Sorgen über Datenschutz machen
müssen, so Thiele weiter.
Auch beim Handelsverband HDE
glaubt man nicht an einen schnellen Abschied von Schein und Münze: „Ob und wann das Ende für das
Bargeld kommt, entscheiden die
Kunden. Der Handel nimmt derzeit
noch mehr als die Hälfte seines
Umsatzes per Bargeld entgegen“,
ließ HDE-Hauptgeschäftsführer
Stefan Genth auf Nachfrage erklären. „Insofern ist ein Ende noch
nicht absehbar, auch wenn die Umsätze mit Kartenzahlungen stetig,
aber langsam steigen.“
Zu einem ähnlichen Schluss kam
eine Studie der WU-Professoren
Hanns Abele und Guido Schäfer,
die im vergangenen April Auskunft
über die Kosten von Bargeld und
Bankomatkarte in Österreich gab:
Für Beträge über 10 € ist demnach
die Bezahlung mit Bankomatkarte
kostengünstiger als mit Bargeld.
Dies zum Trotz der oftmals gehörten Kritik, dass Bankomat-Zahlungen etwa an der Supermarktkasse
deutlich länger dauern würden als
Barzahlungen. Denn, so Abele und
Schäfer: Der zeitliche Aufwand für
Konsumenten ist bei Bezahlung mit
Bargeld, bedingt durch die Wegzeiten zur Bank bzw. zum Bankomaten, um bis zu neun Stunden höher
als der zeitliche Aufwand für die
Bezahlung mit Bankomatkarte. Die
Studienautoren empfehlen daher
eine koordinierte Initiative und
konkrete Maßnahmen zur Förderung kosteneffizienten Zahlungsverhaltens.
Die Kosten des Bargelds
Die zentrale Botschaft der Studie
mit dem Titel „Die Kosten des Bargelds in Österreich“: Obwohl sich
das bestehende österreichische
Zahlungssystem am Point of Sale
im internationalen Vergleich als
relativ kosteneffizient erweist, besteht dennoch erhebliches Potenzial für Kostensenkungen. Konkret
wurde erhoben, dass Barzahlungen bei mittleren und höheren Beträgen volkswirtschaftlich teurer
sind als Zahlungen mit der Bankomatkarte. Abele begründet dies
wie folgt: „Die Kosten des Bargelds
steigen relativ stark mit der Höhe
des Zahlungsbeitrags an, da mehr
Geld produziert, gezählt, verwahrt,
sicher transportiert und serviciert
werden muss. Die Kosten von Bankomatkartenzahlungen steigen
jedoch nur geringfügig mit der
­Beitragshöhe.“
Mehr Zahlungen mit Bankomatkarte ermöglichen deutliche Kosteneinsparungen. Die Berechnungen des Gutachtens zeigen, dass
für Österreich im Jahr 2013 die
Betragsgrenze für kosteneffiziente Zahlungen bei einem Wert von
rund 10 € lag. Durch den Einsatz
von Kontaktlostechnologie (NFC)
wird dieser Wert noch weiter sinken, da schon heute rund 6 Mio.
Bankomatkarten mit der Kontaktlosfunktion ausgestattet sind. „In
den kommenden Jahren werden
– ähnlich wie in anderen Ländern
– Bankomatkartenzahlungen auch
bei kleineren Beträgen das kosten-
Ersparnis
Es gebe eine deut­
liche Zeitersparnis
bei Bankomat­
zahlungen, so
WU-Professor
Guido Schäfer
effizientere Zahlungsinstrument in
Österreich sein“, stellt Abele fest
und betont weiter: „Wir haben berechnet, dass durch die Ausweitung
von Bankomatkartenzahlungen
mittelfristig und volkswirtschaftlich gesehen ein Betrag zwischen
150 und 300 Mio. Euro pro Jahr
eingespart werden kann.“
Zeitliche Effizienz
Die volkswirtschaftlichen Kosten
des Bargelds betrugen laut Studie
2013 mit 1,2 Mrd. € rund 0,36 Prozent des BIP, während sich die Kosten für das Bankomatkartensystem
mit 150 Mio. € auf 0,046 Prozent
des BIP beliefen. Pro Euro Umsatz
bedeutet das eine Differenz von 1,8
Cent. Österreich liegt mit diesem
Wert trotz des hohen Anteils an
Bargeldtransaktionen knapp hinter einem kosteneffizienten Land
wie den Niederlanden und unter
dem europäischen Durchschnitt.
