Jakob der Schmied_Volkwein - marketingagentur thomas ehinger

Ein Schauspiel
Jakob der Schmied
oder
die Freiheit zu Wangen
Ein Schauspiel
Dieter Volkwein
2
Autor:
Dieter Volkwein im EIGENVERLAG
Illustrationen, Titelgestaltung:
Dieter Volkwein
Projektabwicklung, Satz & Design:
Thomas Ehinger, Wangen
Druck & Konfektionierung:
Thomas Ehinger, Wangen
1. Auflage, 10/2014, aus Manuscript 2013
Sämtliche Rechte des Druckes, der Vervielfältigung, auch in Auszügen, der Aufführung
im Theater oder in sonstigen Medien wie Rundfunk, Fernsehen und Internet liegen beim
Autor. © Dieter Volkwein
Dr. Dieter Volkwein | Oflingserweg 15 | 88239 Wangen im Allgäu
3
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 5
Vorszene 9
1. Bild 12
1. Akt / 1. Aufzug 13
2. Bild 28
1. Akt / 2. Aufzug 29
3. Bild 48
2. Akt / 1. Aufzug 49
2. Akt / 2. Aufzug 67
4. Bild 80
3. Akt / 1. Aufzug 81
5. Bild 98
3. Akt / 2. Aufzug 99
6. Bild 114
4. Akt / 1. Aufzug 115
7. Bild 126
4. Akt / 2. Aufzug 131
8. Bild 136
Anhang 141
Bekanntgabe des Schauspiels in der Stadt /
Bekanntmachung 142
Gevatter Tod (Sprechlieder des Spielmannes) 143
Der arm Konz (Sprechlieder des Spielmannes) 144
Siegfried und der Drach (Sprechlieder des Spielmannes) 148
Übergabe und Kapitulationsaufforderung Burg Leupolz /
Historische Fiktion 150
Rathausanschlag / Historische Fiktion 152
Gedächtnisplakette / Entwurf / Fiktion 154
Gesamtliste der Darsteller / Regie 155
4
Gewidmet meiner Heimat und Geburtsstadt
Wangen
5
Vorwort
Im Jahre 2015 feiert die kleine Allgäustadt Wangen ein denkwürdiges
Jubiläum, die erste urkundliche Erwähnung vor 1250 Jahren! Damit verfügt sie über den ersten, stofflich greifbaren Beweis ihrer beginnenden
Existenz. 1250 Jahre Vergangenheit sind wahrlich ein Grund um gebührend zu feiern! Zumal sich aus diesen ersten, in der damaligen Welt wohl
kaum bemerkbaren, schwachen Anfängen im Laufe der Jahrhunderte
eine Bürgergemeinschaft entwickelte, welche sich bis in napoleonische
Zeiten Freie Reichsstadt nennen durfte! So hatten die Bürger einen Sitz
im „immerwährenden Reichstag zu Regensburg“ inne und hatten im
Konzert der Großen, zusammen mit den mächtigsten Reichsfürsten bei
der Kaiserwahl, Gewicht und Stimme. „Die kleine Stadt vor dem Gebirg“
mutierte in neuerer Zeit nach dem Verlust alter Reichsstadtherrlichkeit
schließlich zur Oberamtsstadt und wurde in jüngster Vergangenheit wiederum zur Großen Kreisstadt scheinbar aufgewertet. Der Charme und
die Anziehungskraft der Stadt jedoch sind ungebrochen und alt eingesessene und neu hinzugekommene Bürger wissen, welchen Schatz sie
an ihrem Städtchen haben. Der Fährnisse und Klippen, welche diese
Bürgergemeinschaft im Laufe ihrer nun jetzt 1250 jährigen nachweisbaren Geschichte zu umfahren hatte, waren jedoch viele und einige
davon waren von äußerster Bedrohung ihrer städtischen und bürgerschaftlichen Existenz. Ein herausragendes, einschneidendes Ereignis in
der Stadtgeschichte, welche das schwache Pflänzchen städtischen Werdens und Entstehens bei der Entwicklung juristischer Selbstständigkeit
bedrohte, war ohne Zweifel der Überfall des Hans von Waldburg im Juni
1389 mit seinen Kriegsknechten auf die Stadt. Dieser wurde durch die
heldenhafte Tat der Wangener Schmiede niedergeschlagen und abgewehrt, eine Tat, derer bis in die Anfänge des frühen 19. Jahrhunderts regelmäßig an Neujahr durch eine die Stadt umschreitende Prozession
6
gedacht wurde. 1802 wurde Wangen durch die Napoleonischen Kriege
vorübergehend dem Königreich Bayern zugeschlagen und verlor seine
Reichsunmittelbarkeit. Die Prozession, das Gedenken an die tapferen
Schmiede, wurde untersagt und ist danach im Laufe der Jahrzehnte in
Vergessenheit geraten. 2015, ein Datum an dem man sich vielleicht
überlegen könnte, dieses Brauchtum wieder erneut aufleben zu lassen.
Warum? 1389, das Jahr des Überfalls auf die Stadt, sollte hierzu kurz
unter die historische Lupe genommen werden. Die letzten Jahrzehnte
des 14. Jahrhunderts sind die Zeit einer Auseinandersetzung der aufblühenden Städte mit dem um Macht und Einfluss ringenden Adel. Vor
allem die feudalen Regionalherren und mit diesen der von ihnen wiederum abhängende Kleinadel fürchtete um Pfründe und Vermögen. Das
Schielen auf den hochkommenden Reichtum der Städte und den nicht
aufzuhaltenden Niedergang bestimmter Adliger führten letztendlich zu
einem brutalen Kleinkrieg der Städte mit denselben, welcher wiederum
ein hemmungsloses Raubrittertum förderte, das auch durch eine schwache Zentralgewalt so gut wie nicht am Marodieren und Plündern gehindert werden konnte. König Wenzel, ein schwacher Trunkenbold und
fortgesetzt in Geldnöten, war zuerst auf Seiten des „Städtebundes vom
See”, welchem auch Wangen angehörte, kündigte jedoch schließlich auf
Versprechungen des Adels diesen auf und verlangte auf Drängen der
Adelspartei sogar dessen Auflösung. Eine Entscheidung, welcher sich
verschiedene Städte — darunter auch Wangen — widersetzten. Es ging
also bei dem Überfall des Truchsess von Waldburg um erneute Abhängigkeit und letztendlich Verlust einer gerade im Entstehen begriffenen
bürgerlichen Freiheit! Was wäre ein aktuelleres Thema in unserer Zeit,
gerade auch in unserem globalen Miteinander, als der Kampf um die
Freiheit! Ein Kampf, der heute so aktuell, wie damals ist. Uns Wangener
Bürger muss und darf es mit Stolz erfüllen, dass am Anfang dieser, unserer bürgerlichen Gemeinschaft, der Kampf um die Freiheit von Bür-
7
gern aus unserer Stadtmitte, den Wangener Schmieden, mit Tatkraft und
Heldenmut geführt und gewonnen wurde! Dieses hoch zu halten und
nicht zu vergessen, daran zu denken,dass Freiheit kein selbstverständliches, sondern sich immer wieder aufs Neue zu bemühendes Gut ist,
war der auslösende Impuls für dieses Stück und meine Arbeit. Als eingeborener Bürger dieser Stadt und als Allgäuer eine Bemerkung zum
Gut der Freiheit, welche in diesem Stück letztlich die Hauptrolle spielt
und möge dies überall gelten:
Bleibet dra und lond it luck!
Zur Authentizität, der im Stück auftretenden Figuren. Historisch gesichert ist in diesem Zusammenhang ohne Zweifel die Person des Hans
von Waldburg, des Weiteren, die des Jäk Pfanner, des ersten 1387 urkundlich erwähnten Bürgermeisters von Wangen und natürlich die, zwar
gesichert historisch agierende, jedoch anonym bleibende Gruppe der
Schmiede. Ebenso gesichert ist die Person des Burkhart von Stadion,
des Burgkommandanten von Leupolz. Die Person des Konrad von Prassberg, des Heinrich von Summerau sowie die des Hans von Rechberg,
letztere besonders, stehen jedoch nicht in direktem historischen Kontext mit den geschilderten Ereignissen. Es könnte zwar so gewesen sein,
muss und darf letztendlich jedoch als freie dichterische Fiktion und
Deutung angesehen werden. Dasselbe trifft auf alle anderen auftretenden Personen, Personengruppen sowie die sie begleitenden Ereignisse
vor und nach dem Überfall zu, wobei die Zerstörung und Schleifung der
Burg Leupolz wiederum ein gesichertes historisches Faktum ist.
Dieter Volkwein 2014
8
9
9
Vorszene
Im Dunklen auf dem Postplatz beleuchten Bühnenscheinwerfer einen
Kreis in der Mitte desselben. In diesem Kreis ist ein kleines Loch ausgehoben mit rotweißem Plastikband umspannt, eine kleine abgesperrte
Baugrube darstellend. Eine junge Mutter mit einem kleinen Jungen, welcher auf einem Roller fährt, hält an der Baugrube an. Der kleine Junge
blickt hinein, sieht ein verrostetes Stück Eisen, zieht es heraus und übergibt es seiner Mutter.
Kleiner Junge
Lue Mamme, wa isch dös?
Mutter
wirft einen kurzen Blick darauf.
Ah komm! Wirf’s weg! A Stückle alts Eise halt! Butz deine Händ ab,
du Dreckspätzle du! Oistoils.
sie nimmt das Stück Eisen selber in die Hand, dreht es um und schaut
es sinnend an.
Wa dös wohl sei ka? Sieht fascht aus wia a Blum. Joa klar! Dös
könnts gwäe sei, a Lilie!
Ha, i gäb was drum, wenn e jetzt sähe könnt was und warum domoals
dös Stückle Eise agfertigt worre isch! Wia’s domoals wohl ausgsähe
hot und wia’s wohl war in Wange?
der Lichtkegel erlöscht und die Scheinwerfer beleuchten die Bühne, auf
der sich inzwischen der Herold, zwei Fanfarenbläser und zwei Trommler
in Reihe aufgestellt haben.
10
nach einem dumpfen Trommelwirbel und einem schmetternden Fanfarenstoß tritt der Herold hervor.
Herold
Hochverehrtes Publikum und werte Gäste unserer Stadt Wangen!
Hört und seht nun das dramatisch Schauspiel von Jakob dem
Schmied und der Freiheit zu Wangen!
nach einem weiteren Fanfarenstoß und Trommelwirbel beginnt das
Schauspiel.
11
12
13
Jakob der Schmied
oder
die Freiheit zu Wangen
ein Schauspiel
1. Akt, 1. Aufzug
Ort:
Strasse der Schmiede —Schmiedgasse, Schmiede des Zunftmeisters.
Personen:
Jakob Pfanner, der junge Schmiedegeselle / Barbara Knill, Kaufmannstochter / Balthasar Griesser, Schmiedealtgeselle / Burkhart
Kolb, Zunftmeister der Schmiede von Wangen und Ratsmitglied des
Rates der Stadt Wangen.
Balthasar Griesser
ächzend mit verkniffenem, verzerrtem Gesichtsausdruck, missmutig,
spöttisch.
Aahh, mehr Luft mehr Luft aufs Feuer, Bruder Jakobus, oder habt ihr
keine Kraft mehr in den Armen so früh am Morgen?
Jakob Pfanner gibt keine Antwort. Er zieht jedoch kräftig mit beiden
Armen den von der rauchgeschwärzten Decke herabhängenden Blasbalg.
Balthasar Griesser spricht weiter in spöttisch, gespielt vorwurfsvollem
Tonfall.
14
Balthasar Griesser
Schaut, schaut! Bruder Jakobus, der Herr des Amboss und des
Schmiedehammers war wohl gestern zu lang im „ Roten Ochsen“ gesessen oder gar gelegen? Ich nehme an, Ersteres wohl am Anfang
und Zweites wohl betrunken am Schluss!
Das Zweite nun, entweder auf dem Boden oder auf dem Strohsack
bei der Liesel der Schankmagd. Habt, ihr wohl wieder Eure, bei den
Wangenern Weibsleuten schon bekannten blanken Kalbsaugen gemacht und vielleicht gar noch andere Sachen aus Eurem vermaledeiten Hosenlatz gezeigt!
Balthasar Griesser lässt jetzt ein lang anhaltendes meckerndes Gelächter
ertönen. Jakob Pfanner grinst gelassen vor sich hin. Danach ebenfalls in
gespielt vorwurfsvollem Tonfall.
Jakob Pfanner
Ja, ja, macht Euch nur recht lustig über mich, hochwerter Herr Altgeselle! Ihr könnt schon leicht zotige Rede führen, lieber Baltes! Hab
ich Euch doch, wenn ich mich recht erinnere, im Halbdunkeln gestern zur Nacht ganz leise und unauffällig drunten in der Bünd beim
Bader in seiner Stube verschwinden sehen!
Jakob Pfanner kratzt sich bedächtig am Kopf und schaut dabei, als ob er
in Nachdenken versunken wäre nach oben zur Decke. Dann, mit fragender, Unsicherheit heuchelnder Stimme.
Oder war’s vielleicht doch nur der Geist des Griesser Balthasar? Gar
ein Succubus der sich des Leibes unseres guten Altgesellen in der
Dunkelheit bediente, um sich zur Lachnerin, der Bademagd, zu
schleichen?
15
schließlich flüsternd beschwörend.
Oder gar zu legen?
Jakob Pfanner lacht hell auf. Danach spricht er weiter mit aufgeräumt
lustiger Stimme.
Auch nehm ich an und glaub mich nicht zu irren, aufs Neue erzähltet
Ihr dem teuren Eheweib, Eurer geschäftigen Griesserin, der Agnes,
die alte Mär von Botengängen für den guten Meister Kolb, welche
nicht aufzuschieben seien und natürlich strengstes Stillschweigen
von Euch verlangen.
Jakob Pfanner tritt nun ganz nah an ihn heran, hört auf mit Arbeiten und
flüstert vernehmlich laut.
Geschäfte in geheimer Sache, welche nur der Meister mit Euch teilen
kann, da ihr doch sein lang vertrauter Altgeselle seid!
Jakob Pfanner lacht wieder fröhlich auf und fährt fort, während er dabei
seine Arbeit wieder aufnimmt.
Und die Agnes glaubt es Euch gar! Euch altem Windbeutel! Soll ich
euch hierfür vielleicht gleich die Beicht abnehmen und Euch gar die
Absolution erteilen, somit geistlichen Beistand also Euch gewähren?
kurze Pause.
Jakob Pfanner vollführt lachend eine angedeutete Segensgeste.
16
Wohlan, nach Junggesellenart! Euch sei vergeben! Und die Griesserin wird meiner treu von mir ganz sicher nichts erfahren! Einsteils
wenn ich’s bedenk, ein Pakt, und sei er noch so klein, will gern hernach begossen werden! Meint Ihr nicht auch, guter Bruder Balthasar? Wie wär’s im „Roten Ochsen“ heut auf die Nacht vielleicht?
Jakob Pfanner schlägt jetzt kräftig und dabei immer wieder auflachend
aufs Eisen ein.
Ja, ja des Baders Magd hat eine verteufelt gute Oberweite! Und das
um Brust und Oberarme! Deswegen also, wenn die Lachner Marie so
einen armen dicken Sensenschmied wie dich im Zuber hat, so weiß
sie ihn gar meisterlich zu waschen, desgleichen seinen Rücken und
den feisten Wanst zu kneten! Von anderem schweigt ein braver Junggesell, dass der also Purgierte jammert und stöhnt vor schierem
Wohlvergnügen!
Balthasar Griesser hat inzwischen mit dem Schmieden aufgehört. Beide
Hände in die Seiten gestemmt, halb belustigt, halb verärgert und dabei
den Kopf schüttelnd, hört er zu. Schließlich droht er dem Jakob mit dem
Zeigefinger, tritt näher zu ihm heran und spricht.
Balthasar Griesser
Zügelt Euer Lästermaul Bruder Jakob Leichtfuß, wo der Tag doch
grad begonnen! Oder soll ich Euch vielleicht zur Absolution dort hinten durch den Kohlenhaufen ziehen?
Der Köhler nämlich hat gestern spät abends noch geliefert. Die
Menge also würde reichen, Euch das Maul zu stopfen und Ihr könnt
schnell ermessen, was ein dicker Sensenschmied vermag! Das Kohlenschleppen war auch der tiefere Grund für meinen Besuch in der
17
Badstub so spät am Abend noch. Derweilen Bruder Naseweis schon
im „Roten Ochs“ am Bier sich labte und ein Geschäft, welches ihm
ansonsten angeschafft, den alten dicken Sensenschmied verrichten
ließ!
Wer zahlt jetzt wem das Schweigegeld, Schlaukopf, so frag ich Euch?
Oder muss der arme, dicke Sensenschmied den Bruder Leichtfuß
Jakobus Pfanner nicht doch noch beim Meister Kolb verraten?
selbstgefällig lachend schaut nun Balthasar Griesser den Jakob Pfanner
an, welcher grinsend mit offenem Mund zugehört hat. Schließlich geht er
auf Balthasar Griesser zu, haut ihm freundschaftlich auf den Rücken, legt
kurz den Arm um ihn und spricht.
JakobPfanner
Ich gelobe Besserung Bruder Balthasar und weiß auch schon, wie
wir dem Übel gar schnelle Abhilfe verschaffen. Wir setzen uns heut
zur Nacht beide einander gegenüber auf die Bank im „Roten Ochs“
und jeder zahlt dem anderen, bis jeder hat sein Teil!
Jakob Pfanner lässt ihn los und geht lachend wieder an seine Arbeit. Auch
Balthasar Griesser nimmt Kopf schüttelnd und vor sich hin grinsend seinen Schmiedehammer wieder auf, macht ein paar Schläge auf dem Amboss und spricht.
Balthasar Griesser
Das könnte dir so passen, Schelm nichtsnutziger! Einem alten Gesellen den mageren Beutel zu leeren, damit seine Alte ihn danach zu
Haus verdreschen kann! Doch man wird sehen. Noch ist die Sonn
erst aufgegangen und man kann abwarten, was die Nacht noch bringen mag. Doch jetzt Jakobus vorwärts, schnell, lass uns das erste
18
Sensenblatt zu Ende bringen, denn ich denk der Meister wird nicht
mehr lange auf sich warten lassen.
beide beginnen jetzt abwechselnd mit wuchtigen Hammerschlägen auf
das Werkstück zu schlagen. Nach kurzer Zeit öffnet sich die Werkstatttür
und herein tritt Burkhart Kolb, Zunftmeister der „Wangener Schmiedezunft“. Ein stattlicher, etwas untersetzter Mittfünfziger. Eine hohe Stirn
überragt klar und scharf blickende Augen. Das ganze Gesicht wird von
einem kurz gestutzten, grau gelockten Vollbart umrahmt, welcher das
energische Kinn und den schmallippigen entschlossenen Mund etwas
überdeckt. Burkhart Kolb ist gewandet in Ratsherrenkleidung. In der Mitte
der Werkstatt bleibt er stehen und blickt sich um. Die beiden Schmiede
am Amboss blicken hoch, hören kurz mit ihrer Arbeit auf und begrüßen
ihren Meister auf höfliche, jedoch nicht kriecherische Weise.
Balthasar Griesser
Gott zum Gruß verehrter Meister. So früh schon des Weges?
Jakob Pfanner
Und in so feinem Gewande!
Burkhart Kolb
macht eine abwinkende Geste mit der Hand.
Geb Euch den Gruß mit Gott gerne zurück, wackere Gesellen, und
dank Euch auch hierfür. Ihr seid wie ich seh wohlauf und tapfer bei
der Arbeit. Was das Gewand betrifft, so muss ich um die zehnte
Stund zum Rat zur Sitzung. Wiederum geht’s um die leidlichen Geplänkel des Bundes gegen die Partei der alten Herren, welche keine
Ruh nicht geben und wieder alte Zeit zur neuen machen wollen.
19
während er langsam vor sich hin sinnend ein paar Schritte in Richtung
seiner Gesellen macht, spricht er, dabei nachdenklich mit dem Kopf
nickend.
Und Herrengeplänkel führen, wie jeder wackere Mann doch weiß, gar
schnell zum blutigen Gefecht, wenn nicht zum Kriege gar!
Jakob Pfanner
Verzeiht mir meine unbedachte Rede, Meister Burkhart, doch hatt
ich unlängst den Gedanken, wie Ihr und andere Brüder von der
Zunft, aus diesem Herrenspiel weidlichen Nutzen ziehen und kräftigen Gewinn aus dieser Sache machen könntet.
Burkhart Kolb
Frisch, sprecht gerade heraus Jakob, was trieb Euch um?
Jakob Pfanner
Da es dem Kriegsvolk, vor allem dem zu Fuß, häufig und auch stets
aufs Neu’ an scharfem Kriegsgerät gebricht dacht ich, und es wäre
in unserer Werkstatt leicht zu machen, dass wir statt einem Sensenblatt in gutem Feuer derer dreie aufeinander schmieden. Unten am
Hals, wo sie dann auf die Stang gesteckt, ein guter Widerhaken noch
am eisern Ring und fertig ist die trefflich Kriegssens jetzt!
Wer sie zu führen weiß, wird wohl so manchem edlen Herrn zu Pferd,
wenn nicht gleich an den Kragen, so doch an Wanst und Beinwerk
kommen und dadurch eitlen Stolz und unbedachte Willkür gar
schnell vom Rösslein hauen!
Ein gutes Geschäft wär’s zudem noch in solchen Zeiten und fünf bis
zehnmal mehr, als blankes, schlichtes Landmannsgerät ins Spanische zu schleppen.
20
Balthasar Griesser, dem es peinlich ist, dass so ein Jungspund derartiges
mit dem Meister zu besprechen wagt, will sich dazwischen mischen, hebt
in einer entschuldigenden Gebärde die Schultern.
Balthasar Griesser
Hört nicht auf seine Flausen, Meister Burkhart, die Jugend hat allzeit
nur Grillen und krumme Fürz im Kopf. Und ist ein Tag vorbei, sind es
am nächsten Tag schon neue, andere Schelmereien, welche das
junge Volk dann in Gedanken zwicken.
Burkhart Kolb
Nein, nein, Bruder Balthasar, die Jugend fehlt nicht immer! Hab ich
doch selbst derlei Gedanken schon verfolgt. Zudem, auch Alter kann
von Jugend lernen! Bei dieser Frag jedoch ist Folgendes sorgsam zu
bedenken. Kann dies Geschäft die Zunft, der Rat gestatten?
Dies zu ergründen ist heut auch die Zeit, in der ich die Sache im Rat
zur Sprache bringen will. Zudem von Ravenspurg die Bitte kam, ein
Häuflein Wangener Stadtknecht ihnen zur Verstärkung zu entsenden, um vor dem Trupp der Reisigen des Truchsessen, Hans von
Waldburg, vermehrt dann Hülf zu haben.
er wendet sich jetzt direkt wieder an Jakob Pfanner, zieht einen kleinen
Lederbeutel vom Gürtel und wirft ihn mit leichter Geste Jakob zu, welcher
ihn geschickt auffängt.
Aus diesem Grund, da ich verhindert heut am Morgen, bitt ich Euch
Jakob, mir Folgendes geschwind und sorgsam zu erfüllen. Ihr geht
zuerst zum Kontor von Gevatter Hinderofen und fragt ihn, ob er Sensen demnächst zum Humpis gen Ravenspurg verlädt. Wenn ja, wie
viel er auf die Reise nach Burgund bereit sei, von uns mitzunehmen,
21
vielleicht gar noch ins Iberische. Wir hätten, sofern noch Platz, von
unserer Seit dreihundert Blatt zur Fracht.
Wenn er bereit von uns Ware zu übernehmen, eilt Ihr behend zu
Trossmeister Baldauf, setzt ihn in Kenntnis, dass von uns Ware zusammen mit dem Hinderofenzeug zu verladen und fortzuführen ist.
Zahlt ihm hernach zu seinem Wohlverhalten den dritten Teil des
Frachtlohns an.
Jakob Pfanner will sich umgehend auf den Weg machen als ihn jedoch
der Meister mit einem Wink zurückhält.
Dann, lieber Jakob, bringt noch in Erfahrung, ob der Transport von
bewaffneten Knechten fürsorglich geschützt. In diesen Zeiten wie
den unseren ist kein Mann, kein Weib, kein Kind mehr sicher außerhalb der Mauern unserer Stadt! Geschweige denn ein Handelszug,
der Wegelagerern fette Beut’ verspricht!
Und Jakob, vor Ihr zum Hinderofen geht und durch die Stadt, reinigt
Euch Gesicht und Hände und zieht ein anderes Wams Euch an. Ihr
seid zwar Schmied und angesehen sind dieselben hoch, doch kann
ein aufrechter Mann, wenn er in anderen Geschäften unterwegs,
fernab der Werkstatt als wackerer nobler Bürger sich erweisen so,
dass es heißt, ei da schaut her!
