Lege artis - Wir über uns

Persönliche PDF-Datei für
Wolfgang C. G. von Meißner
www.thieme.de
Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag
Quereinstieg in die
Allgemeinmedizin Eine Chance für Fachärzte? „Das ist genau die Medizin,
die ich machen will!“
DOI 10.1055/s-0041-100875
Lege artis 2015; 5: 224-231
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© 2015 by
Georg Thieme Verlag KG
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ISSN 2191-4192
Nachdruck nur
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des Verlags
SELBSTMANAGEMENT
Quereinstieg in die Allgemeinmedizin
Seit einigen Jahren ist für Fachärzte der Quereinstieg in die Allgemeinmedizin möglich. Damit
das Unterfangen gelingt, erklärt unser Autor, was bei Planung und Vorbereitung zu beachten
ist. Anschließend schildert er im Interview seinen eigenen Wechsel vom Anästhesisten im
Maximalversorgungs-Krankenhaus zum Arzt in Weiterbildung auf dem Land.
Hausärztemangel
10 % Generalisten vs. 90 % Fachgebietsärzte Zu wenige Ärzte entscheiden sich für die Allgemeinmedizin – das Fach hat ein massives
Nachwuchs- und Imageproblem [1–5]. Die aktuelle Ärztestatistik
der Bundesärztekammer zeigt das Missverhältnis sehr deutlich:
> 2014 waren nur 1218 von insgesamt 11 726 Facharztanerkennungen in Allgemeinmedizin / Innere und Allgemeinmedizin
(Hausarzt).
Das entspricht einem Anteil von gerade einmal 10,4 %. Davon sind
64 % Ärztinnen (51,9 % der insgesamt 11 726 Facharztbezeichnungen gingen an Ärztinnen). Zum Vergleich: 2014 gab es annähernd
so viele (1067) Facharztanerkennungen in der Anästhesiologie [6].
Dass ein bezahlbares und effektives Gesundheitssystem dauerhaft
224
Bildnachweis: Tjark Schwemmer / Thieme Verlagsgruppe (Symbolbild)
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Eine Chance für Fachärzte?
nicht mit 90 % Fachgebietsärzten und nur 10 % Generalisten (Allgemeinmedizinern) funktionieren kann, ist offensichtlich [7].
Fachärzte für Allgemeinmedizin als Hausärzte werden
dringend benötigt – v. a. um die ärztliche Primärversorgung auf dem Land zu sichern [8].
Quereinstieg in die Allgemeinmedizin
Voraussetzungen Im Juni 2011 beschloss der 114. Deutsche
Ärztetag in Kiel, dass
> eine Anerkennung stationärer Weiterbildungszeiten in einem
Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung den Querein-
Lege artis 04.2015
SELBSTMANAGEMENT
Entwicklung der Weiterbildung
Allgemeinmedizin
stieg in die Weiterbildung Allgemeinmedizin erleichtern soll,
> die zu erwerbenden Inhalte unangetastet bleiben, damit sich
Allgemeinmedizinern zu beheben [10].
Bereits im Oktober 2011 verabschiedete der Vorstand der Bundes-
> Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
> Strahlentherapie
ärztekammer eine Empfehlung für den Quereinstieg in die Allgemeinmedizin. Darin steht, dass
> sich Fachärzte aus Gebieten der unmittelbaren Patientenver-
> Urologie
So kann z. B. ein Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie den Quereinstieg in die Allgemeinmedizin machen (aktuell in
sorgung zwischen 18 und max. 36 Monate Weiterbildungszeit
auf die stationäre Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin anrechnen lassen können und
> die 24 Monate Weiterbildung in der ambulanten hausärztlichen Versorgung verpflichtend abzuleisten sind.
Voraussetzung für die Zulassung zur Facharztprüfung ist der Nachweis aller Inhalte der Weiterbildung nach der aktuellen Weiterbildungsordnung zum Facharzt für Allgemeinmedizin, d. h. der
Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten sowie Untersuchungs-
Baden-Württemberg unter Anrechnung von 36 Monaten Weiterbildungszeit auf die stationäre Weiterbildung zum Facharzt für
Allgemeinmedizin). Der größte Teil der Quereinsteiger (31 %)
kommt aus der Anästhesie, gefolgt von den Chirurgen (26 %) und
den Internisten (11 %) (▶ Abb. 1).
und Behandlungsmethoden. Anzuerkennen sind dabei auch Theoriekurse, welche die Inhalte der Weiterbildung Allgemeinmedizin
abdecken [11].
Allerdings ist das Projekt Quereinstieg zunächst
zeitlich befristet. Ärzte, die die Weiterbildung in der
ambulanten hausärztlichen Versorgung nachweislich vor dem 31. Dezember 2015 begonnen haben,
können die Grundsätze zum Quereinstieg in vielen
Landesärztekammern in Anspruch nehmen.