Der zeitliche Aufwand für die Bezahlung mit Bargeld kostete Konsumenten insgesamt etwa 102,5
Mio. Stunden im Jahr 2013, der
für die Bezahlung mit Bankomatkarte belief sich auf etwa 8,2 Mio.
Stunden. Demgegenüber steht die
erwähnte Zeitersparnis von rund
© APA/Georg Hochmuth
„Fürchterlich teuer“
Langsam mehren sich auch in Mitteleuropa die Stimmen, die an der
Sinnhaftigkeit des Bargelds zweifeln. So erklärte etwa John Cryan,
Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bank, beim jüngsten Weltwirtschaftsforum in Davos, dass Cash
„fürchterlich teuer und ineffizient“
sei. Bargeld helfe nur noch Geldwäschern und anderen Kriminellen, ihre Geschäfte zu verschleiern.
Doch gerade die Deutschen hängen
immer noch an Schein und Münzen: Laut Erhebungen der Bundesbank wurden 79% der Transaktionen in bar abgewickelt, etwas mehr
als die Hälfte der Umsätze im Einzelhandel werden mit Bargeld abgewickelt.
neun Stunden jährlich in der bargledlosen Alternative. „Der mit Bargeldabhebung verbundene zeitliche
Zusatzaufwand war im Schnitt wesentlich größer als allfällig kleinere
Zeitersparnisse durch Barzahlung“,
analysiert Schäfer und ortet daher
eine „deutliche Zeitersparnis für
Konsumenten, wenn diese auf die
Bezahlung mit Bankomatkarte zurückgreifen“.
© WU Wien
tellen Sie sich vor, der
Augustin-Verkäufer
vor dem nächsten
Supermarkt nimmt
kein Bargeld mehr an.
Kaum zu glauben? In
Schweden ist das inzwischen Realität. Das skandinavische Land, dessen Geldumlauf den
stärksten Digitalisierungsgrad in
ganz Europa aufweist, nimmt langsam Abschied vom Bargeld. Mittlerweile kann dort beim kleinsten
Greißler mit Kreditkarte gezahlt
werden, einige Geschäfte sind sogar
so weit gegangen, gar kein Bargeld
mehr zu akzeptieren. Und auch die
Verkäufer der Obdachlosenzeitungen sind mit einem Kartenterminal
ausgestattet, nachdem der Verlag
große Mühe hatte, eine Bank zu finden, die sich noch zur Einzahlung
der Bareinnahmen aus den Verkäufen der Straßenhändler bereit erklärte. Insgesamt machen 80% der
Schweden ihre Einkäufe mit Karte.
Auch die Regierung in Kopenhagen will das Bargeld – mit wenigen
Ausnahmen – de facto abschaffen.
Dänemark hat im vergangenen
Sommer einen Plan vorgelegt, nach
dem dänische Geschäfte schon ab
heuer komplett auf Bargeld verzichten könnten. Das bargeldlose Bezahlen sei „nicht länger eine
­Illusion, sondern eine Vision, die
sich innerhalb eines nachvollziehbaren Zeitrahmens umsetzen
lässt“, erklärte Jesper Busk-Jepsen
vom dänischen Bankenverband gegenüber CNN. Ab 2017 soll die dänische Notenbank dann überhaupt
keine Banknoten mehr drucken.
