Ein Schauspiel Jakob der Schmied oder die Freiheit zu Wangen Ein Schauspiel Dieter Volkwein 2 Autor: Dieter Volkwein im EIGENVERLAG Illustrationen, Titelgestaltung: Dieter Volkwein Projektabwicklung, Satz & Design: Thomas Ehinger, Wangen Druck & Konfektionierung: Thomas Ehinger, Wangen 1. Auflage, 10/2014, aus Manuscript 2013 Sämtliche Rechte des Druckes, der Vervielfältigung, auch in Auszügen, der Aufführung im Theater oder in sonstigen Medien wie Rundfunk, Fernsehen und Internet liegen beim Autor. © Dieter Volkwein Dr. Dieter Volkwein | Oflingserweg 15 | 88239 Wangen im Allgäu 3 Inhaltsverzeichnis Vorwort 5 Vorszene 9 1. Bild 12 1. Akt / 1. Aufzug 13 2. Bild 28 1. Akt / 2. Aufzug 29 3. Bild 48 2. Akt / 1. Aufzug 49 2. Akt / 2. Aufzug 67 4. Bild 80 3. Akt / 1. Aufzug 81 5. Bild 98 3. Akt / 2. Aufzug 99 6. Bild 114 4. Akt / 1. Aufzug 115 7. Bild 126 4. Akt / 2. Aufzug 131 8. Bild 136 Anhang 141 Bekanntgabe des Schauspiels in der Stadt / Bekanntmachung 142 Gevatter Tod (Sprechlieder des Spielmannes) 143 Der arm Konz (Sprechlieder des Spielmannes) 144 Siegfried und der Drach (Sprechlieder des Spielmannes) 148 Übergabe und Kapitulationsaufforderung Burg Leupolz / Historische Fiktion 150 Rathausanschlag / Historische Fiktion 152 Gedächtnisplakette / Entwurf / Fiktion 154 Gesamtliste der Darsteller / Regie 155 4 Gewidmet meiner Heimat und Geburtsstadt Wangen 5 Vorwort Im Jahre 2015 feiert die kleine Allgäustadt Wangen ein denkwürdiges Jubiläum, die erste urkundliche Erwähnung vor 1250 Jahren! Damit verfügt sie über den ersten, stofflich greifbaren Beweis ihrer beginnenden Existenz. 1250 Jahre Vergangenheit sind wahrlich ein Grund um gebührend zu feiern! Zumal sich aus diesen ersten, in der damaligen Welt wohl kaum bemerkbaren, schwachen Anfängen im Laufe der Jahrhunderte eine Bürgergemeinschaft entwickelte, welche sich bis in napoleonische Zeiten Freie Reichsstadt nennen durfte! So hatten die Bürger einen Sitz im „immerwährenden Reichstag zu Regensburg“ inne und hatten im Konzert der Großen, zusammen mit den mächtigsten Reichsfürsten bei der Kaiserwahl, Gewicht und Stimme. „Die kleine Stadt vor dem Gebirg“ mutierte in neuerer Zeit nach dem Verlust alter Reichsstadtherrlichkeit schließlich zur Oberamtsstadt und wurde in jüngster Vergangenheit wiederum zur Großen Kreisstadt scheinbar aufgewertet. Der Charme und die Anziehungskraft der Stadt jedoch sind ungebrochen und alt eingesessene und neu hinzugekommene Bürger wissen, welchen Schatz sie an ihrem Städtchen haben. Der Fährnisse und Klippen, welche diese Bürgergemeinschaft im Laufe ihrer nun jetzt 1250 jährigen nachweisbaren Geschichte zu umfahren hatte, waren jedoch viele und einige davon waren von äußerster Bedrohung ihrer städtischen und bürgerschaftlichen Existenz. Ein herausragendes, einschneidendes Ereignis in der Stadtgeschichte, welche das schwache Pflänzchen städtischen Werdens und Entstehens bei der Entwicklung juristischer Selbstständigkeit bedrohte, war ohne Zweifel der Überfall des Hans von Waldburg im Juni 1389 mit seinen Kriegsknechten auf die Stadt. Dieser wurde durch die heldenhafte Tat der Wangener Schmiede niedergeschlagen und abgewehrt, eine Tat, derer bis in die Anfänge des frühen 19. Jahrhunderts regelmäßig an Neujahr durch eine die Stadt umschreitende Prozession 6 gedacht wurde. 1802 wurde Wangen durch die Napoleonischen Kriege vorübergehend dem Königreich Bayern zugeschlagen und verlor seine Reichsunmittelbarkeit. Die Prozession, das Gedenken an die tapferen Schmiede, wurde untersagt und ist danach im Laufe der Jahrzehnte in Vergessenheit geraten. 2015, ein Datum an dem man sich vielleicht überlegen könnte, dieses Brauchtum wieder erneut aufleben zu lassen. Warum? 1389, das Jahr des Überfalls auf die Stadt, sollte hierzu kurz unter die historische Lupe genommen werden. Die letzten Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts sind die Zeit einer Auseinandersetzung der aufblühenden Städte mit dem um Macht und Einfluss ringenden Adel. Vor allem die feudalen Regionalherren und mit diesen der von ihnen wiederum abhängende Kleinadel fürchtete um Pfründe und Vermögen. Das Schielen auf den hochkommenden Reichtum der Städte und den nicht aufzuhaltenden Niedergang bestimmter Adliger führten letztendlich zu einem brutalen Kleinkrieg der Städte mit denselben, welcher wiederum ein hemmungsloses Raubrittertum förderte, das auch durch eine schwache Zentralgewalt so gut wie nicht am Marodieren und Plündern gehindert werden konnte. König Wenzel, ein schwacher Trunkenbold und fortgesetzt in Geldnöten, war zuerst auf Seiten des „Städtebundes vom See”, welchem auch Wangen angehörte, kündigte jedoch schließlich auf Versprechungen des Adels diesen auf und verlangte auf Drängen der Adelspartei sogar dessen Auflösung. Eine Entscheidung, welcher sich verschiedene Städte — darunter auch Wangen — widersetzten. Es ging also bei dem Überfall des Truchsess von Waldburg um erneute Abhängigkeit und letztendlich Verlust einer gerade im Entstehen begriffenen bürgerlichen Freiheit! Was wäre ein aktuelleres Thema in unserer Zeit, gerade auch in unserem globalen Miteinander, als der Kampf um die Freiheit! Ein Kampf, der heute so aktuell, wie damals ist. Uns Wangener Bürger muss und darf es mit Stolz erfüllen, dass am Anfang dieser, unserer bürgerlichen Gemeinschaft, der Kampf um die Freiheit von Bür- 7 gern aus unserer Stadtmitte, den Wangener Schmieden, mit Tatkraft und Heldenmut geführt und gewonnen wurde! Dieses hoch zu halten und nicht zu vergessen, daran zu denken,dass Freiheit kein selbstverständliches, sondern sich immer wieder aufs Neue zu bemühendes Gut ist, war der auslösende Impuls für dieses Stück und meine Arbeit. Als eingeborener Bürger dieser Stadt und als Allgäuer eine Bemerkung zum Gut der Freiheit, welche in diesem Stück letztlich die Hauptrolle spielt und möge dies überall gelten: Bleibet dra und lond it luck! Zur Authentizität, der im Stück auftretenden Figuren. Historisch gesichert ist in diesem Zusammenhang ohne Zweifel die Person des Hans von Waldburg, des Weiteren, die des Jäk Pfanner, des ersten 1387 urkundlich erwähnten Bürgermeisters von Wangen und natürlich die, zwar gesichert historisch agierende, jedoch anonym bleibende Gruppe der Schmiede. Ebenso gesichert ist die Person des Burkhart von Stadion, des Burgkommandanten von Leupolz. Die Person des Konrad von Prassberg, des Heinrich von Summerau sowie die des Hans von Rechberg, letztere besonders, stehen jedoch nicht in direktem historischen Kontext mit den geschilderten Ereignissen. Es könnte zwar so gewesen sein, muss und darf letztendlich jedoch als freie dichterische Fiktion und Deutung angesehen werden. Dasselbe trifft auf alle anderen auftretenden Personen, Personengruppen sowie die sie begleitenden Ereignisse vor und nach dem Überfall zu, wobei die Zerstörung und Schleifung der Burg Leupolz wiederum ein gesichertes historisches Faktum ist. Dieter Volkwein 2014 8 9 9 Vorszene Im Dunklen auf dem Postplatz beleuchten Bühnenscheinwerfer einen Kreis in der Mitte desselben. In diesem Kreis ist ein kleines Loch ausgehoben mit rotweißem Plastikband umspannt, eine kleine abgesperrte Baugrube darstellend. Eine junge Mutter mit einem kleinen Jungen, welcher auf einem Roller fährt, hält an der Baugrube an. Der kleine Junge blickt hinein, sieht ein verrostetes Stück Eisen, zieht es heraus und übergibt es seiner Mutter. Kleiner Junge Lue Mamme, wa isch dös? Mutter wirft einen kurzen Blick darauf. Ah komm! Wirf’s weg! A Stückle alts Eise halt! Butz deine Händ ab, du Dreckspätzle du! Oistoils. sie nimmt das Stück Eisen selber in die Hand, dreht es um und schaut es sinnend an. Wa dös wohl sei ka? Sieht fascht aus wia a Blum. Joa klar! Dös könnts gwäe sei, a Lilie! Ha, i gäb was drum, wenn e jetzt sähe könnt was und warum domoals dös Stückle Eise agfertigt worre isch! Wia’s domoals wohl ausgsähe hot und wia’s wohl war in Wange? der Lichtkegel erlöscht und die Scheinwerfer beleuchten die Bühne, auf der sich inzwischen der Herold, zwei Fanfarenbläser und zwei Trommler in Reihe aufgestellt haben. 10 nach einem dumpfen Trommelwirbel und einem schmetternden Fanfarenstoß tritt der Herold hervor. Herold Hochverehrtes Publikum und werte Gäste unserer Stadt Wangen! Hört und seht nun das dramatisch Schauspiel von Jakob dem Schmied und der Freiheit zu Wangen! nach einem weiteren Fanfarenstoß und Trommelwirbel beginnt das Schauspiel. 11 12 13 Jakob der Schmied oder die Freiheit zu Wangen ein Schauspiel 1. Akt, 1. Aufzug Ort: Strasse der Schmiede —Schmiedgasse, Schmiede des Zunftmeisters. Personen: Jakob Pfanner, der junge Schmiedegeselle / Barbara Knill, Kaufmannstochter / Balthasar Griesser, Schmiedealtgeselle / Burkhart Kolb, Zunftmeister der Schmiede von Wangen und Ratsmitglied des Rates der Stadt Wangen. Balthasar Griesser ächzend mit verkniffenem, verzerrtem Gesichtsausdruck, missmutig, spöttisch. Aahh, mehr Luft mehr Luft aufs Feuer, Bruder Jakobus, oder habt ihr keine Kraft mehr in den Armen so früh am Morgen? Jakob Pfanner gibt keine Antwort. Er zieht jedoch kräftig mit beiden Armen den von der rauchgeschwärzten Decke herabhängenden Blasbalg. Balthasar Griesser spricht weiter in spöttisch, gespielt vorwurfsvollem Tonfall. 14 Balthasar Griesser Schaut, schaut! Bruder Jakobus, der Herr des Amboss und des Schmiedehammers war wohl gestern zu lang im „ Roten Ochsen“ gesessen oder gar gelegen? Ich nehme an, Ersteres wohl am Anfang und Zweites wohl betrunken am Schluss! Das Zweite nun, entweder auf dem Boden oder auf dem Strohsack bei der Liesel der Schankmagd. Habt, ihr wohl wieder Eure, bei den Wangenern Weibsleuten schon bekannten blanken Kalbsaugen gemacht und vielleicht gar noch andere Sachen aus Eurem vermaledeiten Hosenlatz gezeigt! Balthasar Griesser lässt jetzt ein lang anhaltendes meckerndes Gelächter ertönen. Jakob Pfanner grinst gelassen vor sich hin. Danach ebenfalls in gespielt vorwurfsvollem Tonfall. Jakob Pfanner Ja, ja, macht Euch nur recht lustig über mich, hochwerter Herr Altgeselle! Ihr könnt schon leicht zotige Rede führen, lieber Baltes! Hab ich Euch doch, wenn ich mich recht erinnere, im Halbdunkeln gestern zur Nacht ganz leise und unauffällig drunten in der Bünd beim Bader in seiner Stube verschwinden sehen! Jakob Pfanner kratzt sich bedächtig am Kopf und schaut dabei, als ob er in Nachdenken versunken wäre nach oben zur Decke. Dann, mit fragender, Unsicherheit heuchelnder Stimme. Oder war’s vielleicht doch nur der Geist des Griesser Balthasar? Gar ein Succubus der sich des Leibes unseres guten Altgesellen in der Dunkelheit bediente, um sich zur Lachnerin, der Bademagd, zu schleichen? 15 schließlich flüsternd beschwörend. Oder gar zu legen? Jakob Pfanner lacht hell auf. Danach spricht er weiter mit aufgeräumt lustiger Stimme. Auch nehm ich an und glaub mich nicht zu irren, aufs Neue erzähltet Ihr dem teuren Eheweib, Eurer geschäftigen Griesserin, der Agnes, die alte Mär von Botengängen für den guten Meister Kolb, welche nicht aufzuschieben seien und natürlich strengstes Stillschweigen von Euch verlangen. Jakob Pfanner tritt nun ganz nah an ihn heran, hört auf mit Arbeiten und flüstert vernehmlich laut. Geschäfte in geheimer Sache, welche nur der Meister mit Euch teilen kann, da ihr doch sein lang vertrauter Altgeselle seid! Jakob Pfanner lacht wieder fröhlich auf und fährt fort, während er dabei seine Arbeit wieder aufnimmt. Und die Agnes glaubt es Euch gar! Euch altem Windbeutel! Soll ich euch hierfür vielleicht gleich die Beicht abnehmen und Euch gar die Absolution erteilen, somit geistlichen Beistand also Euch gewähren? kurze Pause. Jakob Pfanner vollführt lachend eine angedeutete Segensgeste. 16 Wohlan, nach Junggesellenart! Euch sei vergeben! Und die Griesserin wird meiner treu von mir ganz sicher nichts erfahren! Einsteils wenn ich’s bedenk, ein Pakt, und sei er noch so klein, will gern hernach begossen werden! Meint Ihr nicht auch, guter Bruder Balthasar? Wie wär’s im „Roten Ochsen“ heut auf die Nacht vielleicht? Jakob Pfanner schlägt jetzt kräftig und dabei immer wieder auflachend aufs Eisen ein. Ja, ja des Baders Magd hat eine verteufelt gute Oberweite! Und das um Brust und Oberarme! Deswegen also, wenn die Lachner Marie so einen armen dicken Sensenschmied wie dich im Zuber hat, so weiß sie ihn gar meisterlich zu waschen, desgleichen seinen Rücken und den feisten Wanst zu kneten! Von anderem schweigt ein braver Junggesell, dass der also Purgierte jammert und stöhnt vor schierem Wohlvergnügen! Balthasar Griesser hat inzwischen mit dem Schmieden aufgehört. Beide Hände in die Seiten gestemmt, halb belustigt, halb verärgert und dabei den Kopf schüttelnd, hört er zu. Schließlich droht er dem Jakob mit dem Zeigefinger, tritt näher zu ihm heran und spricht. Balthasar Griesser Zügelt Euer Lästermaul Bruder Jakob Leichtfuß, wo der Tag doch grad begonnen! Oder soll ich Euch vielleicht zur Absolution dort hinten durch den Kohlenhaufen ziehen? Der Köhler nämlich hat gestern spät abends noch geliefert. Die Menge also würde reichen, Euch das Maul zu stopfen und Ihr könnt schnell ermessen, was ein dicker Sensenschmied vermag! Das Kohlenschleppen war auch der tiefere Grund für meinen Besuch in der 17 Badstub so spät am Abend noch. Derweilen Bruder Naseweis schon im „Roten Ochs“ am Bier sich labte und ein Geschäft, welches ihm ansonsten angeschafft, den alten dicken Sensenschmied verrichten ließ! Wer zahlt jetzt wem das Schweigegeld, Schlaukopf, so frag ich Euch? Oder muss der arme, dicke Sensenschmied den Bruder Leichtfuß Jakobus Pfanner nicht doch noch beim Meister Kolb verraten? selbstgefällig lachend schaut nun Balthasar Griesser den Jakob Pfanner an, welcher grinsend mit offenem Mund zugehört hat. Schließlich geht er auf Balthasar Griesser zu, haut ihm freundschaftlich auf den Rücken, legt kurz den Arm um ihn und spricht. JakobPfanner Ich gelobe Besserung Bruder Balthasar und weiß auch schon, wie wir dem Übel gar schnelle Abhilfe verschaffen. Wir setzen uns heut zur Nacht beide einander gegenüber auf die Bank im „Roten Ochs“ und jeder zahlt dem anderen, bis jeder hat sein Teil! Jakob Pfanner lässt ihn los und geht lachend wieder an seine Arbeit. Auch Balthasar Griesser nimmt Kopf schüttelnd und vor sich hin grinsend seinen Schmiedehammer wieder auf, macht ein paar Schläge auf dem Amboss und spricht. Balthasar Griesser Das könnte dir so passen, Schelm nichtsnutziger! Einem alten Gesellen den mageren Beutel zu leeren, damit seine Alte ihn danach zu Haus verdreschen kann! Doch man wird sehen. Noch ist die Sonn erst aufgegangen und man kann abwarten, was die Nacht noch bringen mag. Doch jetzt Jakobus vorwärts, schnell, lass uns das erste 18 Sensenblatt zu Ende bringen, denn ich denk der Meister wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. beide beginnen jetzt abwechselnd mit wuchtigen Hammerschlägen auf das Werkstück zu schlagen. Nach kurzer Zeit öffnet sich die Werkstatttür und herein tritt Burkhart Kolb, Zunftmeister der „Wangener Schmiedezunft“. Ein stattlicher, etwas untersetzter Mittfünfziger. Eine hohe Stirn überragt klar und scharf blickende Augen. Das ganze Gesicht wird von einem kurz gestutzten, grau gelockten Vollbart umrahmt, welcher das energische Kinn und den schmallippigen entschlossenen Mund etwas überdeckt. Burkhart Kolb ist gewandet in Ratsherrenkleidung. In der Mitte der Werkstatt bleibt er stehen und blickt sich um. Die beiden Schmiede am Amboss blicken hoch, hören kurz mit ihrer Arbeit auf und begrüßen ihren Meister auf höfliche, jedoch nicht kriecherische Weise. Balthasar Griesser Gott zum Gruß verehrter Meister. So früh schon des Weges? Jakob Pfanner Und in so feinem Gewande! Burkhart Kolb macht eine abwinkende Geste mit der Hand. Geb Euch den Gruß mit Gott gerne zurück, wackere Gesellen, und dank Euch auch hierfür. Ihr seid wie ich seh wohlauf und tapfer bei der Arbeit. Was das Gewand betrifft, so muss ich um die zehnte Stund zum Rat zur Sitzung. Wiederum geht’s um die leidlichen Geplänkel des Bundes gegen die Partei der alten Herren, welche keine Ruh nicht geben und wieder alte Zeit zur neuen machen wollen. 19 während er langsam vor sich hin sinnend ein paar Schritte in Richtung seiner Gesellen macht, spricht er, dabei nachdenklich mit dem Kopf nickend. Und Herrengeplänkel führen, wie jeder wackere Mann doch weiß, gar schnell zum blutigen Gefecht, wenn nicht zum Kriege gar! Jakob Pfanner Verzeiht mir meine unbedachte Rede, Meister Burkhart, doch hatt ich unlängst den Gedanken, wie Ihr und andere Brüder von der Zunft, aus diesem Herrenspiel weidlichen Nutzen ziehen und kräftigen Gewinn aus dieser Sache machen könntet. Burkhart Kolb Frisch, sprecht gerade heraus Jakob, was trieb Euch um? Jakob Pfanner Da es dem Kriegsvolk, vor allem dem zu Fuß, häufig und auch stets aufs Neu’ an scharfem Kriegsgerät gebricht dacht ich, und es wäre in unserer Werkstatt leicht zu machen, dass wir statt einem Sensenblatt in gutem Feuer derer dreie aufeinander schmieden. Unten am Hals, wo sie dann auf die Stang gesteckt, ein guter Widerhaken noch am eisern Ring und fertig ist die trefflich Kriegssens jetzt! Wer sie zu führen weiß, wird wohl so manchem edlen Herrn zu Pferd, wenn nicht gleich an den Kragen, so doch an Wanst und Beinwerk kommen und dadurch eitlen Stolz und unbedachte Willkür gar schnell vom Rösslein hauen! Ein gutes Geschäft wär’s zudem noch in solchen Zeiten und fünf bis zehnmal mehr, als blankes, schlichtes Landmannsgerät ins Spanische zu schleppen. 20 Balthasar Griesser, dem es peinlich ist, dass so ein Jungspund derartiges mit dem Meister zu besprechen wagt, will sich dazwischen mischen, hebt in einer entschuldigenden Gebärde die Schultern. Balthasar Griesser Hört nicht auf seine Flausen, Meister Burkhart, die Jugend hat allzeit nur Grillen und krumme Fürz im Kopf. Und ist ein Tag vorbei, sind es am nächsten Tag schon neue, andere Schelmereien, welche das junge Volk dann in Gedanken zwicken. Burkhart Kolb Nein, nein, Bruder Balthasar, die Jugend fehlt nicht immer! Hab ich doch selbst derlei Gedanken schon verfolgt. Zudem, auch Alter kann von Jugend lernen! Bei dieser Frag jedoch ist Folgendes sorgsam zu bedenken. Kann dies Geschäft die Zunft, der Rat gestatten? Dies zu ergründen ist heut auch die Zeit, in der ich die Sache im Rat zur Sprache bringen will. Zudem von Ravenspurg die Bitte kam, ein Häuflein Wangener Stadtknecht ihnen zur Verstärkung zu entsenden, um vor dem Trupp der Reisigen des Truchsessen, Hans von Waldburg, vermehrt dann Hülf zu haben. er wendet sich jetzt direkt wieder an Jakob Pfanner, zieht einen kleinen Lederbeutel vom Gürtel und wirft ihn mit leichter Geste Jakob zu, welcher ihn geschickt auffängt. Aus diesem Grund, da ich verhindert heut am Morgen, bitt ich Euch Jakob, mir Folgendes geschwind und sorgsam zu erfüllen. Ihr geht zuerst zum Kontor von Gevatter Hinderofen und fragt ihn, ob er Sensen demnächst zum Humpis gen Ravenspurg verlädt. Wenn ja, wie viel er auf die Reise nach Burgund bereit sei, von uns mitzunehmen, 21 vielleicht gar noch ins Iberische. Wir hätten, sofern noch Platz, von unserer Seit dreihundert Blatt zur Fracht. Wenn er bereit von uns Ware zu übernehmen, eilt Ihr behend zu Trossmeister Baldauf, setzt ihn in Kenntnis, dass von uns Ware zusammen mit dem Hinderofenzeug zu verladen und fortzuführen ist. Zahlt ihm hernach zu seinem Wohlverhalten den dritten Teil des Frachtlohns an. Jakob Pfanner will sich umgehend auf den Weg machen als ihn jedoch der Meister mit einem Wink zurückhält. Dann, lieber Jakob, bringt noch in Erfahrung, ob der Transport von bewaffneten Knechten fürsorglich geschützt. In diesen Zeiten wie den unseren ist kein Mann, kein Weib, kein Kind mehr sicher außerhalb der Mauern unserer Stadt! Geschweige denn ein Handelszug, der Wegelagerern fette Beut’ verspricht! Und Jakob, vor Ihr zum Hinderofen geht und durch die Stadt, reinigt Euch Gesicht und Hände und zieht ein anderes Wams Euch an. Ihr seid zwar Schmied und angesehen sind dieselben hoch, doch kann ein aufrechter Mann, wenn er in anderen Geschäften unterwegs, fernab der Werkstatt als wackerer nobler Bürger sich erweisen so, dass es heißt, ei da schaut her! Da kommt der Jakob Pfanner, des Schmiedemeisters Burkhart Kolb trefflicher Junggeselle! ein Lächeln auf dem verrußten Gesicht wischt sich Jakob Pfanner die Hände an sein Arbeitswams, bindet seinen kurzen ledernen Arbeitsschurz ab und entfernt sich mit den Worten. 