Da kommt der Jakob Pfanner, des Schmiedemeisters Burkhart Kolb
trefflicher Junggeselle!
ein Lächeln auf dem verrußten Gesicht wischt sich Jakob Pfanner die
Hände an sein Arbeitswams, bindet seinen kurzen ledernen Arbeitsschurz ab und entfernt sich mit den Worten.
22
Jakob Pfanner
Verlasst Euch ganz auf mich, Meister. Ich werd alles zu Eurer Zufriedenheit besorgen. Zuvor will ich mich jedoch, wie ihr’s mir angetragen ...
er lacht hell auf.
... in einen feinen Wangener Stadtbürger verwandeln!
geht danach ab.
Burkhart Kolb wendet sich jetzt kurz seinem Altgesellen Balthasar Griesser zu, welcher während der ganzen Rede seines Meisters im Hintergrund
herumhantierte, ab und zu stehen blieb, aufmerksam zuhörte, um sich
danach nur um so eilfertiger wieder seiner Arbeit zuzuwenden.
Burkhart Kolb
Ja Baltes, ich hoff Ihr seid nicht eifersüchtig auf den jungen Spund!
Weiß ich doch sicher, dass Ihr solche Geschäfte zu erledigen den
rechten Sinn nicht habt und lieber an der Esse und am Amboss steht.
Ihr seid das alte, treue Herz in meiner Schmiedewerkstatt! Wenn Ihr
das Feuer hütet, ist Euer Meister ein ruhiger, entspannter Mann, so
er außerhalb in Geschäften unterwegs. Und seid gewiss, Bruder Balthasar so lang ich leb ist Euch und Eurer Frau ein gedeihlich Auskommen gewiss! Und gebt es doch zu! Euch liegt genau wie mir der
junge Bursch am Herzen! Habt Ihr mit Eurer Frau, wie ich mit meiner,
doch dasselbe Schicksal kinderlos zu sein, zu bleiben. Der Jakob ist
ein flinker, heller aufgeweckter Bursch und hab mit ihm noch einiges
im Sinn. Und mein ich auch, dass er es noch weit bringen kann! Den
Heißsporn ihm zu zügeln, helft ihr mir sicher ebenso! Doch ist’s das
23
Recht der Jugend auch, in der Maienzeit des Lebens ganz wie die
jungen Hengst auf der Weide herumzutollen. Den anderen ins Fell
zu beißen und hoch mit den Hufen auszuschlagen. Doch was red ich
Baltes, ich muss mich sputen. Die Arbeit, die zu tun noch heut wisst
Ihr, wir sehen uns am Abend, bis dahin sei Gott mit Euch.
geht ab. Balthasar Griesser wendet sich wieder seiner Arbeit zu während
er den Gruß des Meisters erwidert.
Balthasar Griesser
Gott mit Euch, Meister, und viel Erfolg im Rat!
durch die Seitentür der Werkstatt tritt kurz danach wieder Jakob Pfanner
ein. Gewaschen in ein sauberes Wams und saubere Beinkleider gekleidet
sowie mit kurzen Stulpenstiefeln an den Füßen. Hinten am Rücken im
breiten ledernen Leibgurt ein Langmesser steckend. Während er sich gerade vor dem am Amboss werkelnden Balthasar Griesser lachend in Pose
stellen will, unterbricht er mitten im Satz seine Rede, pfeift durch die
Zähne, da er durch die offene Werkstatttür die eben vorüberschreitende
Barbara Knill entdeckt.
Jakob Pfanner
Nun, Bruder Balthasar, bin ich nicht ein nobler ...
pfeift nochmals durch die Zähne und indem er die Vorübergehende einige
Sekunden mit offenem Mund, ein stilles Lächeln auf dem Gesicht, betrachtet.
... hast du gesehen Baltes? Meiner Treu ist das ein Mädchen! Dafür
würd’ ich so manches tun, um einen Kuss nur zu ergattern!
24
Balthasar Griesser
Das mein Freund schlag dir nur schnell aus deiner ungekämmten,
wirren Runkelrübe. Barbara Knill, des vornehmen Kaufmanns Knill
schöne jung und reiche Tochter. Das könnte dir so passen, du eitler
Knollfink, du! Denn obwohl ein ehrbar Handwerk dir zu eigen, in diesen Stand wirst du wohl kaum gelangen!
Jakob Pfanner
lacht auf.
Ach alter Bärbeiss, du, wer weiß! Nur tumbe Torheit glaubt am
Abend, die Zukunft für die nächsten Tage schon zu kennen!
er geht zur Werkstatttüre und blickt Barbara Knill lange nach. Nach einigen wortlosen Minuten dreht er sich plötzlich um und spricht mit Zorn
in der Stimme. Im Hintergrund hört man Hufgeklapper, erschreckte Rufe
und eine versoffen, grölende Stimme rufen. Die Stimme des Ritters Hans
von Rechberg.
Ritter Hans von Rechberg
Packt euch zur Seite ! Tumbes Volk! Aus dem Weg ihr Lumpenpack!
Jakob Pfanner
Da reitet doch der hochnoble Hans von Rechberg mit ein paar seiner
Spießgesellen vorn zum Tor herein! Verdammtes Raubgesindel!
Wahrscheinlich wollen die feinen Herren am Marktgeschehen sich
erfreuen. Mich dünkt, die Schelmen sind schon angetrunken, da sie
die Ross kaum durchparieren und ohne Rücksicht auf die Straßenleut sich ihren Weg erzwingen. So einer sollt mir mal den Herren zeigen wollen! Ich wollt ihm dann ebenso schnell den Stadtbürger
25
aufzeigen! Ihm klar machen, dass die alte Zeit vorbei und die neue
ihm nicht mehr gehört in unserer Stadt!
Balthasar Griesser wirft zornig den Hammer in eine Ecke und mit ärgerlich lauter Stimme spricht er vorwurfsvoll.
Baltahasar Griesser
Nun lasst’s gut sein, Jakob, und zügelt Euren Zorn! Das will der Meister Kolb ganz gewiss heut nicht von Euch! Noch sind die alten Herren
in der Stadt! Ihr Räubernest ist, wie Ihr wisst, direkt neben der Kirch
und vor dem Rathaus aufgebaut. So lang es da, ist auch noch Herrenrecht! Merkt Euch das! Und nun geht endlich des Meisters Auftrag
zu erledigen.
Jakob Pfanner
Ich geh ja schon, ich geh ja schon, guter Baltes! Seid mir nicht gram,
dass ich ein bisschen frische Luft jetzt schnuppere! Zumal es ja am
Markttag so viel zu riechen und zu kosten gibt! Und wer weiß, vielleicht begegne ich noch mal der allerliebsten Jungfer Barbara, wer
weiß!
geht ab.
Balthasar Griesser
ruft ihm nach.
Ein Umweg über den „Roten Ochs“ muss heut am Morgen nicht auf
Eurer Fährte liegen!
aus der Kulisse hört man Jakob Pfanner rufen.
26
Jakob Pfanner
Die Nase kennt den Weg! Der Mann folgt nur der Nase! Und Bier
riecht köstlich!
Balthasar Griesser
Jungem Gemüse bleibt doch nur im Kopfe drin, die Lust nach derbem Spaß und hohlem Sinn!
27
27
28
29
1. Akt, 2. Aufzug
Ort:
Marktplatz der Stadt Wangen.
Personen:
„Der arme Konz”, ein Spielmann und Sänger, gleichzeitig Anführer
einer Gauklertruppe / ein Pfeiffer / ein Handtrommler / ein Sackpfeiffenspieler / ein Feuerschlucker / ein Jongleur / ein Bodenartist
/ eine Tänzerin / erste Bäuerin – Marktfrau o. Namen / zweite Bäuerin – Marktfrau o. Namen / Dicke Line, eine Marktfrau und Bäuerin /
ein Rufer aus der Menge / ein Blinder / ein Lahmer / ein Apfelkäufer
/ der Ritter Hans von Rechberg / zwei Rufer aus der Menge / der Ritter Bruno von Abensberg / der Rundholzwerfer–Marktstandbetreiber
/ Jakob Pfanner / Barbara Knill / ein weiterer Rufer aus der Menge.
im Hintergrund der aufgestellten Marktstände auf der Bühne und beim
Brunnen vor dem Rathaus sieht und hört man eine kleine Musikantengruppe bestehend aus dem die Drehleier oder eventuell die Fidel spielenden und singenden Anführer der Truppe, den „armen Konz”, einem
Sackpfeifer bzw. Flötenspieler und einer die Handtrommel schlagenden
Musikantin. Die Musik ist bei den nun folgenden Mono- und Dialogen nur
ganz verhalten zu hören. Der Spielmann singt das Lied vom „armen Konz“
(s. Anhang). Ein buntes Markttreiben findet statt. Sowohl auf der Bühne,
dort aufgeschlagen 2–3 Marktstände sowie weitere auf dem Postplatz
vor der halbmondförmigen Sitztribüne in etwa derselben Zahl. Zwischen
Buden und Ständen flaniert allerlei Volk jedweder Provenienz wie Kaufleute, Handwerker, Bauern, sonstige Bürger und sog. Rechtlose. Marktweiber und Händler preisen immer wieder mit lautem Rufen ihre Waren
an. Zwischen den Buden und Ständen etliche Bettler mit unterschiedlichsten Gebresten. Ein Blinder barfuß, gekleidet in ein verschmutztes,
30
zerrissenes Rupfenhemd, auf dem Kopf die Ruine eines Hutes, tastet sich
langsam mit einem Stock in der Rechten, die andere Hand bittend ausgestreckt und einen kleinen irdenen Becher haltend, der ein paar Münzen
enthält, zwischen Markständen und Leuten hindurch. Bei jedem Bettelspruch macht er mit der Becher haltenden Hand eine Schüttelbewegung
so, dass die darin enthaltenen Münzen ein klapperndes, rasselndes Geräusch ertönen lassen. Im Hintergrund des Marktes bei den Musikern eine
Truppe fahrendes Volk, wie z. B. ein Jongleur, ein Feuerschlucker, ein Bodenartist, der auf den Händen balanciert u.s.w., welche mit entsprechenden Rufen die Aufmerksamkeit der Marktbesucher auf sich ziehen wollen.
Von dort kommt nun lautes Rufen, da Musikanten und Gauklertruppe zusammengehören.
Erster Spielmann
Ihr Leut kommt alle her! Schaut euch an, wie unser Bruder Bartolo
aus dem Welschland Feuer speit, wie weiland der fürcht’ge Lindwurm dem tapferen Siegfried Feuer spie! Ich sing und erzähl euch
die Mär dazu!
Zweiter Spielmann
Seht unseren Borromeo aus dem Morgenland! Er kann den Leib verdrehen, wie eine Schlang! Und unser feurig´ Maid, Eleonor, aus dem
heißen Ibererland schlägt euch den Takt und tanzt dazu ein feurig
morgenländisch Tänzchen!
nun beginnen alle, eine lustige Weise zu spielen. Gaukler und Musiker bewegen sich dabei im Takt hin und her im Kreise. Die gaffenden, umstehenden Zuschauer werden mit unmisslichen Gebärden aufgefordert,
dabei mitzumachen. Der Zug bewegt sich unter dudelnden Sackpfeifenklängen untermalt von Fidel und Handtrommel zu einer einfachen Bau-
31
erntanzmelodie der damaligen Zeit in Richtung auf die Bühne zu. Einige
der Marktbesucher haben sich ihnen angeschlossen, vor allem Bauern,
welche versuchen, mit schweren, plumpen, schwankend unsicheren
Schritten den Tanz der Musiker und Gaukler nachzuahmen und welche
immer wieder von den anderen zuschauenden Marktbesuchern mit entsprechenden Gesten nachgeäfft und ausgelacht werden. Die Spielleute
spielen nun schneller. Ein alter Bauer, welcher mit täppischen Schritten
weiter versucht, sich im Kreise zu drehen, fällt schließlich um und bleibt
schwer atmend auf dem Rücken liegend am Boden, dabei mit den Beinen
strampelnd wie ein Käfer. Alle lachen und kreischen. Aus der Menge hört
man eine Bäuerin rufen.
Bäuerin
Gevatter Karl. Ihr alter Schluckspecht Ihr, habt wohl das Mostfass
mit der Wasserschapf verwechselt heut am Morgen. Wenn die Anna
noch lebte, Euer anvertrautes Eheweib, die hätt Euch wohl das Fell
gegerbt heut in der Früh! Man glaubt’s ja nicht! Der alte Gailschlund
will gar noch mit jungem Fleisch ein Tänzchen wagen! Wenn Ihr der
meine wärt, ich würd Euch wohl mit der Haselgerten zum lust’gen
Tanz aufspielen!
Weitere Marktfrau
Seid wohl wieder auf Brautschau, Gevatter Karl! Schaut dort drüben
die dicke Line, die könnts wohl mit zweien wie Euch auf einmal aufnehmen!
Dicke Line
Paah! So ein alter Kuhfraß wie der, den möchte ich nicht mal zum
Vorvesper vertilgen! Da bräucht’s schon drei von seiner Sorten!
32
brüllendes Gelächter der Umstehenden.
Rufer aus der Menge
Ja, ja, die dicke Line braucht Bauernkraft auf ihrem Acker!
Wieder lautes Gelächter aus der Menge. Inzwischen hat ein Dieb versucht
der dicken Line etwas vom Stand zu mopsen. Sie sieht es und haut mit
einem nassen Lappen nach ihm.
Dicke Line
Du nichtsnutziger, verderbter Höllenfraß, du! Troll dich ganz schnell,
eh ich den Büttel ruf! Doch nein!
sie läuft so schnell es ihre Leibesfülle vermag um den Markttisch herum.
Mit dir Magerspecht werd ich alleine fertig und will dich jetzt ein bisschen walken bis dein Gekrös dich furzend auf der Arschflöt blasen
lässt!
alle lachen, jedoch der Dieb entwindet sich ihren Griffen und verschwindet in der Menge. Der Spielmannszug ist zwischenzeitlich vor der Bühne
angelangt. Der Sprecher und Anführer der Spielleute spielt jetzt allein nur
noch die Drehleier und erzählt dabei in einfacher Singsprache das Lied
vom „Siegfried und der Drach“ (s. Anhang). Dazwischen hört man die Rufe
der Bettler und die der Marktfrauen.
Konz, der Anführer der Spielleute
singt nun das Lied „ Siegfried und der Drach“ (s. Anhang).
33
Blinder
Eine milde Gabe für einen armen Blinden.
Pause, tappt weiter.
Ich bitt euch, liebe Leut, habt ein Herz für einen Armen.
eine Münze fällt in den Becher.
Ich dank euch, seid gesegnet, der Herr möge es euch vergelten.
geht weiter.
Erbarmt Euch, edle Frau, um Christi Willen.
Münze fällt.
Dank Euch. Der Herr segne Euch für Euer mildtätiges Herz. Erbarmen
gute Leut.
Lahmer
humpelt vorbei an selbst gemachter Krücke geschnitten aus einer Haselnussastgabel, welche oben gepolstert ist durch einen alten Rupfenlappen.
Erbarmen, gute Leut, ein paar Pfennige nur für einen armen Knecht.
Ich bitt euch Leut, habt Mitleid. Hab Frau und ein Kind noch klein.
Hab für den Bund gekämpft. In der Schlacht zu Döffingen zum Krüppel gehauen. Helft ihr mir jetzt! Ich bitt euch, ihr Bürgersleut!
34
eine Münze wird in den alten Hut geworfen, welchen er in einer Hand hält.
Dank Euch, edler Herr. Gott segne euch und Eure Nachkommen.
während Musikanten und Gauklertruppe sich nun langsam seitwärts bewegen, spielen sie weiter in gedämpfter, verhaltener Weise und der Konz
singt dabei in getragenem Sprechgesang das Lied vom „Gevatter Tod“
(s. Anhang). Unter den Gesang mischen sich die lauten Rufe der Marktfrau, der Dicken Line, welche ihre Äpfel anpreist.
Dicke Line
Äpfel! Frische, saftige Äpfel! Heut morgen erst vom Baum gepflückt!
Apfelkäufer
So frisch und saftig wie die Euren? Dann nehm ich zwei, mehr passen nicht in meine Händ!
Umstehende lachen.
Dicke Line
Tumbhals und Faulpelz, der Ihr seid! Steigt erst einmal so früh am
Morgen auf den Baum und pflückt zwei große Kretten voll, dann
könnt Ihr vielleicht freche Rede führen! Stattdessen schlaft ihr auf
weichem Pfühl um diese Zeit noch Euren Rausch wohl aus. Trinkschlund, nichtsnutziger, doch sollt Ihr Eure Äpfel haben!
Dicke Line verkauft ihm zwei Äpfel. Während er jetzt den Beutel öffnet
und nach der Münze sucht, ruft er lachend, gutmütig.
35
Apfelkäufer
Habt ihrs gehört, ihr guten Leut, wie mir die hochedel Frau vom Apfelbaum, kaum dass die Sonn am Firmament erschien, die Kappen
butzt! Potz Blitz! Was für ein Weib!
Dicke Line
Ja, Gevätterchen, einen solchen wie dich nehm ich noch allemal
gleich vor der Morgensupp zur Brust! Und nun ein Wort zu Euren
Händen, edler Herr! Die werdet Ihr gebrauchen, um Euren Wanst zu
tragen, an meine Äpfel lass ich solch täppisch Finger nicht!
alles brüllt wieder vor Lachen einschließlich dem Angesprochenen welcher sich vor Vergnügen den Bauch hält und während er eine abwinkende
Geste macht und lachend vom Marktstand weggeht ertönt weiter der Ruf.
Äpfel, frische Äpfel, kauft ihr Leut, für ein paar Heller nur ein ganzes
Körbchen voll!
am Rande des Marktgeschehens, wiederum am Brunnen bzw. am Rande
der Bühne, taucht nun Jakob Pfanner auf. Er geht von Stand zu Stand.
Spricht hier mit einer Marktfrau, da mit einem Händler. Prüft bei einem
Gürtler die Ware. Macht Witze mit einem Messerschleifer bzw. Pfannenschmied. Manche drohen ihm freundschaftlich übertrieben mit dem Finger. Immer wieder Lachen, freundschaftliche Zurufe, welche zeigen, wie
bekannt und beliebt er in der Stadt ist. Er macht Komplimente bei Vorübergehenden. Zieht seinen Hut vor vorüberschreitenden Bürgersfrauen,
verneigt sich kurz vor einem Ratsherren, der seinen Weg kreuzt. Nimmt
einen etwa gleichaltrigen Freund, welcher ihm zufällig über den Weg läuft,
kameradschaftlich um die Schultern und spricht zu ihm ein paar Worte.
Verabschiedet sich dann mit einem Schulterklaps. Die Wirkung der Worte
36
sollte mehr an der Gestik und Mimik der Schauspieler abzulesen und
nicht unbedingt im Marktgetümmel deutlich hörbar sein, bis Jakob Pfanner vorne an der Bühne am Marktstand der Dicken Line, der Apfelfrau,
angelangt ist.
Jakob Pfanner
über das ganze Gesicht lachend.
Gott zum Gruße an diesem prächtigen Morgen, liebe Line! Sagt, habt
Ihr nicht für einen armen Sensenschmied ein kleines Äpfelchen zur
Labsal seines leeren Magens? Ich schlepp Euch dafür, wenn ich dereinst mal Zeit, die leeren Körbe dann auch zurück zum Hof.
er tritt näher an sie heran. Gespielt beschwörend flüstert er ihr so laut,
dass alle Umstehenden es hören können ins Ohr.
Dabei versteht’s sich gute Line, wenn Euer Mann nicht grad im Hause
wär und besser in Geschäften unterwegs, ich hätte nichts dagegen.
ohne eine Antwort abzuwarten setzt er nach.
Vielleicht könnt gar die Säu er schneiden beim Nachbarn! Ein Handwerk auf das, wie überall bekannt, er sich ganz trefflich doch versteht!
Dicke Line
gespielt mit dem Finger ihm drohend.
Jakob, ihr alter Schwerenöter Ihr! Passt nur schön auf, dass der Meinige nicht Euch jungem Galan blitzschnell und ohne, dass es Ihr
37
groß merken würdet, den „Kleinen Stolz“ abschneidet! Ihr also, eh
Ihr die Zucht noch aufgenommen, schon ohne Werkzeug wärt und
müsstet kinderlos durchs Leben gehen! Doch geb ich’s zu, welch ein
Verlust für eine fröhlich Maidenschar würd das bedeuten!
seufzt gespielt tief auf.
Ach Schlingel, nehmt Euch doch einen, nein zwei von meinen Äpfeln,
was soll’s! Wenn ich dereinst zwei Ellen tiefer lieg, so kann ich wenigstens dem Senser sagen, hab auch dem Jakob Pfanner dereinst
mittwochs am Markt zwei Äpfel gern geschenkt!
während sich nun Jakob bedient und gleich in einen der Äpfel beißt und
den anderen unter seinem Wams verstaut, ruft die dicke Line ihm noch
nach.
Jakob! Wenn Ihr so über Land am Hof vorbei,
kleine Pause
ich wär oft da, mein Alter weniger! Ich hätt auch kühlen Trunk für
Euch bereit und sonstig Labsal, was halt grad zur Hand.
während alle Umstehenden lachen, ruft einer aus der Menge.
Rufer
Habt Ihr gehört, ihr Leut? Labsal, sagt sie, die Dicke Line! Labsal für
den jungen, kräftigen Schmied, sagt sie! Meiner Treu, Jakob, da dürft
ihr wahrlich tüchtig Labsal nehmen, wenn ihr hernach der dicken
Line noch bei der Hausarbeit zur Hand gehn sollt! Zumal der ange-
38
stammte Hausmann die Hausarbeit seit Wochen und wenn nicht
noch länger schon, gar nicht verrichtet!
brüllendes Gelächter. Während Jakob weiterzieht, ruft er nochmals zur
Dicken Line zurück.
Jakob Pfanner
Ich dank Euch, liebe Line, und werd dereinst dem Senser, sollt ich
ihm denn begegnen, von der Apfelgab berichten.
während des Gesprächs ist Barbara Knill an mehreren Marktständen vorbeigeschlendert, hat sich die Waren angeschaut und mit den Händlern
geredet – dies jedoch alles nur in Gestik und Mimik – ohne dass die beiden, Jakob Pfanner und Barabara Knill, sich bisher über den Weg gelaufen
sind und sich bemerkt haben. Plötzlich jedoch sieht Jakob Pfanner Barbara Knill an einem der Markttische stehen und beobachtet sie unauffällig. Sie macht dasselbe aus den Augenwinkeln. Im Hintergrund hört man
inzwischen auf dem Marktplatz wüstes Gegröle und lautes Rufen. Der
vierschrötige, schwer angetrunkene Kriegsknecht adliger Provenienz,
Hans von Rechberg, mit seinem Kumpan Bruno von Abensberg taumelt
durch die Menge, sich dabei immer wieder schwankend an den Markttischen haltend, wobei er einen umstößt, dies unter wüsten Beschimpfungen der Bettler und Krüppel. Die Musik hat inzwischen aufgehört zu
spielen.
Hans von Rechberg
Zur Seite, Hundsfott stinkendes!
Den letzten Stump von deinen Zähnen hau ich dir aus deinem Maul,
du altes Rabenaas so du demnächst, wenn Herren kommen zur Seite
dich nicht packst!
39
Pack dich! Hanswurst, hau dir die Kruck zusammen und dein Gebein
dazu! Gemeiner Auswurf, du!
hierauf empörte wütende Rufe aus der Menge.
Erster Rufer
Ein Herr wollt Ihr gar sein? Ihr? Wir sehen keinen weit und breit!
Zweiter Rufer
Halt da!
Doch, doch!
Ja, ja, ein Herr! Der! Hans von Rechberg nennt er sich! Und ist doch
nur ein lumpiger Fürstenknecht und Leuteschinder!
schließlich gelangt Hans von Rechberg zur Bühne und in die Nähe der
Barbara Knill und des Jakob Pfanner. Rechberg steht nun schwankend
auf der Bühne, geckenhaft gekleidet nach der adligen Mode der Zeit. Ein
Federbarett auf dem Kopfe. Am Gürtel im Gehänge ein „Teutsch Kurzschwert“. Schwer atmend durch den zuvor genossenen übermäßigen
Wein und Schnapsgenuss schaut er sich um und bemerkt plötzlich die
Kaufmannstochter, Barbara Knill, am Stand, welche sich jetzt schnell umdreht und intensiv damit beschäftigt, allerlei Kurzwaren in Augenschein
zu nehmen. Rechberg torkelt mit schweren Schritten heran und mit Wein
stammelnden Worten greift er sie von hinten um die Taille.
Hans von Rechberg
Welch schöne Maid auf diesem dreckigen Bauernmarkt. Kommt, liebes Kind, wollt Ihr nicht mit einem Edelmann ein Tänzchen wagen.
Musik!
40
während diese verhalten und immer wieder stockend zu spielen beginnt,
versucht Rechberg die sich verzweifelt wehrende und laut um Hilfe jammernde Barbara Knill zu küssen und sie am Busen zu begrapschen.
