Stefan Moll, Pfarrer 056 221 66 67 / [email protected] Predigt Exodus 3, 1 – 14 Antrittspredigt in Baden vom 16. August 2015 Im Frühjahr habe ich aus der Pfarrerversammlung eine Frage mitgenommen, die mich während der ganzen Zeit des Wechsels von Zofingen nach Baden-Wettingen begleitet hat: „Wo brennt mir ein Feuer?“ Die Frau hat an dieser Tagung von einer Gebetserfahrung erzählt. Sie ist mit anderen Christen in die Stadt gegangen – mit genau diesen Fragen im Herzen: „Wo brennt mir ein Feuer? Wo spricht Gott mich an? Wo fühle ich die Nähe von Gott? Steht irgendwo – im übertragenen Sinn – ein Dornbursch in Flammen, ohne vom Feuer gefressen zu werden?“ Diese Frage hat mich begleitet. Natürlich kann man dieses Feuer nicht suchen, wie man etwa Ostereier oder einen verlorenen Schlüssel sucht. Aber ich wollte wach sein, aufmerksam. Schon in der Bibel hat nicht Mose den brennenden Dornbusch gesucht, sondern Gott zeigt sich dem Moses. Das ist das erste, was ich aus dem Bibeltext für uns alle festhalte: Auch uns mag Gott sich offenbaren. Er kreuzt auch unsere Wege. Vielleicht nicht in einem brennenden Dornbusch. Aber vielleicht in einem Gebet oder in einem Bibeltext. Plötzlich spüren wir das Feuer. Natürlich nicht jedes Mal, wenn wir die Bibel aufschlagen oder die Hände falten! Aber immer wieder. Dieses Feuer kann uns durchaus auch in der Stadt begegnen. Oder im anderen Menschen, in einem Gespräch, vielleicht sogar in einem grossen Streit: plötzlich fühlen wir die brennende Gegenwart Gottes, ohne dass dieses Feuer dabei etwas zerstören würde. Ich habe mir vorgenommen, auf dieses Feuer von Gott her zu achten: Wo habe ich in Baden und Wettingen diese Art Feuer erfahren? Wann brannte mir Gott sozusagen unter den Nägeln? – Nun: Ich habe dieses Feuer durchaus hier in der Kirche gespürt. Mehr aber brennt es für mich auf dem Vorplatz. Gott brennt mir auf der Schwelle zwischen Kirche und Stadt. Dann aber habe ich dieses Feuer in der Begegnung mit anderen Kulturen erlebt: Bei Menschen, die aus mir fremden Ländern zu gewandert sind. Aber auch bei Leuten, die sich durch ihren Lebensstil in einem ganz anderen kulturellen Umfeld bewegen. Ich mag die Kultur der Rocker, vor dem Tattoo-Studio habe ich das Feuer gespürt oder als mich ein Unbekannter zum nächsten Match des FC Wettingen eingeladen hat. Schon etwas früher spürte ich es im Zusammenhang mit Schlagermusik. Eigentlich ist das ja gar nicht meine Musik. Aber ich wurde zu einem Anlass eingeladen – und plötzlich war Gott da: brennend und deutlich. Bei Ihnen kann dieses Feuer an anderer Stelle brennen, als bei mir. Entscheidend ist, dass Gott uns in solchen Sternstunden zu einer Art brennendem Dornbusch wird. Und dass wir dafür – wie Moses – eine gesunde Neugierde bewahren: „Ich will hingehen und sehen...“ Dieses Feuer aus dem Dornbusch kann dem Einzelnen begegnen. Es wird aber auch von Gruppen und vor allem von ganzen Gemeinden gehört. Ich möchte Sie noch fragen, welches Feuer für die Evangelisch-methodistische Kirche Baden brennt. Bei ersten Begegnungen habe ich immer wieder gefragt: Welches Feuer brennt hier in der Gemeinde? Was ist unser gemeinsames prägendes Anliegen? Wofür brennen die Methodisten in der Gemeinde an der Seminarstrasse? – Die Antworten sind bisher unscharf geblieben. Ich werde weiter nachfragen... Niemals können wir dieselben bleiben, wenn Gott uns im Dornbusch brennt. Diese Art Feuer von Gott erschüttern und bewegen uns. Wenn Gottes Feuer brennt, kommt meine oder unsere Welt in Bewegung. Aus dem Text wähle ich vier Gedanken aus, die weiterführend aufnehmen, wie das Feuer aus dem Dornbusch auch uns bewegt. 