22 Jakob Pfanner Verlasst Euch ganz auf mich, Meister. Ich werd alles zu Eurer Zufriedenheit besorgen. Zuvor will ich mich jedoch, wie ihr’s mir angetragen ... er lacht hell auf. ... in einen feinen Wangener Stadtbürger verwandeln! geht danach ab. Burkhart Kolb wendet sich jetzt kurz seinem Altgesellen Balthasar Griesser zu, welcher während der ganzen Rede seines Meisters im Hintergrund herumhantierte, ab und zu stehen blieb, aufmerksam zuhörte, um sich danach nur um so eilfertiger wieder seiner Arbeit zuzuwenden. Burkhart Kolb Ja Baltes, ich hoff Ihr seid nicht eifersüchtig auf den jungen Spund! Weiß ich doch sicher, dass Ihr solche Geschäfte zu erledigen den rechten Sinn nicht habt und lieber an der Esse und am Amboss steht. Ihr seid das alte, treue Herz in meiner Schmiedewerkstatt! Wenn Ihr das Feuer hütet, ist Euer Meister ein ruhiger, entspannter Mann, so er außerhalb in Geschäften unterwegs. Und seid gewiss, Bruder Balthasar so lang ich leb ist Euch und Eurer Frau ein gedeihlich Auskommen gewiss! Und gebt es doch zu! Euch liegt genau wie mir der junge Bursch am Herzen! Habt Ihr mit Eurer Frau, wie ich mit meiner, doch dasselbe Schicksal kinderlos zu sein, zu bleiben. Der Jakob ist ein flinker, heller aufgeweckter Bursch und hab mit ihm noch einiges im Sinn. Und mein ich auch, dass er es noch weit bringen kann! Den Heißsporn ihm zu zügeln, helft ihr mir sicher ebenso! Doch ist’s das 23 Recht der Jugend auch, in der Maienzeit des Lebens ganz wie die jungen Hengst auf der Weide herumzutollen. Den anderen ins Fell zu beißen und hoch mit den Hufen auszuschlagen. Doch was red ich Baltes, ich muss mich sputen. Die Arbeit, die zu tun noch heut wisst Ihr, wir sehen uns am Abend, bis dahin sei Gott mit Euch. geht ab. Balthasar Griesser wendet sich wieder seiner Arbeit zu während er den Gruß des Meisters erwidert. Balthasar Griesser Gott mit Euch, Meister, und viel Erfolg im Rat! durch die Seitentür der Werkstatt tritt kurz danach wieder Jakob Pfanner ein. Gewaschen in ein sauberes Wams und saubere Beinkleider gekleidet sowie mit kurzen Stulpenstiefeln an den Füßen. Hinten am Rücken im breiten ledernen Leibgurt ein Langmesser steckend. Während er sich gerade vor dem am Amboss werkelnden Balthasar Griesser lachend in Pose stellen will, unterbricht er mitten im Satz seine Rede, pfeift durch die Zähne, da er durch die offene Werkstatttür die eben vorüberschreitende Barbara Knill entdeckt. Jakob Pfanner Nun, Bruder Balthasar, bin ich nicht ein nobler ... pfeift nochmals durch die Zähne und indem er die Vorübergehende einige Sekunden mit offenem Mund, ein stilles Lächeln auf dem Gesicht, betrachtet. ... hast du gesehen Baltes? Meiner Treu ist das ein Mädchen! Dafür würd’ ich so manches tun, um einen Kuss nur zu ergattern! 24 Balthasar Griesser Das mein Freund schlag dir nur schnell aus deiner ungekämmten, wirren Runkelrübe. Barbara Knill, des vornehmen Kaufmanns Knill schöne jung und reiche Tochter. Das könnte dir so passen, du eitler Knollfink, du! Denn obwohl ein ehrbar Handwerk dir zu eigen, in diesen Stand wirst du wohl kaum gelangen! Jakob Pfanner lacht auf. Ach alter Bärbeiss, du, wer weiß! Nur tumbe Torheit glaubt am Abend, die Zukunft für die nächsten Tage schon zu kennen! er geht zur Werkstatttüre und blickt Barbara Knill lange nach. Nach einigen wortlosen Minuten dreht er sich plötzlich um und spricht mit Zorn in der Stimme. Im Hintergrund hört man Hufgeklapper, erschreckte Rufe und eine versoffen, grölende Stimme rufen. Die Stimme des Ritters Hans von Rechberg. Ritter Hans von Rechberg Packt euch zur Seite ! Tumbes Volk! Aus dem Weg ihr Lumpenpack! Jakob Pfanner Da reitet doch der hochnoble Hans von Rechberg mit ein paar seiner Spießgesellen vorn zum Tor herein! Verdammtes Raubgesindel! Wahrscheinlich wollen die feinen Herren am Marktgeschehen sich erfreuen. Mich dünkt, die Schelmen sind schon angetrunken, da sie die Ross kaum durchparieren und ohne Rücksicht auf die Straßenleut sich ihren Weg erzwingen. So einer sollt mir mal den Herren zeigen wollen! Ich wollt ihm dann ebenso schnell den Stadtbürger 25 aufzeigen! Ihm klar machen, dass die alte Zeit vorbei und die neue ihm nicht mehr gehört in unserer Stadt! Balthasar Griesser wirft zornig den Hammer in eine Ecke und mit ärgerlich lauter Stimme spricht er vorwurfsvoll. Baltahasar Griesser Nun lasst’s gut sein, Jakob, und zügelt Euren Zorn! Das will der Meister Kolb ganz gewiss heut nicht von Euch! Noch sind die alten Herren in der Stadt! Ihr Räubernest ist, wie Ihr wisst, direkt neben der Kirch und vor dem Rathaus aufgebaut. So lang es da, ist auch noch Herrenrecht! Merkt Euch das! Und nun geht endlich des Meisters Auftrag zu erledigen. Jakob Pfanner Ich geh ja schon, ich geh ja schon, guter Baltes! Seid mir nicht gram, dass ich ein bisschen frische Luft jetzt schnuppere! Zumal es ja am Markttag so viel zu riechen und zu kosten gibt! Und wer weiß, vielleicht begegne ich noch mal der allerliebsten Jungfer Barbara, wer weiß! geht ab. Balthasar Griesser ruft ihm nach. Ein Umweg über den „Roten Ochs“ muss heut am Morgen nicht auf Eurer Fährte liegen! aus der Kulisse hört man Jakob Pfanner rufen. 26 Jakob Pfanner Die Nase kennt den Weg! Der Mann folgt nur der Nase! Und Bier riecht köstlich! Balthasar Griesser Jungem Gemüse bleibt doch nur im Kopfe drin, die Lust nach derbem Spaß und hohlem Sinn! 27 27 28 29 1. Akt, 2. Aufzug Ort: Marktplatz der Stadt Wangen. Personen: „Der arme Konz”, ein Spielmann und Sänger, gleichzeitig Anführer einer Gauklertruppe / ein Pfeiffer / ein Handtrommler / ein Sackpfeiffenspieler / ein Feuerschlucker / ein Jongleur / ein Bodenartist / eine Tänzerin / erste Bäuerin – Marktfrau o. Namen / zweite Bäuerin – Marktfrau o. Namen / Dicke Line, eine Marktfrau und Bäuerin / ein Rufer aus der Menge / ein Blinder / ein Lahmer / ein Apfelkäufer / der Ritter Hans von Rechberg / zwei Rufer aus der Menge / der Ritter Bruno von Abensberg / der Rundholzwerfer–Marktstandbetreiber / Jakob Pfanner / Barbara Knill / ein weiterer Rufer aus der Menge. im Hintergrund der aufgestellten Marktstände auf der Bühne und beim Brunnen vor dem Rathaus sieht und hört man eine kleine Musikantengruppe bestehend aus dem die Drehleier oder eventuell die Fidel spielenden und singenden Anführer der Truppe, den „armen Konz”, einem Sackpfeifer bzw. Flötenspieler und einer die Handtrommel schlagenden Musikantin. Die Musik ist bei den nun folgenden Mono- und Dialogen nur ganz verhalten zu hören. Der Spielmann singt das Lied vom „armen Konz“ (s. Anhang). Ein buntes Markttreiben findet statt. Sowohl auf der Bühne, dort aufgeschlagen 2–3 Marktstände sowie weitere auf dem Postplatz vor der halbmondförmigen Sitztribüne in etwa derselben Zahl. Zwischen Buden und Ständen flaniert allerlei Volk jedweder Provenienz wie Kaufleute, Handwerker, Bauern, sonstige Bürger und sog. Rechtlose. Marktweiber und Händler preisen immer wieder mit lautem Rufen ihre Waren an. Zwischen den Buden und Ständen etliche Bettler mit unterschiedlichsten Gebresten. Ein Blinder barfuß, gekleidet in ein verschmutztes, 30 zerrissenes Rupfenhemd, auf dem Kopf die Ruine eines Hutes, tastet sich langsam mit einem Stock in der Rechten, die andere Hand bittend ausgestreckt und einen kleinen irdenen Becher haltend, der ein paar Münzen enthält, zwischen Markständen und Leuten hindurch. Bei jedem Bettelspruch macht er mit der Becher haltenden Hand eine Schüttelbewegung so, dass die darin enthaltenen Münzen ein klapperndes, rasselndes Geräusch ertönen lassen. Im Hintergrund des Marktes bei den Musikern eine Truppe fahrendes Volk, wie z. B. ein Jongleur, ein Feuerschlucker, ein Bodenartist, der auf den Händen balanciert u.s.w., welche mit entsprechenden Rufen die Aufmerksamkeit der Marktbesucher auf sich ziehen wollen. Von dort kommt nun lautes Rufen, da Musikanten und Gauklertruppe zusammengehören. Erster Spielmann Ihr Leut kommt alle her! Schaut euch an, wie unser Bruder Bartolo aus dem Welschland Feuer speit, wie weiland der fürcht’ge Lindwurm dem tapferen Siegfried Feuer spie! Ich sing und erzähl euch die Mär dazu! Zweiter Spielmann Seht unseren Borromeo aus dem Morgenland! Er kann den Leib verdrehen, wie eine Schlang! Und unser feurig´ Maid, Eleonor, aus dem heißen Ibererland schlägt euch den Takt und tanzt dazu ein feurig morgenländisch Tänzchen! nun beginnen alle, eine lustige Weise zu spielen. Gaukler und Musiker bewegen sich dabei im Takt hin und her im Kreise. Die gaffenden, umstehenden Zuschauer werden mit unmisslichen Gebärden aufgefordert, dabei mitzumachen. Der Zug bewegt sich unter dudelnden Sackpfeifenklängen untermalt von Fidel und Handtrommel zu einer einfachen Bau- 31 erntanzmelodie der damaligen Zeit in Richtung auf die Bühne zu. Einige der Marktbesucher haben sich ihnen angeschlossen, vor allem Bauern, welche versuchen, mit schweren, plumpen, schwankend unsicheren Schritten den Tanz der Musiker und Gaukler nachzuahmen und welche immer wieder von den anderen zuschauenden Marktbesuchern mit entsprechenden Gesten nachgeäfft und ausgelacht werden. Die Spielleute spielen nun schneller. Ein alter Bauer, welcher mit täppischen Schritten weiter versucht, sich im Kreise zu drehen, fällt schließlich um und bleibt schwer atmend auf dem Rücken liegend am Boden, dabei mit den Beinen strampelnd wie ein Käfer. Alle lachen und kreischen. Aus der Menge hört man eine Bäuerin rufen. Bäuerin Gevatter Karl. Ihr alter Schluckspecht Ihr, habt wohl das Mostfass mit der Wasserschapf verwechselt heut am Morgen. Wenn die Anna noch lebte, Euer anvertrautes Eheweib, die hätt Euch wohl das Fell gegerbt heut in der Früh! Man glaubt’s ja nicht! Der alte Gailschlund will gar noch mit jungem Fleisch ein Tänzchen wagen! Wenn Ihr der meine wärt, ich würd Euch wohl mit der Haselgerten zum lust’gen Tanz aufspielen! Weitere Marktfrau Seid wohl wieder auf Brautschau, Gevatter Karl! Schaut dort drüben die dicke Line, die könnts wohl mit zweien wie Euch auf einmal aufnehmen! Dicke Line Paah! So ein alter Kuhfraß wie der, den möchte ich nicht mal zum Vorvesper vertilgen! Da bräucht’s schon drei von seiner Sorten! 32 brüllendes Gelächter der Umstehenden. Rufer aus der Menge Ja, ja, die dicke Line braucht Bauernkraft auf ihrem Acker! Wieder lautes Gelächter aus der Menge. Inzwischen hat ein Dieb versucht der dicken Line etwas vom Stand zu mopsen. Sie sieht es und haut mit einem nassen Lappen nach ihm. Dicke Line Du nichtsnutziger, verderbter Höllenfraß, du! Troll dich ganz schnell, eh ich den Büttel ruf! Doch nein! sie läuft so schnell es ihre Leibesfülle vermag um den Markttisch herum. Mit dir Magerspecht werd ich alleine fertig und will dich jetzt ein bisschen walken bis dein Gekrös dich furzend auf der Arschflöt blasen lässt! alle lachen, jedoch der Dieb entwindet sich ihren Griffen und verschwindet in der Menge. Der Spielmannszug ist zwischenzeitlich vor der Bühne angelangt. Der Sprecher und Anführer der Spielleute spielt jetzt allein nur noch die Drehleier und erzählt dabei in einfacher Singsprache das Lied vom „Siegfried und der Drach“ (s. Anhang). Dazwischen hört man die Rufe der Bettler und die der Marktfrauen. Konz, der Anführer der Spielleute singt nun das Lied „ Siegfried und der Drach“ (s. Anhang). 33 Blinder Eine milde Gabe für einen armen Blinden. Pause, tappt weiter. Ich bitt euch, liebe Leut, habt ein Herz für einen Armen. eine Münze fällt in den Becher. Ich dank euch, seid gesegnet, der Herr möge es euch vergelten. geht weiter. Erbarmt Euch, edle Frau, um Christi Willen. Münze fällt. Dank Euch. Der Herr segne Euch für Euer mildtätiges Herz. Erbarmen gute Leut. Lahmer humpelt vorbei an selbst gemachter Krücke geschnitten aus einer Haselnussastgabel, welche oben gepolstert ist durch einen alten Rupfenlappen. Erbarmen, gute Leut, ein paar Pfennige nur für einen armen Knecht. Ich bitt euch Leut, habt Mitleid. Hab Frau und ein Kind noch klein. Hab für den Bund gekämpft. In der Schlacht zu Döffingen zum Krüppel gehauen. Helft ihr mir jetzt! Ich bitt euch, ihr Bürgersleut! 34 eine Münze wird in den alten Hut geworfen, welchen er in einer Hand hält. Dank Euch, edler Herr. Gott segne euch und Eure Nachkommen. während Musikanten und Gauklertruppe sich nun langsam seitwärts bewegen, spielen sie weiter in gedämpfter, verhaltener Weise und der Konz singt dabei in getragenem Sprechgesang das Lied vom „Gevatter Tod“ (s. Anhang). Unter den Gesang mischen sich die lauten Rufe der Marktfrau, der Dicken Line, welche ihre Äpfel anpreist. Dicke Line Äpfel! Frische, saftige Äpfel! Heut morgen erst vom Baum gepflückt! Apfelkäufer So frisch und saftig wie die Euren? Dann nehm ich zwei, mehr passen nicht in meine Händ! Umstehende lachen. Dicke Line Tumbhals und Faulpelz, der Ihr seid! Steigt erst einmal so früh am Morgen auf den Baum und pflückt zwei große Kretten voll, dann könnt Ihr vielleicht freche Rede führen! Stattdessen schlaft ihr auf weichem Pfühl um diese Zeit noch Euren Rausch wohl aus. Trinkschlund, nichtsnutziger, doch sollt Ihr Eure Äpfel haben! Dicke Line verkauft ihm zwei Äpfel. Während er jetzt den Beutel öffnet und nach der Münze sucht, ruft er lachend, gutmütig. 35 Apfelkäufer Habt ihrs gehört, ihr guten Leut, wie mir die hochedel Frau vom Apfelbaum, kaum dass die Sonn am Firmament erschien, die Kappen butzt! Potz Blitz! Was für ein Weib! Dicke Line Ja, Gevätterchen, einen solchen wie dich nehm ich noch allemal gleich vor der Morgensupp zur Brust! Und nun ein Wort zu Euren Händen, edler Herr! Die werdet Ihr gebrauchen, um Euren Wanst zu tragen, an meine Äpfel lass ich solch täppisch Finger nicht! alles brüllt wieder vor Lachen einschließlich dem Angesprochenen welcher sich vor Vergnügen den Bauch hält und während er eine abwinkende Geste macht und lachend vom Marktstand weggeht ertönt weiter der Ruf. Äpfel, frische Äpfel, kauft ihr Leut, für ein paar Heller nur ein ganzes Körbchen voll! am Rande des Marktgeschehens, wiederum am Brunnen bzw. am Rande der Bühne, taucht nun Jakob Pfanner auf. Er geht von Stand zu Stand. Spricht hier mit einer Marktfrau, da mit einem Händler. Prüft bei einem Gürtler die Ware. Macht Witze mit einem Messerschleifer bzw. Pfannenschmied. Manche drohen ihm freundschaftlich übertrieben mit dem Finger. Immer wieder Lachen, freundschaftliche Zurufe, welche zeigen, wie bekannt und beliebt er in der Stadt ist. Er macht Komplimente bei Vorübergehenden. Zieht seinen Hut vor vorüberschreitenden Bürgersfrauen, verneigt sich kurz vor einem Ratsherren, der seinen Weg kreuzt. Nimmt einen etwa gleichaltrigen Freund, welcher ihm zufällig über den Weg läuft, kameradschaftlich um die Schultern und spricht zu ihm ein paar Worte. Verabschiedet sich dann mit einem Schulterklaps. Die Wirkung der Worte 36 sollte mehr an der Gestik und Mimik der Schauspieler abzulesen und nicht unbedingt im Marktgetümmel deutlich hörbar sein, bis Jakob Pfanner vorne an der Bühne am Marktstand der Dicken Line, der Apfelfrau, angelangt ist. Jakob Pfanner über das ganze Gesicht lachend. Gott zum Gruße an diesem prächtigen Morgen, liebe Line! Sagt, habt Ihr nicht für einen armen Sensenschmied ein kleines Äpfelchen zur Labsal seines leeren Magens? Ich schlepp Euch dafür, wenn ich dereinst mal Zeit, die leeren Körbe dann auch zurück zum Hof. er tritt näher an sie heran. Gespielt beschwörend flüstert er ihr so laut, dass alle Umstehenden es hören können ins Ohr. Dabei versteht’s sich gute Line, wenn Euer Mann nicht grad im Hause wär und besser in Geschäften unterwegs, ich hätte nichts dagegen. ohne eine Antwort abzuwarten setzt er nach. Vielleicht könnt gar die Säu er schneiden beim Nachbarn! Ein Handwerk auf das, wie überall bekannt, er sich ganz trefflich doch versteht! Dicke Line gespielt mit dem Finger ihm drohend. Jakob, ihr alter Schwerenöter Ihr! Passt nur schön auf, dass der Meinige nicht Euch jungem Galan blitzschnell und ohne, dass es Ihr 37 groß merken würdet, den „Kleinen Stolz“ abschneidet! Ihr also, eh Ihr die Zucht noch aufgenommen, schon ohne Werkzeug wärt und müsstet kinderlos durchs Leben gehen! Doch geb ich’s zu, welch ein Verlust für eine fröhlich Maidenschar würd das bedeuten! seufzt gespielt tief auf. Ach Schlingel, nehmt Euch doch einen, nein zwei von meinen Äpfeln, was soll’s! Wenn ich dereinst zwei Ellen tiefer lieg, so kann ich wenigstens dem Senser sagen, hab auch dem Jakob Pfanner dereinst mittwochs am Markt zwei Äpfel gern geschenkt! während sich nun Jakob bedient und gleich in einen der Äpfel beißt und den anderen unter seinem Wams verstaut, ruft die dicke Line ihm noch nach. Jakob! Wenn Ihr so über Land am Hof vorbei, kleine Pause ich wär oft da, mein Alter weniger! Ich hätt auch kühlen Trunk für Euch bereit und sonstig Labsal, was halt grad zur Hand. während alle Umstehenden lachen, ruft einer aus der Menge. Rufer Habt Ihr gehört, ihr Leut? Labsal, sagt sie, die Dicke Line! Labsal für den jungen, kräftigen Schmied, sagt sie! Meiner Treu, Jakob, da dürft ihr wahrlich tüchtig Labsal nehmen, wenn ihr hernach der dicken Line noch bei der Hausarbeit zur Hand gehn sollt! Zumal der ange- 38 stammte Hausmann die Hausarbeit seit Wochen und wenn nicht noch länger schon, gar nicht verrichtet! brüllendes Gelächter. Während Jakob weiterzieht, ruft er nochmals zur Dicken Line zurück. Jakob Pfanner Ich dank Euch, liebe Line, und werd dereinst dem Senser, sollt ich ihm denn begegnen, von der Apfelgab berichten. während des Gesprächs ist Barbara Knill an mehreren Marktständen vorbeigeschlendert, hat sich die Waren angeschaut und mit den Händlern geredet – dies jedoch alles nur in Gestik und Mimik – ohne dass die beiden, Jakob Pfanner und Barabara Knill, sich bisher über den Weg gelaufen sind und sich bemerkt haben. Plötzlich jedoch sieht Jakob Pfanner Barbara Knill an einem der Markttische stehen und beobachtet sie unauffällig. Sie macht dasselbe aus den Augenwinkeln. Im Hintergrund hört man inzwischen auf dem Marktplatz wüstes Gegröle und lautes Rufen. Der vierschrötige, schwer angetrunkene Kriegsknecht adliger Provenienz, Hans von Rechberg, mit seinem Kumpan Bruno von Abensberg taumelt durch die Menge, sich dabei immer wieder schwankend an den Markttischen haltend, wobei er einen umstößt, dies unter wüsten Beschimpfungen der Bettler und Krüppel. Die Musik hat inzwischen aufgehört zu spielen. Hans von Rechberg Zur Seite, Hundsfott stinkendes! Den letzten Stump von deinen Zähnen hau ich dir aus deinem Maul, du altes Rabenaas so du demnächst, wenn Herren kommen zur Seite dich nicht packst! 39 Pack dich! Hanswurst, hau dir die Kruck zusammen und dein Gebein dazu! Gemeiner Auswurf, du! hierauf empörte wütende Rufe aus der Menge. Erster Rufer Ein Herr wollt Ihr gar sein? Ihr? Wir sehen keinen weit und breit! Zweiter Rufer Halt da! Doch, doch! Ja, ja, ein Herr! Der! Hans von Rechberg nennt er sich! Und ist doch nur ein lumpiger Fürstenknecht und Leuteschinder! schließlich gelangt Hans von Rechberg zur Bühne und in die Nähe der Barbara Knill und des Jakob Pfanner. Rechberg steht nun schwankend auf der Bühne, geckenhaft gekleidet nach der adligen Mode der Zeit. Ein Federbarett auf dem Kopfe. Am Gürtel im Gehänge ein „Teutsch Kurzschwert“. Schwer atmend durch den zuvor genossenen übermäßigen Wein und Schnapsgenuss schaut er sich um und bemerkt plötzlich die Kaufmannstochter, Barbara Knill, am Stand, welche sich jetzt schnell umdreht und intensiv damit beschäftigt, allerlei Kurzwaren in Augenschein zu nehmen. Rechberg torkelt mit schweren Schritten heran und mit Wein stammelnden Worten greift er sie von hinten um die Taille. Hans von Rechberg Welch schöne Maid auf diesem dreckigen Bauernmarkt. Kommt, liebes Kind, wollt Ihr nicht mit einem Edelmann ein Tänzchen wagen. Musik! 