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kein Allgemeinarzt „light“ etabliert und
> der Quereinstieg in die Allgemeinmedizin zeitlich begrenzt
ist und ausschließlich dazu dient, den akuten Mangel an
Der Facharzt für Allgemeinmedizin wurde im Jahr 1970 eingeführt. Zunächst dauerte die Mindestweiterbildungszeit 3 Jahre.
Später hat man sie auf 4 Jahre verlängert. Erst mit der Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer aus dem Jahr
1992 entstand die heutige 5-jährige Spezialisierung „Hausarzt“
als Facharzt für Allgemeinmedizin: In der Folgezeit hat man
abgeschafft, dass sich ein „Praktischer Arzt“ ohne Nachweise
von relevanten Weiterbildungszeiten und -inhalten aus der
Allgemeinmedizin niederlassen konnte [9].
Wer kann quereinsteigen?
Umsetzung in den Landesärztekammern
Fachgebiete der unmittelbaren Patientenversorgung Je nach
Fachrichtung ergeben sich viele Überschneidungen mit den Voraussetzungen für den Facharzt für Allgemeinmedizin. Als Gebiete der
Quereinstieg nach dem Jahr 2015? Eine Evaluation der Bundesärztekammer zeigt, dass 12 der 17 Landesärztekammern aktuell
eine Form des Quereinstiegs in die Allgemeinmedizin auf Grund-
unmittelbaren Patientenversorgung gelten grundsätzlich – neben
den großen Fächern Innere Medizin und Chirurgie – nach § 2 (7) der
Musterweiterbildungsordnung [12]:
lage ihrer Empfehlung anbieten. Ob und wie der Quereinstieg über
das Jahr 2015 hinaus möglich sein wird, ist in den meisten Landesärztekammern noch nicht entschieden.
> Anästhesiologie
> Augenheilkunde
> Frauenheilkunde und Geburtshilfe
> So teilte z. B. die Ärztekammer Nordrhein auf Anfrage mit, dass
sie auch nach 2015 den Quereinstieg ermöglichen wird.
> Sofern die Bayerische Landesärztekammer dies beschließt,
> Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
> Haut- und Geschlechtskrankheiten
> Humangenetik
erfolgt laut Mitteilung eine entsprechende Information im
Bayerischen Ärzteblatt.
> In Niedersachsen hat man die Empfehlung zum Quereinstieg
> Kinder- und Jugendmedizin
> Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
> Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
bisher gar nicht umgesetzt. Daher wird auch in Zukunft jeder
Antrag in Niedersachsen als Einzelfall geprüft.
> Neurochirurgie
> Neurologie
> Physikalische und Rehabilitative Medizin
Wo gelingt der schnellste Quereinstieg? Die Anerkennung
der Weiterbildungszeiten aus vorangegangenen Weiterbildungen unterscheidet sich nicht nur durch die bestehende Facharzt-
> Psychiatrie und Psychotherapie
anerkennung der Quereinsteiger, sondern hängt auch von der
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SELBSTMANAGEMENT
Andere Fächer
19%
20
Anästhesiologie
31%
10
Innere Medizin
11%
Chirurgie
26%
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Abb. 1 Facharztanerkennungen der Quereinsteiger von 2012–2014.
zuständigen Ärztekammer ab. So verlangt die Landesärztekammer Baden-Württemberg von Fachärzten aus Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung lediglich 24 Monate allgemeinmedizinische Weiterbildung und die 80-stündige Kursweiterbildung
Psychosomatische Grundversorgung als Zulassungsvoraussetzung
zum Fachgespräch. Im Bereich der Ärztekammer Westfalen-Lippe
– allerdings bedingt abhängig vom Einzelfall – ist für Anästhesisten
und Chirurgen lediglich ein Anrechnungszeitraum von 2,5 Jahren,
für Neurologen und Psychiater sogar nur ein Anrechnungszeitraum von 2 Jahren auf die stationäre Weiterbildung Innere Medizin vorgesehen. Zusätzlich ist in Westfalen-Lippe die Teilnahme
an einer Kursweiterbildung von 80 Stunden Dauer Voraussetzung,
welche die dortige Akademie für ärztliche Fortbildung als „Repetitorium Allgemeinmedizin“ anbietet.
Am schnellsten kann der Quereinstieg im Gebiet
der Ärztekammer Schleswig-Holstein gelingen. Hier
reichen unter bestimmten Voraussetzungen auch 18
Monate Weiterbildung in der ambulanten hausärztlichen Versorgung [13].