Macht doch kein solch Geschrei und führet solch wilde Wehr, wenn
Euch, hold Jungfer fein, ein nobler Edelmann will rechte Gunst erweisen.
in diesem Moment nimmt Jakob Pfanner den Hans von Rechberg von
hinten in den Schwitzkasten, würgt ihn bis dieser die Jungfer Knill loslässt. Danach schleudert Jakob Pfanner den Ritter, nachdem er ihn mit
einer Hand am Gürtel gefasst und mit der anderen am Wams, blitzschnell
zu Boden. Benommen, schwer atmend, stützt sich der betrunkene Hans
von Rechberg auf die Knie und schaut mit stark gerötetem Gesicht und
aus verquollenen Augen auf zu Jakob Pfanner. Danach stammelt er
schwer atmend heiser.
Hundsfott und Lotterbube, der Ihr seid, das sollt Ihr büßen! Ich bring
Euch um! Gleich auf der Stell hau ich Euch meinen Kurzhänder in
den Wanst und bring Euch bei, was Eure Sitt bei Herren sei!
er steht jetzt wieder schwankend auf seinen Beinen und während er sich
krampfhaft bemüht, mit trunkenem unsicherem Griff sein Schwert aus
dem Gehänge zu ziehen, und die Umstehenden zurückweichen, bleibt
Jakob Pfanner ruhig stehen und schätzt mit kühlem Blick und klarem
Verstand die Situation ein. Der Freund des Hans von Rechberg, Bruno
von Abensberg, welcher die momentane Lage des Adels in der Stadt besser einzuschätzen weiß, versucht vergeblich den Ritter Hans von Rechberg von seinem Vorhaben abzuhalten.
41
Bruno von Abensberg
Lasst’s gut sein für heut, Junker Hans! Heut und hier ist nicht der
richtige Augenblick dafür! Wir kommen noch zu unserer Sauenhatz!
Doch für die rechten Herren steht heut der Wind nicht günstig! Drum
lasst ab, ich bitt Euch Junker!
Jakob Pfanner indes erwidert darauf und dreht sich suchend dabei im
Kreise die Hand vor Augen haltend.
Jakob Pfanner
Hab’s ich richtig vernommen oder täuscht mich gerad mein Ohr?
Spracht Ihr im Augenblick von Herren? Wo sind hier Herren?
zeigt auf Hans von Rechberg.
Du, ein Herr?
dann auf Bruno von Abensberg.
Du vielleicht ein Herr?
wendet sich an die Umstehenden. Jetzt laut rufend.
Seht irgendwo ihr Herren, hier gute Leut, an dieser Stell?
kleine Pause, dann weiter.
Ja, Leut´ und Bauernschinder seid ihr gewiss! Räuber und Wegelagerer dazu! Landauf, landab, man hört’s so jeden Tag!
Ihr, Hans von Rechberg, seid kein Herr! Nein, ein Fürstenhaiter seid
42
Ihr und nicht mehr! Den Arsch zu lecken den hohen Herren dürft Ihr,
sonst nichts! Angst vor Euch hab ich mitnichten! Ich brauch nicht
mal ein Schwert! Nicht mal mein gutes scharfes Messer, in meinem
Leibgurt hinten stecken, brauch ich für Euch, hochedler Ritter! Doch
gerb ich Euch gehörig jetzt das Fell! Damit endgültig Ihr von nun an
wisst, dass hier zu Wangen der Wind jetzt anders weht und freie Luft
in allen Gassen für gute und einfach Leut!
Und solche Knecht wie Ihr in unseren Mauern für alle Zeit nichts
mehr zu sagen haben! Und Freiheit herrscht für jedermann, der
guten Willens und gerecht und städtische Gesetze achtet!
benommen, heftig atmend stützt sich der am Boden kniende Hans von
Rechberg auf beide Arme und blickt mit glasigen verquollenen Augen auf
Jakob Pfanner.
Hans von Rechberg
Euch stech ich ab! Gleich auf der Stell! Gemeiner Auswurf, der Ihr
seid!
er steht schwankend auf und während er sich weiter abmüht gelingt es
ihm endlich sein Schwert aus dem Gehänge zu ziehen und stürzt sich
mit zwei, drei unsicheren Ausfallschritten auf Jakob Pfanner. Dieser
weicht behend zur Seite und bekommt von einem der Marktler ein Rundholz zugeworfen mit den Worten.
Rundholzwerfer
Hier Jack´, fangt auf! Und wenn’s zu Bruche geht, Ihr braucht kein
neues Holz mir anzuschaffen! Geb’s ich doch gern für diesen guten
Zweck!
43
nachdem er das Holz geschickt aufgefangen, macht er eine vollständige
Körperdrehung auf Hans von Rechberg zu und schlägt diesem mit voller
Kraft das Holz über den Rücken, sodass dieser niederfällt mit einem lauten Aufschrei, kurz das Bewusstsein verliert und auf Gesicht und Bauch
liegen bleibt. Bruno von Abensberg bückt sich und dreht den schwer Benommenen auf den Rücken, dabei blickt er auf und während er Jakob
Pfanner ansieht, spricht er mit grimmig verkniffenem Mund.
Bruno von Abensberg
Das wird dich noch teuer zu stehen kommen, Schmiedlein, des sei
gewiss!
Jakob Pfanner erwidert darauf nichts. Ein kurzer Blick noch auf den am
Boden liegenden, keuchend und nach Luft ringenden, ächzenden Hans
von Rechberg, dann geht sein Blick in die Runde und sucht Barbara Knill,
welche am Rande des ganzen Geschehens mit verängstigt vor den Mund
gehaltener Hand dasteht und Jakob Pfanner anblickt. Dieser macht mit
einem besorgten Lächeln auf dem Gesicht ein paar Schritte auf Barbara
Knill zu, bis er dicht vor ihr steht. Die Beiden blicken sich nun wortlos einige Zeit in die Augen. Schließlich nimmt Jakob Pfanner ein Weile beide
Hände von Barbara in die seinen. Er versucht schließlich mit etwas ungelenker Gebärde eine Haarlocke, welche Barbara bei dem Übergriff auf
sie unter der Kopfhaube hervorgerutscht ist, zurückzustecken. Dabei
kommt sie ihm jedoch mit einem schnellen Griff zuvor und ordnet es
selbst, um danach sofort wieder die jetzt freie Hand von Jakob in die ihre
zu nehmen. Jakob beginnt nun in ruhig liebevollem Ton zu sprechen.
Jakob Pfanner
Ich hoff Ihr seid wohlauf und nicht allzu sehr erschreckt von diesem
gemeinen Trunkenbold am Boden da.
44
Barbara Knill
Dank Euch, ich bin schon wieder ganz bei mir. Und tausend Dank
Euch Schmied für Eure tapfere Tat, mir gegen diesen Unhold beizustehen. Ihr seid fürwahr ein wackerer Mann! Solche Männer wie
Euch, kann unsere Stadt in unsicherer Zeit wie dieser gut gebrauchen. Doch muss ich nun ins Haus zurück, die Eltern werden sich
schon sorgen, wo ihre Tochter bleibt so lang. Nochmals, ich dank
Euch vielmals, guter Schmied.
will sich zum Gehen wenden.
Jakob Pfanner
Ich würd Euch gern nach Hause noch geleiten, doch weiß ich wohl,
dass Sitt’ und Brauch, von unseren Altvordern übernommen, es
nicht gestatten, dass solch ein Junggesell wie ich, solch liebreizend,
unverheiratete Maid, wie ihr es seid, am hellen Tag vor aller Augen
kann nach Haus begleiten, ohne, dass Schimpf und Ärger über das
Haus dann kommen! Doch einen brennenden Wunsch nur hätte ich!
Darf und kann ich Euch wiedersehen?
Barbara dreht sich halb im Gehen um.
Barbara Knill
Ich will Euch Nachricht geben durch meine alte Amme Marthe, sie
ist verschwiegen, wie ein Grab. Kommt sie zur Werkstatt Eures Meisters, wird keiner sich den Kopf zerbrechen, nur denken, aha, die
Marthe bringt Nachricht oder Auftrag vom Kaufmann Knill zum
Schmiedemeister oder Ratsherrn Kolb. Sorgt Ihr nur dafür, dass Euer
Altgeselle nicht die Ohren spitzt, denn dieser hat ein Weib deren
Zunge von tausend Worten, unwahren Gerüchten, nicht müde wird
45
durch unsere Stadt zu schleichen. Man kennt sie ja, die Griesserin!
Doch muss ich jetzt wirklich gehen! Gott schütz Euch, Jakob Pfanner,
und seid nicht allzu sehr erstaunt, dass ich Euch beim Namen kenn!
Hab Euch des Öfteren doch schon gesehn, wenn ich vom ersten
Stock durchs fein geblasne Fensterglas den jungen Schmied beobacht hab, wie er am Markttag seine Späße macht und jungem Volk
den Kopf verdreht!
kichert verschämt und geht nun endgültig ab.
Jakob Pfanner dehnt sich und reckt sich mit ausgestreckten Armen.
Jakob Pfanner
Einen Luftsprung könnt ich machen und ein laut Juchzen in die Lüfte
steigen lassen, wenn ich mich dadurch nicht als tumber Tor vor allem
Volk verriet! Das Herz wollt mir vor Freud zerspringen und wie ein
Vöglein zwitschernd morgens vor der gülden Sonn, so möcht ich singen!
Es trog mich nicht! Hab ich doch den zärtlich Druck von ihrer Hand
in meiner Hand gespürt und ihren lieben Blick in meinem Auge. Die
liebreizend Maid, ich darf sie wiedersehen! Wie ist mir heut der Tag
so herrlich klar, so golden schön!
er macht ein paar Schritte, hält inne und vor unbändiger Freude über das
Versprechen des Wiedersehens mit Barbara.
Das will ich gleich dem guten alten Bärbeiss Balthasar erzählen. Der
wird Augen machen wie ein Frosch und wird’s nicht glauben wollen!
nachdenklich geht er weiter.
46
Aber nein, darf ich doch nichts zu erkennen geben. Ich hab’s der
Jungfer Barbara versprochen! Doch weiß ich, ob mein übervolles
Herz die Zung in Ketten halten kann?
geht ab.
zwei inzwischen vom Ritterhaus am Marktplatz herbeigeeilte Knechte
führen nun den schwer humpelnden und ächzenden Hans von Rechberg
zusammen mit Bruno von Abensberg durch die Menge Richtung Ratloch.
Dabei ertönen immer wieder Rufe aus der Menge. Verschiedene Rufer ...
... Raubgesindel!
... Strauchdiebe!
... Blutsauger!
... packt euch fort!
Ein Rufer
mit laut hallender Stimme.
Und dort, der vermaledeite Herrensitz, das Vogtshaus gleich bei der
Kirche, die Schandburg, welche uns nur Licht und Luft wegnimmt,
auf die Brust uns drückt gleich wie ein Alp, die muss beiseit!
Andere aus der Menge stimmen bei ...
... So soll es sein!
... Geschleift soll sie werden, lieber heut als morgen!
... Wangen soll leben, aber ohne Herren von Burg und Kloster!
... Die Stadt ist frei und frei soll sie auch bleiben!
die Musik beginnt wieder zu spielen, alle gehen ab, der Vorhang fällt.
47
48
49
2. Akt, 1. Aufzug
Ort:
Trinkstube im ersten Stock der Burg des Vogtes und Ritters Heinrich
von Summerau zu Leupolz.
Personen:
Die adligen Ritter, Vogt Heinrich von Summerau / Regionalherr und
Ritter, Truchsess Hans von Waldburg / Vogt und Ritter, Konrad von
Prassberg / Burghauptmann der Burg Leupolz / Ritter / Burkhart
von Stadion / zwei weitere Ritter ohne Namen / eine alte Burgmagd.
alle sechs Ritter sitzen an einem großen, schweren Tisch, welcher fast
die Mitte des Raumes einnimmt. An der den Zuschauern zugewandten
Längsseite des Tisches sitzen in der Mitte Hans von Waldburg, zu seiner
Linken Heinrich von Summerau und zu seiner Rechten Konrad von Prassberg. Eine alte Magd geht schweigend reihum und füllt die Humpen mit
Wein. Als sie dies beendet hat, blickt sie fragend zu Heinrich von Summerau, dem Hausherrn.
Magd
Habt Ihr mir sonst noch etwas anzuweisen, Herr Heinrich?
Heinrich von Summerau
macht eine abweisende Gebärde zur Tür hin.
Geht, geht, fragt nicht so viel! Werd Euch schon rufen so wir noch
anderes zum Verzehr!
Magd zieht sich nach einer angedeuteten Verbeugung Richtung Türe zurück.
50
Und Schwärzlerin noch eines und haltet Euch wohl daran! Dass mir
die nächste Stund kein Floh an unserer Türe hustet! Die Herren und
ich haben gar Wichtiges zu besprechen und wollen nicht sekkieret
werden! Geht das in Euren alten Kopf?
Magd nickt leicht.
Obwohl,
Heinrich von Summerau wendet sich an seine Herrenrunde und lacht hämisch.
von Euch kann ja so gut wie keine Gefahr ausgehen! Weiß ich Euch
doch so gut wie taub! Darum hab ich auch Euch heut aus dem Gesinde bestimmt für diesen Abend.
lacht wieder, alle stimmen ein, beifällig mit dem Kopfe nickend. Anschließend sagt er noch mit betont lauter Stimme.
Wenn wir etwas von neuem zu Begehr, so klopf ich dreimal mit dem
Stock hier auf den Boden, so wie wir es auch ansonsten halten. Nun
könnt Ihr gehen.
Magd geht ab. Humpis nimmt wieder Platz und wendet sich an seine Besucher.
Itzo, edle Herren, nachdem wir nun traulich unter uns und den Gruß
einander zuvor schon unten in der Hall gar freundlichst uns entboten, will unverzüglich ich zur Sache kommen. Der Wunsch uns heute
zu versammeln in geheimer Rund wurde vom edlen Junker Hans von
51
Waldburg an mich herangetragen. Gleichzeitig mit der Bitte, Euch
allen auf verschwiegene Weise Nachricht von unserem heutigen Treff
zu überbringen, so wie ich diesselb für günstig und von Nutzen halt.
In jedem Falle so, dass andere Leut von Adel oder gar anderem
Stande kein’ Kenntnis nehmen von unserem Treffen heut! Dies
scheint, ist mir gelungen und dank Euch hierfür an dieser Stell, dass
Ihr mir Ehr und Folge leistet heut zu dieser ausgemachten Stund.
Doch will ich itzo, eh mir das Maul wird fransig und die Zung am Gaumen klebt, die Red an Hans von Waldburg übergeben. Zuvor jedoch
ein kräftiger Schluck auf Euer Wohl und das, was wir heut vielleicht
zu Wege bringen. Zieht kräftig auf, Ihr edlen Herren, es ist guter Falernerwein, kein saurer Most aus unserem Gefild!
alle heben nun ihre Humpen und trinken Heinrich von Summerau und
einander zu.
Versammelte Runde der Ritter
Auf Euch, Herr Heinrich und unser aller Gesundheit und Wohlergehen!
Hans von Waldburg steht nun auf, blickt sich kurz mit prüfendem Blick
in der Runde um und beginnt zu sprechen.
Hans von Waldburg
Auch ich dank euch für euer Kommen edle Vettern und weiß den Einsatz wohl zu schätzen. Folgend Tun hab ich im Blick und sollte dies
gelingen, wird’s auch für euch ein Schaden ganz gewiss nicht sein!
Um nichts Geringeres geht es, als die Stadt Wangen zu bezwingen,
der ich, wie ihr wohl wisst, vor Zeiten die Fehde schon erklärt und
der ich mich nun endgültig und für immer zu bemächtigen gedenke.
52
Nachdem die Reichsacht neuerlich verhängt vom König Wenzel und
zudem vom Bund der Seestädt’ ausdrücklich gefordert und nachdrücklich verlangt wird, dass dieser sich endgültig und für immer
löse, ist itzo die Gelegenheit zuzuschlagen so günstig, wie niemals
zuvor.
Der König schwach, ein hemmungsloser Trunkenbold dazu, in Geldnöten seit er auf dem Kopf die Kron’, hat er sich wieder auf unsere
Seit geschlagen, den Städten zum Ärger und zum Trutze. Wir packen
die Gelegenheit beim Schopfe jetzt, so wir noch alle Sinn beisammen
haben! Deshalb hab ich denen zu Wangen, desgleichen denen zu Ravenspurg die Fehd’ erklärt. Auch muss ein Exempel statuieret werden
für die dreist und freche Schmach wie ihr wohl wisst unlängst an
meiner Burg vor ravenspurgisch Mauern! Und,
er haut dabei vor Zorn kräftig auf den Tisch.
Gehorsam und Respekt, an welchen es gefehlt so viele Jahr, zurück
muss und soll von Neuem wieder vor uns Herren sein!
erregt wirft er beim Aufstehen seinen Stuhl um und geht einige Schritte
vor den Fenstern auf und ab, während ihn die anderen schweigend beobachten. Schließlich bleibt er vor einem der Fenster stehen, schaut wortlos einige Augenblicke hinaus und beginnt erneut zusprechen.
Schau ich von hier gen´ Wangen, fällt mir ein, Herren wollen sie dort
jetzt alle sein! Vom Kaufmann bis zum Pfannenschmied, vom Ratsherrn bis zum Stadtknecht! Gar alle kennen nur ein einzig Lied, Herren wollen wir jetzt sein und das zu wiederholen werden sie nicht
müd!
53
dreht sich wieder um und geht von neuem zum Tisch zurück, währenddessen er weiterspricht.
Sagt doch selbst, edle Vettern, das ist wider Gottes Ordnung und höheren Plan, so wie’s gerichtet war seit urdenklichen Zeiten! Der
König oder Kaiser an der Spitze, so weit, so gut! Dann Adel und höher Geistlichkeit, schließlich das Volk wie Kaufleut, Handwerk und
der Bauer. So ist’s gerecht und Gott gewollt! Sagt selbst!
alle stimmen lautstark bei.
Ritterrunde
Recht habt Ihr, Junker Hans! Ja, so ist’s bei Gott!
Hans von Waldburg fährt fort.
Hans von Waldburg
So will ich also vom gemeinen Manne auf der Straßen bis zu den reichen Pfeffersäcken und den frechen Räten in der Stadt wieder Gehorsam und Unterwerfung fordern! Die Huldigung will ich am
Marktplatze auf das Neue vor allem Volk entgegennehmen, so wahr
ich der Truchsess Hans von Waldburg bin! Von Gott, vom König seit
Geschlechtern gesetzt an diese Stell. Zuerst den Welfen, dann den
Staufern, schließlich der habsburgisch Macht verpflichtet und als
Vasallen auf Ehr und Treu gedient all die Jahrhundert lang, soll ich
mich nun geizigen, dicken Pfeffersäcken, anmaßend Handwerksmeistern und tumbem und gemeinem Volk als Schwächling erweisen
und zum Gespött gar werden? Niemals!
schaut danach in die Runde. Alle nicken zustimmend heftig.
54
5. und 6. Ritter
Fürwahr, es muss etwas geschehn! Die alten Zeiten müssen neu aufgerichtet werden, eh unsereins gänzlich verdirbt!
Heinrich von Summerau
Recht habt Ihr, Junker Hans! Schon längst wäre diese Umkehr in des
Königs Gesinnung von Nöten gewest! Oder soll der gesamte Adel zu
Grunde, gar betteln gehen?
Burkart von Stadion
Womöglich beim Ochs am Pflug noch selbst dahinter laufen und ihm
ins Arschloch blicken!
Konrad von Prassberg
Sie werden immer frecher! Kann ich’s doch stets auf’s Neue sehen,
wenn ich die Stadt besuch und im gallisch Vogtshaus am Platze bei
St. Martin mein Bleiben nehm für einige Zeit.
Hans von Waldburg
Gemach, gemach, Herr Konrad. Vielleicht kommt bald schon die Zeit
wo Ihr dies ansehnlich Gemäuer ganz vom St Galler Abt erwerben
könnt! Ein Teil davon gehört Euch schon und deshalb ist dies Haus
auch noch in meinem Plan!
Heinrich von Summerau
Nun, Junker Hans, der Zustimmung von unserer Seit seid Ihr gewiss
wie Ihr ja seht, doch wie ist Euer Plan?
Die Stadt ist gut befestigt, mit Mauern wohl umgürtet und allerlei
kriegerische Knecht darob zum Schutze ihrer Bürgerschaft. Wie also
sich der Stadt bemächtigen?
55
streicht sich nachdenklich den Bart.
Mir scheint, das wird kein leichtes Unterfangen, zumal Ihr doch ein
Haufen Kriegsvolk für Ravenspurg schon requirieret. Woher also
wollt Ihr die Reisigen für Wangen nehmen? Zumal doch all die Häuflein Spießgesellen jeden neuen Tag, ohne sie einmal nur zugestochen, ein kläglich Loch in Euren Beutel fressen werden, das immer
größer wird!
Hans von Waldburg
Recht habt Ihr, Herr Heinrich, ein leichtes Beutemachen wird es
nicht! Doch wenn es gut bedacht, sorgfältig abgestimmt, sollt es uns
trotzdem gar prächtig und wohl gelingen. Doch jetzt die genaue Red’
zu meinem wohl durchdachten Plan.
Nachdem ich so an die fünfhundert Reisige aufgebracht, an mich gebunden und ein Handgeld, dies nicht zu üppig, hab bezahlt, teil ich
sie auf in drei Fähnlein von je einhundertfünfzig Mann.
Die anderen fünfzig, die Besten, im Waffenhandwerk durch und
durch geübt, dreißig davon zu Fuß mit Spieß, Kolben, Axt und
Schwert, ein jeder ein geschickter Knecht. Die anderen zwanzig
davon beritten und bewaffnet wie das Volk zu Fuß.
Dreien von meinen besten Waibeln, die mir von Döffingen her noch
gut im Sinn, geb ich Befehl gen Ravenspurg loszumarschieren.
Schließlich die Stadt nur so zum Schein an drei Mauerstellen mit
Sturmleitern und anderem Gerät zu attackieren. Zwei der neuen
Feldschlangen sind bis zu dieser Zeit auch noch zur Stell sodass,
wenn sie mit fürchterlich Gebrüll ihr Maul aufsperren, wohl manch
Ravenspurgerlein glaubt, gar ein Höllenschlund wurd aufgerissen
und endgültig die letzte Stund für ihn sei jetzt gekommen!
Ein paar wenige Tag davor lassen wir die Fähnlein Fußvolk und Be-
56
rittene mehrfach die Gegend vor der Stadt mit Trommeln und Pfeiffen perlustrieren. So, und ihr könnt dessen sicher sein, Kaufleut und
sonstig Volk, das über Land des Kriegsvolks ansichtig wird, gleich
gen Ravenspurg wird schnelle Nachricht davon geben. Und diese
dann auch, so sicher wie das Amen in der Kirche ist, sogleich zum
Seebund und was davon noch vorhanden, schicken werden. Also
auch gen Wangen! Item danach den Rat von jeder Stadt inständig
bitten, um Kriegsvolk zur Verstärkung zu entsenden. Auf diese Weise
wird, ohne dass wir einen Finger krumm, auch Wangen vom Kriegsvolk zur Gänz’ entblößt.
In diese weiche Stelle werd ich nun mit meinen besten Knecht und
Rittern, wie vorher Euch schon angesagt, mit aller Macht und Gewalt
einfahren und die Stadt, und dessen bin ich sicher, im Handstreich
nehmen. Das Mannsvolk, welches dennoch in der Stadt zur Stell, wie
alte Leut und ein paar junge Burschen, von den Weibern ganz zu
schweigen, werden wir vorher durch andere List noch aus den Mauern locken. Item wir der Haid zu, desgleichen oberhalb des Buchenwaldes welcher thronet über der Stadt beim Peterstor die Felder,
Gärten, welche liegen gen Prassberg zu, in Brand dann stecken, desgleichen der Stadtleut Obstbäum überall anzünden. So kommen sie
ganz sicher wie Ameisen gerannt, den Feuersbrand zu löschen, um
die Ernt zu schützen. Um zu retten, was noch zu retten ist.
Deshalb dadurch die Reisigen ein Leichtes haben, etliche der Leute
zu scharmützeln und sie zusammenhauen können. Desgleichen diejenigen bei der Flucht auf’s Engste zu verfolgen. Deshalb die Torwach
den Fliehenden die Tore öffnen werden und wir so dieselben samt
Torwach überrennen können und das zweit Tor von Innen auch nur
zum Scheine brechen müssen durch eine weitere List, die ich getroffen.
So hab ich unlängst für diesen Zweck schon einen von der Torwache
57
bestochen! Der Schelm will eine von meinen leibeigen Küchenmägd
zum Weibe haben und Lossagung vom Leibgeding. Hab’s ihm zugestanden und versprochen, wenn er die Tor für uns so richtet, dass wir
geringe Müh nur haben sie aufzubrechen, ist seine Frau gleich frei
und er kann zieh’n, wohin immer er es wünscht. Wenn er Verrat uns
bringt, auch das noch sagt ich ihm, lass ich die Magd ertränken und
ihn bei Mondlicht nächtens von zwei Rösslein in die Länge zieh’n.