40 während diese verhalten und immer wieder stockend zu spielen beginnt, versucht Rechberg die sich verzweifelt wehrende und laut um Hilfe jammernde Barbara Knill zu küssen und sie am Busen zu begrapschen. Macht doch kein solch Geschrei und führet solch wilde Wehr, wenn Euch, hold Jungfer fein, ein nobler Edelmann will rechte Gunst erweisen. in diesem Moment nimmt Jakob Pfanner den Hans von Rechberg von hinten in den Schwitzkasten, würgt ihn bis dieser die Jungfer Knill loslässt. Danach schleudert Jakob Pfanner den Ritter, nachdem er ihn mit einer Hand am Gürtel gefasst und mit der anderen am Wams, blitzschnell zu Boden. Benommen, schwer atmend, stützt sich der betrunkene Hans von Rechberg auf die Knie und schaut mit stark gerötetem Gesicht und aus verquollenen Augen auf zu Jakob Pfanner. Danach stammelt er schwer atmend heiser. Hundsfott und Lotterbube, der Ihr seid, das sollt Ihr büßen! Ich bring Euch um! Gleich auf der Stell hau ich Euch meinen Kurzhänder in den Wanst und bring Euch bei, was Eure Sitt bei Herren sei! er steht jetzt wieder schwankend auf seinen Beinen und während er sich krampfhaft bemüht, mit trunkenem unsicherem Griff sein Schwert aus dem Gehänge zu ziehen, und die Umstehenden zurückweichen, bleibt Jakob Pfanner ruhig stehen und schätzt mit kühlem Blick und klarem Verstand die Situation ein. Der Freund des Hans von Rechberg, Bruno von Abensberg, welcher die momentane Lage des Adels in der Stadt besser einzuschätzen weiß, versucht vergeblich den Ritter Hans von Rechberg von seinem Vorhaben abzuhalten. 41 Bruno von Abensberg Lasst’s gut sein für heut, Junker Hans! Heut und hier ist nicht der richtige Augenblick dafür! Wir kommen noch zu unserer Sauenhatz! Doch für die rechten Herren steht heut der Wind nicht günstig! Drum lasst ab, ich bitt Euch Junker! Jakob Pfanner indes erwidert darauf und dreht sich suchend dabei im Kreise die Hand vor Augen haltend. Jakob Pfanner Hab’s ich richtig vernommen oder täuscht mich gerad mein Ohr? Spracht Ihr im Augenblick von Herren? Wo sind hier Herren? zeigt auf Hans von Rechberg. Du, ein Herr? dann auf Bruno von Abensberg. Du vielleicht ein Herr? wendet sich an die Umstehenden. Jetzt laut rufend. Seht irgendwo ihr Herren, hier gute Leut, an dieser Stell? kleine Pause, dann weiter. Ja, Leut´ und Bauernschinder seid ihr gewiss! Räuber und Wegelagerer dazu! Landauf, landab, man hört’s so jeden Tag! Ihr, Hans von Rechberg, seid kein Herr! Nein, ein Fürstenhaiter seid 42 Ihr und nicht mehr! Den Arsch zu lecken den hohen Herren dürft Ihr, sonst nichts! Angst vor Euch hab ich mitnichten! Ich brauch nicht mal ein Schwert! Nicht mal mein gutes scharfes Messer, in meinem Leibgurt hinten stecken, brauch ich für Euch, hochedler Ritter! Doch gerb ich Euch gehörig jetzt das Fell! Damit endgültig Ihr von nun an wisst, dass hier zu Wangen der Wind jetzt anders weht und freie Luft in allen Gassen für gute und einfach Leut! Und solche Knecht wie Ihr in unseren Mauern für alle Zeit nichts mehr zu sagen haben! Und Freiheit herrscht für jedermann, der guten Willens und gerecht und städtische Gesetze achtet! benommen, heftig atmend stützt sich der am Boden kniende Hans von Rechberg auf beide Arme und blickt mit glasigen verquollenen Augen auf Jakob Pfanner. Hans von Rechberg Euch stech ich ab! Gleich auf der Stell! Gemeiner Auswurf, der Ihr seid! er steht schwankend auf und während er sich weiter abmüht gelingt es ihm endlich sein Schwert aus dem Gehänge zu ziehen und stürzt sich mit zwei, drei unsicheren Ausfallschritten auf Jakob Pfanner. Dieser weicht behend zur Seite und bekommt von einem der Marktler ein Rundholz zugeworfen mit den Worten. Rundholzwerfer Hier Jack´, fangt auf! Und wenn’s zu Bruche geht, Ihr braucht kein neues Holz mir anzuschaffen! Geb’s ich doch gern für diesen guten Zweck! 43 nachdem er das Holz geschickt aufgefangen, macht er eine vollständige Körperdrehung auf Hans von Rechberg zu und schlägt diesem mit voller Kraft das Holz über den Rücken, sodass dieser niederfällt mit einem lauten Aufschrei, kurz das Bewusstsein verliert und auf Gesicht und Bauch liegen bleibt. Bruno von Abensberg bückt sich und dreht den schwer Benommenen auf den Rücken, dabei blickt er auf und während er Jakob Pfanner ansieht, spricht er mit grimmig verkniffenem Mund. Bruno von Abensberg Das wird dich noch teuer zu stehen kommen, Schmiedlein, des sei gewiss! Jakob Pfanner erwidert darauf nichts. Ein kurzer Blick noch auf den am Boden liegenden, keuchend und nach Luft ringenden, ächzenden Hans von Rechberg, dann geht sein Blick in die Runde und sucht Barbara Knill, welche am Rande des ganzen Geschehens mit verängstigt vor den Mund gehaltener Hand dasteht und Jakob Pfanner anblickt. Dieser macht mit einem besorgten Lächeln auf dem Gesicht ein paar Schritte auf Barbara Knill zu, bis er dicht vor ihr steht. Die Beiden blicken sich nun wortlos einige Zeit in die Augen. Schließlich nimmt Jakob Pfanner ein Weile beide Hände von Barbara in die seinen. Er versucht schließlich mit etwas ungelenker Gebärde eine Haarlocke, welche Barbara bei dem Übergriff auf sie unter der Kopfhaube hervorgerutscht ist, zurückzustecken. Dabei kommt sie ihm jedoch mit einem schnellen Griff zuvor und ordnet es selbst, um danach sofort wieder die jetzt freie Hand von Jakob in die ihre zu nehmen. Jakob beginnt nun in ruhig liebevollem Ton zu sprechen. Jakob Pfanner Ich hoff Ihr seid wohlauf und nicht allzu sehr erschreckt von diesem gemeinen Trunkenbold am Boden da. 44 Barbara Knill Dank Euch, ich bin schon wieder ganz bei mir. Und tausend Dank Euch Schmied für Eure tapfere Tat, mir gegen diesen Unhold beizustehen. Ihr seid fürwahr ein wackerer Mann! Solche Männer wie Euch, kann unsere Stadt in unsicherer Zeit wie dieser gut gebrauchen. Doch muss ich nun ins Haus zurück, die Eltern werden sich schon sorgen, wo ihre Tochter bleibt so lang. Nochmals, ich dank Euch vielmals, guter Schmied. will sich zum Gehen wenden. Jakob Pfanner Ich würd Euch gern nach Hause noch geleiten, doch weiß ich wohl, dass Sitt’ und Brauch, von unseren Altvordern übernommen, es nicht gestatten, dass solch ein Junggesell wie ich, solch liebreizend, unverheiratete Maid, wie ihr es seid, am hellen Tag vor aller Augen kann nach Haus begleiten, ohne, dass Schimpf und Ärger über das Haus dann kommen! Doch einen brennenden Wunsch nur hätte ich! Darf und kann ich Euch wiedersehen? Barbara dreht sich halb im Gehen um. Barbara Knill Ich will Euch Nachricht geben durch meine alte Amme Marthe, sie ist verschwiegen, wie ein Grab. Kommt sie zur Werkstatt Eures Meisters, wird keiner sich den Kopf zerbrechen, nur denken, aha, die Marthe bringt Nachricht oder Auftrag vom Kaufmann Knill zum Schmiedemeister oder Ratsherrn Kolb. Sorgt Ihr nur dafür, dass Euer Altgeselle nicht die Ohren spitzt, denn dieser hat ein Weib deren Zunge von tausend Worten, unwahren Gerüchten, nicht müde wird 45 durch unsere Stadt zu schleichen. Man kennt sie ja, die Griesserin! Doch muss ich jetzt wirklich gehen! Gott schütz Euch, Jakob Pfanner, und seid nicht allzu sehr erstaunt, dass ich Euch beim Namen kenn! Hab Euch des Öfteren doch schon gesehn, wenn ich vom ersten Stock durchs fein geblasne Fensterglas den jungen Schmied beobacht hab, wie er am Markttag seine Späße macht und jungem Volk den Kopf verdreht! kichert verschämt und geht nun endgültig ab. Jakob Pfanner dehnt sich und reckt sich mit ausgestreckten Armen. Jakob Pfanner Einen Luftsprung könnt ich machen und ein laut Juchzen in die Lüfte steigen lassen, wenn ich mich dadurch nicht als tumber Tor vor allem Volk verriet! Das Herz wollt mir vor Freud zerspringen und wie ein Vöglein zwitschernd morgens vor der gülden Sonn, so möcht ich singen! Es trog mich nicht! Hab ich doch den zärtlich Druck von ihrer Hand in meiner Hand gespürt und ihren lieben Blick in meinem Auge. Die liebreizend Maid, ich darf sie wiedersehen! Wie ist mir heut der Tag so herrlich klar, so golden schön! er macht ein paar Schritte, hält inne und vor unbändiger Freude über das Versprechen des Wiedersehens mit Barbara. Das will ich gleich dem guten alten Bärbeiss Balthasar erzählen. Der wird Augen machen wie ein Frosch und wird’s nicht glauben wollen! nachdenklich geht er weiter. 46 Aber nein, darf ich doch nichts zu erkennen geben. Ich hab’s der Jungfer Barbara versprochen! Doch weiß ich, ob mein übervolles Herz die Zung in Ketten halten kann? geht ab. zwei inzwischen vom Ritterhaus am Marktplatz herbeigeeilte Knechte führen nun den schwer humpelnden und ächzenden Hans von Rechberg zusammen mit Bruno von Abensberg durch die Menge Richtung Ratloch. Dabei ertönen immer wieder Rufe aus der Menge. Verschiedene Rufer ... ... Raubgesindel! ... Strauchdiebe! ... Blutsauger! ... packt euch fort! Ein Rufer mit laut hallender Stimme. Und dort, der vermaledeite Herrensitz, das Vogtshaus gleich bei der Kirche, die Schandburg, welche uns nur Licht und Luft wegnimmt, auf die Brust uns drückt gleich wie ein Alp, die muss beiseit! Andere aus der Menge stimmen bei ... ... So soll es sein! ... Geschleift soll sie werden, lieber heut als morgen! ... Wangen soll leben, aber ohne Herren von Burg und Kloster! ... Die Stadt ist frei und frei soll sie auch bleiben! die Musik beginnt wieder zu spielen, alle gehen ab, der Vorhang fällt. 47 48 49 2. Akt, 1. Aufzug Ort: Trinkstube im ersten Stock der Burg des Vogtes und Ritters Heinrich von Summerau zu Leupolz. Personen: Die adligen Ritter, Vogt Heinrich von Summerau / Regionalherr und Ritter, Truchsess Hans von Waldburg / Vogt und Ritter, Konrad von Prassberg / Burghauptmann der Burg Leupolz / Ritter / Burkhart von Stadion / zwei weitere Ritter ohne Namen / eine alte Burgmagd. alle sechs Ritter sitzen an einem großen, schweren Tisch, welcher fast die Mitte des Raumes einnimmt. An der den Zuschauern zugewandten Längsseite des Tisches sitzen in der Mitte Hans von Waldburg, zu seiner Linken Heinrich von Summerau und zu seiner Rechten Konrad von Prassberg. Eine alte Magd geht schweigend reihum und füllt die Humpen mit Wein. Als sie dies beendet hat, blickt sie fragend zu Heinrich von Summerau, dem Hausherrn. Magd Habt Ihr mir sonst noch etwas anzuweisen, Herr Heinrich? Heinrich von Summerau macht eine abweisende Gebärde zur Tür hin. Geht, geht, fragt nicht so viel! Werd Euch schon rufen so wir noch anderes zum Verzehr! Magd zieht sich nach einer angedeuteten Verbeugung Richtung Türe zurück. 50 Und Schwärzlerin noch eines und haltet Euch wohl daran! Dass mir die nächste Stund kein Floh an unserer Türe hustet! Die Herren und ich haben gar Wichtiges zu besprechen und wollen nicht sekkieret werden! Geht das in Euren alten Kopf? Magd nickt leicht. Obwohl, Heinrich von Summerau wendet sich an seine Herrenrunde und lacht hämisch. von Euch kann ja so gut wie keine Gefahr ausgehen! Weiß ich Euch doch so gut wie taub! Darum hab ich auch Euch heut aus dem Gesinde bestimmt für diesen Abend. lacht wieder, alle stimmen ein, beifällig mit dem Kopfe nickend. Anschließend sagt er noch mit betont lauter Stimme. Wenn wir etwas von neuem zu Begehr, so klopf ich dreimal mit dem Stock hier auf den Boden, so wie wir es auch ansonsten halten. Nun könnt Ihr gehen. Magd geht ab. Humpis nimmt wieder Platz und wendet sich an seine Besucher. Itzo, edle Herren, nachdem wir nun traulich unter uns und den Gruß einander zuvor schon unten in der Hall gar freundlichst uns entboten, will unverzüglich ich zur Sache kommen. Der Wunsch uns heute zu versammeln in geheimer Rund wurde vom edlen Junker Hans von 51 Waldburg an mich herangetragen. Gleichzeitig mit der Bitte, Euch allen auf verschwiegene Weise Nachricht von unserem heutigen Treff zu überbringen, so wie ich diesselb für günstig und von Nutzen halt. In jedem Falle so, dass andere Leut von Adel oder gar anderem Stande kein’ Kenntnis nehmen von unserem Treffen heut! Dies scheint, ist mir gelungen und dank Euch hierfür an dieser Stell, dass Ihr mir Ehr und Folge leistet heut zu dieser ausgemachten Stund. Doch will ich itzo, eh mir das Maul wird fransig und die Zung am Gaumen klebt, die Red an Hans von Waldburg übergeben. Zuvor jedoch ein kräftiger Schluck auf Euer Wohl und das, was wir heut vielleicht zu Wege bringen. Zieht kräftig auf, Ihr edlen Herren, es ist guter Falernerwein, kein saurer Most aus unserem Gefild! alle heben nun ihre Humpen und trinken Heinrich von Summerau und einander zu. Versammelte Runde der Ritter Auf Euch, Herr Heinrich und unser aller Gesundheit und Wohlergehen! Hans von Waldburg steht nun auf, blickt sich kurz mit prüfendem Blick in der Runde um und beginnt zu sprechen. Hans von Waldburg Auch ich dank euch für euer Kommen edle Vettern und weiß den Einsatz wohl zu schätzen. Folgend Tun hab ich im Blick und sollte dies gelingen, wird’s auch für euch ein Schaden ganz gewiss nicht sein! Um nichts Geringeres geht es, als die Stadt Wangen zu bezwingen, der ich, wie ihr wohl wisst, vor Zeiten die Fehde schon erklärt und der ich mich nun endgültig und für immer zu bemächtigen gedenke. 52 Nachdem die Reichsacht neuerlich verhängt vom König Wenzel und zudem vom Bund der Seestädt’ ausdrücklich gefordert und nachdrücklich verlangt wird, dass dieser sich endgültig und für immer löse, ist itzo die Gelegenheit zuzuschlagen so günstig, wie niemals zuvor. Der König schwach, ein hemmungsloser Trunkenbold dazu, in Geldnöten seit er auf dem Kopf die Kron’, hat er sich wieder auf unsere Seit geschlagen, den Städten zum Ärger und zum Trutze. Wir packen die Gelegenheit beim Schopfe jetzt, so wir noch alle Sinn beisammen haben! Deshalb hab ich denen zu Wangen, desgleichen denen zu Ravenspurg die Fehd’ erklärt. Auch muss ein Exempel statuieret werden für die dreist und freche Schmach wie ihr wohl wisst unlängst an meiner Burg vor ravenspurgisch Mauern! Und, er haut dabei vor Zorn kräftig auf den Tisch. Gehorsam und Respekt, an welchen es gefehlt so viele Jahr, zurück muss und soll von Neuem wieder vor uns Herren sein! erregt wirft er beim Aufstehen seinen Stuhl um und geht einige Schritte vor den Fenstern auf und ab, während ihn die anderen schweigend beobachten. Schließlich bleibt er vor einem der Fenster stehen, schaut wortlos einige Augenblicke hinaus und beginnt erneut zusprechen. Schau ich von hier gen´ Wangen, fällt mir ein, Herren wollen sie dort jetzt alle sein! Vom Kaufmann bis zum Pfannenschmied, vom Ratsherrn bis zum Stadtknecht! Gar alle kennen nur ein einzig Lied, Herren wollen wir jetzt sein und das zu wiederholen werden sie nicht müd! 53 dreht sich wieder um und geht von neuem zum Tisch zurück, währenddessen er weiterspricht. Sagt doch selbst, edle Vettern, das ist wider Gottes Ordnung und höheren Plan, so wie’s gerichtet war seit urdenklichen Zeiten! Der König oder Kaiser an der Spitze, so weit, so gut! Dann Adel und höher Geistlichkeit, schließlich das Volk wie Kaufleut, Handwerk und der Bauer. So ist’s gerecht und Gott gewollt! Sagt selbst! alle stimmen lautstark bei. Ritterrunde Recht habt Ihr, Junker Hans! Ja, so ist’s bei Gott! Hans von Waldburg fährt fort. Hans von Waldburg So will ich also vom gemeinen Manne auf der Straßen bis zu den reichen Pfeffersäcken und den frechen Räten in der Stadt wieder Gehorsam und Unterwerfung fordern! Die Huldigung will ich am Marktplatze auf das Neue vor allem Volk entgegennehmen, so wahr ich der Truchsess Hans von Waldburg bin! Von Gott, vom König seit Geschlechtern gesetzt an diese Stell. Zuerst den Welfen, dann den Staufern, schließlich der habsburgisch Macht verpflichtet und als Vasallen auf Ehr und Treu gedient all die Jahrhundert lang, soll ich mich nun geizigen, dicken Pfeffersäcken, anmaßend Handwerksmeistern und tumbem und gemeinem Volk als Schwächling erweisen und zum Gespött gar werden? Niemals! schaut danach in die Runde. Alle nicken zustimmend heftig. 54 5. und 6. Ritter Fürwahr, es muss etwas geschehn! Die alten Zeiten müssen neu aufgerichtet werden, eh unsereins gänzlich verdirbt! Heinrich von Summerau Recht habt Ihr, Junker Hans! Schon längst wäre diese Umkehr in des Königs Gesinnung von Nöten gewest! Oder soll der gesamte Adel zu Grunde, gar betteln gehen? Burkart von Stadion Womöglich beim Ochs am Pflug noch selbst dahinter laufen und ihm ins Arschloch blicken! Konrad von Prassberg Sie werden immer frecher! Kann ich’s doch stets auf’s Neue sehen, wenn ich die Stadt besuch und im gallisch Vogtshaus am Platze bei St. Martin mein Bleiben nehm für einige Zeit. Hans von Waldburg Gemach, gemach, Herr Konrad. Vielleicht kommt bald schon die Zeit wo Ihr dies ansehnlich Gemäuer ganz vom St Galler Abt erwerben könnt! Ein Teil davon gehört Euch schon und deshalb ist dies Haus auch noch in meinem Plan! Heinrich von Summerau Nun, Junker Hans, der Zustimmung von unserer Seit seid Ihr gewiss wie Ihr ja seht, doch wie ist Euer Plan? Die Stadt ist gut befestigt, mit Mauern wohl umgürtet und allerlei kriegerische Knecht darob zum Schutze ihrer Bürgerschaft. Wie also sich der Stadt bemächtigen? 55 streicht sich nachdenklich den Bart. Mir scheint, das wird kein leichtes Unterfangen, zumal Ihr doch ein Haufen Kriegsvolk für Ravenspurg schon requirieret. Woher also wollt Ihr die Reisigen für Wangen nehmen? Zumal doch all die Häuflein Spießgesellen jeden neuen Tag, ohne sie einmal nur zugestochen, ein kläglich Loch in Euren Beutel fressen werden, das immer größer wird! Hans von Waldburg Recht habt Ihr, Herr Heinrich, ein leichtes Beutemachen wird es nicht! Doch wenn es gut bedacht, sorgfältig abgestimmt, sollt es uns trotzdem gar prächtig und wohl gelingen. Doch jetzt die genaue Red’ zu meinem wohl durchdachten Plan. Nachdem ich so an die fünfhundert Reisige aufgebracht, an mich gebunden und ein Handgeld, dies nicht zu üppig, hab bezahlt, teil ich sie auf in drei Fähnlein von je einhundertfünfzig Mann. Die anderen fünfzig, die Besten, im Waffenhandwerk durch und durch geübt, dreißig davon zu Fuß mit Spieß, Kolben, Axt und Schwert, ein jeder ein geschickter Knecht. Die anderen zwanzig davon beritten und bewaffnet wie das Volk zu Fuß. Dreien von meinen besten Waibeln, die mir von Döffingen her noch gut im Sinn, geb ich Befehl gen Ravenspurg loszumarschieren. Schließlich die Stadt nur so zum Schein an drei Mauerstellen mit Sturmleitern und anderem Gerät zu attackieren. Zwei der neuen Feldschlangen sind bis zu dieser Zeit auch noch zur Stell sodass, wenn sie mit fürchterlich Gebrüll ihr Maul aufsperren, wohl manch Ravenspurgerlein glaubt, gar ein Höllenschlund wurd aufgerissen und endgültig die letzte Stund für ihn sei jetzt gekommen! Ein paar wenige Tag davor lassen wir die Fähnlein Fußvolk und Be- 56 rittene mehrfach die Gegend vor der Stadt mit Trommeln und Pfeiffen perlustrieren. So, und ihr könnt dessen sicher sein, Kaufleut und sonstig Volk, das über Land des Kriegsvolks ansichtig wird, gleich gen Ravenspurg wird schnelle Nachricht davon geben. Und diese dann auch, so sicher wie das Amen in der Kirche ist, sogleich zum Seebund und was davon noch vorhanden, schicken werden. Also auch gen Wangen! Item danach den Rat von jeder Stadt inständig bitten, um Kriegsvolk zur Verstärkung zu entsenden. Auf diese Weise wird, ohne dass wir einen Finger krumm, auch Wangen vom Kriegsvolk zur Gänz’ entblößt. In diese weiche Stelle werd ich nun mit meinen besten Knecht und Rittern, wie vorher Euch schon angesagt, mit aller Macht und Gewalt einfahren und die Stadt, und dessen bin ich sicher, im Handstreich nehmen. Das Mannsvolk, welches dennoch in der Stadt zur Stell, wie alte Leut und ein paar junge Burschen, von den Weibern ganz zu schweigen, werden wir vorher durch andere List noch aus den Mauern locken. Item wir der Haid zu, desgleichen oberhalb des Buchenwaldes welcher thronet über der Stadt beim Peterstor die Felder, Gärten, welche liegen gen Prassberg zu, in Brand dann stecken, desgleichen der Stadtleut Obstbäum überall anzünden. So kommen sie ganz sicher wie Ameisen gerannt, den Feuersbrand zu löschen, um die Ernt zu schützen. Um zu retten, was noch zu retten ist. Deshalb dadurch die Reisigen ein Leichtes haben, etliche der Leute zu scharmützeln und sie zusammenhauen können. Desgleichen diejenigen bei der Flucht auf’s Engste zu verfolgen. Deshalb die Torwach den Fliehenden die Tore öffnen werden und wir so dieselben samt Torwach überrennen können und das zweit Tor von Innen auch nur zum Scheine brechen müssen durch eine weitere List, die ich getroffen. So hab ich unlängst für diesen Zweck schon einen von der Torwache 57 bestochen! Der Schelm will eine von meinen leibeigen Küchenmägd zum Weibe haben und Lossagung vom Leibgeding. Hab’s ihm zugestanden und versprochen, wenn er die Tor für uns so richtet, dass wir geringe Müh nur haben sie aufzubrechen, ist seine Frau gleich frei und er kann zieh’n, wohin immer er es wünscht. Wenn er Verrat uns bringt, auch das noch sagt ich ihm, lass ich die Magd ertränken und ihn bei Mondlicht