Alter und Anzahl der Quereinsteiger Im Zeitraum 2012–2014
war der jüngste Quereinsteiger zum Zeitpunkt der Facharztprüfung in Allgemeinmedizin 36 Jahre alt, der älteste bereits 68. Das
Durchschnittsalter betrug 47 Jahre. Insgesamt nahmen von 2012–
2014 108 Fachärzte als Quereinsteiger an einer Facharztprüfung
für Allgemeinmedizin teil (▶ Abb. 2). Davon bestanden lediglich 5
ihre Prüfungen nicht.
Finanzielles
Förderrichtlinie der kassenärztlichen Vereinigungen Grundsätzlich kann die ambulante Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin auch als Quereinstieg finanziell gefördert werden
[14, 15]. Den jeweiligen Förderrahmen regelt die zuständige kas-
5
0
Bildnachweis: Wolfgang C. G. von Meißner
Abb. 2 Anzahl der Facharztprüfungen in Allgemeinmedizin von Quereinsteigern
in den Jahren 2012–2014.
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Arbeitsmedizin
7%
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Kinder- und
Jugendmedizin
6%
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15
senärztliche Vereinigung (KV) in einer Richtlinie. In Baden-Württemberg erfolgt die Förderung als finanzieller Zuschuss je Weiterbildungsstelle. Neben einer Vollzeitbeschäftigung sind hier nur
Weiterbildungsverhältnisse mit 50 % bzw. 75 % Beschäftigungsumfang förderungsfähig. Der Zuschuss beträgt aktuell bei einer
Vollzeitbeschäftigung monatlich 3500 € und wird direkt an den
Weiterbilder überwiesen.
Der Weiterzubildende verpflichtet sich in einem Darlehensvertrag mit der KVBW, das Förderdarlehen
wieder zurückzuzahlen, sollte er nicht innerhalb von
5 Jahren ab Beginn der erstmaligen Förderung die
Facharztanerkennung Allgemeinmedizin erhalten.
In der Förderrichtlinie ist auch geregelt, dass die Weiterbildungsstätte (Arztpraxis) den Betrag von 3500 € auf die im Krankenhaus
übliche, in der Regel tarifvertragliche Vergütung anheben soll.
Absolviert man die Weiterbildung in Teilzeit (50 % oder 75 %), ver-
ringert sich der Förderdarlehensbetrag entsprechend [16].
Die Regelungen sind nicht bundeseinheitlich. So beschränkt z. B.
die Ärztekammer Nordrhein die Förderung auf Ärzte in Weiterbil-
dung, die das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben [17]. Zusätzlich besteht in vielen KVen die Möglichkeit, einen einmaligen
Zuschuss für den Erwerb von erforderlichen zusätzlichen Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten (z. B. Kurs Psychosomatische
Grundversorgung oder DEGUM-zertifizierte Sonografiekurse) zu
beantragen [18]. Das am 11.06.2015 vom Bundestag verabschiedete GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) enthält Regelungen zur Erhöhung der Förderung.
Gehalt In der Regel bezahlen die Weiterbilder das krankenhausübliche Tarifentgelt – ohne Zuschläge [19, 20]. Wer die
Zusatzbezeichnung Notfallmedizin besitzt und sich nicht an die
grundsätzlich freien Wochenenden und fehlenden Nachtdienste
gewöhnen kann oder will, übernimmt entweder Notarztdienste
oder hat als Facharzt grundsätzlich in vielen KVen die Möglichkeit,
Lege artis 04.2015
auf eigene Rechnung und damit auch mit der eigenen Lebenslangen Arztnummer (LANR) Vertretungen für den kassenärztlichen
Notfalldienst zu übernehmen [21].
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Plötzlicher Rollenwechsel
Die „eigenen“ Patienten behandeln Als Quereinsteiger aus der
Klinik in die Praxis – da treffen zunächst Welten aufeinander: Als
Facharzt war man es gewohnt, im Krankenhaus Verantwortung zu
übernehmen und im eigenen Fachgebiet selbstständig zu arbeiten.
In der ambulanten Welt erlebt man die Anamnese des Patienten
mit und erkennt, was es bedeutet, wenn ein Arzt mit seinen Patienten alt wird und ein Vertrauensverhältnis gewachsen ist.
Im Gegensatz zum Krankenhaus behandelt man in der Hausarztpraxis nicht viele unterschiedliche Patienten, die eine Erkrankung
aus dem eigenen Fachgebiet haben und als „Fälle“ abgearbeitet
und entlassen werden, sondern es sind jetzt die „eigenen Patienten“, die man über Monate und Jahre begleitet. Der „Spezialisten-Blickwinkel“ weitet sich unweigerlich [22].