Ihr edlen Vettern, sind wir erst in der Schmiedegassen dann, sind wir
sogleich auch mitten in der Stadt und vor dem Rathaus angekommen!
hört auf zu sprechen, nimmt einen tiefen Schluck und schaut sich triumphierend um.
Konrad von Prassberg
So weit, so gut, Junker Hans! Wir sind nun drinnen in der Stadt. Doch
was geschieht, wenn Gegenwehr und Wut, auch Mut der Bürger größer als gedacht? So sind wir mitten in der Falle! Auch fünfzig kampferprobte Kriegsknecht sind vom wütend Volke zu erschlagen! Was
dann, wenn’s anders rum geschieht, sagt an?
Hans von Waldburg
Hab auch an dies gedacht und Recht habt Ihr, edler Vetter Konrad!
Es könnt tatsächlich eine Lag entstehen, die von der Katz zur Maus
uns macht. Welch eine kluge List vollbringt die Maus in solcher Lag,
sagt mir?
alle schütteln unsicher mit dem Kopf, zucken verlegen mit den Achseln.
Selbstsicher lacht Hans von Waldburg auf.
58
Ich will’s euch sagen, liebe Vettern, das vogtisch St. Gallisch Lehenshaus ist unser doch bei der Kirchen am Platze vor dem Rathaus. Ein
Zeichen noch der alten Herrenmacht! Lieber Konrad,
lacht laut auf, macht dann spöttisch süffisant weiter.
Edler von und zu Prassberg, ein Mäuslein aus dem Keller dieses Hauses hat mir seit einiger Zeit gepfiffen, dass der brave Junker Konrad,
der grad wieder in Dukatennöten, dabei ist, einen Gang zu graben
hinüber zu St. Martin. Die Schatzkammer will er, so flüsterte das gute
Mäuslein mir, plündern und ein geheimer Auflass wär zudem, wenn’s
dann vollendet, gleich hinten beim Altar.
lacht dröhnend wild auf, desgleichen die anderen. Dann steht er auf und
haut Konrad von Prassberg zustimmend anerkennend auf die Schultern.
Konrad von Prassberg
verlegen lachend, weil er sich ertappt fühlt, nimmt einen großen Schluck
aus seinem Weinhumpen, wischt sich den Bart, grinst verschlagen und
mit einem Augenzwinkern in die Runde und blickt schließlich zu Hans
von Waldburg.
Was sollt ich jetzt die Sünd der Lüge auf mich laden? Ja, Ihr habt
Recht, mein guter Vetter Hans.
Seit vielen Wochen schon wird die geheime Plackerei an diesem
Werk vollführt. Wenn es denn gut gelungen, und ich zweifle nicht
daran, wird’s uns, nebst der verschieden Edelstein manch Silber und
gar Goldgerät in unsere Truhe bringen. Das Mäuschen, von dem Ihr
erzählt, welches Euch dies Lied gepfiffen, indes glaub ich zu kennen!
Es ist ein Knapp aus dem tyrolisch Schwaz, den ich für meine Arbeit
59
unter der Erd in Dienst genommen, weil er Erfahrung und das Wissen
hat im richt’gen Röhrenbau und, welchen Ihr zuvor, beim neuen
Brunnenbau der Burg zu Thann, unter Vertrag genommen. Dieser
hat, wie es mir scheint, von Euch für’s Mäusleinpfeifen ein paar
Bractate mehr bekommen, als wie von mir für nächtlich Mäuseplackerei.
lautes Lachen von allen. Sie trinken alle sich zu.
Hans von Waldburg
Und wie weit ist Euer unterirdisch Tun gediehen, sagt an?
Konrad von Prassberg
Ein paar wenig Tage noch und der Durchbruch ist geschafft. Obwohl,
die größt Beschwernis war’s, die Erd und Stein ohne das geringste
Aufsehen ans Tageslicht und draußen vor die Stadt zu bringen und
danach Holz zum Stützen wieder rein.
Der Torwach wurde halt erklärt, wir bauen einen neuen zusätzlichen
Keller für das Kloster in St. Gallen und Lager für zusätzlich Handelsware und zudem die anfallend Erd und Stein sei just für sie doch gut
zu gebrauchen beim Bau der neuen Mauer unten in der Bünd nah
bei der Argen.
lacht schadenfroh hell auf.
Sie haben´s geschluckt, bis auf den listigen Fuchs, den hochedlen
Hans von Waldburg! Doch, lieber Hans, sagt an, was wollt Ihr denn
mit dem unterirdisch Gang zur Kirch, wo Ihr doch nach Euerem Plan
durch Überrumpelung dann schon mitten in der Stadt ja seid?
60
Hans von Waldburg
Ich sagt es Euch schon an, auf alles sollt ein gescheiter Mann gewappnet sein! Und kocht Volkeswut erst richtig hoch, ist sie nicht
von solch erheblicher Gefahr, dass sie schließlich auch einem guten
Plan kann schnell den Garaus machen? Deshalb wir also in Bedrängnis kommen sollten nach unserem überraschten Einzug ...
lacht höhnisch auf.
... und sind mitten in der Stadt, ziehen wir langsam uns zurück ins
gallisch Amtshaus und schleichen uns über den Gang, von dem dato
bisher, so hoff ich, noch niemand weiß, schön einer nach dem anderen uns unter der Erd zur Kirch. Zuvor jedoch, damit keiner gleich ins
Haus uns folgen kann, wird von den letzten dreien ein Feuerchen gelegt. Der Stoff, wie Öl, Pech und Reisigbündel muss in Bereitschaft
liegen, damit das Feuer schnell entzündet. Während sie nun am Löschen, aus Angst der Brand springt über auf die Stadt, greifen wir,
nachdem die Kirch wir schnell verlassen, von hinten und von zwei
Seiten um die Kirch herum sie an mit je fünfundzwanzig Mann ohne,
dass sie uns erwarten und schlagen drein ohn’ Gnade und Erbarmen
und hauen so den kläglich Rest, welcher noch in der Stadt gewest,
zusammen. Bürgermeister und der gesamte Rat wird gleich danach
aufgebracht und in Ketten gelegt. Allein zwei, drei Namen sind zu
verschonen. Sind Handelsleute, die uns von Nutzen sind und unserer
Sache dienlich. Zu diesem Zeitpunkt nenn ich sie Euch noch nicht.
Dazu ist später noch genügend Zeit.
jetzt macht er mit den Fingern die „zahlen“ Geste.
Vor allem sollen die Pfeffersäcke Verhandlung führen, wie hoch die
61
Summe von Silberbractaten zu sein hat, die sie, die feinen Wangener
Bürger, als Lösegeld für ihren Bürgermeister und ihre Rät’ bereit
sind, auf den Tisch zu legen.
grinst breit, haut kräftig auf den Tisch, lacht laut, schaut sich danach wieder in der Runde um.
Es können ruhig auch ein, zwei Säckchen glänzend schimmernd
Goldstückchen sein. Ich glaub auch ihr, edle Vettern, hättet wohl
nichts dagegen, so nehm ich an!
danach erhebt er sich, schiebt seinen Stuhl zurück.
Seid nun denn ihr bereit, ihr edlen Herrn vom guten Blute, der Stadtschlang endgültig den Kopf vom Rumpfe abzuhauen und danach die
Ernte einzufahren in unsere Scheuer, dann lasst’s mich lautstark
hören!
hält sich links und rechts die Hände an die Ohren, als ob er angestrengt
lausche. Alle springen auf und rufen.
Alle
Wir sind bereit, Junker Hans, und dies zu der Zeit, die ihr alsbald uns
kündet!
Hans von Waldburg
Sollt die Tat uns gut gelingen, will ich auf dem Hügel, der zwischen
Weihersumpf und Stadt gelegen und den das Buch sie nennen, eine
trutzig Feste bauen. Die Lag ist trefflich gut! Zwei gewichtig Handelswege, die sich dort vor der Stadt miteinander kreuzen. Diese gute
62
Stell muss fest und bleibend in wehrhaft edle Händ zurück! Denn
Zoll und Schutz ist nur bei uns von alters her zu haben! Wer mit mir
ist, dem wird’s sein Schaden nicht sein, sind wir doch alle Vettern
und von bestem Blute! Den Tag des Überfalls, den kenn nur ich! Doch
lass ich euch durch Junker Konrad, dem ich den Tag zu gegebner Zeit
erklär, gleich danach Nachricht und Signal über einen zuverlässig
Boten zukommen, sodass ihr zur rechten Zeit dann all gewappnet
seid.
Also, Junker Konrad, Euch gebe ich den Tag und auch das Losungswort bekannt an Bonaventura in der Kapelle zu Herfaz, wo wir uns in
der Dämmerung treffen mögen. In Kleidung und Aussehen gewandet
wie zwei Bauersleute wird uns zu dieser Stund in der Kapelle ganz
sicher niemand erkennen. Es ist selten jemand, ach was sag ich, so
gut wie nie ein Mensch vor Ort!
Und noch eines, edle Herren, kein Sterbenswörtchen zu irgendjemand! Geschweige denn zu euren Weibern! Denn dann könnt ich es
gleich am Marktplatz zu Wangen auf die Tafel schreiben. Auch macht
keinen Aufruhr mehr in irgendeiner Sache! So wie vor kurzer Zeit der
Rechberg und der Abensberg zu Wangen. Derartig Tun wie sie es unternommen, schadet unserer Sache nur, weil sie Wut und Empörung
unters Volk dann bringen und dadurch unnötig nur die Aufmerksamkeit erregen. Auch brauch solch grölend Trunkenbolde ich nicht
mehr in meiner Näh. Sagt ihnen also, dass sie mich besser meiden
und mir tunlichst aus dem Wege gehen, vorerst. Jedoch beim Sturm
auf Wangen kann ich solch üble Schlagtod zu Pferde gut gebrauchen! Vor allem, wenn sie im Zorn gar glauben, noch alte Rechnungen begleichen zu können!
Stellt sie also im Tross an die Plätze, wo das Getümmel anfänglich
wohl am größten. Um solche Herren weint danach keiner eine Trän!
63
lehnt sich zurück.
So, das wär’s, ihr Herren für den Augenblick. Kehret nun wohlbehalten zurück in eure Wohnstatt und habt gut Acht, wenn Nachricht
kommt von mir.
will aufstehen, jedoch Heinrich von Summerau hält ihn zurück, klatscht
in die Hände, geht an die Tür und ruft nach der Magd.
Heinrich von Summerau
Nicht doch, nicht doch! Junker Hans auf dieses Tun, das wir so trefflich geplant heute zur Nacht, will noch so mancher gute Humpen getrunken sein, damit es gut gelinge!
zur Magd, welche inzwischen eingetreten ist.
Schwärzlerin, bringt mir zusammen mit dem Hausknecht das angestochene Fässchen Falernerwein, damit wir vollends ihm den Garaus
machen. S’ist heut ein guter Grund dafür! Die Rechnung geht an den
Rat nach Wangen!
alle lachen und schlagen bestätigend auf den Tisch.
64
65
66
67
2. Akt, 2. Aufzug
Ort:
Platz vor dem Marktbrunnen.
Personen:
Jakob Pfanner / Barbara Knill / zwei Stadtwachen.
Jakob Pfanner
steigt von der Bühne herunter und geht in schnellen Schritten dabei
immer wieder innehaltend, den Kopf nach allen Seiten drehend um zu
lauschen zu dem mit Barbara vereinbarten Stelldichein, dem Marktbrunnen. Dort macht er halt, seufzt und beginnt zu sprechen.
Ach wär die Woch so lang mir nur wie sonst ein Tag, so könnt ich
meine Barbara viel öfters wiedersehen! Was ist aus mir, dem lustigen
Schmied geworden, der um sich die Leut so oft erfreut mit losen Späßen? Lustig bin ich zwar zu Zeiten wieder, doch nur, wenn ich Nachricht erhalt von ihr, an welchem Tage ich sie wiedersehe und endlich
die Stunde weiß, die dafür ausgesucht. Ist dann das Stelldichein vorbei, erklinget stets von Neuem dieselbe trüb schwere Melodei in meinem Herzen, die schwer auf meine Seele drückt und mich in dunkel
Betrübnis stürzt. Mehr noch, mit tiefer Schwermut mich gar in Ketten
schlägt. Sodass ich meint, vor Sehnsucht nach der lieben Maid
müsst ich vergehen. Niemals zuvor hätt ich gedacht, dass ein Gesicht
mit tausend Runzeln mein Herz zum Klopfen bringt und Sprünge
machen lässt wie in der Stunde, da die alte Amme meiner Barbara
urplötzlich vor mir steht, wenn ich geschäftig am Feuer steh und
Eisen schmied, um mir vom Maidlein die ersehnte Botschaft endlich
zu überbringen. Doch heißt es Vorsicht und kluge Umsicht haben!
Des Altgesellen Frau, die Griesserin, darf nichts erfahren!
68
Zumal böses Geschwätz und übel Gerücht ganz nah bei ihr. Oft sag
ich dem Baltes eben, sie bringet Nachricht mir von einer Dienstmagd
aus dem Haus des Kaufmanns Knill. Bisher, so scheint, ist mir die
Täuschung gut gelungen, weiß er ja, dass ich früher oft ein loser
Schelm! Und so hoff ich, dass die falsche Fährt den Baltes und sein
Weib mit Blindheit schlägt. So lange, bis mein Oheim, der Jäk Pfanner, welcher Bürgermeister ist in unserem guten Wangen, vielleicht
sich beim Vater Knill für mich verwenden könnt und mich empfehlen.
Doch weiß mein Oheim von diesem Plan noch nichts zu dieser
Stund. Hab auch kein Herz bisher gehabt, mich ihm darüber offen zu
erklären. Der Weg scheint mir noch weit und viele Steine mögen ganz
sicher auf ihm liegen. Doch wagen will ich es auf jeden Fall und
meine ganze Kraft drein legen, dass Barbara und ich am Schluss mit
unserer Liebe siegen!
Doch will ich jetzt nicht weiter lamentieren. Heut ist fürwahr kein
Grund hierzu! Heut werd ich sie ja wiedersehen, in meine Arm sie
schließen, danach flugs küssen ihren süßen, kleinen Mund!
Doch still! Ich glaubte Schritte grad zu hören. Schnell will ich mich
verbergen hier am Brunnen, wo die Natur üppig Gebüsch ließ wachsen.
laut flüsternd spricht er jetzt zum Publikum.
Und wenn sie es war, die liebe Maid, so will ich schnell dreimal den
Ruf des Turmkauz imitieren, so wir es getan die letzten Male und sie
ganz sicher dann erkennen kann, dass im Stockdunkeln kein Fremder ihrer harrt und schlimm Erschrecken zu ihr bringt, sondern ihr
Jakob ist´s, der voll der überschäumend Freude hier hinterm Strauche auf sie wartet! Doch jetzt endgültig still! Pst, Pst! Die Schritte
sind schon nah!
69
er versteckt sich jetzt schnell hinter den am Brunnen aufgestellten Büschen. Barbara tritt auf. Zögernd geht sie einige Schritte in Richtung
Brunnen. Schließlich bleibt sie vor ihm stehen und sieht sich vorsichtig
suchend um.
Barbara Knill
Glaubt ich nicht grad vor ein paar Schritten, einen Schatten hier am
Brunnen zu erkennen?
sieht sich wieder suchend um.
Doch täuscht ich mich, niemand ist da, auch nicht mein lieber, guter
Jakob. So komm in Furcht ich gleich. Eine Maid allein im nächtlich
Dunkel und nur die alte Amme allein weiß, wo ich zu dieser Stunde
bin.
sieht sich wieder nach allen Seiten um.
Nein, mein lieber Jakob ist nicht da. Noch nicht, so hoff ich fest und
dessen bin ich fast gewiss, sagt mir die alte Amme doch, dass er vor
Freud und Ungeduld den heutigen Tag kaum noch erwarten würd.
Wie ging’s erst mir! Als ich am Morgen aus tiefem seligem Schlaf erwacht, fing gleich mein Herz zu klopfen an, als ich daran gedacht,
heut seh ich ihn am Abend! Der häuslichen Verpflichtungen, die eine
gute Tochter hat, kann ich mich oft nicht recht besinnen, so ist mein
Herz bei ihm, wenn er nicht da, und wir nicht mehr zusammen. Was
zudem das übervolle Herz belastet, ist, dass es gilt mit niemanden
darüber zu sprechen ehe die Stunde dafür günstig. Weder der Mutter
noch dem Vater kann ich mich eröffnen und ich betete in Sankt Martin zur Lieben Frau, dass sie mir Botschaft schickt im Traum durch
70
einen Engel wie ich es unterfangen soll, dass alle uns gut gesonnen
wären. Und doch,es ist herrlich dies Gefühl, das mir die Brust fast
sprengt vor Glück und das ich für kein Silber und auch kein Goldgeschmeid mehr missen möchte.
man hört jetzt den dreifachen Ruf des Turmkauzes.
Doch still! Hört ich nicht den Ruf des Kauzes jetzt ganz nah?
fragend – flüsternd.
Jakob? Jakob bist du’s?
Jakob tritt zwischen den Büschen hervor und geht die letzten zwei, drei
Schritte ganz schnell auf Barbara zu. Desgleichen Barbara auf ihn. Sie fallen sich in die Arme und küssen sich lange. Danach küsst Jakob ihr Gesicht, auf die Nase auf die Augen, die Wangen und am Schluss ihre Hände
und küsst diese ebenfalls immer wieder. Barbara lacht leise auf und
drückt ihn ein bisschen von sich.
Jakob, Liebster, haltet ein, lasst mich zu Atem kommen,
kichert leise hell auf.
eh ich an unserer Liebe noch erstick.
Jakob Pfanner
Oh, liebste Barbara, so könnt ich immer stehen und könnte dich umfangen halten bis alle Zeit vergeht und wir im Land des Glückes, an
welchem Orte dies auch wäre, für immer beieinander bleiben.
71
Barbara Knill
schaut ihm liebevoll ins Gesicht und streicht ihm kurz übers Haar.
Das Land des Glücks? Wo immer es auch wäre? Oh dummer, lieber
Jakob, du! Dies Land ist nah bei uns! Ganz nah! Es liegt in unserer
Brust! Und immer, wenn wir beieinander in Gedanken, so wandeln
wir in ihm, in unserem Land des Glücks.
Jakob entlässt Barbara jetzt aus seiner Umarmung und läuft einige
Schritte erregt auf und ab.
Jakob Pfanner
Ich weiß es wohl, oh liebste Barbara, doch es genügt mir nicht, das
Glück nur in Gedanken! Hier in meinen groben Schmiedehänden will
ich’s halten. Vor aller Welt Euch und mich glücklich sehn und jedermann soll es dann wissen!
Barbara Knill
geht wieder auf ihn zu, nimmt seine beiden Hände und schaut ihn an.
Jakob, Liebster, seid nicht so ungeduldig und voller Hast. Ihr wisst,
dass meines Vaters Stand und Rang, vor allem nicht sein Stolz, es
ohne Widerstand hinnehmen, dass seine einzige Tochter einen
Schmiedegesellen zum Manne wählt. Gewiss, die Zunft, in der Ihr
seid, ist ehrenhaft, von hohem Ruf, auch die Familie Eures Oheims,
des Jäk Pfanner, welcher Bürgermeister, wird für Euch sprechen,
doch bedarf es Zeit und kluger Frauenlist! Und dazu gehört auch
meine Mutter, den Vater zu überzeugen, dass seine Tochter keinen
anderen zum Manne will, als nur den Schmied, den Jakob Pfanner
und den alleine liebt.
72
Jakob kehrt sich von ihr ab. Geht zwei Schritte von ihr weg, dreht ihr den
Rücken zu, verschränkt die Hände im Nacken und seufzt tief auf.
Jakob Pfanner
Verzeiht mir, liebste Barbara, meine heiße, brennend Ungeduld! Ich
kann es eben kaum erwarten und lieber heute noch als morgen wollt
ich mich Eurem Vater schon erklären! Als Zeichen für meine immerwährend Lieb zu Euch hab ich dies mitgebracht.
er zieht unter seinem Wams eine kleine aus Eisen geschmiedete Lilie hervor.
Mein Oheim, Jäk Pfanner, kam zu mir die Tage und bat mich, da er
wohl wisse, dass ich ja nicht nur beim Sensen schmieden, sondern
auch sonst beim Eisen kunstfertig geschickte Finger hätte, ihm ein
Wappen, welches der Rat beschlossen, anzufertigen, um es, wenn’s
denn gelingt und schön geformt, draußen an ein’s der Stadttor anzuschlagen.
Eine Hälft des Wappens soll den staufisch Adler zeigen, die andere
ein Lilium. Oben im Wappen sind drei Köpf, die heraldisch Aussag’
für den Namen Wangen. Adler und Lilium sind Zeichen für staufische
Königsmacht, welche aus Wangen erst die Stadt gebar.
er hält die Lilie in der Hand hoch.
Barbara, mein Lieb, ich hab für Euch eine Blum, ein Lilium geschmiedet wie sie in der Natur gewachsen und kein heraldisch Zeichen nur.
Diese eisern Blum in meiner Hand, die ist gedacht als immerwährendes Symbol der reinen Kraft und des nicht wankend geraden Wegs
der Liebe. Lasst sie uns hier und heut an dieser Stell im Sand ver-
73
graben. Und soll sie dort liegen viele lange Jahr, vielleicht Jahrhundert gar und rostet zwar und findet’s dann ein Mensch, soll diese
Blum ihm nach solch langer Zeit noch künden, dass einst zwei Menschen, deren Hüll und Leiber längst vergangen und im Wind verweht,
sich damals schworen eine ewig Lieb zu finden und einander treu zu
bleiben, als ob von Eisen sie gewebt.
Barbara Knill
nimmt die Blume in die Hand.
Oh, Jakob, diese Blum aus Eisen zwar, doch dies Geschenk ist wunderbar! Oh, ich dank Euch Liebster!
umarmt ihn und küsst ihn.
Doch sprecht mir heut nicht vom Tode und Vergänglichkeit, wir sind
doch jung noch und haben, so Gott will, viel, viel noch zusammen an
der Zeit! Deshalb geduldet Euch also, mein liebster Jakob, die Zeit
und Frauenschnurren beim gestrengen Herrn Vater werden unser
Glück schon schmieden!
nimmt ihn beim Arm.
Doch lasst uns die wunderschöne Blum aus Eisen hier unter dem
Erdreich jetzt vergraben!
sie vergraben die Blume und sind gerade fertig, als Barbara plötzlich
lauscht.
Pst! Still! Ich höre Schritte und ein paar Worte gar! Schnell, lasst
74
beim Brunnen hinter den Büschen uns wieder verstecken! Man darf
unser auf keinen Fall ansichtig werden!
beide verstecken sich schnell hinter dem Gebüsch, während langsam im
Gespräch zwei Mitglieder der Stadtwache bzw. Söldner der städt. Schutztruppe auftauchen und am Brunnen stehen bleiben, um sich weiter zu
unterhalten. Während sie abwechselnd am Brunnen trinken und mit den
Händen Kühlung im Wasser des Brunnens suchen, belauschen Jakob
und Barbara in ihrem Versteck folgendes Gespräch.
1. Stadtwache
Ein heißer Juli dieses Jahr! Felder und Gärten vertrocknen, wenn
nicht bald Wasser kommt von oben.
plätschert weiter mit den Händen im Wasser.
Das Bauernvolk wird wieder jammern wie all die Jahr, dass keine
Frucht nicht wächst und kein Korn geschnitten werden kann.
2. Stadtwache
lacht gehässig auf.
Wann jammert dieses tumbe Volk denn nicht! S’ist alle Jahr dasselbe. Jammern, um am End ein paar Heller mehr für ihre Frücht’ herauszuschlagen und zahlen muss das Stadtvolk dann. Drum
kümmert’s mich auch nicht, wenn wir, im Herren Auftrag, zu Zeiten
ein paar Bäuerlein die Würst und das Geselcht vom Haken nehmen,
dabei der Frau vom Ackersmann was Gutes tun und sie braucht nicht
mal aufzuräumen, denn nach der guten Tat erledigt das doch stubenrein der Rote Hahn!
75
lacht wild auf, der andere fallt ins Gelächter ein.
1. Stadtwache
Sagt, habt Ihr nicht auch von dem Gerücht gehört, der Waldburger
ziehe ein paar Häuflein Kriegsknecht in der Gegend zusammen?
Man munkelt es soll gegen Ravenspurg dann gehen.
2. Stadtwache
Hab auch so Ähnliches gehört. Vielleicht will der hohe Herr nochmals sich den Pelz verbrennen wie wir es mit dem Bundesheer im
letzten Jahr auf seiner Veitsburg ihm ordentlich besorgt und eingeheizt!
beide lachen. Während sie die Hände vom Nass abschütteln.
Doch eines muss ich sagen, weiß zwar nicht wie Ihr das seht, doch
wenn der hochedel Herr uns besseren Sold und Beutanteile zahlt,
verheirat sind wir nicht hier mit dem Rat! Schon gar nicht mit der
Stadt! Und wie itzo die Zeiten sind, gibt es, so glaube ich für unsereins noch viel zu tun!