nächtens von zwei Rösslein in die Länge zieh’n. Ihr edlen Vettern, sind wir erst in der Schmiedegassen dann, sind wir sogleich auch mitten in der Stadt und vor dem Rathaus angekommen! hört auf zu sprechen, nimmt einen tiefen Schluck und schaut sich triumphierend um. Konrad von Prassberg So weit, so gut, Junker Hans! Wir sind nun drinnen in der Stadt. Doch was geschieht, wenn Gegenwehr und Wut, auch Mut der Bürger größer als gedacht? So sind wir mitten in der Falle! Auch fünfzig kampferprobte Kriegsknecht sind vom wütend Volke zu erschlagen! Was dann, wenn’s anders rum geschieht, sagt an? Hans von Waldburg Hab auch an dies gedacht und Recht habt Ihr, edler Vetter Konrad! Es könnt tatsächlich eine Lag entstehen, die von der Katz zur Maus uns macht. Welch eine kluge List vollbringt die Maus in solcher Lag, sagt mir? alle schütteln unsicher mit dem Kopf, zucken verlegen mit den Achseln. Selbstsicher lacht Hans von Waldburg auf. 58 Ich will’s euch sagen, liebe Vettern, das vogtisch St. Gallisch Lehenshaus ist unser doch bei der Kirchen am Platze vor dem Rathaus. Ein Zeichen noch der alten Herrenmacht! Lieber Konrad, lacht laut auf, macht dann spöttisch süffisant weiter. Edler von und zu Prassberg, ein Mäuslein aus dem Keller dieses Hauses hat mir seit einiger Zeit gepfiffen, dass der brave Junker Konrad, der grad wieder in Dukatennöten, dabei ist, einen Gang zu graben hinüber zu St. Martin. Die Schatzkammer will er, so flüsterte das gute Mäuslein mir, plündern und ein geheimer Auflass wär zudem, wenn’s dann vollendet, gleich hinten beim Altar. lacht dröhnend wild auf, desgleichen die anderen. Dann steht er auf und haut Konrad von Prassberg zustimmend anerkennend auf die Schultern. Konrad von Prassberg verlegen lachend, weil er sich ertappt fühlt, nimmt einen großen Schluck aus seinem Weinhumpen, wischt sich den Bart, grinst verschlagen und mit einem Augenzwinkern in die Runde und blickt schließlich zu Hans von Waldburg. Was sollt ich jetzt die Sünd der Lüge auf mich laden? Ja, Ihr habt Recht, mein guter Vetter Hans. Seit vielen Wochen schon wird die geheime Plackerei an diesem Werk vollführt. Wenn es denn gut gelungen, und ich zweifle nicht daran, wird’s uns, nebst der verschieden Edelstein manch Silber und gar Goldgerät in unsere Truhe bringen. Das Mäuschen, von dem Ihr erzählt, welches Euch dies Lied gepfiffen, indes glaub ich zu kennen! Es ist ein Knapp aus dem tyrolisch Schwaz, den ich für meine Arbeit 59 unter der Erd in Dienst genommen, weil er Erfahrung und das Wissen hat im richt’gen Röhrenbau und, welchen Ihr zuvor, beim neuen Brunnenbau der Burg zu Thann, unter Vertrag genommen. Dieser hat, wie es mir scheint, von Euch für’s Mäusleinpfeifen ein paar Bractate mehr bekommen, als wie von mir für nächtlich Mäuseplackerei. lautes Lachen von allen. Sie trinken alle sich zu. Hans von Waldburg Und wie weit ist Euer unterirdisch Tun gediehen, sagt an? Konrad von Prassberg Ein paar wenig Tage noch und der Durchbruch ist geschafft. Obwohl, die größt Beschwernis war’s, die Erd und Stein ohne das geringste Aufsehen ans Tageslicht und draußen vor die Stadt zu bringen und danach Holz zum Stützen wieder rein. Der Torwach wurde halt erklärt, wir bauen einen neuen zusätzlichen Keller für das Kloster in St. Gallen und Lager für zusätzlich Handelsware und zudem die anfallend Erd und Stein sei just für sie doch gut zu gebrauchen beim Bau der neuen Mauer unten in der Bünd nah bei der Argen. lacht schadenfroh hell auf. Sie haben´s geschluckt, bis auf den listigen Fuchs, den hochedlen Hans von Waldburg! Doch, lieber Hans, sagt an, was wollt Ihr denn mit dem unterirdisch Gang zur Kirch, wo Ihr doch nach Euerem Plan durch Überrumpelung dann schon mitten in der Stadt ja seid? 60 Hans von Waldburg Ich sagt es Euch schon an, auf alles sollt ein gescheiter Mann gewappnet sein! Und kocht Volkeswut erst richtig hoch, ist sie nicht von solch erheblicher Gefahr, dass sie schließlich auch einem guten Plan kann schnell den Garaus machen? Deshalb wir also in Bedrängnis kommen sollten nach unserem überraschten Einzug ... lacht höhnisch auf. ... und sind mitten in der Stadt, ziehen wir langsam uns zurück ins gallisch Amtshaus und schleichen uns über den Gang, von dem dato bisher, so hoff ich, noch niemand weiß, schön einer nach dem anderen uns unter der Erd zur Kirch. Zuvor jedoch, damit keiner gleich ins Haus uns folgen kann, wird von den letzten dreien ein Feuerchen gelegt. Der Stoff, wie Öl, Pech und Reisigbündel muss in Bereitschaft liegen, damit das Feuer schnell entzündet. Während sie nun am Löschen, aus Angst der Brand springt über auf die Stadt, greifen wir, nachdem die Kirch wir schnell verlassen, von hinten und von zwei Seiten um die Kirch herum sie an mit je fünfundzwanzig Mann ohne, dass sie uns erwarten und schlagen drein ohn’ Gnade und Erbarmen und hauen so den kläglich Rest, welcher noch in der Stadt gewest, zusammen. Bürgermeister und der gesamte Rat wird gleich danach aufgebracht und in Ketten gelegt. Allein zwei, drei Namen sind zu verschonen. Sind Handelsleute, die uns von Nutzen sind und unserer Sache dienlich. Zu diesem Zeitpunkt nenn ich sie Euch noch nicht. Dazu ist später noch genügend Zeit. jetzt macht er mit den Fingern die „zahlen“ Geste. Vor allem sollen die Pfeffersäcke Verhandlung führen, wie hoch die 61 Summe von Silberbractaten zu sein hat, die sie, die feinen Wangener Bürger, als Lösegeld für ihren Bürgermeister und ihre Rät’ bereit sind, auf den Tisch zu legen. grinst breit, haut kräftig auf den Tisch, lacht laut, schaut sich danach wieder in der Runde um. Es können ruhig auch ein, zwei Säckchen glänzend schimmernd Goldstückchen sein. Ich glaub auch ihr, edle Vettern, hättet wohl nichts dagegen, so nehm ich an! danach erhebt er sich, schiebt seinen Stuhl zurück. Seid nun denn ihr bereit, ihr edlen Herrn vom guten Blute, der Stadtschlang endgültig den Kopf vom Rumpfe abzuhauen und danach die Ernte einzufahren in unsere Scheuer, dann lasst’s mich lautstark hören! hält sich links und rechts die Hände an die Ohren, als ob er angestrengt lausche. Alle springen auf und rufen. Alle Wir sind bereit, Junker Hans, und dies zu der Zeit, die ihr alsbald uns kündet! Hans von Waldburg Sollt die Tat uns gut gelingen, will ich auf dem Hügel, der zwischen Weihersumpf und Stadt gelegen und den das Buch sie nennen, eine trutzig Feste bauen. Die Lag ist trefflich gut! Zwei gewichtig Handelswege, die sich dort vor der Stadt miteinander kreuzen. Diese gute 62 Stell muss fest und bleibend in wehrhaft edle Händ zurück! Denn Zoll und Schutz ist nur bei uns von alters her zu haben! Wer mit mir ist, dem wird’s sein Schaden nicht sein, sind wir doch alle Vettern und von bestem Blute! Den Tag des Überfalls, den kenn nur ich! Doch lass ich euch durch Junker Konrad, dem ich den Tag zu gegebner Zeit erklär, gleich danach Nachricht und Signal über einen zuverlässig Boten zukommen, sodass ihr zur rechten Zeit dann all gewappnet seid. Also, Junker Konrad, Euch gebe ich den Tag und auch das Losungswort bekannt an Bonaventura in der Kapelle zu Herfaz, wo wir uns in der Dämmerung treffen mögen. In Kleidung und Aussehen gewandet wie zwei Bauersleute wird uns zu dieser Stund in der Kapelle ganz sicher niemand erkennen. Es ist selten jemand, ach was sag ich, so gut wie nie ein Mensch vor Ort! Und noch eines, edle Herren, kein Sterbenswörtchen zu irgendjemand! Geschweige denn zu euren Weibern! Denn dann könnt ich es gleich am Marktplatz zu Wangen auf die Tafel schreiben. Auch macht keinen Aufruhr mehr in irgendeiner Sache! So wie vor kurzer Zeit der Rechberg und der Abensberg zu Wangen. Derartig Tun wie sie es unternommen, schadet unserer Sache nur, weil sie Wut und Empörung unters Volk dann bringen und dadurch unnötig nur die Aufmerksamkeit erregen. Auch brauch solch grölend Trunkenbolde ich nicht mehr in meiner Näh. Sagt ihnen also, dass sie mich besser meiden und mir tunlichst aus dem Wege gehen, vorerst. Jedoch beim Sturm auf Wangen kann ich solch üble Schlagtod zu Pferde gut gebrauchen! Vor allem, wenn sie im Zorn gar glauben, noch alte Rechnungen begleichen zu können! Stellt sie also im Tross an die Plätze, wo das Getümmel anfänglich wohl am größten. Um solche Herren weint danach keiner eine Trän! 63 lehnt sich zurück. So, das wär’s, ihr Herren für den Augenblick. Kehret nun wohlbehalten zurück in eure Wohnstatt und habt gut Acht, wenn Nachricht kommt von mir. will aufstehen, jedoch Heinrich von Summerau hält ihn zurück, klatscht in die Hände, geht an die Tür und ruft nach der Magd. Heinrich von Summerau Nicht doch, nicht doch! Junker Hans auf dieses Tun, das wir so trefflich geplant heute zur Nacht, will noch so mancher gute Humpen getrunken sein, damit es gut gelinge! zur Magd, welche inzwischen eingetreten ist. Schwärzlerin, bringt mir zusammen mit dem Hausknecht das angestochene Fässchen Falernerwein, damit wir vollends ihm den Garaus machen. S’ist heut ein guter Grund dafür! Die Rechnung geht an den Rat nach Wangen! alle lachen und schlagen bestätigend auf den Tisch. 64 65 66 67 2. Akt, 2. Aufzug Ort: Platz vor dem Marktbrunnen. Personen: Jakob Pfanner / Barbara Knill / zwei Stadtwachen. Jakob Pfanner steigt von der Bühne herunter und geht in schnellen Schritten dabei immer wieder innehaltend, den Kopf nach allen Seiten drehend um zu lauschen zu dem mit Barbara vereinbarten Stelldichein, dem Marktbrunnen. Dort macht er halt, seufzt und beginnt zu sprechen. Ach wär die Woch so lang mir nur wie sonst ein Tag, so könnt ich meine Barbara viel öfters wiedersehen! Was ist aus mir, dem lustigen Schmied geworden, der um sich die Leut so oft erfreut mit losen Späßen? Lustig bin ich zwar zu Zeiten wieder, doch nur, wenn ich Nachricht erhalt von ihr, an welchem Tage ich sie wiedersehe und endlich die Stunde weiß, die dafür ausgesucht. Ist dann das Stelldichein vorbei, erklinget stets von Neuem dieselbe trüb schwere Melodei in meinem Herzen, die schwer auf meine Seele drückt und mich in dunkel Betrübnis stürzt. Mehr noch, mit tiefer Schwermut mich gar in Ketten schlägt. Sodass ich meint, vor Sehnsucht nach der lieben Maid müsst ich vergehen. Niemals zuvor hätt ich gedacht, dass ein Gesicht mit tausend Runzeln mein Herz zum Klopfen bringt und Sprünge machen lässt wie in der Stunde, da die alte Amme meiner Barbara urplötzlich vor mir steht, wenn ich geschäftig am Feuer steh und Eisen schmied, um mir vom Maidlein die ersehnte Botschaft endlich zu überbringen. Doch heißt es Vorsicht und kluge Umsicht haben! Des Altgesellen Frau, die Griesserin, darf nichts erfahren! 68 Zumal böses Geschwätz und übel Gerücht ganz nah bei ihr. Oft sag ich dem Baltes eben, sie bringet Nachricht mir von einer Dienstmagd aus dem Haus des Kaufmanns Knill. Bisher, so scheint, ist mir die Täuschung gut gelungen, weiß er ja, dass ich früher oft ein loser Schelm! Und so hoff ich, dass die falsche Fährt den Baltes und sein Weib mit Blindheit schlägt. So lange, bis mein Oheim, der Jäk Pfanner, welcher Bürgermeister ist in unserem guten Wangen, vielleicht sich beim Vater Knill für mich verwenden könnt und mich empfehlen. Doch weiß mein Oheim von diesem Plan noch nichts zu dieser Stund. Hab auch kein Herz bisher gehabt, mich ihm darüber offen zu erklären. Der Weg scheint mir noch weit und viele Steine mögen ganz sicher auf ihm liegen. Doch wagen will ich es auf jeden Fall und meine ganze Kraft drein legen, dass Barbara und ich am Schluss mit unserer Liebe siegen! Doch will ich jetzt nicht weiter lamentieren. Heut ist fürwahr kein Grund hierzu! Heut werd ich sie ja wiedersehen, in meine Arm sie schließen, danach flugs küssen ihren süßen, kleinen Mund! Doch still! Ich glaubte Schritte grad zu hören. Schnell will ich mich verbergen hier am Brunnen, wo die Natur üppig Gebüsch ließ wachsen. laut flüsternd spricht er jetzt zum Publikum. Und wenn sie es war, die liebe Maid, so will ich schnell dreimal den Ruf des Turmkauz imitieren, so wir es getan die letzten Male und sie ganz sicher dann erkennen kann, dass im Stockdunkeln kein Fremder ihrer harrt und schlimm Erschrecken zu ihr bringt, sondern ihr Jakob ist´s, der voll der überschäumend Freude hier hinterm Strauche auf sie wartet! Doch jetzt endgültig still! Pst, Pst! Die Schritte sind schon nah! 69 er versteckt sich jetzt schnell hinter den am Brunnen aufgestellten Büschen. Barbara tritt auf. Zögernd geht sie einige Schritte in Richtung Brunnen. Schließlich bleibt sie vor ihm stehen und sieht sich vorsichtig suchend um. Barbara Knill Glaubt ich nicht grad vor ein paar Schritten, einen Schatten hier am Brunnen zu erkennen? sieht sich wieder suchend um. Doch täuscht ich mich, niemand ist da, auch nicht mein lieber, guter Jakob. So komm in Furcht ich gleich. Eine Maid allein im nächtlich Dunkel und nur die alte Amme allein weiß, wo ich zu dieser Stunde bin. sieht sich wieder nach allen Seiten um. Nein, mein lieber Jakob ist nicht da. Noch nicht, so hoff ich fest und dessen bin ich fast gewiss, sagt mir die alte Amme doch, dass er vor Freud und Ungeduld den heutigen Tag kaum noch erwarten würd. Wie ging’s erst mir! Als ich am Morgen aus tiefem seligem Schlaf erwacht, fing gleich mein Herz zu klopfen an, als ich daran gedacht, heut seh ich ihn am Abend! Der häuslichen Verpflichtungen, die eine gute Tochter hat, kann ich mich oft nicht recht besinnen, so ist mein Herz bei ihm, wenn er nicht da, und wir nicht mehr zusammen. Was zudem das übervolle Herz belastet, ist, dass es gilt mit niemanden darüber zu sprechen ehe die Stunde dafür günstig. Weder der Mutter noch dem Vater kann ich mich eröffnen und ich betete in Sankt Martin zur Lieben Frau, dass sie mir Botschaft schickt im Traum durch 70 einen Engel wie ich es unterfangen soll, dass alle uns gut gesonnen wären. Und doch,es ist herrlich dies Gefühl, das mir die Brust fast sprengt vor Glück und das ich für kein Silber und auch kein Goldgeschmeid mehr missen möchte. man hört jetzt den dreifachen Ruf des Turmkauzes. Doch still! Hört ich nicht den Ruf des Kauzes jetzt ganz nah? fragend – flüsternd. Jakob? Jakob bist du’s? Jakob tritt zwischen den Büschen hervor und geht die letzten zwei, drei Schritte ganz schnell auf Barbara zu. Desgleichen Barbara auf ihn. Sie fallen sich in die Arme und küssen sich lange. Danach küsst Jakob ihr Gesicht, auf die Nase auf die Augen, die Wangen und am Schluss ihre Hände und küsst diese ebenfalls immer wieder. Barbara lacht leise auf und drückt ihn ein bisschen von sich. Jakob, Liebster, haltet ein, lasst mich zu Atem kommen, kichert leise hell auf. eh ich an unserer Liebe noch erstick. Jakob Pfanner Oh, liebste Barbara, so könnt ich immer stehen und könnte dich umfangen halten bis alle Zeit vergeht und wir im Land des Glückes, an welchem Orte dies auch wäre, für immer beieinander bleiben. 71 Barbara Knill schaut ihm liebevoll ins Gesicht und streicht ihm kurz übers Haar. Das Land des Glücks? Wo immer es auch wäre? Oh dummer, lieber Jakob, du! Dies Land ist nah bei uns! Ganz nah! Es liegt in unserer Brust! Und immer, wenn wir beieinander in Gedanken, so wandeln wir in ihm, in unserem Land des Glücks. Jakob entlässt Barbara jetzt aus seiner Umarmung und läuft einige Schritte erregt auf und ab. Jakob Pfanner Ich weiß es wohl, oh liebste Barbara, doch es genügt mir nicht, das Glück nur in Gedanken! Hier in meinen groben Schmiedehänden will ich’s halten. Vor aller Welt Euch und mich glücklich sehn und jedermann soll es dann wissen! Barbara Knill geht wieder auf ihn zu, nimmt seine beiden Hände und schaut ihn an. Jakob, Liebster, seid nicht so ungeduldig und voller Hast. Ihr wisst, dass meines Vaters Stand und Rang, vor allem nicht sein Stolz, es ohne Widerstand hinnehmen, dass seine einzige Tochter einen Schmiedegesellen zum Manne wählt. Gewiss, die Zunft, in der Ihr seid, ist ehrenhaft, von hohem Ruf, auch die Familie Eures Oheims, des Jäk Pfanner, welcher Bürgermeister, wird für Euch sprechen, doch bedarf es Zeit und kluger Frauenlist! Und dazu gehört auch meine Mutter, den Vater zu überzeugen, dass seine Tochter keinen anderen zum Manne will, als nur den Schmied, den Jakob Pfanner und den alleine liebt. 72 Jakob kehrt sich von ihr ab. Geht zwei Schritte von ihr weg, dreht ihr den Rücken zu, verschränkt die Hände im Nacken und seufzt tief auf. Jakob Pfanner Verzeiht mir, liebste Barbara, meine heiße, brennend Ungeduld! Ich kann es eben kaum erwarten und lieber heute noch als morgen wollt ich mich Eurem Vater schon erklären! Als Zeichen für meine immerwährend Lieb zu Euch hab ich dies mitgebracht. er zieht unter seinem Wams eine kleine aus Eisen geschmiedete Lilie hervor. Mein Oheim, Jäk Pfanner, kam zu mir die Tage und bat mich, da er wohl wisse, dass ich ja nicht nur beim Sensen schmieden, sondern auch sonst beim Eisen kunstfertig geschickte Finger hätte, ihm ein Wappen, welches der Rat beschlossen, anzufertigen, um es, wenn’s denn gelingt und schön geformt, draußen an ein’s der Stadttor anzuschlagen. Eine Hälft des Wappens soll den staufisch Adler zeigen, die andere ein Lilium. Oben im Wappen sind drei Köpf, die heraldisch Aussag’ für den Namen Wangen. Adler und Lilium sind Zeichen für staufische Königsmacht, welche aus Wangen erst die Stadt gebar. er hält die Lilie in der Hand hoch. Barbara, mein Lieb, ich hab für Euch eine Blum, ein Lilium geschmiedet wie sie in der Natur gewachsen und kein heraldisch Zeichen nur. Diese eisern Blum in meiner Hand, die ist gedacht als immerwährendes Symbol der reinen Kraft und des nicht wankend geraden Wegs der Liebe. Lasst sie uns hier und heut an dieser Stell im Sand ver- 73 graben. Und soll sie dort liegen viele lange Jahr, vielleicht Jahrhundert gar und rostet zwar und findet’s dann ein Mensch, soll diese Blum ihm nach solch langer Zeit noch künden, dass einst zwei Menschen, deren Hüll und Leiber längst vergangen und im Wind verweht, sich damals schworen eine ewig Lieb zu finden und einander treu zu bleiben, als ob von Eisen sie gewebt. Barbara Knill nimmt die Blume in die Hand. Oh, Jakob, diese Blum aus Eisen zwar, doch dies Geschenk ist wunderbar! Oh, ich dank Euch Liebster! umarmt ihn und küsst ihn. Doch sprecht mir heut nicht vom Tode und Vergänglichkeit, wir sind doch jung noch und haben, so Gott will, viel, viel noch zusammen an der Zeit! Deshalb geduldet Euch also, mein liebster Jakob, die Zeit und Frauenschnurren beim gestrengen Herrn Vater werden unser Glück schon schmieden! nimmt ihn beim Arm. Doch lasst uns die wunderschöne Blum aus Eisen hier unter dem Erdreich jetzt vergraben! sie vergraben die Blume und sind gerade fertig, als Barbara plötzlich lauscht. Pst! Still! Ich höre Schritte und ein paar Worte gar! Schnell, lasst 74 beim Brunnen hinter den Büschen uns wieder verstecken! Man darf unser auf keinen Fall ansichtig werden! beide verstecken sich schnell hinter dem Gebüsch, während langsam im Gespräch zwei Mitglieder der Stadtwache bzw. Söldner der städt. Schutztruppe auftauchen und am Brunnen stehen bleiben, um sich weiter zu unterhalten. Während sie abwechselnd am Brunnen trinken und mit den Händen Kühlung im Wasser des Brunnens suchen, belauschen Jakob und Barbara in ihrem Versteck folgendes Gespräch. 1. Stadtwache Ein heißer Juli dieses Jahr! Felder und Gärten vertrocknen, wenn nicht bald Wasser kommt von oben. plätschert weiter mit den Händen im Wasser. Das Bauernvolk wird wieder jammern wie all die Jahr, dass keine Frucht nicht wächst und kein Korn geschnitten werden kann. 2. Stadtwache lacht gehässig auf. Wann jammert dieses tumbe Volk denn nicht! S’ist alle Jahr dasselbe. Jammern, um am End ein paar Heller mehr für ihre Frücht’ herauszuschlagen und zahlen muss das Stadtvolk dann. Drum kümmert’s mich auch nicht, wenn wir, im Herren Auftrag, zu Zeiten ein paar Bäuerlein die Würst und das Geselcht vom Haken nehmen, dabei der Frau vom Ackersmann was Gutes tun und sie braucht nicht mal aufzuräumen, denn nach der guten Tat erledigt das doch stubenrein der Rote Hahn! 75 lacht wild auf, der andere fallt ins Gelächter ein. 1. Stadtwache Sagt, habt Ihr nicht auch von dem Gerücht gehört, der Waldburger ziehe ein paar Häuflein Kriegsknecht in der Gegend zusammen? Man munkelt es soll gegen Ravenspurg dann gehen. 