Plötzlich geht es darum, schwere und gefährliche Verläufe (Red Flags) zu erkennen und um eine abwartende
offene Haltung gegenüber vielleicht vermeintlichen
Befindlichkeitsstörungen, hinter denen potenziell
gefährliche Krankheiten stecken können.
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Verbundweiterbildung plus In der Allgemeinmedizin hat man in
den letzten Jahren in vielen Regionen geregelte Strukturen für die
Weiterbildung geschaffen [25]: In Weiterbildungsverbünden gibt
es Ansprechpartner für organisatorische und medizinische Belange [26]. Dabei sind viele Projekte entstanden, von denen Ärzte in
Weiterbildung im Krankenhaus nur träumen können [23, 24]. Die
baden-württembergische Verbundweiterbildung plus vereint
>
>
>
>
strukturierte überregionale Schulungstage,
eine e-Learning-Plattform,
ein elektronisches kompetenzbasiertes Curriculum und
Schulungen der am Verbund beteiligten weiterbildenden
Fachärzte für Allgemeinmedizin („Train the Trainer“)
zu einem Komplettangebot, das auch Quereinsteiger vollständig
nutzen können [30]. Durch das neue GKV-Versorgungsstärkungsgesetz werden diese Strukturen weiter gestärkt und gefördert.
Hier zählen das eigene Wissen aus dem Studium, die im Krankenhaus gesammelte Kenntnisse und der große Erfahrungsschatz des
Was kommt danach?
allgemeinärztlichen Weiterbilders, der nicht nur den Patienten,
sondern oft auch die Familien und das soziale Umfeld kennt und
damit besser einschätzen kann.
Günstige Gelegenheit: Praxisübernahme Viele
Hausärzte
suchen einen Nachfolger. Hier bietet sich die Chance, in eine be-
Fachgebietsübergreifendes Arbeiten Als Hausarzt ergeben
sich unweigerlich Berührungspunkte zu den Spezialfachgebieten.
Nicht nur viele chirurgische, orthopädische, dermatologische und
kardiologische Probleme werden hier – alleine schon aufgrund
der oft langen Wartezeiten beim Fachgebietsarzt – direkt in der
Praxis gelöst. Häufig überweist man auch an den Fachgebietsarzt,
und jedes Mal lernt man etwas dazu, wenn der Patient zurück in
die hausärztliche Sprechstunde kommt: entweder weil der Fachgebietsarzt das Problem lösen konnte – oder auch weil er es gerade nicht lösen konnte und nun weitere Überlegungen zu Differenzialdiagnosen anzustellen sind.
Lege artis 04.2015
stehende Praxis einzusteigen und sie später zu übernehmen. Der
Weiterbilder hat dann ein besonderes Interesse, seinen Nachfolger gut weiterzubilden, da er seine Patienten in Zukunft gut
versorgt wissen will. Bei der Kontaktaufnahme helfen
> die KVen (Praxisbörse),
> der Hausärzteverband und
> die Koordinierungsstellen für Aus- und Weiterbildung der
Ärztekammern.
Eine eigene Praxis gründen Bei der Niederlassungsplanung
hilft die KV. Dort werden Seminare für Niederlassungswillige und
Einzelberatungen angeboten. Eine Internetseite der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wendet sich direkt an Ärzte, die sich
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angebote für Hausärzte. Beispielhaft und vorbildlich ist die Initiative des Hausärzteverbandes Baden-Württemberg (▶www.
perspektive-hausarzt-bw.de).
Wer nach der Weiterbildung den Schritt in die Niederlassung und damit in die Selbstständigkeit nicht wagen
will oder z. B. aus familiären Gründen nicht wagen
kann, findet viele Möglichkeiten der Anstellung oder
Kooperation [27–29].
Dr. med. Wolfgang C. G. von Meißner
ist Facharzt für Anästhesiologie, Notfallmedizin und
hat zuletzt in der Anästhesie am Klinikum Stuttgart –
Olgahospital gearbeitet. Seit Januar 2014 ist er Arzt in
Weiterbildung (Quereinstieg) bei den Hausärzten am
Spritzenhaus in Baiersbronn im Schwarzwald. E-Mail:
[email protected]
Interessenkonflikt Der Autor erklärt, dass der Artikel in Teilen auf
den Rechercheergebnissen seiner MHBA-Masterarbeit an der FriedrichAlexander-Universität Erlangen Nürnberg basiert. Er ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM),
des Hausärzteverbandes und der Jungen Allgemeinmedizin (JADE).
Nebenberuflich ist er Ärztlicher Leiter der DRK-Landesschule BadenWürttemberg und arbeitet freiberuflich als Notarzt und als Vertreter im
kassenärztlichen Bereitschaftsdienst.
Kernaussagen
> Der aktuelle Haus- und Landarztmangel erleichtert den
Quereinstieg in die Allgemeinmedizin.
