Predigt Exodus 3, 1 – 14

Stefan Moll, Pfarrer
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Predigt Exodus 3, 1 – 14
Antrittspredigt in Baden vom 16. August 2015
Im Frühjahr habe ich aus der Pfarrerversammlung eine Frage mitgenommen, die mich während
der ganzen Zeit des Wechsels von Zofingen nach Baden-Wettingen begleitet hat: „Wo brennt mir
ein Feuer?“
Die Frau hat an dieser Tagung von einer Gebetserfahrung erzählt. Sie ist mit anderen Christen in
die Stadt gegangen – mit genau diesen Fragen im Herzen: „Wo brennt mir ein Feuer? Wo spricht
Gott mich an? Wo fühle ich die Nähe von Gott? Steht irgendwo – im übertragenen Sinn – ein
Dornbursch in Flammen, ohne vom Feuer gefressen zu werden?“
Diese Frage hat mich begleitet. Natürlich kann man dieses Feuer nicht suchen, wie man etwa
Ostereier oder einen verlorenen Schlüssel sucht. Aber ich wollte wach sein, aufmerksam. Schon
in der Bibel hat nicht Mose den brennenden Dornbusch gesucht, sondern Gott zeigt sich dem
Moses.
Das ist das erste, was ich aus dem Bibeltext für uns alle festhalte: Auch uns mag Gott sich offenbaren. Er kreuzt auch unsere Wege. Vielleicht nicht in einem brennenden Dornbusch. Aber vielleicht in einem Gebet oder in einem Bibeltext. Plötzlich spüren wir das Feuer. Natürlich nicht
jedes Mal, wenn wir die Bibel aufschlagen oder die Hände falten! Aber immer wieder.
Dieses Feuer kann uns durchaus auch in der Stadt begegnen. Oder im anderen Menschen, in einem Gespräch, vielleicht sogar in einem grossen Streit: plötzlich fühlen wir die brennende Gegenwart Gottes, ohne dass dieses Feuer dabei etwas zerstören würde.
Ich habe mir vorgenommen, auf dieses Feuer von Gott her zu achten: Wo habe ich in Baden und
Wettingen diese Art Feuer erfahren? Wann brannte mir Gott sozusagen unter den Nägeln? –
Nun: Ich habe dieses Feuer durchaus hier in der Kirche gespürt. Mehr aber brennt es für mich
auf dem Vorplatz. Gott brennt mir auf der Schwelle zwischen Kirche und Stadt.
Dann aber habe ich dieses Feuer in der Begegnung mit anderen Kulturen erlebt: Bei Menschen,
die aus mir fremden Ländern zu gewandert sind. Aber auch bei Leuten, die sich durch ihren Lebensstil in einem ganz anderen kulturellen Umfeld bewegen. Ich mag die Kultur der Rocker, vor
dem Tattoo-Studio habe ich das Feuer gespürt oder als mich ein Unbekannter zum nächsten
Match des FC Wettingen eingeladen hat. Schon etwas früher spürte ich es im Zusammenhang mit
Schlagermusik. Eigentlich ist das ja gar nicht meine Musik. Aber ich wurde zu einem Anlass eingeladen – und plötzlich war Gott da: brennend und deutlich.
Bei Ihnen kann dieses Feuer an anderer Stelle brennen, als bei mir. Entscheidend ist, dass Gott
uns in solchen Sternstunden zu einer Art brennendem Dornbusch wird. Und dass wir dafür – wie
Moses – eine gesunde Neugierde bewahren: „Ich will hingehen und sehen...“
Dieses Feuer aus dem Dornbusch kann dem Einzelnen begegnen. Es wird aber auch von Gruppen und vor allem von ganzen Gemeinden gehört. Ich möchte Sie noch fragen, welches Feuer für
die Evangelisch-methodistische Kirche Baden brennt. Bei ersten Begegnungen habe ich immer
wieder gefragt: Welches Feuer brennt hier in der Gemeinde? Was ist unser gemeinsames prägendes Anliegen? Wofür brennen die Methodisten in der Gemeinde an der Seminarstrasse? – Die
Antworten sind bisher unscharf geblieben. Ich werde weiter nachfragen...
Niemals können wir dieselben bleiben, wenn Gott uns im Dornbusch brennt. Diese Art Feuer von
Gott erschüttern und bewegen uns. Wenn Gottes Feuer brennt, kommt meine oder unsere Welt
in Bewegung. Aus dem Text wähle ich vier Gedanken aus, die weiterführend aufnehmen, wie das
Feuer aus dem Dornbusch auch uns bewegt.
1. Schuhe ausziehen
In solchen Sternstunden, in solchen heiligen Momenten vor Gott sollen wir wie Moses die Schuhe ausziehen. Das ist zunächst ein Ausdruck des Respekts vor dem heiligen Moment.