2. Stadtwache Hab auch so Ähnliches gehört. Vielleicht will der hohe Herr nochmals sich den Pelz verbrennen wie wir es mit dem Bundesheer im letzten Jahr auf seiner Veitsburg ihm ordentlich besorgt und eingeheizt! beide lachen. Während sie die Hände vom Nass abschütteln. Doch eines muss ich sagen, weiß zwar nicht wie Ihr das seht, doch wenn der hochedel Herr uns besseren Sold und Beutanteile zahlt, verheirat sind wir nicht hier mit dem Rat! Schon gar nicht mit der Stadt! Und wie itzo die Zeiten sind, gibt es, so glaube ich für unsereins noch viel zu tun! 1. Stadtwache Ganz so sieht´s aus Bruder und wer die rechte Hand für einen Spieß, eine Kriegssens oder auch den Kolben hat, der ist in diesen Zeiten nicht am schlechtesten dran! Er muss sein Kriegsgerät nur gut und schnell zu führen wissen! unter zustimmendem Gelächter gehen beide langsam weiter. Als die beiden wieder im Dunkel verschwunden sind, treten Jakob und Barbara erneut hinter den Büschen hervor. Barbara nimmt Jakobs Hände in die 76 ihrigen, drückt sie an ihre Brust, blickt ängstlich zu ihm auf und spricht. Barbara Knill Jakob, habt Ihr es auch gehört, was die beiden Kriegsknecht grad gesprochen? Der Truchsess sammelt Kriegsvolk, um gegen Ravenspurg zu ziehen! Oh, wie dank ich dem Herrgott, dass ihr ein Schmied jetzt seid und kein Waffenknecht, der mächtigen Herren dienen muss! Sei es der Adel oder auch der Bund. Ein blutig Handwerk bleibt es und sicher nicht dem Herrn im Himmel zu Gefallen. Oh Jakob, liebster Jakob, ich ängstig mich! Was wird für uns die Stadt, die Zukunft bringen? Hat doch der Truchsess seit geraumer Zeit auch uns die Fehd erklärt! Jakob streicht Barbara beruhigend übers Haar. Jakob Pfanner Barbara, mein Lieb, beruhigt Euch, noch ist der mächtige Herr nicht da und manches wird so heiß nicht aus dem Napf gegessen, wie es der Koch vom Feuer bringt. Und eins ist sicher, der Truchsess ist ein kluger Mann, so wie im Volke hin und wieder gesprochen wird von ihm. Doch ob Mäßigung ihm auch zu eigen? Ich weiß es nicht, doch will ich’s hoffen und glaube fest daran! Denn wie das Kriegsglück auch verläuft, es braucht hernach des tumben Volkes fleißige Hände, die Schrecken, die der Kriegsmann hinterlässt, fein säuberlich zu ordnen, ja aufzuräumen gar. Denn Handwerk und Handel müssen neu gedeihen, wenn die Spieße nicht umeinsonst gegeneinander gerichtet waren. Doch Barbara, hört auf, Euch jetzt und heut den Kopf unnötig zu zerbrechen, was sein wird, sein kann. So ist unser Leben, unser Schicksal eben, die Zukunft weiß nur der allmächtige Gott allein, der sie für 77 uns bestimmt. Doch habt vor allem keine Angst, liebste Barbara. So lange ein lebendig Herz in meiner Brust noch schlägt, werd ich vor jeder Willkür Euch schützen, so gut ich es aus eigenen Kräften denn vermag. Der Schöpfer hat mir eine starke Hand gegeben, ein scharf, schnell blickend Aug, dazu ein mutig Herz und keine Angst vor jedermann! Vielleicht ist es ein Erbe des Blutes meines Vaters, der ein Kriegsmann war und mit den Eidgenossen gegen Habsburg focht. Doch Liebste, es wird Zeit, dass wir nun voneinander scheiden und ungeduldig werd ich ab diesem Augenblick auf Nachricht von Euch warten, wann wir uns wiedersehen. Ein letzter Kuss noch, liebste Barbara, danach will ich Euch im Schatten der Gemäuer bis an die kleine Seitenpforte Eures Hauses noch geleiten, damit kein Weh Euch angetan und sicher Ihr ins Haus Euch schleichen könnt. sie küssen sich und eng aneiander geschmiegt verschwinden sie langsam im Dunkel. Pause 78 79 80 81 3. Akt, 1. Aufzug Ort: Ratssaal im Rathaus der Stadt Wangen Personen: Jäk Pfanner, Bürgermeister der Stadt und Oheim von Jakob Pfanner / Ambrosius Knill, Kaufmann, Ratsherr und Vater der Barbara Knill / Burkhart Kolb, Zunftmeister der Schmiede und Ratsherr / Franz Gänskiel, Schreiber des Bürgermeisters und des Rates der Stadt Wangen / Hans Susenbrät, ein Ratsherr / mehrere Räte, welche auch als Zwischenrufer agieren, insgesamt würden jedoch mit den vorab Genannten 8 Personen genügen verschiedene Räte stehen in kleinen Gruppen beisammen und diskutieren laut und aufgeregt durcheinander. Bürgermeister, Jäk Pfanner, trennt sich letztlich von einer Gruppe und schreitet danach langsam und bedächtig zur Mitte des Ratssaales, besser des Ratszimmers. Danach hebt er beschwörend, beruhigend die Hände in die Höhe und beginnt zu sprechen. Bgm. Jäk Pfanner Ich bitt euch, liebe Ratsherrn, mäßigt euch und beendet den Tumult! Wir wollen kühlen Kopfes uns an die Arbeit machen, um die Erfordernisse, die in unsrer Stellung seitens des Volkes von uns erwartet, auch redlich zu erfüllen. Hierfür benötigt es die Klarheit der Gedanken, um das Für und Wider einer Handlung wohl zu erwägen und das rechte Tun daraus dann abzuleiten. Das ist es, was die Leute in unserer Stadt, in dieser Zeit, von uns erwarten und mit Recht! Sind doch allein wir nur gewählt hierfür auf Zeit! Dem noblen Kaufmann Knill geb’ itzo ich das Wort. Er ist der 82 Richtige für uns! Zumal er beide Seiten gut im Auge hat und uns erklären und beleuchten kann die Lag in unsrer Stadt und was daraus resultieret. Doch, liebe Ratsherren, lasst uns hierzu zu Tische sitzen, um in entkrampfter Haltung um so besser im Geiste auch zu entkrampfen. alle setzen sich nun um den Ratstisch. Jäk Pfanner, Ambrosius Knill, Burkhart Kolb mit den Gesichtern zum Publikum. Nun, lieber Herr Ambrosius Knill, ergreift das Wort, ich bitt Euch sehr wir sind ganz Ohr. Ratsherr und Kaufmann Ambrosius Knill, Vater der Barbara Knill, erhebt sich von seinem Sitz und beginnt zu sprechen. Ambrosius Knill Ihr noblen Herrn und gute Räte, ihr wisst, dass aufwallend hitzigen Blutes Dinge zu entscheiden, meine Sache nicht ist. Item zum Handel und Geschäft, erst recht zur Politik in diesen Zeiten ist primo kühles Blut und vor allem ein klarer Kopf vonnöten. Am besten noch ein Aug, das weiter sieht wie andere. Ihr wisst zudem, dass König und Adelspartei den Landfried mit dem Seebund hat von Neuem aufgekündet sowie die Anordnung verfüget, dass dieser sich von Stund an auflösen soll. So sind die Städte, welche dem Bund noch angehören, bis zu dieser Stund, von nun an ihres vormals vertraglich zugesicherten Beistandes, was Freiheit des Handels und der Wege anbetrifft, seitens des Königs, erst recht seitens der Adelspartei verlustig! die Rede wird mehrfach von Zwischenrufen unterbrochen. 83 Zwischenrufer Kein Wunder ist’s bei einem solchen Trunkenbold von König! Zwischenrufer Der Adel, nur noch ein räuberisch Gesindel! Zwischenrufer Wegelagerer, die scheren sich um keinen Vertrag und kein Papier mit Siegel! Zwischenrufer Wir bleiben hart und weichen kein Zollbreit alter Herren Willkür! Zwischenrufer Nieder mir dem Truchsess! Nach der Veitsburg soll die Waldburg auch noch brennen! Zwischenrufer Jawohl! Das wär fürwahr das richtig Leibgeding, diesem Geschlecht für viele Jahre Ungemach! Ambrosius Knill Beruhigt euch, ihr lieben Herren. Hab eure Worte wohl vernommen. Es stimmt und was ihr sagt, ist alles richtig, doch, Jäk Pfanner sagt es schon am Anfang seiner Red’ und ich bestätigt’s gerade erst, wir brauchen einen kühlen klaren Kopf, um uns mit den Herren im kommenden Turnier, wie immer dieses aussehen mag, auch gut zu messen. Deshalb sollte nicht in zorniger, wenn auch gerechter Empörung das Ganze angegangen werden. Auch weiß ich wohl, seit Jahren als Kaufmann in vielen Geschäften unterwegs, dass zu Zeiten keines 84 ehrlichen Handelsmannes Fracht mehr sicher ist, an seinem Ziele anzukommen! Gefahr und Hinterhalt lauern nicht nur seitens der Natur, nein, vor allem vor der Edelleute räuberischer Begehrlichkeit! Hinzu kommt Raub und Mordlust vom gemeinen Volke, das glaubt und es erkennt, dass Macht und König schwach und auch der Adel, ehemals dem Schutz verpflichtet, jetzt ehrvergessen und unter die Räuber gegangen item, dass nun auch sie die langen Messer ziehen können und sich nehmen, was und von wem sie es grad bekommen können und dabei weder Weiber, selbst Kinder nicht schützen und verschonen. erregte Zwischenrufe. Zwischenrufer Wie Recht Ihr habt, Rat Knill! Zwischenrufer Und es könnt noch schlimmer kommen! Ambrosius Knill So ist es in der Tat, verehrter Rat Waldmann! Ja, es könnt noch schlimmer kommen und es kommt noch schlimmer, wenn wir den Ausgleich zwischen den Parteien nicht zuwege bringen! Zumindest versuchen müssen wir es für unsere Stadt! Denn, wenn Handel und Gewerbe weiter so bedrängt, müssen letztendlich sie darniederliegen und verderben. Was dies bedeutet für Stadt und Land, kann jedermann ermessen. Armut, Hunger, Krankheit und bittere Pein nisten sich bald in den Häusern jeglicher Stadt des Bundes ein. Nicht zuletzt wird’s auch die feinen edlen Herren von Adel treffen, die, bis dato glauben mochten, 85 ihre Krüge und Teller blieben unberührt von solcher Not und blieben auch weiter gut gefüllt für sie. Am Ende schleicht die Fratz des Bürgerkrieges überall durch unsere Lande und frisst und reißt, wen sie erwischt und ganze Landstrich sind verödet. Den Moloch Krieg, den kümmert es wahrlich nicht, ob’s Adel oder städtisch Land. So wird dann gutes Bauernland in vielen hundert vergangenen Jahren durch fleißige Geschlechter fruchtbar gemacht mit guter Erden, am Ende nur der Acker für Disteln und harte Stein dann sein. Zwischenrufer Wie Ihr dies trefflich schildert, genau so ist’s Rat Knill! Zwischenrufer Ein kluger Kopf, der Kaufmann Knill! Ambrosius Knill Seht ihr, ihr guten Ratsherren von der Stadt zu Wangen, aus diesen Gründen, welche ich gerad erst dargelegt, jetzt meine Überlegungen, wie wir trotzdem zu einem Ausgleich kommen könnten mit dem Edlen Hans von Waldburg und seiner Partei des Herrenklüngels. Auch, weil ich glaub, er sei letztlich solch ein kluger Kopf, dass er wohl weiß, dass eine Seit allein in dieser Sache nicht gewinnen kann und am End beide mit leeren, sicher jedoch mit blutigen Händen voreinander stehen. Doch weiß ich auch, dass Mäßigung seine Sach nicht ist! Doch wär ihm wohl mit einem Sack Dukatengold schnell beizukommen, da bin ich sicher. Wir müssten mit der „Gesellschaft zu Ravenspurg“ alsbald Kontakt aufnehmen und fragen, zu welcher Kondition sie uns unter die Arme greifen könnten, so, dass wir die Fehd mit Hans von Waldburg in gütlich Einvernehmen dann zu beenden in der Lage wären. 86 Zumal die Ravenspurger ganz sicher auch dasselb Interesse daran haben werden. Der Landfrieden wäre sodann wieder hergestellt und Handel und Fracht könnten von Neuem jetzt unbehelligt über Landes ziehen. Da ich zu Zeiten in Ravenspurg in Sachen meiner Tochter mit hohen Herren in Verhandlung bin, es geht um nichts Geringeres als Verbindung nach Augsburg hin zu knüpfen, bin ich gern bereit, unsere städtisch Sache in aller Ehrlichkeit und zum Wohle der Stadt Wangen zu vertreten. in diesem Moment kommt aufgeregt der Stadtschreiber zur Tür hereingestürzt. Bgm. Jäk Pfanner Was wollt Ihr, Schreiber? Was stört Ihr auf so ungebührliche Art heut unsere Sitzung? Stadtschreiber Franz Gänskiel außer Atem. Bürgermeister, verzeiht die grobe Unterbrechung, ringt sichtlich nach Atem. jedoch die Sache duldet keinen Aufschub nicht! Grad kam ein Bot aus Ravenspurg völlig erschöpft durch seinen Ritt, das Pferd in flockigem Schweiß gebadet und geritten fast zu Schanden. Der Rat der Stadt zu Ravenspurg bittet den Rat von Wangen inständig und um sofortige Hilfe, und wir möchten ihnen ein Häuflein Kriegsknechte zu ihrer Unterstützung schicken! Der Truchsess von Waldburg schickt sich an, mit fünfhundert Kriegsknecht und Kano- 87 nen, es könnten aber auch weit mehr über tausend sein, die Stadt zu belagern und die Mauern zu erstürmen! darauf erhebt sich ein lauter Tumult unter den Versammelten. Alle schreien und rufen laut durcheinander. Ratsherr Hans Susenbrät Da seht Ihr’s wohl, Herr Kaufmann Knill, wie günstig Euch und uns der Truchsess ist gesonnen! Oder seid Ihr gar ein Fürstenknecht, dass Ihr noch kurz zuvor solch Rede hier im Rat geführt? Ambrosius Knill springt in aufwallendem Zorn so heftig auf, dass dabei sein Stuhl umfällt. Danach deutet er mit ausgestreckter Hand auf Hans Susenbrät und spricht laut und mit erregter Stimme. Ambrosius Knill Nur selten aus der Ruh bin ich zu bringen, doch für solch verleumderische Red werd ich vors Stadtgericht Euch zwingen, Hans Susenbrät, zu gegebner Stund, des seid gewiss! Niemals sprach ich davon, Hans von Waldburg sei ein gutmütig und beherrschter Mensch, doch hat Verbindung er bis weit hinauf zur Krone! Dies, ihr noblen Herren, möget ihr doch nicht vergessen und klar in eurem Kopfe muss euch sein, dass diese hochedlen Herren, so sie auch untereinander sich gräulich oft bekriegen und uns, das Volk hierzu benützen wie es sich grad ergibt, im Augenblick wo’s geht um Stand und Stellung, sie keine Zeit mehr dann verlieren, sich gegen euch zu wenden in Gemeinsamkeit! Unruhe, halblautes, erregtes Gespräch, das jedoch von den Zuschauern nicht verstanden werden muss. Gesten wie Kopfschütteln, verzweifeltes 88 Händehochheben, einige stehen von ihren Stühlen auf gehen erregt umher u.s.w. Bgm. Jäk Pfanner Verehrte Ratsherren, Ruhe bitte! Pause, sie reden immer noch laut durcheinander. Gebt Ruhe doch! So mäßigt euch doch, ich sagt es schon! Zuerst und das sag ich mit aller meiner inneren Überzeugung, die Rede, welche Ambrosius Knill geführt, war in Gedanken schon auch ganz die meine! Besinnung und Zurückhaltung in diesen schweren Zeiten ist jetzt unsere erste Bürgerpflicht! Doch widrige Umstände zwingen uns im Augenblick von Knill’s Plane abzuweichen. Jedoch, wenn ihr damit einverstanden, möchte ich ihn bitten, die Sache, die er grad dargelegt, für uns in aller Heimlichkeit weiterzuverfolgen. Die Bündnispflicht in unserem Bund der Städte zwingt uns jetzt jedoch, in dieser schweren Stunde eine Entscheidung für den Krieg und gegen die Vernunft zu treffen. Wir haben Pflicht gen Ravenspurg die Kriegsknecht zu entsenden, so wie im Vertrag wir es versprochen und gesiegelt haben. Doch und dessen bin ich für meine Person gewiss, es mögen Zeiten kommen, in denen wir andere Möglichkeiten, vielleicht Unterpfand auch haben, um mit dem Truchsess in Übereinkunft und ins Reine dann zu kommen. Allein im freien Rat wird abgestimmt! Wer ist dafür, dass Wangens Kriegsknechte wir den Ravenspurgern zu Hülf und Beistand schicken, der hebe seine Hand. alle heben die Hand. 89 Keiner dagegen? Gut, so sei es dann! Stadtschreiber, macht ein Papier, welches ich unterschreib und bringt es schnell zum Kommandanten. Darauf sollt stehen, dass sich die Kriegsleut schnell und unverzüglich gen Ravenspurg sollen begeben mit allem, was sie an Waffen nötig und dem Kriegsgerät, das sie von Nutzen halten. wendet sich jetzt noch einmal an alle Räte. Und ihr, ihr Ratsherren von Wangen, geht jetzt nach Haus und jeder schau zuerst nach dem, was seine eigene Sicherheit nun sei. Erst also gilt seine Sorg der eigenen Familie und seinem Haus, um schließlich danach auch in eigener Person für Wehrhaftigkeit und Schutz in unser aller Stadtgemeinschaft aufzutreten. Auch wer ein Kriegswaffe hat im Hause, sei es Spieß, Schwert, Kolb oder Axt und sie zu führen weiß, stell sie bereit. Es könnten böse, schlimme Zeiten kommen. Schlimmere noch, als bisher die letzten Jahre schon gewest. Habet Dank nun für euer Kommen und gehet also jetzt schnell nach Haus, ihr guten Rät von Wangen, und bittet den Allmächtigen, dass er uns vor Tod, Brand und was derlei sonst noch wüste Ding im Kriege sind beschützen möge. Ich danke euch ihr Herren, gute Nacht. die Räte stehen auf und unter leisem miteinander Sprechen verlassen sie in Gruppen den Ratssaal – das Ratszimmer. Auch der Bürgermeister will gehen, als der Ratsherr Ambrosius Knill, welcher sich auf der Seite gerade noch mit dem Schmiedezunftmeister Burkhart Kolb unterhalten hat, auf ihn zugeht und spricht. Ambrosius Knill Auf ein Wort noch, lieber Jäk Pfanner, und hierzu bat ich auch meinen geschätzten Ratskollegen Burkhart Kolb. Es geht um ein paar 90 persönliche Ding, die andere Ohren nicht zu hören brauchen und, welche Euch, den Schmiedemeister und insbesondere mich betreffen. Ich will die Red nicht lang umschweifen, ich sprech von Barbara mein einzig Kind und Tochter und von Jakob dem Schmied, Eures verstorbnen Bruders einzigem Sohn, lieber Jäk Pfanner, und welcher bei Euch verehrter Meister Kolb, als fleißig wackerer Schmiedgeselle sein ehrlich Tagewerk stets gut verrichet, wie man es allenthalben hört. Und ich sag es gleich vorweg, an anderer Stell, zu anderer Zeit, wär’ ich ihm wohlgesonnen, wie ich’s ihm immer im Geheimen bleib! Dankbar will ich ihm bleiben für seine unerschrockene Tat, zu schützen meine Tochter Barbara vor dem vierschrötig mordgierig Unhold, dem Ritter Hans von Rechberg. Und sollt der Jakob in anderer Sache irgendwas bedürfen, er soll es mich nur wissen lassen, so will ich helfend sogleich ihn unterstützen. Er glaubte ja, ich kenn ihn nicht, wie er sich täuscht! Ich kenn ihn wohl! Hab ihn des Öfteren durch Zufall am Markt und auf der Gassen beobachtet und gesehen! Er ist wahrhaft ein fröhlich, wackerer junger Mann, aufrechten Muts und von frischem Geist, zu tausend Späßen aufgelegt! Doch den Alten gegenüber zeigt er stets den nötigen Respekt und erweist ihnen gebührend Ehre. So weit, so gut. Dies alles mögt Ihr ihm wohl berichten. Auch das, dass ich ihm weiter gut gesonnen. Allein er muss die Einsicht haben, dass er die Barbara, meine einzige Tochter, zur Ehe nicht haben kann. Denn bin ich schon seit geraumer Zeit im Wort bei einem anderen verpflichtet. Was sag ich, nicht nur bei ihm, auch dessen Familie und diese hat mit mir den Bund in fester klarer Absicht schon beschlossen und besiegelt. In ein paar Wochen ist die Verlobung schon, die Hochzeit dann am End des Jahrs in Augsburg ausgemacht. Den Namen des Bräutigams und der Familie will und kann ich Euch zu 91 diesem Zeitpunkt nicht benennen. Allein es muss für’s Erste Euch heut genügen soviel zu sagen als wie dies, der Arm des Bräutigams und der Familie, die ganze Verwandtschaft eingeschlossen, reicht weit hinauf! Sehr weit! Gar in die Näh des königlichen Hofes. Sagt ihm, dem lieben Jakob und so seh’ ich ihn, dass er verzichten muss, um nicht das weitere Glück und Wohlergehen, denn in solchen Zeiten wie den unseren muss doch vor allem dies bedacht sein, von Barbara und der Familie nicht auf immer zu verspielen. Auch ist die neu Verbindung, welche ich Euch grad geschildert, nicht nur für Barbara und die Familie von Nutzen, nein, sie könnt und wird zum Nutzen aller sein, die Handwerk haben, Geschäft und Brot hier in der Stadt zu Wangen. So viel nur kann ich Euch verraten, die Handelsund Geschäftsverbindungen, welche aus diesem Bund für uns, für alle Bürger in der Stadt daraus erwachsen könnten, zeigen eine Zukunft fast in güldnem Lichte. Also, verehrte Herren, bringt es dem wackeren jungen Manne bei, dass nur im Verzichte die Zukunft beider liegt! der Bürgermeister und Oheim Jäk Pfanner und der Meister Kolb wollen gerade beide gleichzeitig beginnen eine Antwort zu geben, als Kaufmann Knill nochmals unterbrechend die Hand hebt. Und noch etwas, verehrte Herren vom Rate, lasset uns ehrlich sein und denken an unsere frühen Jahre in der Jugend, als wir schon Männer zwar, doch den Kopf noch voll mit Flausen. Hat nicht der eine oder andere von uns in hell aufflackernd jugendlichem Feuer der ersten Liebe ewige Treu geschworen? lächelnd nachsinnend nicken die Angesprochenen zustimmend mit den Köpfen. 