> Der Quereinstieg ist eine Alternative zur Klinkkarriere für
Fachärzte aus Fächern der unmittelbaren Patientenversorgung.
> Die Regelungen unterscheiden sich teilweise erheblich
zwischen den Landesärztekammern.
> Die Zukunft des Quereinstiegs über das Jahr 2015 hinaus ist
noch nicht klar geregelt.
> Für die Zeit der Weiterbildung kann man eine finanzielle
Förderung beantragen. Finanzielle Einbußen sind durch Wegfall der Nacht- und Wochenenddienste möglich, sind aber zu
kompensieren.
> Auch als Quereinsteiger kann man die Angebote der
allgemeinmedizinischen Weiterbildungsverbünde nutzen.
▶ Für Informationen zur regulären Weiterbildung Allgemeinmedizin siehe auch Hecht J. Weiterbildung Allgemeinmedizin
– Ein Weg mit Hindernissen. Lege artis 2014; 4: 152–157
Literatur online Das vollständige Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie im Internet: Unter„www.thiemeconnect.de/products“ können Abonnenten und Nichtabonnenten die
Seite der Lege artis aufrufen und beim jeweiligen Artikel auf „Ergänzendes Material“ klicken – hier ist die Literatur frei zugänglich.
228
Literatur
1 Heinz A, Jacob R. Medizinstudenten und ihre Berufsperspektiven. In welcher
Facharztrichtung, wo und wie wollen sie arbeiten? Bundesgesundheitsblatt
Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2012; 55: 245–253
2 Jacob R, Kopp J, Schultz S. Berufsmonitoring Medizinstudenten 2014:
Ergebnisse einer bundesweiten Befragung. Berlin; 2015. Im Internet: www.
kbv.de/media/sp/2015_04_08_Berufsmonitoring_2014_web.pdf; Stand:
15.06.2015
3 Kiolbassa K, Miksch A, Hermann K et al. Becoming a general practitioner –
Which factors have most impact on career choice of medical students?
BMC Fam Pract 2011; 12: 25
4 Gibis B, Heinz A, Jacob R et al. The career expectations of medical students:
findings of a nationwide survey in Germany. Dtsch Arztebl Int 2012; 109:
327–332
5 Hartmannbund. Umfrage des Hartmannbundes „Wie sehen Sie Ihre
Zukunft als Arzt oder Ärztin?“ Der Arztberuf von morgen – Erwartungen
und Perspektiven einer Generation, Umfrage unter den Medizinstudierenden des Hartmannbundes 2012. Berlin; 2012. Im Internet:
www.hartmannbund.de/uploads/HB-Media/umfragen/2012_UmfrageMedizinstudierende.pdf; Stand: 15.06.2015
6 Bundesärztekammer. Ergebnisse der Ärztestatistik zum 31. Dezember
2014: Ärztestatistik 2014: Etwas mehr und doch zu wenig. Im Internet:
www.bundesaerztekammer.de/ueber-uns/aerztestatistik/aerztestatistik2014; Stand: 15.06.2015
7 Schmacke N. Die Zukunft der Allgemeinmedizin in Deutschland. Potenziale
für eine angemessene Versorgung: Gutachten im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes. Abgeschlossen Januar 2013. Bremen; 2013. Im Internet: www.
hausarzt-sh.de/system/files/dateien/ipp_schriften11_2013.pdf; Stand:
15.06.2015
8 Gerlach F. Neue Hausärzte / innen braucht das Land! Auftaktveranstaltung
der Kompetenzzentren Weiterbildung Allgemeinmedizin der Universitäten
Frankfurt am Main und Marburg. Frankfurt am Main; 2013. Im Internet:
www.allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de/aktuelles/2013/gerlach_Kick_
off_27.03.2013_final.pdf; Stand: 15.06.2015
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über die Niederlassung informieren möchten: ▶ www.lass-dichnieder.de. In vielen Bundesländern gibt es spezielle Internet-
Bildnachweis: Ulrike Klumpp / www.klumpp-fotografie.de
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„Das ist genau die Medizin, die ich
machen will!“
Interview mit Dr. med. Wolfgang C. G. von Meißner
ere aufzugeben?
Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, mich niederzulassen: Die ständigen Schichtdienste, die zunehmende Arbeitsverdichtung, später als Oberarzt dann unheimlich viel Verantwortung
und Personalmangel – das wollte ich nicht bis zur Rente machen.
Ich konnte mir gut vorstellen, mich als Schmerztherapeut niederzulassen, aber leider gibt es dort extrem wenige freie Sitze. Auch
Arbeitsmedizin habe ich überlegt, daneben hatte ich vom Quereinstieg in die Allgemeinmedizin gehört.