‚Schuhe ausziehen’ bedeutet für mich auch: Mich preisgeben, Vertrauen haben. Die nackten Füsse gehören zur Intimsphäre. Wir zeigen sie nicht gerne. Vor Gott riskieren wir uns. Die Hüllen
sollen fallen. Natürlich nicht alle Hüllen – Gott bewahre – nur die Schuhe. Das reicht. Übertragen
auf mich könnte das bedeuten: Ich lasse die Hülle und den Schutz meines vielen Wissens einmal
liegen, streife auch fromme Hüllen und vor allem mein Recht-Tun und meinen Erfolg ab. Einfach
sein dürfen vor Gott – wie ich bin. Mit nackten Füssen, mit der hart gewordenen Haut, dem
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Angstschweiss zwischen den Zehen... Wir können versuchen, mit dieser diskreten Nacktheit und
mit einer gesunden Ehrlichkeit in die Gegenwart Gottes zu treten. Intimität vor Gott tut gut: es
ist ein Mass von Intimität, das wir ertragen können. Eben: nur die Füsse sind nackt.
2. Das Mitgefühl Gottes spüren
Von Gott ist hier ganz menschlich die Rede: „Ich bin heruntergekommen“, heisst es, „ich habe das
Leid gesehen, die Schreie gehört, die Not begriffen“. Im brennenden Dornbusch lässt Gott uns
wissen, dass er voll Mitgefühl die menschliche Not sieht. Das ist die gute Nachricht für uns. „Es
ist angekommen bei Gott, was uns auf der Seele (und dem Leib) liegt“. Voll Mitgefühl neigt Gott
sich uns zu. Dazu drei Anmerkungen:
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Zuerst: Gott wendet sich uns ganz persönlich zu. Was immer uns auf dem Herzen liegt, was
unser Leid auch ausmacht: es ist angekommen bei Gott.
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Dann: Gott wendet sich unserer Gemeinde zu. Ich bin noch nicht richtig angekommen und
habe doch schon viel Gutes, aber auch Schwieriges über diese Gemeinde erfahren. Wie gut zu
wissen, dass Gott sich uns wohlwollend zuneigt und uns zuflüstert: „Ich habe dein Leid gesehen“.
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Schliesslich: Gott neigt sich auch jenen zu, die uns unsympathisch sind. Das Wort ‚sympathein’ bedeutet: Mit-leiden, Mitleid oder Erbarmen haben. Gott wendet sich eben auch jenen Menschen zu, mit denen wir vielleicht kein Mitleid haben, weil sie uns eben unsympathisch und fremd sind. Gott hört auch ihr Leid.
Diese Zuneigung Gottes findet ihren Höhepunkt in der Geburt von Jesus Christus. Gott
kommt in ihm mitten in das Leid der Menschen. Er erscheint in unserem Leben. Uns soll dabei aber auch beunruhigen, wie sehr Jesus Christus sich den unsympathischen zugewandt
hat. In den Augen der Frommen hat es ihn zu den falschen Leuten gezogen.
3. Berufung
Der Moment am Dornbusch wird für Mose zur Berufung. Was zu tun ist, ist zwingend und
sprengt allen menschlichen Mut.
Gott fragt Mose nicht, ober Zeit hat oder ob er sich diese oder jene Aufgabe vorstellen könne. Er
beruft! Ich denke, dass auch uns die heiligen Momente vor Gott in aller Klarheit zeigen, was jetzt
zu tun und zu lassen ist.
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Die Berufung sprengt jeden menschlichen Mut. Sie ist übermütig. Der einfache Flüchtling und
Hirte Moses soll zum Herrscher über Ägypten und über die halbe Welt gehen und ihm sagen.
„Lass mein Volk ziehen“.
Unsere Berufung wird ebenso klar und übermütig sein. Methodisten neigen dazu, die Welt aus
der Kraft ihres Gottvertrauens verändern zu wollen. Warum auch nicht? Ich finde diesen Übermut wichtig und gut. Gott wirkt weit über das hinaus, was ihr uns vorstellen können.
4. Das neue Gottesbild
Wer aber ist das, der einen einzelnen und auch christliche Gemeinden mit diesem heiteren
Übermut beruft? Wer sendet uns in eigenes und fremdes Leid und bietet sogar dem Machthabern und Gewalttätern die Stirne? Der Herr-Gott? Oder der Herr über die himmlischen Heere?
Oder der Allmächtige?
Nichts dergleichen in diesem Text! „Ich bin (für dich) da“. Nur das. Gott heisst: „Ich bin da!“ Die
Fürsorglichkeit Gottes trägt. Genau das will ich heute mitnehmen. „Ich bin da!“ Gottes brennende
Gegenwart begleitet die Welt.
Mit diesem Trost gehen wir in die kommende Woche. Ich lade uns alle dazu ein, uns in diesem
Sinn Gott anzuvertrauen. Wer weiss, brennt uns in der kommenden Woche ein Feuer. Es wäre
schön, wenn wir uns von solchen Erfahrungen erzählen könnten. „Ich bin da“ ist mit uns unterwegs.
Amen.
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