1. Stadtwache
Ganz so sieht´s aus Bruder und wer die rechte Hand für einen Spieß,
eine Kriegssens oder auch den Kolben hat, der ist in diesen Zeiten
nicht am schlechtesten dran! Er muss sein Kriegsgerät nur gut und
schnell zu führen wissen!
unter zustimmendem Gelächter gehen beide langsam weiter. Als die beiden wieder im Dunkel verschwunden sind, treten Jakob und Barbara erneut hinter den Büschen hervor. Barbara nimmt Jakobs Hände in die
76
ihrigen, drückt sie an ihre Brust, blickt ängstlich zu ihm auf und spricht.
Barbara Knill
Jakob, habt Ihr es auch gehört, was die beiden Kriegsknecht grad gesprochen? Der Truchsess sammelt Kriegsvolk, um gegen Ravenspurg zu ziehen! Oh, wie dank ich dem Herrgott, dass ihr ein Schmied
jetzt seid und kein Waffenknecht, der mächtigen Herren dienen
muss! Sei es der Adel oder auch der Bund. Ein blutig Handwerk
bleibt es und sicher nicht dem Herrn im Himmel zu Gefallen.
Oh Jakob, liebster Jakob, ich ängstig mich! Was wird für uns die
Stadt, die Zukunft bringen? Hat doch der Truchsess seit geraumer
Zeit auch uns die Fehd erklärt!
Jakob streicht Barbara beruhigend übers Haar.
Jakob Pfanner
Barbara, mein Lieb, beruhigt Euch, noch ist der mächtige Herr nicht
da und manches wird so heiß nicht aus dem Napf gegessen, wie es
der Koch vom Feuer bringt.
Und eins ist sicher, der Truchsess ist ein kluger Mann, so wie im Volke
hin und wieder gesprochen wird von ihm. Doch ob Mäßigung ihm
auch zu eigen? Ich weiß es nicht, doch will ich’s hoffen und glaube
fest daran! Denn wie das Kriegsglück auch verläuft, es braucht hernach des tumben Volkes fleißige Hände, die Schrecken, die der
Kriegsmann hinterlässt, fein säuberlich zu ordnen, ja aufzuräumen
gar. Denn Handwerk und Handel müssen neu gedeihen, wenn die
Spieße nicht umeinsonst gegeneinander gerichtet waren.
Doch Barbara, hört auf, Euch jetzt und heut den Kopf unnötig zu zerbrechen, was sein wird, sein kann. So ist unser Leben, unser Schicksal eben, die Zukunft weiß nur der allmächtige Gott allein, der sie für
77
uns bestimmt. Doch habt vor allem keine Angst, liebste Barbara. So
lange ein lebendig Herz in meiner Brust noch schlägt, werd ich vor
jeder Willkür Euch schützen, so gut ich es aus eigenen Kräften denn
vermag. Der Schöpfer hat mir eine starke Hand gegeben, ein scharf,
schnell blickend Aug, dazu ein mutig Herz und keine Angst vor jedermann! Vielleicht ist es ein Erbe des Blutes meines Vaters, der ein
Kriegsmann war und mit den Eidgenossen gegen Habsburg focht.
Doch Liebste, es wird Zeit, dass wir nun voneinander scheiden und
ungeduldig werd ich ab diesem Augenblick auf Nachricht von Euch
warten, wann wir uns wiedersehen.
Ein letzter Kuss noch, liebste Barbara, danach will ich Euch im Schatten der Gemäuer bis an die kleine Seitenpforte Eures Hauses noch
geleiten, damit kein Weh Euch angetan und sicher Ihr ins Haus Euch
schleichen könnt.
sie küssen sich und eng aneiander geschmiegt verschwinden sie langsam
im Dunkel.
Pause
78
79
80
81
3. Akt, 1. Aufzug
Ort:
Ratssaal im Rathaus der Stadt Wangen
Personen:
Jäk Pfanner, Bürgermeister der Stadt und Oheim von Jakob Pfanner
/ Ambrosius Knill, Kaufmann, Ratsherr und Vater der Barbara Knill
/ Burkhart Kolb, Zunftmeister der Schmiede und Ratsherr / Franz
Gänskiel, Schreiber des Bürgermeisters und des Rates der Stadt Wangen / Hans Susenbrät, ein Ratsherr / mehrere Räte, welche auch als
Zwischenrufer agieren, insgesamt würden jedoch mit den vorab Genannten 8 Personen genügen
verschiedene Räte stehen in kleinen Gruppen beisammen und diskutieren laut und aufgeregt durcheinander. Bürgermeister, Jäk Pfanner, trennt
sich letztlich von einer Gruppe und schreitet danach langsam und bedächtig zur Mitte des Ratssaales, besser des Ratszimmers. Danach hebt
er beschwörend, beruhigend die Hände in die Höhe und beginnt zu sprechen.
Bgm. Jäk Pfanner
Ich bitt euch, liebe Ratsherrn, mäßigt euch und beendet den Tumult!
Wir wollen kühlen Kopfes uns an die Arbeit machen, um die Erfordernisse, die in unsrer Stellung seitens des Volkes von uns erwartet,
auch redlich zu erfüllen. Hierfür benötigt es die Klarheit der Gedanken, um das Für und Wider einer Handlung wohl zu erwägen und das
rechte Tun daraus dann abzuleiten.
Das ist es, was die Leute in unserer Stadt, in dieser Zeit, von uns erwarten und mit Recht! Sind doch allein wir nur gewählt hierfür auf
Zeit! Dem noblen Kaufmann Knill geb’ itzo ich das Wort. Er ist der
82
Richtige für uns! Zumal er beide Seiten gut im Auge hat und uns erklären und beleuchten kann die Lag in unsrer Stadt und was daraus
resultieret. Doch, liebe Ratsherren, lasst uns hierzu zu Tische sitzen,
um in entkrampfter Haltung um so besser im Geiste auch zu entkrampfen.
alle setzen sich nun um den Ratstisch. Jäk Pfanner, Ambrosius Knill,
Burkhart Kolb mit den Gesichtern zum Publikum.
Nun, lieber Herr Ambrosius Knill, ergreift das Wort, ich bitt Euch sehr
wir sind ganz Ohr.
Ratsherr und Kaufmann Ambrosius Knill, Vater der Barbara Knill, erhebt
sich von seinem Sitz und beginnt zu sprechen.
Ambrosius Knill
Ihr noblen Herrn und gute Räte, ihr wisst, dass aufwallend hitzigen
Blutes Dinge zu entscheiden, meine Sache nicht ist. Item zum Handel und Geschäft, erst recht zur Politik in diesen Zeiten ist primo
kühles Blut und vor allem ein klarer Kopf vonnöten. Am besten noch
ein Aug, das weiter sieht wie andere.
Ihr wisst zudem, dass König und Adelspartei den Landfried mit dem
Seebund hat von Neuem aufgekündet sowie die Anordnung verfüget,
dass dieser sich von Stund an auflösen soll. So sind die Städte, welche dem Bund noch angehören, bis zu dieser Stund, von nun an
ihres vormals vertraglich zugesicherten Beistandes, was Freiheit des
Handels und der Wege anbetrifft, seitens des Königs, erst recht seitens der Adelspartei verlustig!
die Rede wird mehrfach von Zwischenrufen unterbrochen.
83
Zwischenrufer
Kein Wunder ist’s bei einem solchen Trunkenbold von König!
Zwischenrufer
Der Adel, nur noch ein räuberisch Gesindel!
Zwischenrufer
Wegelagerer, die scheren sich um keinen Vertrag und kein Papier mit
Siegel!
Zwischenrufer
Wir bleiben hart und weichen kein Zollbreit alter Herren Willkür!
Zwischenrufer
Nieder mir dem Truchsess! Nach der Veitsburg soll die Waldburg
auch noch brennen!
Zwischenrufer
Jawohl! Das wär fürwahr das richtig Leibgeding, diesem Geschlecht
für viele Jahre Ungemach!
Ambrosius Knill
Beruhigt euch, ihr lieben Herren. Hab eure Worte wohl vernommen.
Es stimmt und was ihr sagt, ist alles richtig, doch, Jäk Pfanner sagt
es schon am Anfang seiner Red’ und ich bestätigt’s gerade erst, wir
brauchen einen kühlen klaren Kopf, um uns mit den Herren im kommenden Turnier, wie immer dieses aussehen mag, auch gut zu messen. Deshalb sollte nicht in zorniger, wenn auch gerechter Empörung
das Ganze angegangen werden. Auch weiß ich wohl, seit Jahren als
Kaufmann in vielen Geschäften unterwegs, dass zu Zeiten keines
84
ehrlichen Handelsmannes Fracht mehr sicher ist, an seinem Ziele
anzukommen! Gefahr und Hinterhalt lauern nicht nur seitens der
Natur, nein, vor allem vor der Edelleute räuberischer Begehrlichkeit!
Hinzu kommt Raub und Mordlust vom gemeinen Volke, das glaubt
und es erkennt, dass Macht und König schwach und auch der Adel,
ehemals dem Schutz verpflichtet, jetzt ehrvergessen und unter die
Räuber gegangen item, dass nun auch sie die langen Messer ziehen
können und sich nehmen, was und von wem sie es grad bekommen
können und dabei weder Weiber, selbst Kinder nicht schützen und
verschonen.
erregte Zwischenrufe.
Zwischenrufer
Wie Recht Ihr habt, Rat Knill!
Zwischenrufer
Und es könnt noch schlimmer kommen!
Ambrosius Knill
So ist es in der Tat, verehrter Rat Waldmann! Ja, es könnt noch
schlimmer kommen und es kommt noch schlimmer, wenn wir den
Ausgleich zwischen den Parteien nicht zuwege bringen! Zumindest
versuchen müssen wir es für unsere Stadt! Denn, wenn Handel und
Gewerbe weiter so bedrängt, müssen letztendlich sie darniederliegen und verderben.
Was dies bedeutet für Stadt und Land, kann jedermann ermessen.
Armut, Hunger, Krankheit und bittere Pein nisten sich bald in den
Häusern jeglicher Stadt des Bundes ein. Nicht zuletzt wird’s auch die
feinen edlen Herren von Adel treffen, die, bis dato glauben mochten,
85
ihre Krüge und Teller blieben unberührt von solcher Not und blieben
auch weiter gut gefüllt für sie. Am Ende schleicht die Fratz des Bürgerkrieges überall durch unsere Lande und frisst und reißt, wen sie
erwischt und ganze Landstrich sind verödet. Den Moloch Krieg, den
kümmert es wahrlich nicht, ob’s Adel oder städtisch Land. So wird
dann gutes Bauernland in vielen hundert vergangenen Jahren durch
fleißige Geschlechter fruchtbar gemacht mit guter Erden, am Ende
nur der Acker für Disteln und harte Stein dann sein.
Zwischenrufer
Wie Ihr dies trefflich schildert, genau so ist’s Rat Knill!
Zwischenrufer
Ein kluger Kopf, der Kaufmann Knill!
Ambrosius Knill
Seht ihr, ihr guten Ratsherren von der Stadt zu Wangen, aus diesen
Gründen, welche ich gerad erst dargelegt, jetzt meine Überlegungen,
wie wir trotzdem zu einem Ausgleich kommen könnten mit dem
Edlen Hans von Waldburg und seiner Partei des Herrenklüngels.
Auch, weil ich glaub, er sei letztlich solch ein kluger Kopf, dass er
wohl weiß, dass eine Seit allein in dieser Sache nicht gewinnen kann
und am End beide mit leeren, sicher jedoch mit blutigen Händen voreinander stehen.
Doch weiß ich auch, dass Mäßigung seine Sach nicht ist! Doch wär
ihm wohl mit einem Sack Dukatengold schnell beizukommen, da bin
ich sicher. Wir müssten mit der „Gesellschaft zu Ravenspurg“ alsbald
Kontakt aufnehmen und fragen, zu welcher Kondition sie uns unter
die Arme greifen könnten, so, dass wir die Fehd mit Hans von Waldburg in gütlich Einvernehmen dann zu beenden in der Lage wären.
86
Zumal die Ravenspurger ganz sicher auch dasselb Interesse daran
haben werden. Der Landfrieden wäre sodann wieder hergestellt und
Handel und Fracht könnten von Neuem jetzt unbehelligt über Landes
ziehen. Da ich zu Zeiten in Ravenspurg in Sachen meiner Tochter mit
hohen Herren in Verhandlung bin, es geht um nichts Geringeres als
Verbindung nach Augsburg hin zu knüpfen, bin ich gern bereit, unsere städtisch Sache in aller Ehrlichkeit und zum Wohle der Stadt
Wangen zu vertreten.
in diesem Moment kommt aufgeregt der Stadtschreiber zur Tür hereingestürzt.
Bgm. Jäk Pfanner
Was wollt Ihr, Schreiber? Was stört Ihr auf so ungebührliche Art heut
unsere Sitzung?
Stadtschreiber Franz Gänskiel
außer Atem.
Bürgermeister, verzeiht die grobe Unterbrechung,
ringt sichtlich nach Atem.
jedoch die Sache duldet keinen Aufschub nicht! Grad kam ein Bot
aus Ravenspurg völlig erschöpft durch seinen Ritt, das Pferd in flockigem Schweiß gebadet und geritten fast zu Schanden.
Der Rat der Stadt zu Ravenspurg bittet den Rat von Wangen inständig und um sofortige Hilfe, und wir möchten ihnen ein Häuflein
Kriegsknechte zu ihrer Unterstützung schicken! Der Truchsess von
Waldburg schickt sich an, mit fünfhundert Kriegsknecht und Kano-
87
nen, es könnten aber auch weit mehr über tausend sein, die Stadt
zu belagern und die Mauern zu erstürmen!
darauf erhebt sich ein lauter Tumult unter den Versammelten. Alle
schreien und rufen laut durcheinander.
Ratsherr Hans Susenbrät
Da seht Ihr’s wohl, Herr Kaufmann Knill, wie günstig Euch und uns
der Truchsess ist gesonnen! Oder seid Ihr gar ein Fürstenknecht,
dass Ihr noch kurz zuvor solch Rede hier im Rat geführt?
Ambrosius Knill springt in aufwallendem Zorn so heftig auf, dass dabei
sein Stuhl umfällt. Danach deutet er mit ausgestreckter Hand auf Hans
Susenbrät und spricht laut und mit erregter Stimme.
Ambrosius Knill
Nur selten aus der Ruh bin ich zu bringen, doch für solch verleumderische Red werd ich vors Stadtgericht Euch zwingen, Hans Susenbrät, zu gegebner Stund, des seid gewiss! Niemals sprach ich davon,
Hans von Waldburg sei ein gutmütig und beherrschter Mensch, doch
hat Verbindung er bis weit hinauf zur Krone! Dies, ihr noblen Herren,
möget ihr doch nicht vergessen und klar in eurem Kopfe muss euch
sein, dass diese hochedlen Herren, so sie auch untereinander sich
gräulich oft bekriegen und uns, das Volk hierzu benützen wie es sich
grad ergibt, im Augenblick wo’s geht um Stand und Stellung, sie
keine Zeit mehr dann verlieren, sich gegen euch zu wenden in Gemeinsamkeit!
Unruhe, halblautes, erregtes Gespräch, das jedoch von den Zuschauern
nicht verstanden werden muss. Gesten wie Kopfschütteln, verzweifeltes
88
Händehochheben, einige stehen von ihren Stühlen auf gehen erregt
umher u.s.w.
Bgm. Jäk Pfanner
Verehrte Ratsherren, Ruhe bitte!
Pause, sie reden immer noch laut durcheinander.
Gebt Ruhe doch! So mäßigt euch doch, ich sagt es schon! Zuerst und
das sag ich mit aller meiner inneren Überzeugung, die Rede, welche
Ambrosius Knill geführt, war in Gedanken schon auch ganz die
meine! Besinnung und Zurückhaltung in diesen schweren Zeiten ist
jetzt unsere erste Bürgerpflicht!
Doch widrige Umstände zwingen uns im Augenblick von Knill’s Plane
abzuweichen. Jedoch, wenn ihr damit einverstanden, möchte ich ihn
bitten, die Sache, die er grad dargelegt, für uns in aller Heimlichkeit
weiterzuverfolgen. Die Bündnispflicht in unserem Bund der Städte
zwingt uns jetzt jedoch, in dieser schweren Stunde eine Entscheidung für den Krieg und gegen die Vernunft zu treffen. Wir haben
Pflicht gen Ravenspurg die Kriegsknecht zu entsenden, so wie im
Vertrag wir es versprochen und gesiegelt haben. Doch und dessen
bin ich für meine Person gewiss, es mögen Zeiten kommen, in denen
wir andere Möglichkeiten, vielleicht Unterpfand auch haben, um mit
dem Truchsess in Übereinkunft und ins Reine dann zu kommen. Allein im freien Rat wird abgestimmt! Wer ist dafür, dass Wangens
Kriegsknechte wir den Ravenspurgern zu Hülf und Beistand schicken, der hebe seine Hand.
alle heben die Hand.
89
Keiner dagegen? Gut, so sei es dann! Stadtschreiber, macht ein Papier, welches ich unterschreib und bringt es schnell zum Kommandanten. Darauf sollt stehen, dass sich die Kriegsleut schnell und
unverzüglich gen Ravenspurg sollen begeben mit allem, was sie an
Waffen nötig und dem Kriegsgerät, das sie von Nutzen halten.
wendet sich jetzt noch einmal an alle Räte.
Und ihr, ihr Ratsherren von Wangen, geht jetzt nach Haus und jeder
schau zuerst nach dem, was seine eigene Sicherheit nun sei. Erst
also gilt seine Sorg der eigenen Familie und seinem Haus, um
schließlich danach auch in eigener Person für Wehrhaftigkeit und
Schutz in unser aller Stadtgemeinschaft aufzutreten. Auch wer ein
Kriegswaffe hat im Hause, sei es Spieß, Schwert, Kolb oder Axt und
sie zu führen weiß, stell sie bereit. Es könnten böse, schlimme Zeiten
kommen. Schlimmere noch, als bisher die letzten Jahre schon gewest. Habet Dank nun für euer Kommen und gehet also jetzt schnell
nach Haus, ihr guten Rät von Wangen, und bittet den Allmächtigen,
dass er uns vor Tod, Brand und was derlei sonst noch wüste Ding im
Kriege sind beschützen möge. Ich danke euch ihr Herren, gute Nacht.
die Räte stehen auf und unter leisem miteinander Sprechen verlassen
sie in Gruppen den Ratssaal – das Ratszimmer. Auch der Bürgermeister
will gehen, als der Ratsherr Ambrosius Knill, welcher sich auf der Seite
gerade noch mit dem Schmiedezunftmeister Burkhart Kolb unterhalten
hat, auf ihn zugeht und spricht.
Ambrosius Knill
Auf ein Wort noch, lieber Jäk Pfanner, und hierzu bat ich auch meinen geschätzten Ratskollegen Burkhart Kolb. Es geht um ein paar
90
persönliche Ding, die andere Ohren nicht zu hören brauchen und,
welche Euch, den Schmiedemeister und insbesondere mich betreffen. Ich will die Red nicht lang umschweifen, ich sprech von Barbara
mein einzig Kind und Tochter und von Jakob dem Schmied, Eures
verstorbnen Bruders einzigem Sohn, lieber Jäk Pfanner, und welcher
bei Euch verehrter Meister Kolb, als fleißig wackerer Schmiedgeselle
sein ehrlich Tagewerk stets gut verrichet, wie man es allenthalben
hört.
Und ich sag es gleich vorweg, an anderer Stell, zu anderer Zeit, wär’
ich ihm wohlgesonnen, wie ich’s ihm immer im Geheimen bleib!
Dankbar will ich ihm bleiben für seine unerschrockene Tat, zu schützen meine Tochter Barbara vor dem vierschrötig mordgierig Unhold,
dem Ritter Hans von Rechberg. Und sollt der Jakob in anderer Sache
irgendwas bedürfen, er soll es mich nur wissen lassen, so will ich helfend sogleich ihn unterstützen. Er glaubte ja, ich kenn ihn nicht, wie
er sich täuscht! Ich kenn ihn wohl! Hab ihn des Öfteren durch Zufall
am Markt und auf der Gassen beobachtet und gesehen! Er ist wahrhaft ein fröhlich, wackerer junger Mann, aufrechten Muts und von frischem Geist, zu tausend Späßen aufgelegt! Doch den Alten gegenüber zeigt er stets den nötigen Respekt und erweist ihnen gebührend Ehre.
So weit, so gut. Dies alles mögt Ihr ihm wohl berichten. Auch das,
dass ich ihm weiter gut gesonnen. Allein er muss die Einsicht haben,
dass er die Barbara, meine einzige Tochter, zur Ehe nicht haben kann.
Denn bin ich schon seit geraumer Zeit im Wort bei einem anderen
verpflichtet. Was sag ich, nicht nur bei ihm, auch dessen Familie und
diese hat mit mir den Bund in fester klarer Absicht schon beschlossen und besiegelt. In ein paar Wochen ist die Verlobung schon, die
Hochzeit dann am End des Jahrs in Augsburg ausgemacht. Den
Namen des Bräutigams und der Familie will und kann ich Euch zu
91
diesem Zeitpunkt nicht benennen. Allein es muss für’s Erste Euch
heut genügen soviel zu sagen als wie dies, der Arm des Bräutigams
und der Familie, die ganze Verwandtschaft eingeschlossen, reicht
weit hinauf! Sehr weit! Gar in die Näh des königlichen Hofes.
Sagt ihm, dem lieben Jakob und so seh’ ich ihn, dass er verzichten
muss, um nicht das weitere Glück und Wohlergehen, denn in solchen
Zeiten wie den unseren muss doch vor allem dies bedacht sein, von
Barbara und der Familie nicht auf immer zu verspielen. Auch ist die
neu Verbindung, welche ich Euch grad geschildert, nicht nur für Barbara und die Familie von Nutzen, nein, sie könnt und wird zum Nutzen aller sein, die Handwerk haben, Geschäft und Brot hier in der
Stadt zu Wangen. So viel nur kann ich Euch verraten, die Handelsund Geschäftsverbindungen, welche aus diesem Bund für uns, für
alle Bürger in der Stadt daraus erwachsen könnten, zeigen eine Zukunft fast in güldnem Lichte.
Also, verehrte Herren, bringt es dem wackeren jungen Manne bei,
dass nur im Verzichte die Zukunft beider liegt!
der Bürgermeister und Oheim Jäk Pfanner und der Meister Kolb wollen
gerade beide gleichzeitig beginnen eine Antwort zu geben, als Kaufmann
Knill nochmals unterbrechend die Hand hebt.
Und noch etwas, verehrte Herren vom Rate, lasset uns ehrlich sein
und denken an unsere frühen Jahre in der Jugend, als wir schon
Männer zwar, doch den Kopf noch voll mit Flausen. Hat nicht der eine
oder andere von uns in hell aufflackernd jugendlichem Feuer der ersten Liebe ewige Treu geschworen?
lächelnd nachsinnend nicken die Angesprochenen zustimmend mit den
Köpfen.
92
Allein die Heirat und die Frau wurd’ uns von anderer Seit gegeben
und Liebe durch Vernunft ersetzt.
Und liebe Herren, sind wir all drei schlecht dabei gefahren, sagt an?
Echt und tiefe Zuneigung, ja Liebe gar, kam doch bei uns im Abstand
mit der Zeit und in den Jahren.
lächelt.
Und solch beständig Dauerglut im Ofen wärmt alte Knochen noch
bis zuletzt im hohen Alter dann als Greis.
Burkhart Kolb
Ganz überrascht von Eurer Rede bin ich nicht, lieber Ratsherr Ambrosius Knill. Bemerkt ich in den letzten Wochen doch seltsame Veränderung an dem jungen Spund.
Er ist so ernst und überlegt geworden und auch die dummen Späße
mit dem Altgesellen, zu denen er sonst stets aufgelegt, sind weniger
geworden. Zwar bisweilen heiter noch, ja, und bei der Arbeit nach
wie vor ein guter Schmied wie eh und je, ein Schmiedgeselle, der
leicht auch schon ein Meister werden könnte, ja möchte ich fast
sagen wie seine Handwerksgeschicklichkeit aufweist, eigentlich
schon ist, so zeigt sich in den letzten Wochen vieles an ihm doch anders. Ich sah ihn tags des Öfteren ohne Grund schweigend vor sich
so hinsinnieren und dacht ich bei mir,
lacht auf.
so alt nun bin ich auch wieder nicht und die Erinnerung an die Jugend ist noch da! Also dacht ich bei mir, es müssen Liebeshändel,
Tändeleien sein bei solch jungem Bursch, der doch grad erst zum
93
Manne, denn wußt ich ja und hab es oft gesehen, die Damenwelt verwöhnt mit Blicken und glänzend Auge ihn. Allein ich will nicht viel
im Brei jetzt rühren, Ihr sollt von mir Unterstützung haben, Ambrosius Knill und ich verstehe Eure Gründe wohl und handelte nicht anders an Eurer Stell.