Hat es Sie nicht abgeschreckt, dass Sie da quasi bei Null anfangen mussten?
Die volle 5-jährige Weiterbildung hätte ich tatsächlich nicht
machen wollen – aber der Quereinstieg in 2 Jahren ist doch überschaubar. Als Anästhesist ist man ja schon ein halber Allgemeinmediziner: Man macht Chirurgie, Akutschmerztherapie, Notfallmedizin, und auf der Intensivstation auch viel Innere. Trotzdem
hatte ich am Anfang Zweifel, ob ich den Wechsel schaffe und nicht
schon zu alt und eingefahren bin.
Was gab dann den Ausschlag, es zu probieren?
Vor allem private Gründe: Meine Frau hatte eine Stelle für die
Zusatzweiterbildung Kardiologie an einer Klinik im Nordschwarzwald bekommen. Wir wollten auf jeden Fall dorthin ziehen, und
ich dachte: Die 2 Jahre ihrer Weiterbildung würden für mich
Abb. Anmeldung und Wartezimmer der Praxisgemeinschaft „Hausärzte am
Spritzenhaus“ inkl. Baumstamm aus dem Schwarzwald als Sitzplatz.
zenhaus“ in Baiersbronn gestoßen (▶ Infokasten). Die Praxis gefiel
mir so gut, dass ich dachte, hier hältst du es auf jeden Fall 2 Jahre
aus. Und schon nach 4 Wochen wusste ich: Das ist die Medizin,
die ich von jetzt an machen will! Ins Krankenhaus gehe ich nicht
mehr zurück.
Woher kam der Sinneswandel?
Als Hausarzt kenne ich meine Patienten nicht nur aus Akten oder
Arztbriefen, nicht nur als Fall von Blinddarm oder Bauchaorta,
sondern die haben einen Namen. Ich weiß, wo sie wohnen, kenne
ihre Frau und die Kinder. Meine Kollegen begleiten ihre Patienten
oft schon seit vielen Jahren – das nenne ich erlebte Anamnese!
Ich bin ja erst 1,5 Jahre dabei, erlebe das aber teilweise auch schon:
Einer meiner Patienten wurde in dieser Zeit erfolgreich wiederbelebt, bekam in der Klinik einen Herzschrittmacher implantiert,
und nach der Reha organisierte ich seine regelmäßigen Kontrollen.
Als er zwischendurch eine Herzinsuffizienz bekam, habe ich die
Hausbesuche gemacht, jetzt kommt er wieder in die Praxis. Das ist
einfach viel befriedigender als die Tretmühle in der Klinik!
genau reichen, um den Quereinstieg zu machen.
Hatten Sie da schon vor, Hausarzt zu werden?
Nein, mit dem Doppelfacharzt wollte ich eigentlich in eine innerklinische Notaufnahme: 85 % der Patienten dort sind keine wirklichen Notfälle, und irgendjemand muss z. B. entscheiden, ob sie
stationär bleiben müssen oder nicht. Das ist ja das täglich Brot des
Allgemeinmediziners – ich wäre also genau richtig gewesen.
Wie haben Sie Ihre Weiterbildungsstelle gefunden?
Ich habe mich umgeschaut, wo in der Gegend man dies machen
Hausärzte am Spritzenhaus
Dr. von Meißner absolviert seine Weiterbildung Allgemeinmedizin in der Praxisgemeinschaft „Hausärzte am Spritzenhaus“ in Baiersbronn (Nordschwarzwald). Die Praxis wurde
im Jahr 2012 von 3 Hausärzten gegründet, weitere Kollegen
sind willkommen. Als Modellprojekt ist sie Regiopraxis der KV
Baden-Württemberg und Akademische Lehrpraxis der Universität Heidelberg.
▶ www.hausaerzte-am-spritzenhaus.de
könnte, und bin eigentlich zufällig auf die „Hausärzte am Sprit-
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Sie waren erfolgreicher Facharzt für Anästhesie in einem großen Krankenhaus. Wie kamen Sie auf die Idee, Ihre Klinikkarri-
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ist und auf die Intensivstation gehört, und ich gerate bei Notfällen
nicht in Panik. Das schätzen auch meine Weiterbilder: Sie behandeln mich als Partner auf Augenhöhe, und wenn z. B. ein Patient
mit Atemnot oder Angina pectoris in die Praxis kommt, werde ich
immer gleich gerufen.
Abb. Landschaftsfotos aus der Region schmücken die Wände der Praxis.
Hatten Sie finanzielle Einbußen durch den Wechsel in die
Weiterbildung?
Aber man kann Beruf und Privatleben nicht gut trennen. Ist es
nicht unangenehm, auf der Straße oder beim Einkaufen Patienten zu treffen?