1. Schuhe ausziehen In solchen Sternstunden, in solchen heiligen Momenten vor Gott sollen wir wie Moses die Schuhe ausziehen. Das ist zunächst ein Ausdruck des Respekts vor dem heiligen Moment. ‚Schuhe ausziehen’ bedeutet für mich auch: Mich preisgeben, Vertrauen haben. Die nackten Füsse gehören zur Intimsphäre. Wir zeigen sie nicht gerne. Vor Gott riskieren wir uns. Die Hüllen sollen fallen. Natürlich nicht alle Hüllen – Gott bewahre – nur die Schuhe. Das reicht. Übertragen auf mich könnte das bedeuten: Ich lasse die Hülle und den Schutz meines vielen Wissens einmal liegen, streife auch fromme Hüllen und vor allem mein Recht-Tun und meinen Erfolg ab. Einfach sein dürfen vor Gott – wie ich bin. Mit nackten Füssen, mit der hart gewordenen Haut, dem 2 Angstschweiss zwischen den Zehen... Wir können versuchen, mit dieser diskreten Nacktheit und mit einer gesunden Ehrlichkeit in die Gegenwart Gottes zu treten. Intimität vor Gott tut gut: es ist ein Mass von Intimität, das wir ertragen können. Eben: nur die Füsse sind nackt. 2. Das Mitgefühl Gottes spüren Von Gott ist hier ganz menschlich die Rede: „Ich bin heruntergekommen“, heisst es, „ich habe das Leid gesehen, die Schreie gehört, die Not begriffen“. Im brennenden Dornbusch lässt Gott uns wissen, dass er voll Mitgefühl die menschliche Not sieht. Das ist die gute Nachricht für uns. „Es ist angekommen bei Gott, was uns auf der Seele (und dem Leib) liegt“. Voll Mitgefühl neigt Gott sich uns zu. Dazu drei Anmerkungen: Zuerst: Gott wendet sich uns ganz persönlich zu. Was immer uns auf dem Herzen liegt, was unser Leid auch ausmacht: es ist angekommen bei Gott. Dann: Gott wendet sich unserer Gemeinde zu. Ich bin noch nicht richtig angekommen und habe doch schon viel Gutes, aber auch Schwieriges über diese Gemeinde erfahren. Wie gut zu wissen, dass Gott sich uns wohlwollend zuneigt und uns zuflüstert: „Ich habe dein Leid gesehen“. Schliesslich: Gott neigt sich auch jenen zu, die uns unsympathisch sind. Das Wort ‚sympathein’ bedeutet: Mit-leiden, Mitleid oder Erbarmen haben. Gott wendet sich eben auch jenen Menschen zu, mit denen wir vielleicht kein Mitleid haben, weil sie uns eben unsympathisch und fremd sind. Gott hört auch ihr Leid. Diese Zuneigung Gottes findet ihren Höhepunkt in der Geburt von Jesus Christus. Gott kommt in ihm mitten in das Leid der Menschen. Er erscheint in unserem Leben. Uns soll dabei aber auch beunruhigen, wie sehr Jesus Christus sich den unsympathischen zugewandt hat. In den Augen der Frommen hat es ihn zu den falschen Leuten gezogen. 3. Berufung Der Moment am Dornbusch wird für Mose zur Berufung. Was zu tun ist, ist zwingend und sprengt allen menschlichen Mut. Gott fragt Mose nicht, ober Zeit hat oder ob er sich diese oder jene Aufgabe vorstellen könne. Er beruft! Ich denke, dass auch uns die heiligen Momente vor Gott in aller Klarheit zeigen, was jetzt zu tun und zu lassen ist. 3 Die Berufung sprengt jeden menschlichen Mut. Sie ist übermütig. Der einfache Flüchtling und Hirte Moses soll zum Herrscher über Ägypten und über die halbe Welt gehen und ihm sagen. „Lass mein Volk ziehen“. Unsere Berufung wird ebenso klar und übermütig sein. Methodisten neigen dazu, die Welt aus der Kraft ihres Gottvertrauens verändern zu wollen. Warum auch nicht? Ich finde diesen Übermut wichtig und gut. Gott wirkt weit über das hinaus, was ihr uns vorstellen können. 4. Das neue Gottesbild Wer aber ist das, der einen einzelnen und auch christliche Gemeinden mit diesem heiteren Übermut beruft? Wer sendet uns in eigenes und fremdes Leid und bietet sogar dem Machthabern und Gewalttätern die Stirne? Der Herr-Gott? Oder der Herr über die himmlischen Heere? Oder der Allmächtige? Nichts dergleichen in diesem Text! „Ich bin (für dich) da“. Nur das. Gott heisst: „Ich bin da!“ Die Fürsorglichkeit Gottes trägt. Genau das will ich heute mitnehmen. „Ich bin da!“ Gottes brennende Gegenwart begleitet die Welt. Mit diesem Trost gehen wir in die kommende Woche. Ich lade uns alle dazu ein, uns in diesem Sinn Gott anzuvertrauen. Wer weiss, brennt uns in der kommenden Woche ein Feuer. Es wäre schön, wenn wir uns von solchen Erfahrungen erzählen könnten. „Ich bin da“ ist mit uns unterwegs. Amen. 4
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