Wiewohl ich darf es sagen, mir Wohlergehen und Fortkommen des
Jakob meines Junggesellen sehr an meinem Herzen liegen. Seh ich
ihn doch fast wie einen eignen Sohn und hab’s im Sinn ihm dereinst,
wenn ich nicht mehr bei Kräften, meine Schmied zu übergeben, als
wäre er vom eignen Blute.
Doch habt Ihr mein Wort in dieser Sache, mich für Euch zu verwenden und werd ich gleich ein väterlich Wort morgen schon an ihn richten. Ich bin ganz sicher, er wird mich verstehen und hört mich an und
eines weiß ich wohl, ich kenn sein Herz, das lauter ist und gut, er will
das Allerbeste nur für Eure Tochter Barbara und sollt Gefahr für ihr
Glück von ihm ausgehen, lässt er sie ziehen, des bin ich sicher!
Kaufmann Knill nickt zustimmend. Beide geben sich jetzt die Hände,
schütteln sie und Knill klopft Burkhart Kolb danach anerkennend freundschaftlich auf die Schulter. Schließlich wenden sie sich Bgm. Jäk Pfanner
um Antwort heischend, fragend zu.
Bgm Jäk Pfanner
Hat es doch also seine Richtigkeit gehabt mit dem Getuschel in der
Küch bei meiner Frau und ihren Mägden!
Bei Nachfrag kicherte man nur verschämt und war keine Auskunft
zu bekommen. Jedoch ahnt ich was! Der Name meines Neffen und
der von Eurer Tochter Barbara klang gar zu oft in meinen Ohren die
letzte Zeit, doch dacht ich nur, es handle sich immer noch um die
mutige Tat wie er den Raufbold, diesen verdammten Trunkenbold
94
und Halsabschneider, den von Rechberg, mit seiner Hände Kraft und
gutem Holz schnell in die Schranken wies. An Liebesdinge dacht ich
nicht!
Doch schließ ich mich natürlich eurer Meinung an, verehrte Ratsmitglieder. Den Jungen muss der rechte Weg gewiesen werden, dafür
sind wir, die Alten, schließlich da! Und Liebe allein füllet noch keine
Pfann und auch kein Krug mit Most wird von ihr voll. Ich werd dem
Neffen ins Gewissen reden, ist er ansonsten doch ein verständig, zugänglicher, junger Mann. Hierzu fällt mir gleich ein, da er doch schon
ein geschickter Junggeselle, man sollt ihn jetzt auf Reisen schicken
in andere Städt, an andere Ort, wo er zum Meister schließlich reift.
Da ich, wie ihr wohl wisst, zum Kloster in St. Gallen noch gute Fühlung hab, so könnt man ihn demnächst unter Bedeckung, weil Kaufmannsfracht dabei, zuerst ins Kloster schicken und von dort ins
Appenzellische, wo gute Schmiede auch gebraucht! Und was von
noch höherem Nutzen für ihn wäre, er wär dem mörderischen Rechberg für das Erste aus dem Weg! Denn der wird ihm mit seinen
Spießgesellen auflauern und nach dem Leben trachten, wo er nur
kann. Item wir mit diesem Plan gleich drei Fliegen mit einer Klappe
schlagen.
Euch wär geholfen, lieber Knill, Eurer Tochter Barbara und meinem
Neffen auch! Nun, was sagt ihr dazu, ihr lieben Herrn?
wendet sich fragend an Ambrosius Knill und Burkhart Kolb, diese mit den
Köpfen nickend.
Ambrosius Knill / Burkhart Kolb
So machen wir’s, so ist es gut. Allen zum Vorteil und jedem zum
Nutzen.
95
Bgm. Jäk Pfanner
Doch jetzt, ihr Herren Räte, sollten wir schnell nach Hause uns begeben und noch einmal treulich überdenken, wie wir die Sach mit
Hans von Waldburg, auch seine Belagerung von Ravenspurg, zu
einem guten Ende bringen, damit unserer Städte Gemeinschaft weiter gedeihen und wachsen kann. Trotz allem wünsch ich eine gute
Nacht! Wie ihr ja wisst, die Tor sind gut bewacht und fest geschlossen, so wir im Moment keine Sorg nicht haben müssen. Der Truchsess liegt, wie wir ja hören, vor Ravenspurg!
im Abgehen dreht sich Jäk Pfanner nochmals um und ruft.
Ich lass euch Nachricht bringen, wenn eine außerordentlich Sitzung
nötig! Man weiß ja nie in diesen Zeiten!
Ambrosius Knill / Burkhart Kolb beide zusammen
Tut dies. Wir sind bereit, wann immer es von Wichtigkeit!
Dunkelheit oder Vorhang fällt.
Musik der Zeit, diese gegen Ende mit Kriegstrompeten und Trommeln auf
den nächsten Akt, den Überfall des Truchsess einstimmend.
96
97
98
99
3. Akt, 2. Aufzug
Orte:
Schmiede des Burkhart Kolb, Schmiedegassen vor dem Peterstor
Personen:
Jakob Pfanner / Balthasar Griesser / Jörg Endrass, ein Wangener
Bürger / Der Türmer auf dem Peterstor / Pfeiffer Max, ein ängstlicher
Wangener Bürger, Schankknecht und Blockpfeifenspieler / Hans von
Waldburg, der Anführer des Überfalls / Konrad von Prassberg, sein
erster Gefolgsmann und zweiter Führer des Stoßtrupps der waldburgisch Reisigen / Jäk Pfanner, der Bürgermeister / die Ritter und Reisigen des waldburgischen Stoßtrupps, etwa 10–15 an der Zahl, davon
drei beritten / die Schmiede aus der Schmiedegassen, Anzahl nach
den Möglichkeiten, jedoch sollten es an die 15–20 sein / Trommler
möglichst mit Landsknechtstrommeln und Trompetenbläser, Kriegstrompeten, Fanfaren
Der Überfall
Schmiedegassen vor dem Peterstor. Im Stück wird das Peterstor durch
das Pfaffentor, heute das Ratloch, ersetzt. Auf der Bühne wie am Anfang,
die Schmiedewerkstatt des Burkhart Kolb. In der Werkstatt stehen die
beiden Schmiede Balthasar Griesser und Jakob Pfanner an der Esse in
ihre Arbeit vertieft. Jakob schmiedet gerade mit einem kleineren Hammer
ein noch nicht fertiges Sensenblatt auf dem Amboss, während im Hintergrund der Altgeselle Balthasar ein Sensenblatt immer wieder ins Feuer
unter die glühenden Kohlen schiebt, es herauszieht und auf einem zweiten Amboss auf es einhämmert. Immer wieder schaut er von seiner Arbeit
auf und blickt nach draußen, weil plötzlich mehrere Leute an der geöff-
100
neten Werkstatt unter lautem Geschrei und wildem Gefuchtel mit den
Armen an der Türe vorbei Richtung Tor rennen. Wieder blickt Balthasar
kurz von seiner Arbeit hoch und spricht zu Jakob.
Balthasar Griesser
Was ist, dass alle Leute heut so früh am Morgen, wo ich grad meine
Supp geschlürft, so aufgeregt und wild schreiend durcheinander
zum Tore rennen? Man könnt meinen, man sei im Hühnerstall, wo
grad der Fuchs einbricht! Jakob, schau nach, weshalb die Leute rennen und wohin.
Jakob legt den Hammer und sein Sensenblatt beiseite und geht aus der
Werkstatt.
Jakob Pfanner
Grad dacht ich’s auch. So viel Geschrei, Unruh und Lärm ward lange
nicht in unserer Gassen.
dreht sich an der Türe nochmals um.
Und das will was heißen in der Schmiedegassen! Wo Lärm und Geräusch ansonsten doch alltäglich sind und zu der Schmiedekunst
gehören.
er geht nach draußen, stellt sich dem erst besten Vorbeihastenden in den
Weg.
Heeh, Endrass Jörg! Wohin so schnell des Wegs? Hat einer gar was
zu verschenken?
101
Jörg Endrass hält ganz außer Atem inne. Deutet mit der Hand in Richtung
des Tors und beginnt hastig zu sprechen.
Jörg Endrass
Habt ihr’s noch nicht gehört, ihr alten Eisenköpf?
Draußen vor den Toren unserer Stadt sollen unsere Felder und Obstgärten brennen! Nun schickt sich jeder an, der außerhalb ein Eigen,
zu sehen ob’s gar ihn betrifft und dann zu retten, was noch zu retten
ist.
rennt weiter. Unter dem Wegrennen ruft er zurück.
Hab draußen auf der Höh nach Prassberg zu ein paar Obstbäum und
auch etwas Korn, die sollen nicht verderben!
Jakob Pfanner
ruft ihm nach.
Ich wünsch dir Glück und würde dir gern helfen, allein wir können
nicht vom Feuer, ansonsten wären wir dabei! Das wisst ihr ja!
er wendet sich wieder zur Werkstatt und ruft hinein.
Heeh, Balthes! Habt Ihr’s gehört? Draußen vor der Stadt soll ein groß
Feuer sein! Doch frag ich mich, wo denn der Türmer bleibt, welcher
die Feuerwach doch hat!
schaut nach oben zum Turm und dessen Fenstern, welche geschlossen
sind.
102
Ich seh ihn nicht! Das wird dem Rat er bald erklären müssen und da
seh ich schwarz für ihn.
Balthes, rennt schnell zum Meister und gebet ihm Bericht. Hat er
doch, sowie ich weiß, auch einen Garten draußen vor der Stadt.
Balthasar Griesser
griesgrämig verschnupft.
Ganz wie der Meister Jakob es wünscht, so werd ich es besorgen.
vor sich hinnuschelnd wendet er sich zur Tür, welche zur Wohnung des
Meisters führt.
Zeiten sind dies!
Zeiten, wo Junggesellen den Altgesellen sagen, was zu tun sei! Zeiten sind dies!
oben im Turm öffnet sich nun endlich ein Fenster und der Türmer schaut
angestrengt heraus in Richtung des vermeintlichen Brandes.
Jakob Pfanner
welcher, den Kopf weit zurückgelegt, nach oben zum Turm schaut.
Ha! Den Türmer seh ich jetzt, es wurd auch Zeit!
tritt ein paar Schritte auf die Schmiedegassen . Heftig mit den Armen winkend ruft er nach oben.
Heeh, Türmer! Sag mir, was du siehst!
Siehst du Rauch?
103
Türmer
Ich seh den Rauch gen Prassberg und gen Nieratz zu!
Jakob Pfanner
Siehst du auch Feuer?
Türmer
Auch Feuer seh ich grässlich blinken hier und dort in hellrot Flammenzungen auflodern, immer aufs Neu. Da! Jetzt seh ich nur noch
dunklen, schwarzen Rauch, schwarz wie ein Rab und gleich einer
furchbar Riesenschlang, als ob der Leibhaftige sich mit seiner Höllenschar gen Wangen drohend wälze. Gott steh uns bei! S’ist wie das
letzt Gericht!
Jakob Pfanner
Siehst du auch Leut?
Türmer
Ja! Da! Ich sehe welche! Sie kommen aus dem Rauch gerannt!
Jakob Pfanner
Sind’s unsrige?
Türmer
So wie ich’s seh, sind’s unsrige! Sie rennen um ihr Leben! Hinter
ihnen sind Berittene in voller Wehr und Rüstung! Dahinter Reisige
mit langen Spießen! Bei Gott, sie jagen sie vor sich her wie eine wilde
Meut von Hunden! Ein Banner seh ich jetzt! Es ist das Banner der
von Thanne! Der Truchsess ist es, der sie hetzt und auf die Tor zutreibt! Alarm! Alarm! Die Stadt wird überfallen!
104
Jakob Pfanner
Läut auch die Feuerglocke noch! Nie war der Grund ein besserer!
Läute so heftig, wie du kannst! Läut Sturm und Feuer jetzt, sonst
muss die Stadt verderben!
springt jetzt mit ein paar Sätzen mitten auf die Schmiedegassen (bei Aufführung ist dies eventuell der Postplatz).
Heihooh! Heihooh! Kommt schnell heraus, ihr Schmied von Wangen
auf die Gass! Nehmt eure Hämmer, Stangen und was sonst an
schwer Gerät von Eisen ihr zur Hand! Und alle Bürgersleut, die Mut’s
genug die Hand im Kampfe zu erheben! Es geht ums Ganze heut, es
heißt erneuter Knechtschaft sich zu erwehren und die Freiheit zu
schützen hier, in unserer Stadt zu Wangen!
ruft wieder zum Türmer hoch.
Türmer, wie weit sind sie noch vom Tor entfernt?
Türmer
Sind kurz davor! Die Berittenen in voller Rüstung! Hab’s grad gesehn
wie sie Zwei von Unsrigen niederhauen und über sie geritten! Gott
strafe sie für diese Tat! Die Spießgesellen, welche im Trab jetzt rennen, sind gut dreihundert Schritte noch entfernt! Macht schnell die
Seitenpforte auf, dass unsere Leute schnell eingehen können und
verschließt sie danach mit Macht und schnell!
Jakob Pfanner und einige der Schmiede eilen jetzt zur Seitenpforte des
Ratlochs –Peterstors und schließen die vom Bauhof gefertigte Tür. Danach wollen mehrere den schweren Sicherungsbalken in die Eisenlager
105
schieben und bemerken dabei, dass alle Lager unbrauchbar gemacht
wurden, sodass die Torflügel nur noch durchs Mittelschloss gesichert sind
und von außen mit Gewalt leicht eingedrückt werden können. Jakob
Pfanner rennt jetzt ein paar Schritte zurück in die Mitte der Schmiedgasse
(Postplatz) und ruft aus Leibeskräften.
Jakob Pfanner
Verrat! Verrat! Die Tore sind nicht mehr gesichert, die Balkenlager
unbrauchbar gemacht!
Nächtens hat ein Schuft aus unseren Reihen sich dieser Tat versichert, glaubt nun er hätt dem Truchsess ein schurkisch Geschenk
vermacht!
inzwischen rennen gehetzte und vor Schrecken und Angst völlig aufgelöste Bürger laut schreiend und rufend durch das Seitentor.
Verschiedene Rufer, Bürger männlichen und weiblichen Geschlechts
Zu Hülf, ihr Leut von Wangen! Zu Hülf! Der Truchsess will uns alle
totschlagen!
Schließt die Tore! Macht schnell!
Herr im Himmel, steh uns bei! Sie metzeln uns!
Gott strafe das räuberische Kriegsknechtspack und ihre Anführer!
inzwischen hört man lautes Geschrei, Hämmern und Schlagen an die
Tore, Waffenklirren, wenn möglich Pferdewiehern sowie ein bis zwei Böllerschüsse, eine kleine Feldschlange darstellend. Schließlich im Hintergrund starkes und schnelles Landsknechtstrommeln und Kriegstrom-
106
peten. Die Tore biegen sich jetzt etwas nach innen, dürfen aber noch nicht
aufspringen! Im Inneren des Tores sind zwei, drei Reiter, darunter der
Truchsess Hans von Waldburg an der Spitze einer Gruppe von Reisigen
(insges. etwa 20 Statisten) mit langen Spießen. Alle erheben ein immer
wieder anschwellendes, lautes Feldgeschrei. In der Schmiedegassen hat
sich inzwischen Jakob Pfanner an der Spitze seiner Schmiede und den
restlichen Stadtbürgersleuten in Position gebracht. Jakob hat jetzt einen
schweren Schmiedehammer in den Händen. Er dreht sich kurz um, als
die Schläge am Tor heftiger werden und will sich gerade an die Seinen
wenden, als er hört, wie der Pfeiffer Max, ein einfacher Schankknecht und
Spielmann, hinter ihm vor Angst schlottert und vor sich hinbibbert.
Pfeiffer Max
Jesus Maria! Gott erbarm sich meiner armen Seel da, so wie’s aussieht, mir gleich der Teufel an der Kehl. Mir steckt ein Kloß im Halse,
dass ich gleich kotzen könnt. Heut wird uns all der Teufel holen und
in die Höll uns bringen. Hab doch dem Wirt so manches Gläschen
Wein gestohlen! Muss nun dem schwarz Leibhaftigen ein Liedchen
singen und ewig tausend Jahr Wein aus dem Keller holen. Lieber
Herr Jesus und Gott, gib Gnad für all mein Missetat!
die Tore geben jetzt sichtlich nach, erneutes Kriegsgeschrei.
Jakob Pfanner
Ach, Pfeiffer Max, was jammerst du, sei still! Halt`s Maul! Gib Ruh! Ansonsten lass die Axt, und nimm dein Pfeifchen und tu ein lustig Liedchen ihm entlocken, wenn du noch Spucke hast und dein Maul dir
dafür nicht zu trocken!
mit noch lauteren Worten jetzt an alle gewandt.
107
Und merkt euch eins, ihr Wangener, alle hinter mir! Hinter dem Tor
sind keine anderen Leut! Der Teufel hat heut Rüstung an! Ist jedoch
ebenso aus Fleisch und Blut wie ihr und ich und heißt Herr von der
Thanne!
Der Hans von Waldburg ist´s! Der Truchsess! Oder sollt ich gar lieber
sagen, nur? Wenn ihr ihn stecht und alle andern, so bluten sie! Von
blauem Blut kein Tropfen nicht! Sie schlugen nur von alters her viel
zügelloser, ungehemmter, ohn’ Erbarmen drein, nicht so wie brave
Leut, die sich darob Gedanken machen und in der Seele Pein! Heute,
so glaubet er, der Truchsess, muss er uns alle wieder in der Stadt erneut zum Knechte machen, um dadurch unsere städtisch Freiheit
aufs Neue zu entreißen uns! Lasst uns jetzt ihn mit gebührendem
Respekt in dieser, unserer Schmiedegassen, ihn empfangen!
Mit Schmiedehämmern und mit Stangen aus blankem Eisen, den
ganz langen! Mit Äxten, Harken und mit Gabeln, um uns gebührend
zu verbeugen vor seiner Fürstlichkeit und seinen unterwürfigen Notabeln! Und die rechte Antwort ihm zu geben für sein Tun!
das Trommeln wird immer lauter und stärker, ein, zwei Stöße aus einer
Kriegsposaune.
Formiert euch jetzt in der Gass zum Halb! Bleibet ganz ruhig und im
Herzen kalt. Doch dann schlagt kräftig und im Zorne mächtig so heftig drein, dass vom kalt Eisen die Funken sprühn und schlaget alle
kurz und klein! Verschonet keinen, auch nicht ihn, den Truchsess!
Heut soll’s sein in Wangen für alle Zeit vorbei mit leibeigen Zins und
Fürstenschinderei!
in diesem Moment springen die Torflügel auf und der Truchsess Hans
von Waldburg, gefolgt von einigen Berittenen sowie der Schar seiner
108
Spießgesellen stürmen nun unter lautem und wüstem Kampfgeschrei
und Gegröle durchs Tor in die Schmiedegassen in der sich ihnen der Haufen der Schmiede, an der Spitze Jakob Pfanner, in der Mitte dieser Gasse
entgegenstellen. Der Truchsess in Rüstung, als einziger von den drei Berittenen hat er das Visier geöffnet, pariert zwei, drei Meter vor Jakob sein
Pferd durch, bringt es etwas seitlich zu ihm zum Stehen, reißt den Arm
mit dem Schwert hoch und ruft.
Hans von Waldburg
Aus dem Weg, vermaledeiter Bube! Du und deine Schmiede, ihr seid
der Herren Pfahl im Fleische, den ich für immer heut ausreißen werd!
drängt sein Pferd in Richtung Jakob. Die anderen Berittenen folgen ihm.
Ebenso die Reisigen dahinter. Er will jetzt, das erhobene Schwert in der
Hand, sich auf Jakob stürzen und ruft nochmals dabei.
Du Lotterbube, du, dir schlag ich jetzt die Rüb’ vom Strunke und hab
mit einem Schlag einen Aufruhr weniger in der Stadt!
Jakob weicht dem Schlag geschickt aus, während er die Worte herausschreit.
Jakob Pfanner
Den Schlag geb ich zurück mit gutem Schmiedeeisen und hau die
Fürstentyrannei vom Rosse!
dabei bricht er mit einem mächtigen Schlag seines Schmiedehammers
den Oberschenkel des Hans von Waldburg unter der Rüstung entzwei.
Wonach dieser mit einem lauten, gellenden Schmerzensschrei vom Pferd
zu Boden stürzt. Darauf pariert der zweite Reiter Konrad von Prassberg
109
ebenso in voller Rüstung mit nicht geöffnetem Visier sein Pferd durch,
hebt den Arm, in der Hand einen Streitkolben, und ruft.
Konrad von Prassberg
Haltet ein! Der Truchsess ist schwer getroffen und vom Pferd gestürzt! Haltet ein ihr Noblen und ihr Kriegsleut alle! Formiert zum
Igel euch mit euren Spießen, dann gebt dem Edlen von Waldburg Deckung! Setzt ihn aufs Pferd, zieht euch zurück, der Kampf wird abgebrochen! Heut ist kein Glück für uns!
sie nehmen den Truchsess in ihre Mitte und bilden mit den Spießen einen
Kreis, den sogenannten Igel, um ihn, während die Schmiede und andere
Wangener Bürger sie jetzt von allen Seiten bedrängen und auf sie einhauen, ziehen sie sich langsam durch das Tor zurück. Während dieser
Schlussphase des Kampfes ergreift Jakob Pfanner noch einmal das Wort
und ruft seinen Wangenern und den Schmieden zu.
Jakob Pfanner
Habt ihr’s gehört, ihr Leut? Die Herren haben heut kein Glück, so ruft
ein Reiter mit herabgelassenem Visier, der wohl sein Gesicht nicht
zeigen will! Doch ist heut das Glück ganz auf unserer Seiten dank
eurem Mut und der Waffenkraft der Schmied von Wangen! Haut jetzt
also mächtig drein! Haut auf sie drauf, wo ihr nur könnt! Haut sie hinaus zur Stadt, dass sie niemals mehr vergessen, sie könnten zukünftig sich messen im Kampf mit freien Bürgersleut, denn ihre
Spießgesellen sind ja in Wahrheit nur knechtisch sklavisch Herrenmeut!
unter lautem Kampfgetümmel drängen alle durchs Ratloch, sodass nur
noch vom Marktplatz her kurz Kampfgeschrei und Rufe zu hören sind.
110
Nach kurzer Pause kehren schließlich die Wangener unter triumphierendem Jubel durchs Ratloch wieder auf den Postplatz zurück unter lauten
Siegesrufen.
Verschiedene Rufer
Der Sieg ist unser!
Wir haben den stolzen Truchsess geschlagen!
Gott sei’s gedankt, sie sind in alle Wind zersprengt!
Nach Wolfegg und gen Wurzach zu sollen sie, so riefen ihre Hauptleut
ihnen zu!
Dort kann der angestochene, verletzte Eber auf seiner Burg dann
sich die Wunden lecken!
alle versammeln sich jetzt in der Mitte des Postplatzes oder auf der
Bühne um den Bürgermeister Jäk Pfanner.
Bgm. Jäk Pfanner
Ihr braven, wackeren Bürgersleut von Wangen, ihr tapferen, mutigen
Schmiede hier in unserer kleinen Stadt zu Wangen. Wir haben heut
einen gar großen Sieg errungen im Kampf um unser städtisch Freiheit und gegen alte Herrenmacht. Die Schlacht jedoch ist lang noch
nicht endgültig geschlagen, so wir denn des Truchsess nicht habhaft
werden. Geht jedoch für heut zurück zu euren Lieben und gönnt
euch zuvor ein kleines Glück, den großen Schluck aus einem mächtigen Humpen Wein, den ich euch jetzt auf Kosten der Stadt gleich
füllen werde. Es kann auch mehrfach ein Schluck genommen wer-
111
den, denn ich glaub nach solchem Kampfgetümmel muss unsere
Gurgel trocken sein!
alle lassen nun den Bürgermeister und den Rat der Stadt Wangen hochleben. Der Bürgermeister hebt, um die Hochrufe verstummen zu lassen,
beschwichtigend beide Hände und spricht die letzten Worte.
Geht nun danach nach Hause liebe Leute und begebet euch zur
Ruhe. Mir schwant, die kommenden Tage gibt es noch viel zu fechten
und eure Kräfte werdet ihr noch brauchen. Dankt auch Gott dem
Herrn jetzt im stillen Gebet. Dankt ihm dafür, dass ihr heut auf der
Seite ward der rechten und seid getrost, ihr werdet’s auch in Zukunft
sein! Geht wacker vorwärts Bürger, einig nur in gerechtem Sinn in
euren versammelt Reihen!