Nein, mir macht das gar nichts aus. Aus Gründen der Schweigepflicht muss ich natürlich etwas vorsichtig sein. Aber viele wollen
Da habe ich ein bisschen gepokert: Die Praxis bekommt für mich
den üblichen Zuschuss aus dem Förderprogramm Allgemeinmedizin, das auf das in der Klinik übliche Tarifgehalt eines Weiterbildungsassistenten aufgestockt werden soll. Ich habe gesagt,
dass ich gern weiter mein damaliges Facharztgehalt bekommen
würde – und meine Weiterbilder waren zum Glück einverstanden.
Schließlich verdienen sie mit mir auch mehr als vorher.
dann doch ein kurzes Schwätzchen halten, das gehört dazu. Auch
meine Handy-Nummer konnte ich nicht lange geheim halten, aber
erstaunlicherweise hat mich noch nie jemand angerufen! Die
jüngeren Patienten nutzen manchmal meine dienstliche E-MailAdresse und bitten um Rückruf, oder ältere beauftragen ihre Enkel,
mir zu schreiben.
Überhaupt arbeitet man viel mit den Angehörigen, z. B. wenn
Frauen sich Sorgen um ihren Mann machen, der nicht zum Arzt
gehen will. Manchmal organisiere ich dann unauffällig einen
Hausbesuch oder versuche, ihn irgendwo zu treffen. Denn meist
haben die Angehörigen recht: Bei einem Patienten konnten wir
so einen Kehlkopfkrebs noch rechtzeitig erkennen. Er wurde operiert, und inzwischen geht es ihm wieder gut.
Was sagen Ihre ehemaligen Kollegen zu Ihrem Wechsel?
Mit drei von ihnen habe ich noch engen Kontakt: Die machen jetzt
auch Allgemeinmedizin! Als sie sahen, wie zufrieden ich bin, gab
es einen gewissen Dominoeffekt. Kein Wunder, ich hatte ja auch
schon mit dem Gedanken gespielt, mich aber lange nicht getraut.
Und sogar von meinen früheren Chefs höre ich: Wenn das damals
möglich gewesen wäre … Überlegt hatte ich mir das auch schonmal.
Bei der KV können die Praxisinhaber aber doch nicht mehr
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Bildnachweis: Ulrike Klumpp / www.klumpp-fotografie.de
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abrechnen, denn Sie haben ja keine eigene Kassenzulassung?
Nein, aber gemeinsam haben wir jetzt mehr Zeit z. B. für Privatpatienten, für Checkup-Untersuchungen, Impfungen oder DiseaseManagement-Programme. Dazu kamen meine Kollegen vorher oft
nicht. Das neue GKV-Versorgungsstärkungsgesetz ändert auch
die Zulassungsverordnung für Vertragsärzte. Dann ist sogar eine
Vergrößerung der Kassenpraxis durch die Mitarbeit eines Arztes
in Weiterbildung möglich.
Es heißt aber doch, als Hausarzt sei der Verdienst so schlecht?
Das kann ich nicht bestätigen. Natürlich kann man etwa Hausbesuche oft nicht abrechnen – es gibt aber auch viel, was man abrechnen kann. Und wenn ich im Rahmen von Hausarztverträgen
z. B. für einen chronisch kranken Patienten pauschal doppelt so
viel bekomme wie für den durchschnittlichen Kassenpatienten
im Monat, kann ich da auch mal hinfahren! Wenn man die Arbeit
gut organisiert und die Synergieeffekte einer Praxisgemeinschaft
nutzt, kann man als Hausarzt durchaus auf ein Gehalt kommen,
das man in der Klinik erst spät erreicht.
Hätten Sie im Nachhinein lieber gleich Allgemeinmedizin
War es für Sie schwierig, aus der Rolle eines Spezialisten wieder
in die eines Anfängers zu wechseln?
Natürlich gibt es einiges, was ich noch lernen muss: Vorgeschriebene Weiterbildungsinhalte wie die Sonografie von Bauchorganen
oder Schilddrüse, aber auch alles rund um Honorare und Abrechnungen. Andererseits bringe ich fast 10 Jahre Erfahrung aus der
Klinik mit – ich weiß, wie ein Patient aussieht, der wirklich krank
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gemacht?
Ich glaube, für mich wäre das nichts gewesen: Die tragischen
Schicksale und Familiengeschichten, die man als Hausarzt mitbekommt – damit hätte ich als 30-Jähriger noch nicht so gut umgehen können. Wenn ein Patient, den Sie bisher nur mit harmlosen Krankheiten oder sogar nur als Angehörigen kennen, mit
Husten kommt und dann Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert wird
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– da können Sie sich nicht rausnehmen oder hinter dem Oberarzt
verstecken. Für die Allgemeinmedizin muss man schon ein gewisses Standing mitbringen.