92 Allein die Heirat und die Frau wurd’ uns von anderer Seit gegeben und Liebe durch Vernunft ersetzt. Und liebe Herren, sind wir all drei schlecht dabei gefahren, sagt an? Echt und tiefe Zuneigung, ja Liebe gar, kam doch bei uns im Abstand mit der Zeit und in den Jahren. lächelt. Und solch beständig Dauerglut im Ofen wärmt alte Knochen noch bis zuletzt im hohen Alter dann als Greis. Burkhart Kolb Ganz überrascht von Eurer Rede bin ich nicht, lieber Ratsherr Ambrosius Knill. Bemerkt ich in den letzten Wochen doch seltsame Veränderung an dem jungen Spund. Er ist so ernst und überlegt geworden und auch die dummen Späße mit dem Altgesellen, zu denen er sonst stets aufgelegt, sind weniger geworden. Zwar bisweilen heiter noch, ja, und bei der Arbeit nach wie vor ein guter Schmied wie eh und je, ein Schmiedgeselle, der leicht auch schon ein Meister werden könnte, ja möchte ich fast sagen wie seine Handwerksgeschicklichkeit aufweist, eigentlich schon ist, so zeigt sich in den letzten Wochen vieles an ihm doch anders. Ich sah ihn tags des Öfteren ohne Grund schweigend vor sich so hinsinnieren und dacht ich bei mir, lacht auf. so alt nun bin ich auch wieder nicht und die Erinnerung an die Jugend ist noch da! Also dacht ich bei mir, es müssen Liebeshändel, Tändeleien sein bei solch jungem Bursch, der doch grad erst zum 93 Manne, denn wußt ich ja und hab es oft gesehen, die Damenwelt verwöhnt mit Blicken und glänzend Auge ihn. Allein ich will nicht viel im Brei jetzt rühren, Ihr sollt von mir Unterstützung haben, Ambrosius Knill und ich verstehe Eure Gründe wohl und handelte nicht anders an Eurer Stell. Wiewohl ich darf es sagen, mir Wohlergehen und Fortkommen des Jakob meines Junggesellen sehr an meinem Herzen liegen. Seh ich ihn doch fast wie einen eignen Sohn und hab’s im Sinn ihm dereinst, wenn ich nicht mehr bei Kräften, meine Schmied zu übergeben, als wäre er vom eignen Blute. Doch habt Ihr mein Wort in dieser Sache, mich für Euch zu verwenden und werd ich gleich ein väterlich Wort morgen schon an ihn richten. Ich bin ganz sicher, er wird mich verstehen und hört mich an und eines weiß ich wohl, ich kenn sein Herz, das lauter ist und gut, er will das Allerbeste nur für Eure Tochter Barbara und sollt Gefahr für ihr Glück von ihm ausgehen, lässt er sie ziehen, des bin ich sicher! Kaufmann Knill nickt zustimmend. Beide geben sich jetzt die Hände, schütteln sie und Knill klopft Burkhart Kolb danach anerkennend freundschaftlich auf die Schulter. Schließlich wenden sie sich Bgm. Jäk Pfanner um Antwort heischend, fragend zu. Bgm Jäk Pfanner Hat es doch also seine Richtigkeit gehabt mit dem Getuschel in der Küch bei meiner Frau und ihren Mägden! Bei Nachfrag kicherte man nur verschämt und war keine Auskunft zu bekommen. Jedoch ahnt ich was! Der Name meines Neffen und der von Eurer Tochter Barbara klang gar zu oft in meinen Ohren die letzte Zeit, doch dacht ich nur, es handle sich immer noch um die mutige Tat wie er den Raufbold, diesen verdammten Trunkenbold 94 und Halsabschneider, den von Rechberg, mit seiner Hände Kraft und gutem Holz schnell in die Schranken wies. An Liebesdinge dacht ich nicht! Doch schließ ich mich natürlich eurer Meinung an, verehrte Ratsmitglieder. Den Jungen muss der rechte Weg gewiesen werden, dafür sind wir, die Alten, schließlich da! Und Liebe allein füllet noch keine Pfann und auch kein Krug mit Most wird von ihr voll. Ich werd dem Neffen ins Gewissen reden, ist er ansonsten doch ein verständig, zugänglicher, junger Mann. Hierzu fällt mir gleich ein, da er doch schon ein geschickter Junggeselle, man sollt ihn jetzt auf Reisen schicken in andere Städt, an andere Ort, wo er zum Meister schließlich reift. Da ich, wie ihr wohl wisst, zum Kloster in St. Gallen noch gute Fühlung hab, so könnt man ihn demnächst unter Bedeckung, weil Kaufmannsfracht dabei, zuerst ins Kloster schicken und von dort ins Appenzellische, wo gute Schmiede auch gebraucht! Und was von noch höherem Nutzen für ihn wäre, er wär dem mörderischen Rechberg für das Erste aus dem Weg! Denn der wird ihm mit seinen Spießgesellen auflauern und nach dem Leben trachten, wo er nur kann. Item wir mit diesem Plan gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Euch wär geholfen, lieber Knill, Eurer Tochter Barbara und meinem Neffen auch! Nun, was sagt ihr dazu, ihr lieben Herrn? wendet sich fragend an Ambrosius Knill und Burkhart Kolb, diese mit den Köpfen nickend. Ambrosius Knill / Burkhart Kolb So machen wir’s, so ist es gut. Allen zum Vorteil und jedem zum Nutzen. 95 Bgm. Jäk Pfanner Doch jetzt, ihr Herren Räte, sollten wir schnell nach Hause uns begeben und noch einmal treulich überdenken, wie wir die Sach mit Hans von Waldburg, auch seine Belagerung von Ravenspurg, zu einem guten Ende bringen, damit unserer Städte Gemeinschaft weiter gedeihen und wachsen kann. Trotz allem wünsch ich eine gute Nacht! Wie ihr ja wisst, die Tor sind gut bewacht und fest geschlossen, so wir im Moment keine Sorg nicht haben müssen. Der Truchsess liegt, wie wir ja hören, vor Ravenspurg! im Abgehen dreht sich Jäk Pfanner nochmals um und ruft. Ich lass euch Nachricht bringen, wenn eine außerordentlich Sitzung nötig! Man weiß ja nie in diesen Zeiten! Ambrosius Knill / Burkhart Kolb beide zusammen Tut dies. Wir sind bereit, wann immer es von Wichtigkeit! Dunkelheit oder Vorhang fällt. Musik der Zeit, diese gegen Ende mit Kriegstrompeten und Trommeln auf den nächsten Akt, den Überfall des Truchsess einstimmend. 96 97 98 99 3. Akt, 2. Aufzug Orte: Schmiede des Burkhart Kolb, Schmiedegassen vor dem Peterstor Personen: Jakob Pfanner / Balthasar Griesser / Jörg Endrass, ein Wangener Bürger / Der Türmer auf dem Peterstor / Pfeiffer Max, ein ängstlicher Wangener Bürger, Schankknecht und Blockpfeifenspieler / Hans von Waldburg, der Anführer des Überfalls / Konrad von Prassberg, sein erster Gefolgsmann und zweiter Führer des Stoßtrupps der waldburgisch Reisigen / Jäk Pfanner, der Bürgermeister / die Ritter und Reisigen des waldburgischen Stoßtrupps, etwa 10–15 an der Zahl, davon drei beritten / die Schmiede aus der Schmiedegassen, Anzahl nach den Möglichkeiten, jedoch sollten es an die 15–20 sein / Trommler möglichst mit Landsknechtstrommeln und Trompetenbläser, Kriegstrompeten, Fanfaren Der Überfall Schmiedegassen vor dem Peterstor. Im Stück wird das Peterstor durch das Pfaffentor, heute das Ratloch, ersetzt. Auf der Bühne wie am Anfang, die Schmiedewerkstatt des Burkhart Kolb. In der Werkstatt stehen die beiden Schmiede Balthasar Griesser und Jakob Pfanner an der Esse in ihre Arbeit vertieft. Jakob schmiedet gerade mit einem kleineren Hammer ein noch nicht fertiges Sensenblatt auf dem Amboss, während im Hintergrund der Altgeselle Balthasar ein Sensenblatt immer wieder ins Feuer unter die glühenden Kohlen schiebt, es herauszieht und auf einem zweiten Amboss auf es einhämmert. Immer wieder schaut er von seiner Arbeit auf und blickt nach draußen, weil plötzlich mehrere Leute an der geöff- 100 neten Werkstatt unter lautem Geschrei und wildem Gefuchtel mit den Armen an der Türe vorbei Richtung Tor rennen. Wieder blickt Balthasar kurz von seiner Arbeit hoch und spricht zu Jakob. Balthasar Griesser Was ist, dass alle Leute heut so früh am Morgen, wo ich grad meine Supp geschlürft, so aufgeregt und wild schreiend durcheinander zum Tore rennen? Man könnt meinen, man sei im Hühnerstall, wo grad der Fuchs einbricht! Jakob, schau nach, weshalb die Leute rennen und wohin. Jakob legt den Hammer und sein Sensenblatt beiseite und geht aus der Werkstatt. Jakob Pfanner Grad dacht ich’s auch. So viel Geschrei, Unruh und Lärm ward lange nicht in unserer Gassen. dreht sich an der Türe nochmals um. Und das will was heißen in der Schmiedegassen! Wo Lärm und Geräusch ansonsten doch alltäglich sind und zu der Schmiedekunst gehören. er geht nach draußen, stellt sich dem erst besten Vorbeihastenden in den Weg. Heeh, Endrass Jörg! Wohin so schnell des Wegs? Hat einer gar was zu verschenken? 101 Jörg Endrass hält ganz außer Atem inne. Deutet mit der Hand in Richtung des Tors und beginnt hastig zu sprechen. Jörg Endrass Habt ihr’s noch nicht gehört, ihr alten Eisenköpf? Draußen vor den Toren unserer Stadt sollen unsere Felder und Obstgärten brennen! Nun schickt sich jeder an, der außerhalb ein Eigen, zu sehen ob’s gar ihn betrifft und dann zu retten, was noch zu retten ist. rennt weiter. Unter dem Wegrennen ruft er zurück. Hab draußen auf der Höh nach Prassberg zu ein paar Obstbäum und auch etwas Korn, die sollen nicht verderben! Jakob Pfanner ruft ihm nach. Ich wünsch dir Glück und würde dir gern helfen, allein wir können nicht vom Feuer, ansonsten wären wir dabei! Das wisst ihr ja! er wendet sich wieder zur Werkstatt und ruft hinein. Heeh, Balthes! Habt Ihr’s gehört? Draußen vor der Stadt soll ein groß Feuer sein! Doch frag ich mich, wo denn der Türmer bleibt, welcher die Feuerwach doch hat! schaut nach oben zum Turm und dessen Fenstern, welche geschlossen sind. 102 Ich seh ihn nicht! Das wird dem Rat er bald erklären müssen und da seh ich schwarz für ihn. Balthes, rennt schnell zum Meister und gebet ihm Bericht. Hat er doch, sowie ich weiß, auch einen Garten draußen vor der Stadt. Balthasar Griesser griesgrämig verschnupft. Ganz wie der Meister Jakob es wünscht, so werd ich es besorgen. vor sich hinnuschelnd wendet er sich zur Tür, welche zur Wohnung des Meisters führt. Zeiten sind dies! Zeiten, wo Junggesellen den Altgesellen sagen, was zu tun sei! Zeiten sind dies! oben im Turm öffnet sich nun endlich ein Fenster und der Türmer schaut angestrengt heraus in Richtung des vermeintlichen Brandes. Jakob Pfanner welcher, den Kopf weit zurückgelegt, nach oben zum Turm schaut. Ha! Den Türmer seh ich jetzt, es wurd auch Zeit! tritt ein paar Schritte auf die Schmiedegassen . Heftig mit den Armen winkend ruft er nach oben. Heeh, Türmer! Sag mir, was du siehst! Siehst du Rauch? 103 Türmer Ich seh den Rauch gen Prassberg und gen Nieratz zu! Jakob Pfanner Siehst du auch Feuer? Türmer Auch Feuer seh ich grässlich blinken hier und dort in hellrot Flammenzungen auflodern, immer aufs Neu. Da! Jetzt seh ich nur noch dunklen, schwarzen Rauch, schwarz wie ein Rab und gleich einer furchbar Riesenschlang, als ob der Leibhaftige sich mit seiner Höllenschar gen Wangen drohend wälze. Gott steh uns bei! S’ist wie das letzt Gericht! Jakob Pfanner Siehst du auch Leut? Türmer Ja! Da! Ich sehe welche! Sie kommen aus dem Rauch gerannt! Jakob Pfanner Sind’s unsrige? Türmer So wie ich’s seh, sind’s unsrige! Sie rennen um ihr Leben! Hinter ihnen sind Berittene in voller Wehr und Rüstung! Dahinter Reisige mit langen Spießen! Bei Gott, sie jagen sie vor sich her wie eine wilde Meut von Hunden! Ein Banner seh ich jetzt! Es ist das Banner der von Thanne! Der Truchsess ist es, der sie hetzt und auf die Tor zutreibt! Alarm! Alarm! Die Stadt wird überfallen! 104 Jakob Pfanner Läut auch die Feuerglocke noch! Nie war der Grund ein besserer! Läute so heftig, wie du kannst! Läut Sturm und Feuer jetzt, sonst muss die Stadt verderben! springt jetzt mit ein paar Sätzen mitten auf die Schmiedegassen (bei Aufführung ist dies eventuell der Postplatz). Heihooh! Heihooh! Kommt schnell heraus, ihr Schmied von Wangen auf die Gass! Nehmt eure Hämmer, Stangen und was sonst an schwer Gerät von Eisen ihr zur Hand! Und alle Bürgersleut, die Mut’s genug die Hand im Kampfe zu erheben! Es geht ums Ganze heut, es heißt erneuter Knechtschaft sich zu erwehren und die Freiheit zu schützen hier, in unserer Stadt zu Wangen! ruft wieder zum Türmer hoch. Türmer, wie weit sind sie noch vom Tor entfernt? Türmer Sind kurz davor! Die Berittenen in voller Rüstung! Hab’s grad gesehn wie sie Zwei von Unsrigen niederhauen und über sie geritten! Gott strafe sie für diese Tat! Die Spießgesellen, welche im Trab jetzt rennen, sind gut dreihundert Schritte noch entfernt! Macht schnell die Seitenpforte auf, dass unsere Leute schnell eingehen können und verschließt sie danach mit Macht und schnell! Jakob Pfanner und einige der Schmiede eilen jetzt zur Seitenpforte des Ratlochs –Peterstors und schließen die vom Bauhof gefertigte Tür. Danach wollen mehrere den schweren Sicherungsbalken in die Eisenlager 105 schieben und bemerken dabei, dass alle Lager unbrauchbar gemacht wurden, sodass die Torflügel nur noch durchs Mittelschloss gesichert sind und von außen mit Gewalt leicht eingedrückt werden können. Jakob Pfanner rennt jetzt ein paar Schritte zurück in die Mitte der Schmiedgasse (Postplatz) und ruft aus Leibeskräften. Jakob Pfanner Verrat! Verrat! Die Tore sind nicht mehr gesichert, die Balkenlager unbrauchbar gemacht! Nächtens hat ein Schuft aus unseren Reihen sich dieser Tat versichert, glaubt nun er hätt dem Truchsess ein schurkisch Geschenk vermacht! inzwischen rennen gehetzte und vor Schrecken und Angst völlig aufgelöste Bürger laut schreiend und rufend durch das Seitentor. Verschiedene Rufer, Bürger männlichen und weiblichen Geschlechts Zu Hülf, ihr Leut von Wangen! Zu Hülf! Der Truchsess will uns alle totschlagen! Schließt die Tore! Macht schnell! Herr im Himmel, steh uns bei! Sie metzeln uns! Gott strafe das räuberische Kriegsknechtspack und ihre Anführer! inzwischen hört man lautes Geschrei, Hämmern und Schlagen an die Tore, Waffenklirren, wenn möglich Pferdewiehern sowie ein bis zwei Böllerschüsse, eine kleine Feldschlange darstellend. Schließlich im Hintergrund starkes und schnelles Landsknechtstrommeln und Kriegstrom- 106 peten. Die Tore biegen sich jetzt etwas nach innen, dürfen aber noch nicht aufspringen! Im Inneren des Tores sind zwei, drei Reiter, darunter der Truchsess Hans von Waldburg an der Spitze einer Gruppe von Reisigen (insges. etwa 20 Statisten) mit langen Spießen. Alle erheben ein immer wieder anschwellendes, lautes Feldgeschrei. In der Schmiedegassen hat sich inzwischen Jakob Pfanner an der Spitze seiner Schmiede und den restlichen Stadtbürgersleuten in Position gebracht. Jakob hat jetzt einen schweren Schmiedehammer in den Händen. Er dreht sich kurz um, als die Schläge am Tor heftiger werden und will sich gerade an die Seinen wenden, als er hört, wie der Pfeiffer Max, ein einfacher Schankknecht und Spielmann, hinter ihm vor Angst schlottert und vor sich hinbibbert. Pfeiffer Max Jesus Maria! Gott erbarm sich meiner armen Seel da, so wie’s aussieht, mir gleich der Teufel an der Kehl. Mir steckt ein Kloß im Halse, dass ich gleich kotzen könnt. Heut wird uns all der Teufel holen und in die Höll uns bringen. Hab doch dem Wirt so manches Gläschen Wein gestohlen! Muss nun dem schwarz Leibhaftigen ein Liedchen singen und ewig tausend Jahr Wein aus dem Keller holen. Lieber Herr Jesus und Gott, gib Gnad für all mein Missetat! die Tore geben jetzt sichtlich nach, erneutes Kriegsgeschrei. Jakob Pfanner Ach, Pfeiffer Max, was jammerst du, sei still! Halt`s Maul! Gib Ruh! Ansonsten lass die Axt, und nimm dein Pfeifchen und tu ein lustig Liedchen ihm entlocken, wenn du noch Spucke hast und dein Maul dir dafür nicht zu trocken! mit noch lauteren Worten jetzt an alle gewandt. 107 Und merkt euch eins, ihr Wangener, alle hinter mir! Hinter dem Tor sind keine anderen Leut! Der Teufel hat heut Rüstung an! Ist jedoch ebenso aus Fleisch und Blut wie ihr und ich und heißt Herr von der Thanne! Der Hans von Waldburg ist´s! Der Truchsess! Oder sollt ich gar lieber sagen, nur? Wenn ihr ihn stecht und alle andern, so bluten sie! Von blauem Blut kein Tropfen nicht! Sie schlugen nur von alters her viel zügelloser, ungehemmter, ohn’ Erbarmen drein, nicht so wie brave Leut, die sich darob Gedanken machen und in der Seele Pein! Heute, so glaubet er, der Truchsess, muss er uns alle wieder in der Stadt erneut zum Knechte machen, um dadurch unsere städtisch Freiheit aufs Neue zu entreißen uns! Lasst uns jetzt ihn mit gebührendem Respekt in dieser, unserer Schmiedegassen, ihn empfangen! Mit Schmiedehämmern und mit Stangen aus blankem Eisen, den ganz langen! Mit Äxten, Harken und mit Gabeln, um uns gebührend zu verbeugen vor seiner Fürstlichkeit und seinen unterwürfigen Notabeln! Und die rechte Antwort ihm zu geben für sein Tun! das Trommeln wird immer lauter und stärker, ein, zwei Stöße aus einer Kriegsposaune. Formiert euch jetzt in der Gass zum Halb! Bleibet ganz ruhig und im Herzen kalt. Doch dann schlagt kräftig und im Zorne mächtig so heftig drein, dass vom kalt Eisen die Funken sprühn und schlaget alle kurz und klein! Verschonet keinen, auch nicht ihn, den Truchsess! Heut soll’s sein in Wangen für alle Zeit vorbei mit leibeigen Zins und Fürstenschinderei! in diesem Moment springen die Torflügel auf und der Truchsess Hans von Waldburg, gefolgt von einigen Berittenen sowie der Schar seiner 108 Spießgesellen stürmen nun unter lautem und wüstem Kampfgeschrei und Gegröle durchs Tor in die Schmiedegassen in der sich ihnen der Haufen der Schmiede, an der Spitze Jakob Pfanner, in der Mitte dieser Gasse entgegenstellen. Der Truchsess in Rüstung, als einziger von den drei Berittenen hat er das Visier geöffnet, pariert zwei, drei Meter vor Jakob sein Pferd durch, bringt es etwas seitlich zu ihm zum Stehen, reißt den Arm mit dem Schwert hoch und ruft. Hans von Waldburg Aus dem Weg, vermaledeiter Bube! Du und deine Schmiede, ihr seid der Herren Pfahl im Fleische, den ich für immer heut ausreißen werd! drängt sein Pferd in Richtung Jakob. Die anderen Berittenen folgen ihm. Ebenso die Reisigen dahinter. Er will jetzt, das erhobene Schwert in der Hand, sich auf Jakob stürzen und ruft nochmals dabei. Du Lotterbube, du, dir schlag ich jetzt die Rüb’ vom Strunke und hab mit einem Schlag einen Aufruhr weniger in der Stadt! Jakob weicht dem Schlag geschickt aus, während er die Worte herausschreit. Jakob Pfanner Den Schlag geb ich zurück mit gutem Schmiedeeisen und hau die Fürstentyrannei vom Rosse! dabei bricht er mit einem mächtigen Schlag seines Schmiedehammers den Oberschenkel des Hans von Waldburg unter der Rüstung entzwei. Wonach dieser mit einem lauten, gellenden Schmerzensschrei vom Pferd zu Boden stürzt. Darauf pariert der zweite Reiter Konrad von Prassberg 109 ebenso in voller Rüstung mit nicht geöffnetem Visier sein Pferd durch, hebt den Arm, in der Hand einen Streitkolben, und ruft. Konrad von Prassberg Haltet ein! Der Truchsess ist schwer getroffen und vom Pferd gestürzt! Haltet ein ihr Noblen und ihr Kriegsleut alle! Formiert zum Igel euch mit euren Spießen, dann gebt dem Edlen von Waldburg Deckung! Setzt ihn aufs Pferd, zieht euch zurück, der Kampf wird abgebrochen! Heut ist kein Glück für uns! sie nehmen den Truchsess in ihre Mitte und bilden mit den Spießen einen Kreis, den sogenannten Igel, um ihn, während die Schmiede und andere Wangener Bürger sie jetzt von allen Seiten bedrängen und auf sie einhauen, ziehen sie sich langsam durch das Tor zurück. Während dieser Schlussphase des Kampfes ergreift Jakob Pfanner noch einmal das Wort und ruft seinen Wangenern und den Schmieden zu. Jakob Pfanner Habt ihr’s gehört, ihr Leut? Die Herren haben heut kein Glück, so ruft ein Reiter mit herabgelassenem Visier, der wohl sein Gesicht nicht zeigen will! Doch ist heut das Glück ganz auf unserer Seiten dank eurem Mut und der Waffenkraft der Schmied von Wangen! Haut jetzt also mächtig drein! Haut auf sie drauf, wo ihr nur könnt! Haut sie hinaus zur Stadt, dass sie niemals mehr vergessen, sie könnten zukünftig sich messen im Kampf mit freien Bürgersleut, denn ihre Spießgesellen sind ja in Wahrheit nur knechtisch sklavisch Herrenmeut! unter lautem Kampfgetümmel drängen alle durchs Ratloch, sodass nur noch vom Marktplatz her kurz Kampfgeschrei und Rufe zu hören sind. 110 Nach kurzer Pause kehren schließlich die Wangener unter triumphierendem Jubel durchs Ratloch wieder auf den Postplatz zurück unter lauten Siegesrufen. Verschiedene Rufer Der Sieg ist unser! Wir haben den stolzen Truchsess geschlagen! Gott sei’s gedankt, sie sind in alle Wind zersprengt! Nach Wolfegg und gen Wurzach zu sollen sie, so riefen ihre Hauptleut ihnen zu! Dort kann der angestochene, verletzte Eber auf seiner Burg dann sich die Wunden lecken! alle versammeln sich jetzt in der Mitte des Postplatzes oder auf der Bühne um den Bürgermeister Jäk Pfanner. Bgm. Jäk Pfanner Ihr braven, wackeren Bürgersleut von Wangen, ihr tapferen, mutigen Schmiede hier in unserer kleinen Stadt zu Wangen. Wir haben heut einen gar großen Sieg errungen im Kampf um unser städtisch Freiheit und gegen alte Herrenmacht. Die Schlacht jedoch ist lang noch nicht endgültig geschlagen, so wir denn des Truchsess nicht habhaft werden. Geht jedoch für heut zurück zu euren Lieben und gönnt euch zuvor ein kleines Glück, den großen Schluck aus einem mächtigen Humpen Wein, den ich euch jetzt auf Kosten der Stadt gleich füllen werde. Es kann auch mehrfach ein Schluck genommen wer- 111 den, denn ich glaub nach solchem Kampfgetümmel muss unsere Gurgel trocken sein! alle lassen nun den Bürgermeister und den Rat der Stadt Wangen hochleben. Der Bürgermeister hebt, um die Hochrufe verstummen zu lassen, beschwichtigend beide Hände und spricht die letzten Worte. Geht nun danach nach Hause liebe Leute und begebet euch zur Ruhe. Mir schwant, die kommenden Tage gibt es noch viel zu fechten und eure Kräfte werdet ihr noch brauchen. Dankt auch Gott dem Herrn jetzt im stillen Gebet. Dankt ihm dafür, dass ihr heut auf der Seite ward der rechten und seid getrost, ihr werdet’s auch in Zukunft sein! Geht wacker vorwärts Bürger, einig nur in gerechtem Sinn in euren versammelt Reihen! 