Cash-affines Land
Es spricht also inzwischen einiges
für Kartenzahlungen, auch wenn
selbst Kartenanbieter noch nicht
ganz an das Ende von Cash glauben
wollen. So meinte erst im Jänner
Visa Europa-Geschäftsführer Kurt
Tojner gegenüber dem Kurier, dass
Österreich mit einem Bargeldanteil
von rund 80% immer noch ein sehr
cash-affines Land sei. Einen Schub
für die Verbreitung der Kartenzahlung brachte laut Tojner die von der
EU verordnete Senkung der Kreditkartengebühren für Händler. Seit
Anfang Dezember sind die Interbankenentgelte für Kartenzahlungen gedeckelt. Händler zahlen für
das Akzeptieren von Debitkarten
maximal 0,2% des Transaktionswerts und für Kreditkarten 0,3% an
die Bank des Karteninhabers. Mit
Ausnahme von Hofer gebe es nun
keinen einzigen großen Lebensmittelhändler mehr, der keine Kreditkarten akzeptiere, so Tojner.
Dass der Trend aus Skandinavien, Bargeld aus dem Alltag langsam zu verbannen, aber auch in
Mitteleuropa ankommt, beweist die
50.000-Einwohnerstadt Kleve am
Niederrhein nahe der niederländischen Grenze. Dort sollen zumindest Ein- und Zwei-Cent-Münzen
bald der Vergangenheit angehören.
Unter der markigen Überschrift
„Kleve verbannt das Kleingeld“
wurden 800 Einzelhändler im Jänner dazu aufgerufen, sich ab dem 1.
Februar an der Aktion zu beteiligen.
Die Preise sollen dann auf- beziehungsweise abgerundet werden: Kosten zwei Artikel zusammen
beispielsweise 14,48 €, werden bar
14,50 € fällig; kommt ein Gesamtpreis von 15,61 € zustande, wird
auf 15,60 € abgerundet. Kleingeld
sei für den Einzelhandel zunehmend ein Kostenfaktor, heißt es
zur Begründung. „Wir liegen nah
an der Grenze, die Niederländer
machen das seit elf Jahren“, erklärte die Geschäftsführerin des
Stadtmarketings, Ute Marks, die
abschließend meint: „Vielleicht
geht ja von dem kleinen Kleve mal
eine Welle übers Land.“
Die Kosten
des Bargelds
Hanns Abele, WU-Professor
Abele hat gemeinsam mit WUKollegen Guido Schäfer im April
2015 eine Studie zur den Kosten
des Bargelds in Österreich vor­
gestellt. Demnach ist es vor al­
lem volkswirtschaftlich gesehen
eine Frage, ob man Bargeld wei­
ter forciert. Die Betragsgrenze
für kosteneffiziente Zahlung liegt
derzeit bei 10 Euro – deshalb
ist es bereits ab einem Betrag
von 10 Euro volkswirtschaftlich
günstiger, mit Bankomatkarte zu
bezahlen. Durch die KontaktlosTechnologie wird dieser Betrag
in den nächsten Jahren deutlich
sinken. Bankomatkartenzahlun­
gen werden in Zukunft auch bei
kleineren Beträgen die volkswirt­
schaftlich günstigere Zahlungs­
weise in Österreich darstellen.
Wie viel kann Österreich also
sparen? Das volkswirtschaftliche
Einsparungspotenzial kommt auf
150 bis 300 Millionen Euro pro
Jahr. Innerhalb der Studie wer­
den drei Gruppen definiert, die
unterschiedliche Vorlieben für
Bezahlungen haben. Der größte
Anteil, etwa 50 Prozent der
erwachsenen Bevölkerung in Ös­
terreich, bevorzugt das Bargeld
gegenüber der Bankomatkarte.
40 Prozent der ÖsterreicherInnen
nutzen gelegentlich bis häufig
die Karte am PoS, nutzen sie je­
doch tendenziell eher für höhere
Beträge. Nur etwa 10 Prozent
der erwachsenen Bevölkerung
sind intensive Kartennutzer.