Nächte bereitet. Aber es waren nie so sehr meine Patienten wie
jetzt! Ich bin jetzt deren Hausarzt, und nicht nur ein Arzt von
vielen auf der Intensivstation. Ich muss einschätzen, ob ich sie
die aktuellen Leitlinien hält, schlägt sich das im Erlös nieder: Die
gesetzliche Versicherung streicht dann evtl. Geld oder fordert sogar Regress. In der Klinik gibt es natürlich auch den MDK, aber
zum Facharzt oder in die Klinik schicke, und bin wieder für die
Nachbetreuung zuständig.
damit muss sich normalerweise der Chef herumschlagen. In der
Niederlassung ist man selbst verantwortlich für das, was man tut.
Schimpfen Sie jetzt manchmal auf die Klinikärzte?
Ja, regelmäßig! Mit dem lokalen Krankenhaus hat sich schon
fast eine „Brieffreundschaft“ entwickelt (von Meißner lacht). Bei
unverständlichen Entlassbriefen rufe ich auch durchaus mal an,
denn wenn da Medikamente mit Risikoprofil drinstehen und ich
die weiter verordne, hafte ich auch – etwa bei der Antikoagulation
nach Herzinfarkt. Wenn also eine Empfehlung im Entlassbrief z. B.
nicht den Leitlinien entspricht oder ich sie nicht verstehe, will ich
schon eine Rückversicherung. Meist gibt es ja eine gute Begründung, dann vermerke ich das in der Akte.
Wie geht es weiter, wenn Sie den Facharzt Allgemeinmedizin
haben?
Anfang 2016 werde ich wohl als gleichberechtigter Partner in der
Praxisgemeinschaft einsteigen. Die Räume sind ja vorhanden, das
haben die Kollegen schon weitsichtig eingeplant.
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Natürlich, gerade auf der Intensivstation gibt es viele schlimme
Fälle. Vor allem schwer kranke Kinder haben mir auch schlaflose
sich mehrmals im Jahr zu sehr interessanten und gut strukturierten Fortbildungen trifft. Und man tut gut daran, zuzuhören!
Denn wenn man sich z. B. mit seinen Verschreibungen nicht an
Und dann sind Sie noch 30 Jahre Landarzt?
Warum nicht? Alle älteren Hausärzte hier im Ort wollen weitermachen, solange sie können. So ist das wohl auf dem Land.
Die Fragen stellte Julia Rojahn.
Kommt das bei der Gegenseite gut an?
Durchaus! Ich habe ja jetzt eine ganz andere Position: Ich bin
Zuweiser, meine Patienten gehen in die Klinik oder zu dem Arzt,
den ich ihnen empfehle. Beide Seiten haben also großes Interesse
daran, dass die Zusammenarbeit gut läuft – auch wenn ich niemals eine direkte Empfehlung ausspreche.
Früher dachte ich, die Niederlassung sei was für Einzelkämpfer.
Tatsächlich muss man hier aber viel teamfähiger sein als im Krankenhaus! Auch mit den niedergelassenen Kollegen bin ich in ständigem Kontakt. Wenn man da einen guten Draht hat, kann man
leichter was auf dem kleinen Dienstweg fragen oder Vertretungen
organisieren.
Gibt es etwas, das Sie aus Ihrer Zeit in der Klinik vermissen?
Bei Dingen wie Herzinfarkt oder akuter Atemnot tut es mir
manchmal leid, dass ich dem Patienten konkret wenig helfen
Abb. Ein breites Spektrum an medizinischer Diagnostik ist möglich, u. a. Sonografie des Abdomens und der Schilddrüse, EKG, Ergometrie, Langzeit-Blutdruckmessung, Lungenfunktionsprüfung, Laboruntersuchungen und Allergiediagnostik.
Bildnachweis: Ulrike Klumpp / www.klumpp-fotografie.de
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
Aber tragische Verläufe erlebt man doch auch im Krankenhaus?
Wie bleiben Sie jetzt fachlich up to date – ohne die Infrastruktur
einer Klinik?
Das Fortbildungsangebot ist sehr groß. Die niedergelassen Hausärzte sind in sogenannten Qualitätszirkeln verbunden, wo man
kann, sondern ihn weiter verweisen muss. Im Krankenhaus wusste man: Alles Notwendige ist da, man kann notfalls schnell intubieren, operieren etc. Andererseits ist man in der Klinik auch nur
ein kleines Rädchen im Getriebe: Der Anästhesist kümmert sich
um den Atemweg, den Rest machen die anderen.
Lege artis 04.2015
Beitrag online zu finden unter http://dx.doi.org/10.1055/s-0041-100875
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