112 113 114 115 4. Akt, 1. Aufzug Orte: 1. Ratszimmer des Bgm. Jäk Pfanner, welcher mit seinem Schreiber Franz Gänskiel spricht (Bühne) 2. Marktplatz zu Wangen (Postplatz) 3. Ebene vor der Burg zu Leupolz (Postplatz vor den Zinnen der Kirchentreppe) Personen: Jäk Pfanner, Bürgermeister / Franz Gänskiel, Ratsschreiber / zwei Kommandanten des Aufgebotes der Kriegsknechte seitens der Stadt Wangen und seitens des Bundes der Seestädte / mehrere Ratsmitglieder Wangens sowie die Abgeordneten vom Bund der Seestädte, deren Anzahl nach den Regiemöglichkeiten / Kriegsvolk, dessen Anzahl nach Regiemöglichkeiten / Herold der Stadt Wangen, welcher hier auch im Auftrag des Städtebundes fungiert / Burkhart von Stadion, Burghauptmann der Burg zu Leupolz / der Truchsess Hans von Waldburg / Zwischenrufer aus der Menge der Belagerer / Jakob Pfanner, der Schmied / Pfeifer, Trommler, Trompeter, nach den Möglichkeiten der Regie. Belagerung der Burg Leupolz und Gefangennahme des Truchsess Hans von Waldburg. Bgm. Jäk Pfanner Habt Ihr es auch gehört, Gänskiel? Die Torwach, der Jos Klingenbart, welcher, wie es jüngst erst hinterbracht uns, verraten und die Balkenlager am Peterstore unbrauchbar gemacht, stürzte sich nächtens vom selben Turme. Gestanden hat er’s vorher noch seinem Kamerad, dem Weber Clemens, welcher 116 Dienst gehabt in dieser Nacht. Man hat am Morgen im Stadtgraben seine Leich gefunden. Schreiber Franz Gänskiel tritt ganz nah an den Bürgermeister heran. Dann geheimnisvoll ängstlich flüsternd. Ob’s nicht doch gar der Teufel war, der würgend ihn von der Höh herabgestürzt zum städtisch Graben und seine Seel dabei genommen? Bgm. Jäk Pfanner hörbar aufseufzend. Ach Gänskiel, Gänskiel, wenn das so einfach wär, die Sache mit dem Teufel! Zwar war die Tat des Klingenbart verwerflich, doch hat es aus Liebe er getan zu einer leibeigen Köchin in des Waldburgs Diensten. Er selbst hat es gestanden vor seinem Eigentod dem Kamerad, dem Clemens Weber. Also, die Schuld bleibt eben doch oft auch bei den Herren, wenn arme Gimpel sich in schwere Schuld verstricken und keinen Ausweg sehen. Gänskiel wiegt zweifelnd verneinend den Kopf hin und her. Schreiber Franz Gänskiel Aaah, ich weiß nicht Bürgermeister. Sah ich doch einen Schatten! Rabenschwarz mit Hörnern und grässlich anzusehen! Dort oben in der Mauerluck, durch welche der Klingenbart gestürzt! Und dünkte mich, er blickt herab mit glühend Augen! Dazu ein grässlich Schrei 117 grad so, als würde einer von einem grausig Drach’ gepackt! Nehmt mir’s nicht krumm, ich glaube doch es war der pferdefüßige Verderber! Bgm. Jäk Pfanner Ihr macht mich wütend gleich! Ein Mensch, der oben am Turmluk lehnt im schwachen Licht der Fackel oder beim Licht des nächtlich Sternenhimmels von hinten gar beleuchtet, von dem seht ihr natürlich nur einen dunklen Schatten! Deshalb geb ich Euch den guten Rat, beobachtet mit Sorgfalt Eure Umwelt und sperrt dabei die Augen besser auf, eh Ihr wirr dummes Zeug herumerzählt! Ein Mann, der schreiben und auch lesen kann wie ihr, muss sein ein Mann des klaren Geistes! Und keiner, der, einem alten Weibe gleich, sich nächtens in die Hosen scheißt, sieht er nur einen schwarzen Schatten! Habt Ihr verstanden? Gänskiel macht wortlos eine Verbeugung, nickt zustimmend mit dem Kopf und der Bürgermeister spricht weiter. Allein jetzt sorgt dafür, dass seine Leich zum Schindanger wird rausgeschafft wie’s unsrer Obrigkeiten Pflicht. Vielleicht seid Ihr ein guter Christ und sprecht ihm in Gedanken trotz allem noch ein kurz Gebet. kurze Pause, in der Jäk Pfanner in ein paar, auf einem Pult liegenden, Papieren sucht. Doch nun zu anderen, höchst wichtigen Dingen, welche der heutige Tag von uns erfordert. Primo setzt Ihr dem Strauchdieb, dem Rechberg, flugs ein Schreiben 118 auf, dies auch auf Geheiß des Bundes und kündet Fehd ihm an. Dann sendet’s ihm durch Boten. Und schreibt ihm auch darin, dass wir ihn beizeiten herausholen werden aus seinem Räubernest hoch droben bei Brigantium! Wie Ihr ja wisst, hat uns das Glück beim Heinrich von Summerau in seiner Burg zu Leupolz den Pferdeknecht Fritz Wagenscheit, welcher zu Wangen geboren und daselbst aufgewachsen, ins Nest gelegt. Dieser hat uns nun unter Leibsgefahr für sich verraten, dass der Waldburger, nicht wie wir geglaubt, mit dem Haufen seiner Reisigen gen Wolfegg und Wurzach weitergezogen, sondern mit zwanzig seiner Kriegsgesellen auf der Burg von Heinrich von Summerau bei Leupolz hat Unterschlupf gefunden und Versteck. Wahrscheinlich wollt er wohl schnell zurück auf seine Feste nach Waldburg. Als ihn dann doch die Schmerzen in seinem Beine übermannt, hat er flugs bei dem von Summerau Quartier gemacht. Hier sitzt er jetzt in einer prächtig Mausefallen! Den Speck für ihn zu legen brauchen wir nicht mehr! von draußen hört man jetzt zwischenzeitlich die dunklen, hohlen, rollenden Klänge von Landsknechtstrommeln. Von zwei Seiten, erstens dem Ratloch und zweitens unten an der Kirchmauer entlang, marschiert je ein Häuflein von zwanzig Mann mit Spießen und mit einer kleinen Feldschlange−Böllerkanone. Vor dem Rathaus, also der Schauspielbühne, versammeln sich die Kriegsknechte nun in Reih und Glied auf Befehl zweier Kommandanten mit umgegürteten Schwertern. Inzwischen tritt der Bürgermeister nach vorne auf die Bühne mit einigen Ratsmitgliedern. Darunter Kaufmann Ambrosius Knill und Schmiedezunftmeister Burkhart Kolb. Hinzu gesellen sich die Abgeordneten des Seebundes der Städte. Bürgermeister Jäk Pfanner hält jetzt eine Ansprache. 119 Seid gegrüßt mit Gott, ihr noblen Herrn vom Bund, gütigst zu unsrer Hülf gesandt! Und auch ihr, Herren von unserem Rat der Stadt zu Wangen, seid wohl gegrüßt! Im Voraus nochmals mein Dank an jedwede Stadt im Bunde, welche uns schnelle Hülfe hat gesandt in dieser Stunde. Wir wollen heut die Sach zu Ende bringen, welche der „von Waldburg“ durch seine Fehd mit uns und euch vor längerer Zeit begonnen. Wir haben ihn zurückgeschlagen, als er durch verräterisch Tun und List glaubte, uns mit Gewalt auf’s Neu zu unterwerfen. Uns niederzuwerfen sich und der Partei von Adel. Nun ist der noble Herr mit einem kläglichen Rest von seinen Knechten geflohen auf des Heinrich von Summerau seine Burg zu Leupolz, wie ihr ja alle wisst. Zu dieser lasst uns aufbrechen, nun dem stolzen Herrn die Stirn zu bieten und in Gefangenschaft denselben schließlich auch zu nehmen. Desgleichen wollen wir, so wir ihn einmal haben, gleich auf der Stell schriftlich Entsagung von der Fehd abfordern, die er über uns und all das Land und unsere Städte hat gebracht. Der Schreiber hier an meiner Seit hält ein Papier bereit von allen Räten unterschrieben und desgleichen sollt auch ihr, in Vertretung eurer Städte, dasselbe unterzeichnen. Schließlich, um dann dies Papier erstens ihm, dem Truchsess, unter die Nas zu halten, um zweitens es ihn in Ruhe lesen und um drittens, ihn danach unverzüglich unterzeichnen zu lassen. Tut er dies nicht, mögen der Profos des Bundes und seine Knechte ihn unmittelbar in Verwahrung nehmen und zuerst gen Lindau, dann über den See nach Konstanz ins Verließ gleich bringen, wo er sich dort dann eines Besseren besinnen mag und sich bereit erklärt, handschriftlich Vertragsbesiegelung vorzunehmen. Doch jetzt lasst uns mit Pfeifen, Trommeln, den reisigen Pikenieren und mit Kriegsgerät, welches zum Sturme nötig, gen Leupolz zu des 120 Heinrich von Summerauen Burg marschieren. Dort die Mauern zu berennen, sie zu brennen, sie zu massakrieren, bis jeder Stein, wenn der nobel Herr nicht übergibt, gefallen ist! wendet sich den Räten zu. Und ihr, verehrte Räte, kommt alle mit, seid Zeugen unseres Tuns um danach um so sicherer euren Leuten, dem Volk, zu unterbreiten, wie wir dem Truchsess die Kehl endgültig zugeschnürt! alle steigen jetzt von der Bühne auf den Postplatz, auf welchem der Haufen der Kriegsknechte sich inzwischen wohl geordnet in Bewegung gesetzt hat. Sie marschieren unter Pfeifenmusik und unter Landsknechtstrommelwirbeln durch das Ratloch, drehen auf dem Marktplatz um und marschieren wieder zurück durchs Ratloch am Brunnen vorüber vor die Burg des Heinrich von Summerau (Aufgang und Mauerzinnen von St. Martin). Dort bringen sie ein, zwei Feldschlangen – Böllerkanonen in Stellung und setzen unter Kriegsgeschrei Sturmleitern an. Ein Herold des Bundes tritt hervor, entrollt ein Dokument und liest mit weithin tragender Stimme (Kapitulationsdokument s. Anhang). Er fordert hierin die Übergabe der Burg, ansonsten sie geschleift wird. Inzwischen erscheint auf den Zinnen der Burghauptmann Burkhart von Stadion. Dieser zotet mit üblen Worten von der Mauer herab. Weiterhin erscheinen immer wieder zwischen den Zinnen Bewaffnete mit Sturmhauben, Armbrüsten, Spießen und Bogen. Ein Banner des von Waldburg – drei Tannen – wird hin und her geschwenkt. Burkhart von Stadion mit Sturmhaube und Brustharnisch ruft in höhnisch verächtlichem Tonfall von der Burg zu den Belagerern herab. 121 Burkhart von Stadion Was wollt ihr üblen Knecht von Pfeffersäcken hier vor der Burg? Schert euch zum Teufel! Ihr seid auf des Burgvogts Heinrich von Summerauen Land, ihr Habenichtse! Bgm. Jäk Pfanner Gebt uns, dem Städtebund, den Truchsess Hans von Waldburg, der bei euch Zuflucht gesucht, heraus, sodass wir die Fehd zu Ende bringen können. Wenn nicht, so bleiben wir. Belagern und hungern euch letztendlich aus, sodass euch das Hemd am Leibe schlottert und Gras zu fressen eine Köstlichkeit! Kriegsgeschrei auf beiden Seiten. Burkhart von Stadion Zwar ist auf unserer Seite im Augenblicke die Zahl der Kriegsleute gering, doch jeder Mann von uns geübt und stark genug, euch großmäuligen Schwächlingen da unten alle Knochen im Leibe zu zerbrechen und danach euer Gedärm auf unsere Spieße hängen! wütendes Feldgeschrei seitens der Männer des Bundes. jetzt tritt Jakob Pfanner, laut zur Burg empor rufend, aus dem Haufen der Spießträger hervor. Dieses Mal einen Kurzspieß in der Hand haltend und an der Seite mit einem Schwert gegürtet. Jakob Pfanner Uns die Knochen zu zerbrechen? So wie ich Eurem Herrn die Kno- 122 chen brach mit meinem Hammer, hundsföttisch Stadion du! Kommt doch heraus aus Eurem Bau, hochnobler edler Herr, dann will ich mich mit Euch wohl messen! Ihr habt die Wahl der Waffen! Spieß, Schwert oder Schmiedehammer, mit allen dreien weiß ich umzugehen! Ob Ihr’s auch könnt? Großmäuliger Herr, kommt doch heraus, dann werden wir es sehn! Und wenn’s Euch wundert, dass ein gemeiner Schmied wie ich ein Schwert an seiner Seiten, so wisset dies, seit meinem fünfzehnt Lebensjahr übt ich mich mit Freunden im Geheimen oft im Kampfe. Zuerst mit kurzen Eisenstangen nur, doch dann begann ich, als ich der Schmiedekunst schon mächtig, in meiner freien Zeit, die Zunft weiß nichts davon, ein Schwert zu schmieden. er zieht das Schwert. Ich kann’s auch führen! Es hat ein Name auch! Es heißt Freiheit und hat eine scharfe Kling! Heut wär der richtig Tag das gute Stück zu härten! Vielleicht gar mit Eurem blauen Blut, Nobler von Stadion, das wär das richtig Scheidewasser! Burkhart von Stadion schäumt vor Wut und droht ihm mit geballter Faust von der Mauer herab. Dich krieg ich noch, gemeiner Wicht! Wir fassen dich und wenn’s das Letzte ist in meinem Leben und schneiden dir die Kutteln aus dem Leibe! Jakob Pfanner auflachend eine Hand in die Seiten gestützt. 123 Kutteln sind des gemeinen Mannes Leibgericht, hochnobler Herr! Das solltet Ihr doch wissen! Vor allem wenn sie von solchem Ochs wie Euch geschnitten! dröhnendes Gelächter und Beifallrufe seitens der Belagerer. Sie drohen mit erhobenen Händen, die Spieße nach oben zu den Zinnen. Die Kommandanten geben nun den Befehl zum Sturm auf die Burg. Komandanten Richtet die Feldschlangen! Dann gebet Feuer! Sturmleitern aufgestellt! Schießt Brand auf alle Dächer! Mauerhaken werfen! Unten am Tor den Rammbock eingesetzt! Haut drauf, wo ihr nur könnt und schonet keinen! Auch ihr, dessen seid sicher, werdet von denen nicht geschont! Rauch steigt auf. Böllerschüsse, Feuer leuchtet auf hinter den Zinnen. Musik von Kriegstrompeten. Schnelle Trommelwirbel und plötzlich dunkler schwarzer Rauch. Jakob Pfanner führt die Spitze der Angreifer auf der Treppe, welche zum Burgtor (Kirchentreppe) führt, an. Mit sich führen sie einen Rammbalken, welcher rhythmisch oben gegen eine Holzdiele (Burgtor) geschlagen wird und dabei immer wieder die Worte wiederholend. Jakob Pfanner und die Spitze der Angreifer Uund ramm! Uund brich! Uund fall! Uund Tod! Ein Belagerer ruft. Bringt Holz und Reisigbündel und Öl und Pech, wir legen Feuer an das Burgtor! 124 danach wieder Rauch und Flammen. Durch diesen Rauch stürzt sich jetzt Burkhart von Stadion in ohnmächtiger Wut durch das aufgesprengte Burgtor auf den inzwischen auf der Treppe agierenden Jakob Pfanner. Ein kurzer Schwertkampf beginnt, wobei Jakob, geschickt einem gewaltigen Schwertstreiche des Stadion ausweichend, danach einen ebenso gewaltigen Streich gegen Stadion führt, sodass dieser mit einem lauten Schrei wie ein Ochs gefällt, tödlich getroffen über die Treppenbrüstung stürzt, wo er auf einen Heuhaufen fällt, unter dem eine aufgeblasene Matratze verborgen ist. Jakob Pfanner Mir nach! Das Tor ist frei! Jetzt holen wir den Truchsess! triumphierendes Johlen und Schreien. Alle rennen jetzt die Treppe hinauf und hinter die Zinnen. Daselbst weiteres Kampfgeschrei und Waffenklirren. Feuer flackert wieder auf, ebenso qualmender Rauch. Böllerschüsse. Jakob Pfanner wird schließlich zwischen den Zinnen sichtbar, hebt triumphierend die Arme hoch und ruft. Ihr tapferen Leut vom Bund und unserer Stadt zu Wangen! Wir haben ihn gefangen! Der Waldburger, der Truchsess ist unser! lang anhaltendes Siegesgeschrei der Belagerer, nachdem dieses verstummt ist und eine plötzliche Stille eingekehrt, tritt Bgm. Jäk Pfanner vor alle hin und spricht. Bgm. Jäk Pfanner Wenn es keinen Einwand gibt und keine Gegenrede von des Städte- 125 bundes Abgesandten, gebe ich jetzt, gleich auf der Stell, dem Kriegsvolk den Befehl, Vorwerk und Hauptburg niederzubrennen und zu schleifen! Abgesandte des Bundes rufen alle wie aus einem Munde. Tut dies, Jäk Pfanner. Dies ist heut und diesem Orte wohl getan! die Treppe herab, voraus Jakob Pfanner, kommt jetzt schwer auf einem Bein humpelnd und von zwei Burgknechten gestützt, der Truchsess. Unten an der Treppe angelangt, wo ihn inzwischen der Bgm. Jäk Pfanner, der Stadtrat von Wangen und die Abgesandten des Bundes bereits erwarten, richtet er sich auf und weist mit einer unwirrschen, herrischen Gebärde die Knechte von sich ab, welche ihn weiter stützen wollten. Bgm. Jäk Pfanner, an seiner Seite der Schreiber Gänskiel, in den Händen eine Dokumentenrolle treten vor ihn und Jäk Pfanner beginnt zu sprechen. Bgm. Jäk Pfanner Wollt Ihr, Edler von Waldburg und Herr von Thanne, uns dem Rat der Stadt Wangen und den Abgesandten des Bundes der Städte vom See, dies Dokument hier unterschreiben, in welchem Ihr erklärt, dass unsere Fehd beendet sei für alle Zeiten? So unterschreibt und Ihr seit in kurzer Zeit ein freier Mann! der Truchsess, die Hände in die Seiten gestützt und sich in der Runde umblickend, danach den Bürgermeister und die Abgesandten hochmütig und anmaßend anblickend, gibt folgende Antwort. 126 Hans von Waldburg Was kömmt euch an, tolldreiste Gesellen? Ihr wollt mir, dem Truchsess Ratschlag und Forderung geben? er zeigt auf das Dokument. Was soll das hier? Was soll der Wisch? Dass ich mit ihm den Arsch mir putze? Ich unterschreib euch kein Papier! Niemals! Ihr frechen dreisten Stadtgesellen! verschränkt danach herausfordernd die Arme und blickt sich um in der Runde. 127 Aus der Menge hört man Rufe Macht ihn doch einen Kopf kürzer gleich! Oder noch besser, hängt ihn an der Mauer auf, wie es die noblen Herrn mit unsereinem oft getan! Bgm. Jäk Pfanner, den Kopf energisch schüttelnd und dabei die Hände abwehrend erhebend. Bgm. Jäk Pfanner Wir handeln nur dem Rechte und dem Gesetze nach! Hans von Waldburg, Ihr seid, wie man wohl weiß umliegend in den Städten, ein kluger und im politisch Ränkespiel gescheiter und erfahrener Mann! Allein den Stolz, die Wut, den Zorn müsst Ihr noch fahren lassen, so Ihr Eurem Geschlecht und uns zukünftig ein gedeihlich Miteinander sichern wollt! Ihr unterschreibt nicht? Auch gut! So übergeb ich Euch denn also jetzt dem Profos, welcher Euch unter strenger Bewachung nach Konstanz in den Kerker bringen wird. Dort habt Ihr Zeit, Euch eines Besseren zu besinnen und wenn’s zehn Jahre dauert! Ihr werdet in den Landen des Bundes uns keine Stadt mehr überfallen und unsere Leute bekriegen! Profos! Legt ihn in Ketten, dann bringt zuerst nach Lindau und von dort nach Konstanz ihn! Hans von Waldburg, der Truchsess wird abgeführt. Bgm. Jäk Pfanner wendet sich nun an alle. Und ihr, ihr braven Leut, kehrt nun zurück in eure Städt und preiset Gott für die Errettung aller. Dem Kriegsvolk auch sei Dank und Ehr! Sollet dafür haben guten Sold und im Gedächtnis bleibende Erinnerung! Lasst uns jetzt gehen, die Sach ist wahrlich nun zu End gebracht! 128 alle formieren sich danach zu einem gemeinsamen Zug. An der Spitze der Bürgermeister mit dem Stadtrat, dahinter Wangens Schmiede und sonstige Bürger, schließlich die Kriegsknechte und Spießträger. Mit Trommlern und Pfeifern marschieren sie nun wieder über den Postplatz durchs Ratloch auf den Marktplatz. Oben angekommen hört die Musik und aller Lärm leise verebbend auf. 129 130 131 4. Akt, 2. Aufzug Ort: Der Stadtbrunnen, Marktplatz der Stadt Wangen Personen: Jakob Pfanner / Barbara Knill / Szene vor dem Brunnen. Gleichzeitig bewegen sich langsam von mehreren Seiten die gesamten Schauspieler schweigend zur Mitte des Platzes / Jäk Pfanner, der Bürgermeister / Schlussszene auf dem Marktplatz vor der Bühne / alle Darsteller sind inzwischen hier versammelt wie der Rat der Stadt, die Bürger, die Schmiede, die Kriegsknechte und das Marktvolk, ausgenommen die Adelspartei. Es endet mit Tanz, Gesang und Musik. Dunkelheit, dann erleuchten plötzlich Scheinwerfer den Platz vor dem Brunnen. Von zwei verschiedenen Seiten aus der Dunkelheit eilen Jakob Pfanner und Barbara Knill ein letztes Mal aufeinander zu und umarmen sich stürmisch. Still und lange. Immer wieder streichen sie sich gegenseitig über das Haar und schauen sich in die Augen. Sie küssen sich jedoch nicht mehr! Jakob beginnt als erster zu sprechen. Jakob Pfanner Barbara, was ist geschehen in all den vielen Tagen seit wir zum ersten Male uns gesehen? Fast ist es mir, als wär’s ein Leben wohl gewesen! Und doch so kurz! Ach wahrlich so unsagbar kurz! Abschied heißt es jetzt mir von dir zu nehmen, von unserer Lieb auf immer. Barbara Knill Jakob, auch mir erschien es fast wie ein Leben, die Zeit mit dir und doch so grausam schnell vorüber. Doch auch unsagbar schön! Der einzig Trost, der uns für immer bleibt, ist unser Land des Glücks in 132 welches wir, wenn die Sehnsucht vielleicht gar zu groß, in der Erinnerung dann bisweilen flüchten, gehen können. Jakob Pfanner Oh Barbara, das Land des Glücks, ich hoff, ich finde es dann, wenn ich am nötigsten es brauche, allein draußen in der Fremde! Und liebste Barbara, sei deinem Vater auch nicht mehr gram. Er handelt nur wie Sitte und Brauch es ihn so heißen! Er will wie auch mein Oheim der Bürgermeister nur das Beste für uns. Die Gefahr an meiner Seite für dich wär gar zu groß! Doch bin ich sicher, dass ich sie für mich besteh und Furcht vor dunkler Zukunft kenn ich nicht! Ich wünsch dir, herzliebste Barbara, einen guten, braven Mann, den allerbesten, den es für dich geben kann, denn die Frau, die er sodann an seiner Seite, ist wahrhaftig aus purem Gold! Barbara Knill nimmt Jakob an der Hand und während sie mit der Fußspitze im Sand am Boden zeichnet ... So bleibt denn von unserer Liebe nur die eisern Blum hier unterm Sand. ... wischt wieder leicht mit dem Fuß darüber. Und einer, eine, der sie in weit entfernter Zeit vielleicht dann fand, glaubt gar, sie war nur wertlos Tand. Allein an diesem stillen Ort webt sie, die Lieb ihr Märchen, leise erzählend fort und fort. Erzählt mit stillem Seufzen dann die Geschichte von Barbara der Kaufmannstochter und ihrer ersten Lieb, dem tapferen Jakob, dem 133 jungen Schmied von Wangen. Doch sag mir, liebster Jakob, wo gehst du hin? In welche Fremde willst du ziehen? Jakob Pfanner Ich begleit als Waffenknecht am nächsten Morgen schon einen Kaufmannszug zum See hinunter in’s Appenzellische. Zuerst geht es ins Gallisch Kloster. Vielleicht find ich Arbeit dort als Schmied. Wenn nicht, geh ich noch weiter bis gen Zürich dann. Hab gehört dort brauchen sie noch wackere Männer, die nicht nur den Schmiedehammer, sondern auch ein blankes Schwert gut führen können. Auch geht’s dort, wie man hört, erneut gegen Fürstentyrannei und Herrenwillkür, für solchen Wert will ich mich gern verdingen und frag zuerst auch nicht nach meinem Sold. Jakob nimmt sie jetzt an der Hand und zieht sie mit sich fort. Barbara, kommt jetzt und verjagt alle dunklen Gedanken. Lasst uns den kurzen Augenblick ganz schöpfen bis zur Neige, welcher uns ein letztes Mal heut noch gegönnt und lasst uns nun zum Feste gehen! Ein letztes Mal noch wollen wir miteinander tanzen, singen, lachen, uns in die Augen sehen. Schwindelnd uns im Reigen drehen, uns glauben lassen dieser Augenblick, er möge nie vergehen! sie gehen in Richtung der Bühne, auf welcher sich inzwischen der Rat der Stadt und der Bürgermeister aufgestellt haben. Vor der Bühne hat sich das Volk von Wangen – alle Mitwirkenden – versammelt. Im Hintergrund hört man lustige, mittelalterliche Tanzweisen. Auf der Bühne tritt jetzt der Bürgermeister vor seinen Stadtrat, hebt die Hände, die Musik verstummt darauf und er beginnt zu sprechen. 