112
113
114
115
4. Akt, 1. Aufzug
Orte:
1. Ratszimmer des Bgm. Jäk Pfanner, welcher mit seinem Schreiber
Franz Gänskiel spricht (Bühne)
2. Marktplatz zu Wangen (Postplatz)
3. Ebene vor der Burg zu Leupolz (Postplatz vor den Zinnen der Kirchentreppe)
Personen:
Jäk Pfanner, Bürgermeister / Franz Gänskiel, Ratsschreiber / zwei
Kommandanten des Aufgebotes der Kriegsknechte seitens der Stadt
Wangen und seitens des Bundes der Seestädte / mehrere Ratsmitglieder Wangens sowie die Abgeordneten vom Bund der Seestädte,
deren Anzahl nach den Regiemöglichkeiten / Kriegsvolk, dessen Anzahl nach Regiemöglichkeiten / Herold der Stadt Wangen, welcher
hier auch im Auftrag des Städtebundes fungiert / Burkhart von Stadion, Burghauptmann der Burg zu Leupolz / der Truchsess Hans von
Waldburg / Zwischenrufer aus der Menge der Belagerer / Jakob Pfanner, der Schmied / Pfeifer, Trommler, Trompeter, nach den Möglichkeiten der Regie.
Belagerung der Burg Leupolz und Gefangennahme des Truchsess
Hans von Waldburg.
Bgm. Jäk Pfanner
Habt Ihr es auch gehört, Gänskiel?
Die Torwach, der Jos Klingenbart, welcher, wie es jüngst erst hinterbracht uns, verraten und die Balkenlager am Peterstore unbrauchbar
gemacht, stürzte sich nächtens vom selben Turme. Gestanden hat
er’s vorher noch seinem Kamerad, dem Weber Clemens, welcher
116
Dienst gehabt in dieser Nacht. Man hat am Morgen im Stadtgraben
seine Leich gefunden.
Schreiber Franz Gänskiel
tritt ganz nah an den Bürgermeister heran. Dann geheimnisvoll ängstlich
flüsternd.
Ob’s nicht doch gar der Teufel war, der würgend ihn von der Höh herabgestürzt zum städtisch Graben und seine Seel dabei genommen?
Bgm. Jäk Pfanner
hörbar aufseufzend.
Ach Gänskiel, Gänskiel, wenn das so einfach wär, die Sache mit dem
Teufel!
Zwar war die Tat des Klingenbart verwerflich, doch hat es aus Liebe
er getan zu einer leibeigen Köchin in des Waldburgs Diensten. Er
selbst hat es gestanden vor seinem Eigentod dem Kamerad, dem
Clemens Weber.
Also, die Schuld bleibt eben doch oft auch bei den Herren, wenn
arme Gimpel sich in schwere Schuld verstricken und keinen Ausweg
sehen.
Gänskiel wiegt zweifelnd verneinend den Kopf hin und her.
Schreiber Franz Gänskiel
Aaah, ich weiß nicht Bürgermeister. Sah ich doch einen Schatten!
Rabenschwarz mit Hörnern und grässlich anzusehen! Dort oben in
der Mauerluck, durch welche der Klingenbart gestürzt! Und dünkte
mich, er blickt herab mit glühend Augen! Dazu ein grässlich Schrei
117
grad so, als würde einer von einem grausig Drach’ gepackt! Nehmt
mir’s nicht krumm, ich glaube doch es war der pferdefüßige Verderber!
Bgm. Jäk Pfanner
Ihr macht mich wütend gleich! Ein Mensch, der oben am Turmluk
lehnt im schwachen Licht der Fackel oder beim Licht des nächtlich
Sternenhimmels von hinten gar beleuchtet, von dem seht ihr natürlich nur einen dunklen Schatten! Deshalb geb ich Euch den guten
Rat, beobachtet mit Sorgfalt Eure Umwelt und sperrt dabei die Augen
besser auf, eh Ihr wirr dummes Zeug herumerzählt! Ein Mann, der
schreiben und auch lesen kann wie ihr, muss sein ein Mann des klaren Geistes! Und keiner, der, einem alten Weibe gleich, sich nächtens
in die Hosen scheißt, sieht er nur einen schwarzen Schatten! Habt
Ihr verstanden?
Gänskiel macht wortlos eine Verbeugung, nickt zustimmend mit dem
Kopf und der Bürgermeister spricht weiter.
Allein jetzt sorgt dafür, dass seine Leich zum Schindanger wird rausgeschafft wie’s unsrer Obrigkeiten Pflicht. Vielleicht seid Ihr ein
guter Christ und sprecht ihm in Gedanken trotz allem noch ein kurz
Gebet.
kurze Pause, in der Jäk Pfanner in ein paar, auf einem Pult liegenden, Papieren sucht.
Doch nun zu anderen, höchst wichtigen Dingen, welche der heutige
Tag von uns erfordert.
Primo setzt Ihr dem Strauchdieb, dem Rechberg, flugs ein Schreiben
118
auf, dies auch auf Geheiß des Bundes und kündet Fehd ihm an.
Dann sendet’s ihm durch Boten.
Und schreibt ihm auch darin, dass wir ihn beizeiten herausholen
werden aus seinem Räubernest hoch droben bei Brigantium! Wie Ihr
ja wisst, hat uns das Glück beim Heinrich von Summerau in seiner
Burg zu Leupolz den Pferdeknecht Fritz Wagenscheit, welcher zu
Wangen geboren und daselbst aufgewachsen, ins Nest gelegt.
Dieser hat uns nun unter Leibsgefahr für sich verraten, dass der
Waldburger, nicht wie wir geglaubt, mit dem Haufen seiner Reisigen
gen Wolfegg und Wurzach weitergezogen, sondern mit zwanzig seiner Kriegsgesellen auf der Burg von Heinrich von Summerau bei
Leupolz hat Unterschlupf gefunden und Versteck. Wahrscheinlich
wollt er wohl schnell zurück auf seine Feste nach Waldburg.
Als ihn dann doch die Schmerzen in seinem Beine übermannt, hat
er flugs bei dem von Summerau Quartier gemacht. Hier sitzt er jetzt
in einer prächtig Mausefallen! Den Speck für ihn zu legen brauchen
wir nicht mehr!
von draußen hört man jetzt zwischenzeitlich die dunklen, hohlen, rollenden Klänge von Landsknechtstrommeln. Von zwei Seiten, erstens dem
Ratloch und zweitens unten an der Kirchmauer entlang, marschiert je ein
Häuflein von zwanzig Mann mit Spießen und mit einer kleinen Feldschlange−Böllerkanone. Vor dem Rathaus, also der Schauspielbühne,
versammeln sich die Kriegsknechte nun in Reih und Glied auf Befehl
zweier Kommandanten mit umgegürteten Schwertern. Inzwischen tritt
der Bürgermeister nach vorne auf die Bühne mit einigen Ratsmitgliedern.
Darunter Kaufmann Ambrosius Knill und Schmiedezunftmeister Burkhart
Kolb. Hinzu gesellen sich die Abgeordneten des Seebundes der Städte.
Bürgermeister Jäk Pfanner hält jetzt eine Ansprache.
119
Seid gegrüßt mit Gott, ihr noblen Herrn vom Bund, gütigst zu unsrer
Hülf gesandt! Und auch ihr, Herren von unserem Rat der Stadt zu
Wangen, seid wohl gegrüßt!
Im Voraus nochmals mein Dank an jedwede Stadt im Bunde, welche
uns schnelle Hülfe hat gesandt in dieser Stunde. Wir wollen heut die
Sach zu Ende bringen, welche der „von Waldburg“ durch seine Fehd
mit uns und euch vor längerer Zeit begonnen.
Wir haben ihn zurückgeschlagen, als er durch verräterisch Tun und
List glaubte, uns mit Gewalt auf’s Neu zu unterwerfen. Uns niederzuwerfen sich und der Partei von Adel. Nun ist der noble Herr mit
einem kläglichen Rest von seinen Knechten geflohen auf des Heinrich von Summerau seine Burg zu Leupolz, wie ihr ja alle wisst. Zu
dieser lasst uns aufbrechen, nun dem stolzen Herrn die Stirn zu bieten und in Gefangenschaft denselben schließlich auch zu nehmen.
Desgleichen wollen wir, so wir ihn einmal haben, gleich auf der Stell
schriftlich Entsagung von der Fehd abfordern, die er über uns und
all das Land und unsere Städte hat gebracht.
Der Schreiber hier an meiner Seit hält ein Papier bereit von allen
Räten unterschrieben und desgleichen sollt auch ihr, in Vertretung
eurer Städte, dasselbe unterzeichnen. Schließlich, um dann dies Papier erstens ihm, dem Truchsess, unter die Nas zu halten, um zweitens es ihn in Ruhe lesen und um drittens, ihn danach unverzüglich
unterzeichnen zu lassen. Tut er dies nicht, mögen der Profos des
Bundes und seine Knechte ihn unmittelbar in Verwahrung nehmen
und zuerst gen Lindau, dann über den See nach Konstanz ins Verließ
gleich bringen, wo er sich dort dann eines Besseren besinnen mag
und sich bereit erklärt, handschriftlich Vertragsbesiegelung vorzunehmen.
Doch jetzt lasst uns mit Pfeifen, Trommeln, den reisigen Pikenieren
und mit Kriegsgerät, welches zum Sturme nötig, gen Leupolz zu des
120
Heinrich von Summerauen Burg marschieren. Dort die Mauern zu
berennen, sie zu brennen, sie zu massakrieren, bis jeder Stein, wenn
der nobel Herr nicht übergibt, gefallen ist!
wendet sich den Räten zu.
Und ihr, verehrte Räte, kommt alle mit, seid Zeugen unseres Tuns um
danach um so sicherer euren Leuten, dem Volk, zu unterbreiten, wie
wir dem Truchsess die Kehl endgültig zugeschnürt!
alle steigen jetzt von der Bühne auf den Postplatz, auf welchem der Haufen der Kriegsknechte sich inzwischen wohl geordnet in Bewegung gesetzt hat. Sie marschieren unter Pfeifenmusik und unter Landsknechtstrommelwirbeln durch das Ratloch, drehen auf dem Marktplatz um und
marschieren wieder zurück durchs Ratloch am Brunnen vorüber vor die
Burg des Heinrich von Summerau (Aufgang und Mauerzinnen von St. Martin). Dort bringen sie ein, zwei Feldschlangen – Böllerkanonen in Stellung
und setzen unter Kriegsgeschrei Sturmleitern an. Ein Herold des Bundes
tritt hervor, entrollt ein Dokument und liest mit weithin tragender Stimme
(Kapitulationsdokument s. Anhang). Er fordert hierin die Übergabe der
Burg, ansonsten sie geschleift wird. Inzwischen erscheint auf den Zinnen
der Burghauptmann Burkhart von Stadion. Dieser zotet mit üblen Worten
von der Mauer herab. Weiterhin erscheinen immer wieder zwischen den
Zinnen Bewaffnete mit Sturmhauben, Armbrüsten, Spießen und Bogen.
Ein Banner des von Waldburg – drei Tannen – wird hin und her geschwenkt. Burkhart von Stadion mit Sturmhaube und Brustharnisch ruft
in höhnisch verächtlichem Tonfall von der Burg zu den Belagerern herab.
121
Burkhart von Stadion
Was wollt ihr üblen Knecht von Pfeffersäcken hier vor der Burg?
Schert euch zum Teufel!
Ihr seid auf des Burgvogts Heinrich von Summerauen Land, ihr Habenichtse!
Bgm. Jäk Pfanner
Gebt uns, dem Städtebund, den Truchsess Hans von Waldburg, der
bei euch Zuflucht gesucht, heraus, sodass wir die Fehd zu Ende bringen können.
Wenn nicht, so bleiben wir. Belagern und hungern euch letztendlich
aus, sodass euch das Hemd am Leibe schlottert und Gras zu fressen
eine Köstlichkeit!
Kriegsgeschrei auf beiden Seiten.
Burkhart von Stadion
Zwar ist auf unserer Seite im Augenblicke die Zahl der Kriegsleute
gering, doch jeder Mann von uns geübt und stark genug, euch großmäuligen Schwächlingen da unten alle Knochen im Leibe zu zerbrechen und danach euer Gedärm auf unsere Spieße hängen!
wütendes Feldgeschrei seitens der Männer des Bundes.
jetzt tritt Jakob Pfanner, laut zur Burg empor rufend, aus dem Haufen der
Spießträger hervor. Dieses Mal einen Kurzspieß in der Hand haltend und
an der Seite mit einem Schwert gegürtet.
Jakob Pfanner
Uns die Knochen zu zerbrechen? So wie ich Eurem Herrn die Kno-
122
chen brach mit meinem Hammer, hundsföttisch Stadion du! Kommt
doch heraus aus Eurem Bau, hochnobler edler Herr, dann will ich
mich mit Euch wohl messen! Ihr habt die Wahl der Waffen! Spieß,
Schwert oder Schmiedehammer, mit allen dreien weiß ich umzugehen! Ob Ihr’s auch könnt? Großmäuliger Herr, kommt doch heraus,
dann werden wir es sehn!
Und wenn’s Euch wundert, dass ein gemeiner Schmied wie ich ein
Schwert an seiner Seiten, so wisset dies, seit meinem fünfzehnt Lebensjahr übt ich mich mit Freunden im Geheimen oft im Kampfe. Zuerst mit kurzen Eisenstangen nur, doch dann begann ich, als ich der
Schmiedekunst schon mächtig, in meiner freien Zeit, die Zunft weiß
nichts davon, ein Schwert zu schmieden.
er zieht das Schwert.
Ich kann’s auch führen! Es hat ein Name auch! Es heißt Freiheit und
hat eine scharfe Kling! Heut wär der richtig Tag das gute Stück zu
härten! Vielleicht gar mit Eurem blauen Blut, Nobler von Stadion, das
wär das richtig Scheidewasser!
Burkhart von Stadion
schäumt vor Wut und droht ihm mit geballter Faust von der Mauer herab.
Dich krieg ich noch, gemeiner Wicht! Wir fassen dich und wenn’s das
Letzte ist in meinem Leben und schneiden dir die Kutteln aus dem
Leibe!
Jakob Pfanner
auflachend eine Hand in die Seiten gestützt.
123
Kutteln sind des gemeinen Mannes Leibgericht, hochnobler Herr!
Das solltet Ihr doch wissen! Vor allem wenn sie von solchem Ochs
wie Euch geschnitten!
dröhnendes Gelächter und Beifallrufe seitens der Belagerer. Sie drohen
mit erhobenen Händen, die Spieße nach oben zu den Zinnen. Die Kommandanten geben nun den Befehl zum Sturm auf die Burg.
Komandanten
Richtet die Feldschlangen! Dann gebet Feuer! Sturmleitern aufgestellt! Schießt Brand auf alle Dächer! Mauerhaken werfen!
Unten am Tor den Rammbock eingesetzt! Haut drauf, wo ihr nur
könnt und schonet keinen! Auch ihr, dessen seid sicher, werdet von
denen nicht geschont!
Rauch steigt auf. Böllerschüsse, Feuer leuchtet auf hinter den Zinnen.
Musik von Kriegstrompeten. Schnelle Trommelwirbel und plötzlich dunkler schwarzer Rauch. Jakob Pfanner führt die Spitze der Angreifer auf der
Treppe, welche zum Burgtor (Kirchentreppe) führt, an. Mit sich führen sie
einen Rammbalken, welcher rhythmisch oben gegen eine Holzdiele (Burgtor) geschlagen wird und dabei immer wieder die Worte wiederholend.
Jakob Pfanner und die Spitze der Angreifer
Uund ramm! Uund brich! Uund fall! Uund Tod!
Ein Belagerer
ruft.
Bringt Holz und Reisigbündel und Öl und Pech, wir legen Feuer an
das Burgtor!
124
danach wieder Rauch und Flammen. Durch diesen Rauch stürzt sich jetzt
Burkhart von Stadion in ohnmächtiger Wut durch das aufgesprengte
Burgtor auf den inzwischen auf der Treppe agierenden Jakob Pfanner. Ein
kurzer Schwertkampf beginnt, wobei Jakob, geschickt einem gewaltigen
Schwertstreiche des Stadion ausweichend, danach einen ebenso gewaltigen Streich gegen Stadion führt, sodass dieser mit einem lauten Schrei
wie ein Ochs gefällt, tödlich getroffen über die Treppenbrüstung stürzt,
wo er auf einen Heuhaufen fällt, unter dem eine aufgeblasene Matratze
verborgen ist.
Jakob Pfanner
Mir nach! Das Tor ist frei!
Jetzt holen wir den Truchsess!
triumphierendes Johlen und Schreien. Alle rennen jetzt die Treppe hinauf
und hinter die Zinnen. Daselbst weiteres Kampfgeschrei und Waffenklirren. Feuer flackert wieder auf, ebenso qualmender Rauch. Böllerschüsse.
Jakob Pfanner wird schließlich zwischen den Zinnen sichtbar, hebt triumphierend die Arme hoch und ruft.
Ihr tapferen Leut vom Bund und unserer Stadt zu Wangen! Wir haben
ihn gefangen!
Der Waldburger, der Truchsess ist unser!
lang anhaltendes Siegesgeschrei der Belagerer, nachdem dieses verstummt ist und eine plötzliche Stille eingekehrt, tritt Bgm. Jäk Pfanner
vor alle hin und spricht.
Bgm. Jäk Pfanner
Wenn es keinen Einwand gibt und keine Gegenrede von des Städte-
125
bundes Abgesandten, gebe ich jetzt, gleich auf der Stell, dem Kriegsvolk den Befehl, Vorwerk und Hauptburg niederzubrennen und zu
schleifen!
Abgesandte des Bundes
rufen alle wie aus einem Munde.
Tut dies, Jäk Pfanner. Dies ist heut und diesem Orte wohl getan!
die Treppe herab, voraus Jakob Pfanner, kommt jetzt schwer auf einem
Bein humpelnd und von zwei Burgknechten gestützt, der Truchsess.
Unten an der Treppe angelangt, wo ihn inzwischen der Bgm. Jäk Pfanner,
der Stadtrat von Wangen und die Abgesandten des Bundes bereits erwarten, richtet er sich auf und weist mit einer unwirrschen, herrischen
Gebärde die Knechte von sich ab, welche ihn weiter stützen wollten. Bgm.
Jäk Pfanner, an seiner Seite der Schreiber Gänskiel, in den Händen eine
Dokumentenrolle treten vor ihn und Jäk Pfanner beginnt zu sprechen.
Bgm. Jäk Pfanner
Wollt Ihr, Edler von Waldburg und Herr von Thanne, uns dem Rat der
Stadt Wangen und den Abgesandten des Bundes der Städte vom
See, dies Dokument hier unterschreiben, in welchem Ihr erklärt,
dass unsere Fehd beendet sei für alle Zeiten? So unterschreibt und
Ihr seit in kurzer Zeit ein freier Mann!
der Truchsess, die Hände in die Seiten gestützt und sich in der Runde
umblickend, danach den Bürgermeister und die Abgesandten hochmütig
und anmaßend anblickend, gibt folgende Antwort.
126
Hans von Waldburg
Was kömmt euch an, tolldreiste Gesellen? Ihr wollt mir, dem Truchsess Ratschlag und Forderung geben?
er zeigt auf das Dokument.
Was soll das hier? Was soll der Wisch? Dass ich mit ihm den Arsch
mir putze? Ich unterschreib euch kein Papier! Niemals! Ihr frechen
dreisten Stadtgesellen!
verschränkt danach herausfordernd die Arme und blickt sich um in der
Runde.
127
Aus der Menge hört man Rufe
Macht ihn doch einen Kopf kürzer gleich! Oder noch besser, hängt
ihn an der Mauer auf, wie es die noblen Herrn mit unsereinem oft
getan!
Bgm. Jäk Pfanner, den Kopf energisch schüttelnd und dabei die Hände
abwehrend erhebend.
Bgm. Jäk Pfanner
Wir handeln nur dem Rechte und dem Gesetze nach! Hans von Waldburg, Ihr seid, wie man wohl weiß umliegend in den Städten, ein kluger und im politisch Ränkespiel gescheiter und erfahrener Mann!
Allein den Stolz, die Wut, den Zorn müsst Ihr noch fahren lassen, so
Ihr Eurem Geschlecht und uns zukünftig ein gedeihlich Miteinander
sichern wollt! Ihr unterschreibt nicht? Auch gut! So übergeb ich
Euch denn also jetzt dem Profos, welcher Euch unter strenger Bewachung nach Konstanz in den Kerker bringen wird. Dort habt Ihr Zeit,
Euch eines Besseren zu besinnen und wenn’s zehn Jahre dauert! Ihr
werdet in den Landen des Bundes uns keine Stadt mehr überfallen
und unsere Leute bekriegen! Profos! Legt ihn in Ketten, dann bringt
zuerst nach Lindau und von dort nach Konstanz ihn!
Hans von Waldburg, der Truchsess wird abgeführt. Bgm. Jäk Pfanner wendet sich nun an alle.
Und ihr, ihr braven Leut, kehrt nun zurück in eure Städt und preiset
Gott für die Errettung aller. Dem Kriegsvolk auch sei Dank und Ehr!
Sollet dafür haben guten Sold und im Gedächtnis bleibende Erinnerung! Lasst uns jetzt gehen, die Sach ist wahrlich nun zu End gebracht!
128
alle formieren sich danach zu einem gemeinsamen Zug. An der Spitze der
Bürgermeister mit dem Stadtrat, dahinter Wangens Schmiede und sonstige Bürger, schließlich die Kriegsknechte und Spießträger. Mit Trommlern
und Pfeifern marschieren sie nun wieder über den Postplatz durchs Ratloch auf den Marktplatz. Oben angekommen hört die Musik und aller
Lärm leise verebbend auf.
129
130
131
4. Akt, 2. Aufzug
Ort:
Der Stadtbrunnen, Marktplatz der Stadt Wangen
Personen:
Jakob Pfanner / Barbara Knill / Szene vor dem Brunnen. Gleichzeitig
bewegen sich langsam von mehreren Seiten die gesamten Schauspieler schweigend zur Mitte des Platzes / Jäk Pfanner, der Bürgermeister
/ Schlussszene auf dem Marktplatz vor der Bühne / alle Darsteller
sind inzwischen hier versammelt wie der Rat der Stadt, die Bürger,
die Schmiede, die Kriegsknechte und das Marktvolk, ausgenommen
die Adelspartei. Es endet mit Tanz, Gesang und Musik.
Dunkelheit, dann erleuchten plötzlich Scheinwerfer den Platz vor dem
Brunnen. Von zwei verschiedenen Seiten aus der Dunkelheit eilen Jakob
Pfanner und Barbara Knill ein letztes Mal aufeinander zu und umarmen
sich stürmisch. Still und lange. Immer wieder streichen sie sich gegenseitig über das Haar und schauen sich in die Augen. Sie küssen sich jedoch nicht mehr! Jakob beginnt als erster zu sprechen.
Jakob Pfanner
Barbara, was ist geschehen in all den vielen Tagen seit wir zum ersten Male uns gesehen? Fast ist es mir, als wär’s ein Leben wohl gewesen! Und doch so kurz! Ach wahrlich so unsagbar kurz! Abschied
heißt es jetzt mir von dir zu nehmen, von unserer Lieb auf immer.
Barbara Knill
Jakob, auch mir erschien es fast wie ein Leben, die Zeit mit dir und
doch so grausam schnell vorüber. Doch auch unsagbar schön! Der
einzig Trost, der uns für immer bleibt, ist unser Land des Glücks in
132
welches wir, wenn die Sehnsucht vielleicht gar zu groß, in der Erinnerung dann bisweilen flüchten, gehen können.
Jakob Pfanner
Oh Barbara, das Land des Glücks, ich hoff, ich finde es dann, wenn
ich am nötigsten es brauche, allein draußen in der Fremde! Und
liebste Barbara, sei deinem Vater auch nicht mehr gram. Er handelt
nur wie Sitte und Brauch es ihn so heißen! Er will wie auch mein
Oheim der Bürgermeister nur das Beste für uns. Die Gefahr an meiner Seite für dich wär gar zu groß!
Doch bin ich sicher, dass ich sie für mich besteh und Furcht vor
dunkler Zukunft kenn ich nicht! Ich wünsch dir, herzliebste Barbara,
einen guten, braven Mann, den allerbesten, den es für dich geben
kann, denn die Frau, die er sodann an seiner Seite, ist wahrhaftig aus
purem Gold!
Barbara Knill
nimmt Jakob an der Hand und während sie mit der Fußspitze im Sand
am Boden zeichnet ...
So bleibt denn von unserer Liebe nur die eisern Blum hier unterm
Sand.
... wischt wieder leicht mit dem Fuß darüber.
Und einer, eine, der sie in weit entfernter Zeit vielleicht dann fand,
glaubt gar, sie war nur wertlos Tand. Allein an diesem stillen Ort webt
sie, die Lieb ihr Märchen, leise erzählend fort und fort.
Erzählt mit stillem Seufzen dann die Geschichte von Barbara der
Kaufmannstochter und ihrer ersten Lieb, dem tapferen Jakob, dem
133
jungen Schmied von Wangen. Doch sag mir, liebster Jakob, wo gehst
du hin? In welche Fremde willst du ziehen?
Jakob Pfanner
Ich begleit als Waffenknecht am nächsten Morgen schon einen Kaufmannszug zum See hinunter in’s Appenzellische. Zuerst geht es ins
Gallisch Kloster. Vielleicht find ich Arbeit dort als Schmied. Wenn
nicht, geh ich noch weiter bis gen Zürich dann. Hab gehört dort brauchen sie noch wackere Männer, die nicht nur den Schmiedehammer,
sondern auch ein blankes Schwert gut führen können. Auch geht’s
dort, wie man hört, erneut gegen Fürstentyrannei und Herrenwillkür,
für solchen Wert will ich mich gern verdingen und frag zuerst auch
nicht nach meinem Sold.
Jakob nimmt sie jetzt an der Hand und zieht sie mit sich fort.
Barbara, kommt jetzt und verjagt alle dunklen Gedanken. Lasst uns
den kurzen Augenblick ganz schöpfen bis zur Neige, welcher uns ein
letztes Mal heut noch gegönnt und lasst uns nun zum Feste gehen!
Ein letztes Mal noch wollen wir miteinander tanzen, singen, lachen,
uns in die Augen sehen. Schwindelnd uns im Reigen drehen, uns
glauben lassen dieser Augenblick, er möge nie vergehen!
sie gehen in Richtung der Bühne, auf welcher sich inzwischen der Rat der
Stadt und der Bürgermeister aufgestellt haben. Vor der Bühne hat sich
das Volk von Wangen – alle Mitwirkenden – versammelt. Im Hintergrund
hört man lustige, mittelalterliche Tanzweisen. Auf der Bühne tritt jetzt der
Bürgermeister vor seinen Stadtrat, hebt die Hände, die Musik verstummt
darauf und er beginnt zu sprechen.
134
Bgm. Jäk Pfanner
Ihr braven Bürgersleut von Wangen, ihr lieben Herren vom Rate und
ihr wackeren Kriegsleut, die uns zur Seit gestanden in den letzten
Wochen und Tagen.
die Stimme jetzt lauter erhebend.
Die Schlacht ist wahrhaft jetzt geschlagen, der Sieg ist unser und der
unserer Verbündeter, die andern Städt vom Bunde!
lauter Beifall brandet auf.
Ohne Übermut kann ich es wagen und in aller gebotner Mäßigung
es sagen, dass wir der Herren Stolz, ihre Willkür und Anmaßung in
die Flucht geschlagen! Dank eurem Mut und eurer Kraft!
lauter anhaltender Beifall bis der Bürgermeister, wieder die Hand erhebt,
um weiterzusprechen.
Eines jedoch muss mit tiefer und größter Dankbarkeit an dieser Stell
erwähnet werden. Ohne der Schmiede mutige und entschlossne Tat
hätten wir diesen Kampf verloren und viele aus der Stadt hätten ohn
Zweifel verderben müssen und wären der Freiheit verlustig gewesen
für lange Zeit!
wieder lauter Beifall und Hochrufe auf die Schmiede.
Obwohl es die Tat von allen war, heb ich jetzt einen Namen hier auf
diesem Platz hervor und nenn ihn besonders aus der Schar so vieler
unerschrockner Männer.
135
Es ist meines verstorbnen Bruders einziger Sohn, Jakob der Sensenhämmerer!
alle rufen jetzt, Jakob! Jakob! Jakob! Jakob der Schmied! Er soll lange
leben!
Sein unerschrockner Mut und seine lautere Tapferkeit wird unvergessen in unserer Stadtgemeinschaft und in unseren Herzen bleiben
für alle Zeit!
wieder laute Beifallrufe bis der Bürgermeister. noch einmal die Hände erhebt und um Ruhe bittet. Danach spricht er in gedämpftem Ton weiter.
Doch werden wir in Zukunft seinen Namen aus allen städtischen Listen und Papieren streichen und keine Erwähnung mehr tun von seiner Tat, damit ein jeder glauben mag, es hätt ihn nie gegeben!
Denn nur so kann er fortan weiter und in Frieden leben, sich freuen
an manch zukünftig schönem Tag! Allein die Tat bleibet den Schmieden! Geschlecht um Geschlecht soll sie erzählen von Zeit zu Zeit.
Vom tapferen Kampf der Schmiede um die Freiheit in ihrer, unserer
Stadt zu Wangen!
Zu Ehren dieser wackeren Zunft soll ab Neujahr ein Umzug sein. Dadurch den Schmieden immerdar Dankbarkeit und Ehre zu erweisen
und sie und den Herrn zu preisen, dass sie gerettet uns in schwerer
Stund!
Doch denkt daran, die Freiheit wird uns nicht geschenkt! Auf das
Neue stets muss sie erkämpfet werden! Doch seid ihr einig euch in
Gemeinschaft in eurem Tun und Freiheitsdrange, wer will euch
schließlich daran hindern, wehren, dass ihr sie, die Freiheit, stets
auf’s Neue dann in euren Händen haltet!
136
137
Doch nun, liebe Leut zu Wangen, genug der Wort! Itzo muss und darf
gefeiert werden! Trinkt, singt, und lacht und schmaust! Der Grund
ist gut! Der Truchsess ist gefangen! In Zukunft und für alle Zeit werden die Wangener nun ihre Herren selber wählen!
lauter Beifall und Hochrufe.
Und so geb ich nun hier an dieser Stell und ihr möget alle Zeuge
davon sein und unser Tun für immer in der Zukunft daran messen,
ein Bild des einen wahren und des guten Herren, welcher Gerechtigkeit übt gegenüber jedermann ohne Ansehen der Person! Ein wahrer
Herr sich also nennen darf, der sich wohl üben mag in Mildtätigkeit
gegenüber den Armen und den Mittellosen! Ein Herr, der Nachsicht
übt gegen die Schwachen und Hülfe gibt und Stütze ihnen! Ein Herr,
der für die Kranken sorgt und der die Frauen und Kinder schützt und
den freien Bürger vor Unterdrückung und Gewalt! Diesen Herrn nenn
ich wahrhaft einen Herrn von Gottes Gnaden! Vor diesem Herrn
beugt auch der freie Bürgersmann sein Knie und bezeuget Achtung
ihm und auch Respekt! Wir wollen deshalb Achtung haben, dass wir
solche Herren wählen und für die Zukunft unserer Kinder wird uns
die Angst fortan nicht mehr im Griffe haben! Endgültig nun, lasst uns
dies heute feiern und unsere Nachfahren mögen nie vergessen unser
Tun an diesem heutigen Tag! Dem Tag der Freiheit zu Wangen!
die Musik ertönt wieder und alle Mitwirkenden sind nun auf dem Platz
und auf der Bühne versammelt im fröhlichen Durcheinander und tanzen
und lachen und trinken. Es ertönt Musik aus der Zeit.
Ende
138
139
140
141
Anhang
142
Bekanntgabe des Schauspiels in der Stadt
Am Tag der ersten Aufführung reitet am Morgen ein städtischer Herold
gekleidet in die Wangener Stadtfarben rot /weiß, das Pferd von einem
Stadtknecht am Zügel geführt, durch Wangen. Der Stadtknecht wiederum
ist mittelalterlich einfach gekleidet nach Art der Zeit, braune Rupfentunika u.s.w. Hinter dem Reiter und seiner Begleitung marschieren, diese
wieder in den Stadtfarben in knielanger rot / weißer Tunika, zwei Fanfarenbläser und zwei Trommler. An entsprechenden Orten, zuerst auf dem
Marktplatz, verkündet der Wangener Stadtherold nach Fanfarenstoß und
Trommelwirbel nun Folgendes mit lauter, weit tragender Stimme.
Bekanntmachung
Hört und habet Acht ihr Wangener Bürgersleut und
auch die braven Leut zu Land in den Gemeinden!
Schultheiß und Rat der altehrwürdigen ehemaligen freien
Reichsstadt zu Wangen im Allgäu haben beschlossen, dass zum
Anlass erster urkundlicher Erwähnung unserer geliebten
Bürgergemeinschaft Wangen vor 1250 Jahren und
zum wiederkehrenden Erinnern an die Befreiungstat von
beabsichtigter Herrengewalt durch unsere tapferen Schmiede
und deren furchtlose Entschlossenheit, ein dramatisch
Schauspiel aufzuführen mit vielen Spielleuten und Musik.
Das Spectaculum findet statt erstmals heut zur Nacht
am Postplatz um 20 Uhr.
Kommet also zu Hauf aus Stadt und Land zu hören die Kund von
„Jakob dem Schmied oder der Freiheit zu Wangen“!
Danach Trommelwirbel, wiederum zwei Fanfarenstöße und Abmarsch
zum nächsten Heroldspunkt.
143
Gevatter Tod („Sprechlieder“ des Spielmannes)
Hört her ihr Leut
was ich euch sag
merkt es euch gut
denkt daran jeden Tag
scherzet liebet
trinkt und lacht
Gevatter Tod
allem oft schnell
ein Ende macht
da hilft kein Weinen
und
kein Flehen
all Menschenfleisch
muss mit ihm gehen
ob König
Ritter oder Pfaff
gleich schnell
sind sie dahin gerafft
wie
Bettler Bauersmann und Magd
sie sinken all
ein’s Tag`s
in’s Grab
drum scherzet singet
liebt und lacht
Gevatter Tod
all dem
ganz schnell
ein Ende macht
144
Der arm Konz („Sprechlieder“ des Spielmannes)
Heididdeldei
der Konz ist da
der Konz ist da
heididdeldei
heididdeldei
ein Spielmann nur
ein Spielmann nur
heididdeldei
ein armer Spielmann nur
diddel diddeldei
ja
bin kein Ritter und kein Edelmann
bin weder Pfeffersack noch Pfaff
diddeldei
bin nur der arme Konz
ein Spielmann und ein dummer Laff
diddel diddeldei
ja arm bin ich
ja arm bin ich
heididdeldei
ja arm bin ich doch frei
ja arm niemandes Knecht
ja arm und vogelfrei
heididdeldei
brauch auch kein Schloss
145
kein Haus kein Hütten
hab Sternenpracht und Himmelszelt
lieg nieder wo es mir gefällt
die Wies ist min Strohschütten
didddel diddeldei
min Haupt leg ich auf duftig Heu
min Gebein auf karge Spreu
heidideldei
min Muotter kannt ich nit
diddeldei
hab darob jedoch kein Verlitt
diddeldei
es sorgten sich um mein Gebein
in vielen Städt die Mägdelein
heididdeldei
hab oft des Tags noch nicht gewusst
wo ich nächtens den Kopf hinleg
an welche Brust
heididdeldei
bin arm und vogelfrei
manch süß liebreizend Mägdelein
gab mir zu essen und schenkt ein
heididdeldei
hab ich ihr gut gefallen
gabs auch Tiroler Wein
146
heididdeldei
bin arm und vogelfrei
heididdeldei
wurd oft aus mancher Stadt verjagt
schlich mich aufs Land zu einer Magd
heididdeldei
bin ja so arm
und vogelfrei
diddel diddeldei
ein Fürst und Herren
kenn ich nicht
bin nur ein armer kleiner Wicht
ja arm und vogelfrei
heididdel diddeldei
jetzt liebe Leut
hört her genau
die Freiheit ist
ein mager Frau
heididdeldei
mager und arm bin ich
doch frei
ja arm und vogelfrei
heididdeldiddeldei
min Fidel ist min liebe Maid
sie herzt mich ja
die ganze Zeit
147
heididdeldei
bin frei bin frei bin frei
s’ist besser ich halt’s Maul jetzt gell
sonst kommen mir die Büttel schnell
verjagen mich aus eurer Stadt
den arm Konz
der nichts im Beutel hat
heididdeldei
im Beutel nichts dochfrei
heididdeldei
wenn euch mein Lied gefallen hat
gebt mir ein kleines Scherflein ab
leg euch hierfür eine Blum aufs Grab
seid gesegnet vom armen Konz
für eure Gab
vom armen Spielmann Konz
diddeldei
der niemands Knecht und frei
148
Siegfried und der Drach („Sprechlieder“ des Spielmannes)
Heididdeldei heididdeldei
ich sing euch jetzt das Lied vom Drach
obwohl die Mär ein böses End hat ach!
heididdeldei heididdeldei
fauchch fauchch krachch!
Seht ihr das wutige rotgelb Feuer
riechet ihr
den stinkend schweflig Atem ach!
All das kommt von dem Ungeheuer!
Heididdeldei heididdeldei
fauchch fauchch krachch!
Seht ihr den grünlich gelben Rauch?
Er kommt direkt aus horn’gem Bauch
und aus dem Maul vom Drach!
Heididdeldei heididdeldei
fauchch fauchch krachch!
Zersplitternd schlägt er die Bäum
mit seinem Schwanz
so er zerbrochen hat
auch manches tapferen Recken Lanz
und schweflig Feuer speit der Drach!
Der Lindwurm herrscht zu dieser Zeit
im Wald in einer Höhl
die furchtbar war
schwarz wie die Höll
riesenhoch und tief und weit
voll schwärend dämonisch Dunkelheit,
hell wurd es nur wenn der Drach Feuer speit!
Ihm brachten nun die armen Leut
149
jährlich ein arm und blutjung schöne Maid
sowohl als Fron als auch zur blut’gen Beut’.
Ein Recke einst der Siegfried hieß
mit scharfem Schwert und langem Spieß
der ward gar herrlich anzuschaun
ein Günstling auch bei Maid und Frau’n
Sein’ Frau er eines Tags verließ
ein’s Königs Tochter
Kriemhild sie hieß.
Siegfried schlug nun den Drach mit seinem Schwert
So wie die dick Line den Jörgl
den Ehgemahl mit ihrer Gert!
Sie traf ihn wie Siegfried einst den Drach am Kopfe
dass rot sein Blut vom Haupte tropfte.
Siegfried stach mit der Lanze zu
Viel hundertmal und dann ward Ruh.
Aus war’s mit
fauchch und fauchch und krachch,
der Drach lag tot in einem Bach!
Und Siegfried,
was tat er?
Im Blut vom Drachen badet er!
Was darauf dann geschah jedoch
ist eine andere Mär,
sie zu erzählen
bräucht ich ein Scherflein noch
ihr braven Leut
ich bitt euch sehr!
150
Übergabe und Kapitulationsaufforderung
seitens des Rates der Stadt Wangen und der Abgeordneten
des Bundes der Seestädte an den Burgherren der Burg zu Leupolz
Heinrich von Summerau
Eine historische Fiktion
Wir, die Abgesandten der Städte des Seebundes item, die vor diesem
Ort auch in unserem Auftrag handelnde Stadt Wangen, in nomine dessen Rat und Bürgermeister, welches treue Mitglieder dieses Bundes sind
und alle versammelt hier vor dieser Burg zu Leupolz, welche dem Edlen
Heinrich von Summerau zu eigen, fordern selbigen nachdrücklich auf,
ohn Aussicht auf weitere Verhandlung oder gar Verbesserung des Gebots, Burg und den Edlen Hans von Waldburg und Thanne auch der
Truchsess genannt, welcher sich auf seiner Burg versteckt und hinterlistig bei ihm mit einigen seiner Knechte und Spießgesellen Unterschlupf gefunden, denselben mit allen, die ihm zu Gefolge und seine
Knechte sind, vor die Feste zu führen und uns zu übergeben.
Wird Burg und der „zu Waldburg und Thanne“ uns nicht herausgegeben,
so soll die Feste mit allen Mitteln berannt, gebrannt, niedergerissen und
geschleifet werden!
Diejenigen, welche überleben, insbesondere die, welche von Adel und
Befehlsgewalt, werden umgehend in Ketten gelegt und zur Kerkerhaft
gen Konstanz geführt, wo sie dann vor einem Gericht des Bundes um
Ausgleich ihrer Lage verhandeln mögen.
Das gemeine Volk, welches sich noch in der Burg befindet und keine
Schuld an Leib und Leben der Belagerer auf sich geladen, möge danach
gehen wohin sein Wille und Begehr.
151
Andere Gemeine, welche Blut an ihren Händen und sich vergangen
gegen uns, werden item wie ihre Anführer vom Gericht des Bundes gehört und danach abgeurteilet werden. So Ihr mit den Forderungen, welche wir itzo grad verlesen, einverstanden, so mag der Burgkommandant,
der Edel Burkhart von Stadion, uns von oben auf den Zinnen durch eine
weiße Flagg ein untrüglich Zeichen geben. Möge nun Gott der Herr Euch
und uns das Richtige tun lassen und den Krieg zu Ende bringen!
Gesiegelt und gezeichnet
Bürgermeister und
Rat der Stadt zu Wangen
sowie die Abgesandten
des Bundes der Städte vom See
anno domini 1389
152
Rathausanschlag
Bericht des Rates an die Bürgerschaft
Aushang an jedem Neujahrsmorgen an der Tür des Rathauses
Eine historische Fiktion
Im Jahre 1389 nach der Geburt unseres lieben Herre Christ gibt
Rat und Bürgerschaft Bericht und Auftrag zur Feder dem Chronist:
Stadt und Bürgerschaft erneut zu knechten
den Bruch mit allen Bürgerrechten
durch Handstreich wieder abzuschaffen
allein gestützt auf roh' Gewalt und Waffen,
glaubte die Adelspartei mit aller Kraft,
dass sie sich wieder Macht über die Stadt Wangen erneut
verschafft!
Mit List, geheimer Tücke, erschlichenem Verrat
und so im Tor geschaffne Lücke,
drang ein der Truchsess, Waldburgs Fürst,
allein am Mut jedoch und tapferer Schmiede Kraft,
der Überfall zerbirst!
153
Wangen
Ein Hoch auf diese tapferen Leut!
Fangt an mit allen Glocken ein Geläut!
„Frytag“, Befreiungstag sollt dieser Tag nun fortan und für immer
heißen,
ihn sollen Enkel noch und kommende Geschlechter preisen
Kunde zu geben von der Tat,
was Mannesmut und Bürgerstolz
getan zu rechter Zeit, vermag!
Hört, hört ihr guten Wangener Bürgersleut,
Frei ist Wangen nun, ja frei für alle Zeit!
154
Wappen der Schmiedezunft
Fiktion
Möglicher Entwurf für eine Gedächtnisplakette bzw. Münztaler
155
Gesamtliste der Darsteller / Regie
Vorszene
Eine junge Mutter unserer Zeit, ein kleiner Junge mit Roller, ein Städtischer Herold, zwei Fanfarenbläser, zwei Landsknechtstrommler.
1. Akt, 1. Aufzug
Ort:
Schmiedewerkstatt des Burkhart Kolb in der Schmiedegassen.
Personen:
Jakob Pfanner, der Schmiedegeselle / Barbara Knill, die Kaufmannstochter / Balthasar Griesser, der Schmiedealtgeselle / Burkhart Kolb,
Zunftmeister der Schmiede von Wangen und Ratsmitglied der Stadt
Wangen.
1. Akt, 2. Aufzug
Ort:
Marktplatz der Stadt Wangen.
Personen:
ein Spielmann und Sänger, gleichzeitig Anführer der Gauklertruppe /
ein Pfeiffer / ein Handtrommler / ein Sackpfeiffenspieler / ein Feuerschlucker / ein Jongleur / ein Bodenartist / eine Tänzerin / erste
Bäuerin bzw. Marktfrau o. Namen / zweite Bäuerin bzw. Marktfrau ohne
Namen / Dicke Line, eine Marktfrau und Bäuerin / ein Rufer aus der
Menge / ein Blinder / ein Lahmer / ein Apfelkäufer / der Ritter Hans
von Rechberg / zwei Rufer aus der Menge / der Ritter Bruno von Abensberg / Marktstandbetreiber / Jakob Pfanner / Barbara Knill / Rufer
aus der Menge.
156
2. Akt, 1. Aufzug
Ort:
Rittersaal in der Burg zu Leupolz, Burg des Ritters
Heinrich von Summerau.
Personen:
eine alte Burgmagd / der Ritter Heinrich von Summerau / der Ritter
und Regionalherr Hans von Waldburg / der Ritter Konrad von Prassberg
/ Burgkommandant und Ritter Burkart von Stadion / zwei weitere Ritter
ohne Namen.
2. Akt, 2. Aufzug
Ort:
Platz vor einem Brunnen der Stadt.
Personen:
Jakob Pfanner / Barbara Knill/ zwei Stadtwachen.
3. Akt, 1. Aufzug
Ort:
Ratssaal der Stadt Wangen.
Personen:
Jäk Pfanner, Bürgermeister der Stadt und Oheim von Jakob Pfanner /
Ambrosius Knill, Kaufmann, Ratsherr sowie Vater der Barbara Knill /
Burkhart Kolb, Zunftmeister der Schmiede und Ratsherr / Franz Gänkiel, Schreiber des Bürgermeisters und des Rates der Stadt / Hans Susenbrät, ein Ratsherr / mehrere Räte welche auch als Zwischenrufer
agieren insgesamt eventuell 16.
3. Akt, 2. Aufzug
Ort:
Schmiede des Burkhart Kolb, Schmiedegassen vor dem Peterstor.
157
Personen:
Jakob Pfanner / Balthasar Griesser / Jörg Endrass ein Wangener Bürger / der Türmer / Pfeiffer Max, ein ängstlicher Wangener Bürger und
Blockpfeiffenspieler / Ritter Hans von Waldburg, der Anführer des Überfalls / Ritter Konrad von Prassberg, sein erster Gefolgsmann und zweiter
Führer des Stosstrupps / Jäk Pfanner, der Bürgermeister / die Ritter
des Stosstrupps, ca. 10–15 mit zwei – drei Pferden, Zahl nach den Möglichkeiten / die Schmiede aus der Schmiedegassen ca. 10–20, Anzahl
nach den Möglichkeiten / Wangener Bürger, Anzahl nach den Möglichkeiten / verschiedene „Sieges“ – Rufer sowie Trommler und Bläser von
Kriegstrompeten.
4. Akt, 1. Aufzug
Orte:
1. Ratszimmer des Bürgermeisters Jäk Pfanner (Bühne).
2. Marktplatz (im Stück der Postplatz) zu Wangen.
3. Ebene vor der Burg zu Leupolz (Postplatz vor den Zinnen der
Kirchentreppe).
Personen:
Jäk Pfanner, Bürgermeister / Franz Gänskiel, Ratsschreiber / zwei Kommandanten des Aufgebotes der Kriegsknechte der Stadt Wangen und
der Städte des Seebundes / mehrere Ratsmitglieder sowie Abgeordnete
des Städtebundes vom See, Anzahl nach den Möglichkeiten / Kriegsvolk, Anzahl nach den Möglichkeiten / Herold der Stadt Wangen und
des Bundes / Ritter Burkhart von Stadion, Burghauptmann der Burg zu
Leupolz / Ritter Hans von Waldburg / ein Rufer aus der Belagerermenge
/ Jakob Pfanner / Pfeifer, Trommler, Trompeter, nach den Möglichkeiten
der Regie.
158
4. Akt, 2. Aufzug
Orte:
Der Stadtbrunnen siehe 2. Akt, 2. Aufzug, Marktplatz der Stadt Wangen
(im Stück: Stadtbrunnen am Postplatz , Marktplatz = Postplatz).
Personen:
Jakob Pfanner / Barbara Knill / Szene vor dem Brunnen
Jäk Pfanner Bgm. / Schlusszene auf dem Marktplatz / alle Darsteller
sind versammelt wie Rat, Bürger, Schmiede einschließlich der Musiker,
des Marktvolkes, der Kriegsknechte außer der „Adelspartei“. Es endet
mit einem lustigen Treiben mit Gesang und Musik.
Die Gesamtzahl der Darsteller und Statisten beläuft sich auf
ca. 70–100 Personen je nach den Möglichkeiten der Regie und der
Requisite.
Darunter 7 Hauptrollen, 12 größere Nebenrollen, 14 kleinere Nebenrollen, 3 Musiker, 1 Musiker und Bänkelsänger, 4 Gaukler, 1 Städt.
Herold mit 2 Trommlern und 2 Fanfarenbläsern und ca. 30–40 Statisten, welche Schmiede, Kriegsknechte, Volksmenge usw. darstellen
und welche in verschiedenen Kostümen mehrfach auftreten könnten. Für den Überfall sollten 2–3 lärm- und schusssichere, stabile,
gut abgerichtete Pferde zur Verfügung stehen, welche sich vielleicht
schon mehrfach in früheren Jahren bei Fest- und Faschingsumzügen
bewährt haben. Selbstverständlich könnten dies auch Kaltblutpferde
sein, wenn vorhanden.
Kriegsgerät, wie Harnische, Sturmhauben, Piken, Schwerter, Äxte,
Hämmer, ev. eine leichte kleine Feldschlange muss aus dem Fundus
eines Theaters besorgt werden. Ansonsten wird beim Städt. Bauhof,
insbesondere der Schreinerei desselben, für die Holzarbeiten u.a.
angefragt werden müssen.
159
Das Stück ist in erster Linie konzipiert als Freilichttheateraufführung.
Bei entsprechender Umgestaltung und Regie könnte jedoch ohne weiteres auch ein reines Bühnenstück daraus entwickelt werden mit entsprechend geringerer Zahl von Schauspielern, Statisten und Gerät.
160
161
Jakob Pfanner:
„Den Schlag geb ich zurück mit gutem Schmiedeeisen
und hau die Fürstentyrannei vom Rosse“!