134 Bgm. Jäk Pfanner Ihr braven Bürgersleut von Wangen, ihr lieben Herren vom Rate und ihr wackeren Kriegsleut, die uns zur Seit gestanden in den letzten Wochen und Tagen. die Stimme jetzt lauter erhebend. Die Schlacht ist wahrhaft jetzt geschlagen, der Sieg ist unser und der unserer Verbündeter, die andern Städt vom Bunde! lauter Beifall brandet auf. Ohne Übermut kann ich es wagen und in aller gebotner Mäßigung es sagen, dass wir der Herren Stolz, ihre Willkür und Anmaßung in die Flucht geschlagen! Dank eurem Mut und eurer Kraft! lauter anhaltender Beifall bis der Bürgermeister, wieder die Hand erhebt, um weiterzusprechen. Eines jedoch muss mit tiefer und größter Dankbarkeit an dieser Stell erwähnet werden. Ohne der Schmiede mutige und entschlossne Tat hätten wir diesen Kampf verloren und viele aus der Stadt hätten ohn Zweifel verderben müssen und wären der Freiheit verlustig gewesen für lange Zeit! wieder lauter Beifall und Hochrufe auf die Schmiede. Obwohl es die Tat von allen war, heb ich jetzt einen Namen hier auf diesem Platz hervor und nenn ihn besonders aus der Schar so vieler unerschrockner Männer. 135 Es ist meines verstorbnen Bruders einziger Sohn, Jakob der Sensenhämmerer! alle rufen jetzt, Jakob! Jakob! Jakob! Jakob der Schmied! Er soll lange leben! Sein unerschrockner Mut und seine lautere Tapferkeit wird unvergessen in unserer Stadtgemeinschaft und in unseren Herzen bleiben für alle Zeit! wieder laute Beifallrufe bis der Bürgermeister. noch einmal die Hände erhebt und um Ruhe bittet. Danach spricht er in gedämpftem Ton weiter. Doch werden wir in Zukunft seinen Namen aus allen städtischen Listen und Papieren streichen und keine Erwähnung mehr tun von seiner Tat, damit ein jeder glauben mag, es hätt ihn nie gegeben! Denn nur so kann er fortan weiter und in Frieden leben, sich freuen an manch zukünftig schönem Tag! Allein die Tat bleibet den Schmieden! Geschlecht um Geschlecht soll sie erzählen von Zeit zu Zeit. Vom tapferen Kampf der Schmiede um die Freiheit in ihrer, unserer Stadt zu Wangen! Zu Ehren dieser wackeren Zunft soll ab Neujahr ein Umzug sein. Dadurch den Schmieden immerdar Dankbarkeit und Ehre zu erweisen und sie und den Herrn zu preisen, dass sie gerettet uns in schwerer Stund! Doch denkt daran, die Freiheit wird uns nicht geschenkt! Auf das Neue stets muss sie erkämpfet werden! Doch seid ihr einig euch in Gemeinschaft in eurem Tun und Freiheitsdrange, wer will euch schließlich daran hindern, wehren, dass ihr sie, die Freiheit, stets auf’s Neue dann in euren Händen haltet! 136 137 Doch nun, liebe Leut zu Wangen, genug der Wort! Itzo muss und darf gefeiert werden! Trinkt, singt, und lacht und schmaust! Der Grund ist gut! Der Truchsess ist gefangen! In Zukunft und für alle Zeit werden die Wangener nun ihre Herren selber wählen! lauter Beifall und Hochrufe. Und so geb ich nun hier an dieser Stell und ihr möget alle Zeuge davon sein und unser Tun für immer in der Zukunft daran messen, ein Bild des einen wahren und des guten Herren, welcher Gerechtigkeit übt gegenüber jedermann ohne Ansehen der Person! Ein wahrer Herr sich also nennen darf, der sich wohl üben mag in Mildtätigkeit gegenüber den Armen und den Mittellosen! Ein Herr, der Nachsicht übt gegen die Schwachen und Hülfe gibt und Stütze ihnen! Ein Herr, der für die Kranken sorgt und der die Frauen und Kinder schützt und den freien Bürger vor Unterdrückung und Gewalt! Diesen Herrn nenn ich wahrhaft einen Herrn von Gottes Gnaden! Vor diesem Herrn beugt auch der freie Bürgersmann sein Knie und bezeuget Achtung ihm und auch Respekt! Wir wollen deshalb Achtung haben, dass wir solche Herren wählen und für die Zukunft unserer Kinder wird uns die Angst fortan nicht mehr im Griffe haben! Endgültig nun, lasst uns dies heute feiern und unsere Nachfahren mögen nie vergessen unser Tun an diesem heutigen Tag! Dem Tag der Freiheit zu Wangen! die Musik ertönt wieder und alle Mitwirkenden sind nun auf dem Platz und auf der Bühne versammelt im fröhlichen Durcheinander und tanzen und lachen und trinken. Es ertönt Musik aus der Zeit. Ende 138 139 140 141 Anhang 142 Bekanntgabe des Schauspiels in der Stadt Am Tag der ersten Aufführung reitet am Morgen ein städtischer Herold gekleidet in die Wangener Stadtfarben rot /weiß, das Pferd von einem Stadtknecht am Zügel geführt, durch Wangen. Der Stadtknecht wiederum ist mittelalterlich einfach gekleidet nach Art der Zeit, braune Rupfentunika u.s.w. Hinter dem Reiter und seiner Begleitung marschieren, diese wieder in den Stadtfarben in knielanger rot / weißer Tunika, zwei Fanfarenbläser und zwei Trommler. An entsprechenden Orten, zuerst auf dem Marktplatz, verkündet der Wangener Stadtherold nach Fanfarenstoß und Trommelwirbel nun Folgendes mit lauter, weit tragender Stimme. Bekanntmachung Hört und habet Acht ihr Wangener Bürgersleut und auch die braven Leut zu Land in den Gemeinden! Schultheiß und Rat der altehrwürdigen ehemaligen freien Reichsstadt zu Wangen im Allgäu haben beschlossen, dass zum Anlass erster urkundlicher Erwähnung unserer geliebten Bürgergemeinschaft Wangen vor 1250 Jahren und zum wiederkehrenden Erinnern an die Befreiungstat von beabsichtigter Herrengewalt durch unsere tapferen Schmiede und deren furchtlose Entschlossenheit, ein dramatisch Schauspiel aufzuführen mit vielen Spielleuten und Musik. Das Spectaculum findet statt erstmals heut zur Nacht am Postplatz um 20 Uhr. Kommet also zu Hauf aus Stadt und Land zu hören die Kund von „Jakob dem Schmied oder der Freiheit zu Wangen“! Danach Trommelwirbel, wiederum zwei Fanfarenstöße und Abmarsch zum nächsten Heroldspunkt. 143 Gevatter Tod („Sprechlieder“ des Spielmannes) Hört her ihr Leut was ich euch sag merkt es euch gut denkt daran jeden Tag scherzet liebet trinkt und lacht Gevatter Tod allem oft schnell ein Ende macht da hilft kein Weinen und kein Flehen all Menschenfleisch muss mit ihm gehen ob König Ritter oder Pfaff gleich schnell sind sie dahin gerafft wie Bettler Bauersmann und Magd sie sinken all ein’s Tag`s in’s Grab drum scherzet singet liebt und lacht Gevatter Tod all dem ganz schnell ein Ende macht 144 Der arm Konz („Sprechlieder“ des Spielmannes) Heididdeldei der Konz ist da der Konz ist da heididdeldei heididdeldei ein Spielmann nur ein Spielmann nur heididdeldei ein armer Spielmann nur diddel diddeldei ja bin kein Ritter und kein Edelmann bin weder Pfeffersack noch Pfaff diddeldei bin nur der arme Konz ein Spielmann und ein dummer Laff diddel diddeldei ja arm bin ich ja arm bin ich heididdeldei ja arm bin ich doch frei ja arm niemandes Knecht ja arm und vogelfrei heididdeldei brauch auch kein Schloss 145 kein Haus kein Hütten hab Sternenpracht und Himmelszelt lieg nieder wo es mir gefällt die Wies ist min Strohschütten didddel diddeldei min Haupt leg ich auf duftig Heu min Gebein auf karge Spreu heidideldei min Muotter kannt ich nit diddeldei hab darob jedoch kein Verlitt diddeldei es sorgten sich um mein Gebein in vielen Städt die Mägdelein heididdeldei hab oft des Tags noch nicht gewusst wo ich nächtens den Kopf hinleg an welche Brust heididdeldei bin arm und vogelfrei manch süß liebreizend Mägdelein gab mir zu essen und schenkt ein heididdeldei hab ich ihr gut gefallen gabs auch Tiroler Wein 146 heididdeldei bin arm und vogelfrei heididdeldei wurd oft aus mancher Stadt verjagt schlich mich aufs Land zu einer Magd heididdeldei bin ja so arm und vogelfrei diddel diddeldei ein Fürst und Herren kenn ich nicht bin nur ein armer kleiner Wicht ja arm und vogelfrei heididdel diddeldei jetzt liebe Leut hört her genau die Freiheit ist ein mager Frau heididdeldei mager und arm bin ich doch frei ja arm und vogelfrei heididdeldiddeldei min Fidel ist min liebe Maid sie herzt mich ja die ganze Zeit 147 heididdeldei bin frei bin frei bin frei s’ist besser ich halt’s Maul jetzt gell sonst kommen mir die Büttel schnell verjagen mich aus eurer Stadt den arm Konz der nichts im Beutel hat heididdeldei im Beutel nichts dochfrei heididdeldei wenn euch mein Lied gefallen hat gebt mir ein kleines Scherflein ab leg euch hierfür eine Blum aufs Grab seid gesegnet vom armen Konz für eure Gab vom armen Spielmann Konz diddeldei der niemands Knecht und frei 148 Siegfried und der Drach („Sprechlieder“ des Spielmannes) Heididdeldei heididdeldei ich sing euch jetzt das Lied vom Drach obwohl die Mär ein böses End hat ach! heididdeldei heididdeldei fauchch fauchch krachch! Seht ihr das wutige rotgelb Feuer riechet ihr den stinkend schweflig Atem ach! All das kommt von dem Ungeheuer! Heididdeldei heididdeldei fauchch fauchch krachch! Seht ihr den grünlich gelben Rauch? Er kommt direkt aus horn’gem Bauch und aus dem Maul vom Drach! Heididdeldei heididdeldei fauchch fauchch krachch! Zersplitternd schlägt er die Bäum mit seinem Schwanz so er zerbrochen hat auch manches tapferen Recken Lanz und schweflig Feuer speit der Drach! Der Lindwurm herrscht zu dieser Zeit im Wald in einer Höhl die furchtbar war schwarz wie die Höll riesenhoch und tief und weit voll schwärend dämonisch Dunkelheit, hell wurd es nur wenn der Drach Feuer speit! Ihm brachten nun die armen Leut 149 jährlich ein arm und blutjung schöne Maid sowohl als Fron als auch zur blut’gen Beut’. Ein Recke einst der Siegfried hieß mit scharfem Schwert und langem Spieß der ward gar herrlich anzuschaun ein Günstling auch bei Maid und Frau’n Sein’ Frau er eines Tags verließ ein’s Königs Tochter Kriemhild sie hieß. Siegfried schlug nun den Drach mit seinem Schwert So wie die dick Line den Jörgl den Ehgemahl mit ihrer Gert! Sie traf ihn wie Siegfried einst den Drach am Kopfe dass rot sein Blut vom Haupte tropfte. Siegfried stach mit der Lanze zu Viel hundertmal und dann ward Ruh. Aus war’s mit fauchch und fauchch und krachch, der Drach lag tot in einem Bach! Und Siegfried, was tat er? Im Blut vom Drachen badet er! Was darauf dann geschah jedoch ist eine andere Mär, sie zu erzählen bräucht ich ein Scherflein noch ihr braven Leut ich bitt euch sehr! 150 Übergabe und Kapitulationsaufforderung seitens des Rates der Stadt Wangen und der Abgeordneten des Bundes der Seestädte an den Burgherren der Burg zu Leupolz Heinrich von Summerau Eine historische Fiktion Wir, die Abgesandten der Städte des Seebundes item, die vor diesem Ort auch in unserem Auftrag handelnde Stadt Wangen, in nomine dessen Rat und Bürgermeister, welches treue Mitglieder dieses Bundes sind und alle versammelt hier vor dieser Burg zu Leupolz, welche dem Edlen Heinrich von Summerau zu eigen, fordern selbigen nachdrücklich auf, ohn Aussicht auf weitere Verhandlung oder gar Verbesserung des Gebots, Burg und den Edlen Hans von Waldburg und Thanne auch der Truchsess genannt, welcher sich auf seiner Burg versteckt und hinterlistig bei ihm mit einigen seiner Knechte und Spießgesellen Unterschlupf gefunden, denselben mit allen, die ihm zu Gefolge und seine Knechte sind, vor die Feste zu führen und uns zu übergeben. Wird Burg und der „zu Waldburg und Thanne“ uns nicht herausgegeben, so soll die Feste mit allen Mitteln berannt, gebrannt, niedergerissen und geschleifet werden! Diejenigen, welche überleben, insbesondere die, welche von Adel und Befehlsgewalt, werden umgehend in Ketten gelegt und zur Kerkerhaft gen Konstanz geführt, wo sie dann vor einem Gericht des Bundes um Ausgleich ihrer Lage verhandeln mögen. Das gemeine Volk, welches sich noch in der Burg befindet und keine Schuld an Leib und Leben der Belagerer auf sich geladen, möge danach gehen wohin sein Wille und Begehr. 151 Andere Gemeine, welche Blut an ihren Händen und sich vergangen gegen uns, werden item wie ihre Anführer vom Gericht des Bundes gehört und danach abgeurteilet werden. So Ihr mit den Forderungen, welche wir itzo grad verlesen, einverstanden, so mag der Burgkommandant, der Edel Burkhart von Stadion, uns von oben auf den Zinnen durch eine weiße Flagg ein untrüglich Zeichen geben. Möge nun Gott der Herr Euch und uns das Richtige tun lassen und den Krieg zu Ende bringen! Gesiegelt und gezeichnet Bürgermeister und Rat der Stadt zu Wangen sowie die Abgesandten des Bundes der Städte vom See anno domini 1389 152 Rathausanschlag Bericht des Rates an die Bürgerschaft Aushang an jedem Neujahrsmorgen an der Tür des Rathauses Eine historische Fiktion Im Jahre 1389 nach der Geburt unseres lieben Herre Christ gibt Rat und Bürgerschaft Bericht und Auftrag zur Feder dem Chronist: Stadt und Bürgerschaft erneut zu knechten den Bruch mit allen Bürgerrechten durch Handstreich wieder abzuschaffen allein gestützt auf roh' Gewalt und Waffen, glaubte die Adelspartei mit aller Kraft, dass sie sich wieder Macht über die Stadt Wangen erneut verschafft! Mit List, geheimer Tücke, erschlichenem Verrat und so im Tor geschaffne Lücke, drang ein der Truchsess, Waldburgs Fürst, allein am Mut jedoch und tapferer Schmiede Kraft, der Überfall zerbirst! 153 Wangen Ein Hoch auf diese tapferen Leut! Fangt an mit allen Glocken ein Geläut! „Frytag“, Befreiungstag sollt dieser Tag nun fortan und für immer heißen, ihn sollen Enkel noch und kommende Geschlechter preisen Kunde zu geben von der Tat, was Mannesmut und Bürgerstolz getan zu rechter Zeit, vermag! Hört, hört ihr guten Wangener Bürgersleut, Frei ist Wangen nun, ja frei für alle Zeit! 154 Wappen der Schmiedezunft Fiktion Möglicher Entwurf für eine Gedächtnisplakette bzw. Münztaler 155 Gesamtliste der Darsteller / Regie Vorszene Eine junge Mutter unserer Zeit, ein kleiner Junge mit Roller, ein Städtischer Herold, zwei Fanfarenbläser, zwei Landsknechtstrommler. 1. Akt, 1. Aufzug Ort: Schmiedewerkstatt des Burkhart Kolb in der Schmiedegassen. Personen: Jakob Pfanner, der Schmiedegeselle / Barbara Knill, die Kaufmannstochter / Balthasar Griesser, der Schmiedealtgeselle / Burkhart Kolb, Zunftmeister der Schmiede von Wangen und Ratsmitglied der Stadt Wangen. 1. Akt, 2. Aufzug Ort: Marktplatz der Stadt Wangen. Personen: ein Spielmann und Sänger, gleichzeitig Anführer der Gauklertruppe / ein Pfeiffer / ein Handtrommler / ein Sackpfeiffenspieler / ein Feuerschlucker / ein Jongleur / ein Bodenartist / eine Tänzerin / erste Bäuerin bzw. Marktfrau o. Namen / zweite Bäuerin bzw. Marktfrau ohne Namen / Dicke Line, eine Marktfrau und Bäuerin / ein Rufer aus der Menge / ein Blinder / ein Lahmer / ein Apfelkäufer / der Ritter Hans von Rechberg / zwei Rufer aus der Menge / der Ritter Bruno von Abensberg / Marktstandbetreiber / Jakob Pfanner / Barbara Knill / Rufer aus der Menge. 156 2. Akt, 1. Aufzug Ort: Rittersaal in der Burg zu Leupolz, Burg des Ritters Heinrich von Summerau. Personen: eine alte Burgmagd / der Ritter Heinrich von Summerau / der Ritter und Regionalherr Hans von Waldburg / der Ritter Konrad von Prassberg / Burgkommandant und Ritter Burkart von Stadion / zwei weitere Ritter ohne Namen. 2. Akt, 2. Aufzug Ort: Platz vor einem Brunnen der Stadt. Personen: Jakob Pfanner / Barbara Knill/ zwei Stadtwachen. 3. Akt, 1. Aufzug Ort: Ratssaal der Stadt Wangen. Personen: Jäk Pfanner, Bürgermeister der Stadt und Oheim von Jakob Pfanner / Ambrosius Knill, Kaufmann, Ratsherr sowie Vater der Barbara Knill / Burkhart Kolb, Zunftmeister der Schmiede und Ratsherr / Franz Gänkiel, Schreiber des Bürgermeisters und des Rates der Stadt / Hans Susenbrät, ein Ratsherr / mehrere Räte welche auch als Zwischenrufer agieren insgesamt eventuell 16. 3. Akt, 2. Aufzug Ort: Schmiede des Burkhart Kolb, Schmiedegassen vor dem Peterstor. 157 Personen: Jakob Pfanner / Balthasar Griesser / Jörg Endrass ein Wangener Bürger / der Türmer / Pfeiffer Max, ein ängstlicher Wangener Bürger und Blockpfeiffenspieler / Ritter Hans von Waldburg, der Anführer des Überfalls / Ritter Konrad von Prassberg, sein erster Gefolgsmann und zweiter Führer des Stosstrupps / Jäk Pfanner, der Bürgermeister / die Ritter des Stosstrupps, ca. 10–15 mit zwei – drei Pferden, Zahl nach den Möglichkeiten / die Schmiede aus der Schmiedegassen ca. 10–20, Anzahl nach den Möglichkeiten / Wangener Bürger, Anzahl nach den Möglichkeiten / verschiedene „Sieges“ – Rufer sowie Trommler und Bläser von Kriegstrompeten. 4. Akt, 1. Aufzug Orte: 1. Ratszimmer des Bürgermeisters Jäk Pfanner (Bühne). 2. Marktplatz (im Stück der Postplatz) zu Wangen. 3. Ebene vor der Burg zu Leupolz (Postplatz vor den Zinnen der Kirchentreppe). Personen: Jäk Pfanner, Bürgermeister / Franz Gänskiel, Ratsschreiber / zwei Kommandanten des Aufgebotes der Kriegsknechte der Stadt Wangen und der Städte des Seebundes / mehrere Ratsmitglieder sowie Abgeordnete des Städtebundes vom See, Anzahl nach den Möglichkeiten / Kriegsvolk, Anzahl nach den Möglichkeiten / Herold der Stadt Wangen und des Bundes / Ritter Burkhart von Stadion, Burghauptmann der Burg zu Leupolz / Ritter Hans von Waldburg / ein Rufer aus der Belagerermenge / Jakob Pfanner / Pfeifer, Trommler, Trompeter, nach den Möglichkeiten der Regie. 158 4. Akt, 2. Aufzug Orte: Der Stadtbrunnen siehe 2. Akt, 2. Aufzug, Marktplatz der Stadt Wangen (im Stück: Stadtbrunnen am Postplatz , Marktplatz = Postplatz). Personen: Jakob Pfanner / Barbara Knill / Szene vor dem Brunnen Jäk Pfanner Bgm. / Schlusszene auf dem Marktplatz / alle Darsteller sind versammelt wie Rat, Bürger, Schmiede einschließlich der Musiker, des Marktvolkes, der Kriegsknechte außer der „Adelspartei“. Es endet mit einem lustigen Treiben mit Gesang und Musik. Die Gesamtzahl der Darsteller und Statisten beläuft sich auf ca. 70–100 Personen je nach den Möglichkeiten der Regie und der Requisite. Darunter 7 Hauptrollen, 12 größere Nebenrollen, 14 kleinere Nebenrollen, 3 Musiker, 1 Musiker und Bänkelsänger, 4 Gaukler, 1 Städt. Herold mit 2 Trommlern und 2 Fanfarenbläsern und ca. 30–40 Statisten, welche Schmiede, Kriegsknechte, Volksmenge usw. darstellen und welche in verschiedenen Kostümen mehrfach auftreten könnten. Für den Überfall sollten 2–3 lärm- und schusssichere, stabile, gut abgerichtete Pferde zur Verfügung stehen, welche sich vielleicht schon mehrfach in früheren Jahren bei Fest- und Faschingsumzügen bewährt haben. Selbstverständlich könnten dies auch Kaltblutpferde sein, wenn vorhanden. Kriegsgerät, wie Harnische, Sturmhauben, Piken, Schwerter, Äxte, Hämmer, ev. eine leichte kleine Feldschlange muss aus dem Fundus eines Theaters besorgt werden. Ansonsten wird beim Städt. Bauhof, insbesondere der Schreinerei desselben, für die Holzarbeiten u.a. angefragt werden müssen. 159 Das Stück ist in erster Linie konzipiert als Freilichttheateraufführung. Bei entsprechender Umgestaltung und Regie könnte jedoch ohne weiteres auch ein reines Bühnenstück daraus entwickelt werden mit entsprechend geringerer Zahl von Schauspielern, Statisten und Gerät. 160 161 Jakob Pfanner: „Den Schlag geb ich zurück mit gutem Schmiedeeisen und hau die Fürstentyrannei vom Rosse“!
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