Einbeziehung eines negativen Kapitalkontos bei

Steuern aktuell Online – 36. KW 2015
Steuern aktuell August/September 2015
Einbeziehung eines negativen Kapitalkontos bei Kommanditist in
Aufgabegewinn
BFH, Urt. v. 09.07.2015, IV R 19/12
veröffentlicht am 12.08.2015
Leitsätze:
Scheidet ein Kommanditist gegen Entgelt aus einer KG aus, ist ein von ihm nicht
auszugleichendes negatives Kapitalkonto bei der Berechnung seines Veräußerungsgewinns
in vollem Umfang zu berücksichtigen. Es kommt nicht darauf an, aus welchen Gründen das
Kapitalkonto negativ geworden ist.
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Sachverhalt
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war bis zu seinem Ausscheiden zum 31.12.1999
Kommanditist der im Jahr 1980 gegründeten X-GmbH & Co. KG mit einer Kapitaleinlage von
105.000 DM.
Nach der Regelung des Gesellschaftsvertrags bestand für den Fall des Ausscheidens keine
Nachschusspflicht im Fall eines negativen Kapitalkontos. Tatsächlich befand sich dieses
auch mit rd. 48.000 DM im Minus. Der Negativbetrag ergab sich zum Teil aus der Belastung
des Kapitalkontos mit Verlusten und zum Teil aus Entnahmen, denen keine ausreichenden
Gewinne gegenüberstanden.
Umstritten war, ob der Veräußerungsgewinn unter Berücksichtigung des gesamten
Kapitalkontos zu ermitteln oder ob dieses in Höhe der Entnahmen zu korrigieren ist, sodass
sich insoweit kein Veräußerungsgewinn ergibt. Letzteres hatte das Finanzgericht
Berlin-Brandenburg im Vorverfahren entschieden gehabt. 1
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Entscheidung
Nach § 16 Abs. 2 S. 1 EStG ist bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns der Betrag, um
den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Anteils am
Betriebsvermögen übersteigt, zu versteuern. Der Wert des Anteils am Betriebsvermögen ist
für den Zeitpunkt des Ausscheidens nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG zu ermitteln
(§ 16 Abs. 2 S. 2 EStG).
Scheidet
ein
Kommanditist
gegen
Entgelt
aus
einer
Kommanditgesellschaft aus, ergibt sich der Veräußerungsgewinn daher aus der Differenz
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FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 03.04.2012, 6 K 6267/05-B, LEXinform Nr. 5013831.
Stand:
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Sibylle Wirth, Wolfgang Eggert
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zwischen den dem Ausscheidenden aus diesem Anlass zugewandten Leistungen und
seinem Kapitalkonto. 2
Auch ein negatives Kapitalkonto ist dem Veräußerungspreis nach dem Urteil des BFH
gegenüberzustellen und führt damit rechnerisch zur Erhöhung eines Veräußerungsgewinns,
soweit es nicht ausgeglichen wird. Dabei kommt es entgegen der Auffassung des
Finanzgerichts nicht darauf an, ob das Kapitalkonto aufgrund von zulässigen Entnahmen
oder von Verlusten negativ geworden ist.
Der BFH begründet sein Urteil – durchaus nachvollziehbar – im Wesentlichen mit der
Überlegung, dass die Belastung, das Kapitalkonto mit zukünftigen Gewinnen auszugleichen,
mit dem Ausscheiden des Kommanditisten aus der Gesellschaft entfällt. Diese geht nämlich
auf die verbleibenden Gesellschafter über. 3 Insoweit erlangt der Ausscheidende mit der
Befreiung von der Verpflichtung, das negative Kapitalkonto mit zukünftigen Gewinnen
auszugleichen, eine Gegenleistung für die Veräußerung seines Kommanditanteils.
Enttäuschend an dem Urteil ist aber, dass sich der BFH mit einem Argument des
Finanzgerichts nicht auseinandergesetzt hat, das von diesem – nach Auffassung des
Autors – überzeugend ausgeführt wurde. Es ist der Verweis auf die Regelung des
§ 52 Abs. 24 S. 3 EStG 4. In diesem ist folgende Regelung enthalten:
„Scheidet ein Kommanditist oder ein anderer Mitunternehmer, dessen Haftung
der eines Kommanditisten vergleichbar ist und dessen Kapitalkonto in der
Steuerbilanz der Gesellschaft auf Grund von ausgleichs- oder abzugsfähigen
Verlusten negativ geworden ist, aus der Gesellschaft aus oder wird in einem
solchen Fall die Gesellschaft aufgelöst, so gilt der Betrag, den der
Mitunternehmer nicht ausgleichen muss, als Veräußerungsgewinn im Sinne des
§ 16.“
Das Finanzgericht hatte geurteilt, das negative Kapitalkonto beruhe jedoch nicht
ausschließlich auf ausgleichsfähigen Verlusten, sondern z. T. auf den Entnahmen, weshalb
insoweit schon nach dem Wortlaut der Vorschrift eine Versteuerung ausscheidet. Dieses
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3
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BFH, Urt. v. 12.07.2012, IV R 12/11, BFH/NV 2013, 200.
Vgl. BFH, Urt. v. 03.09.2009, IV R 17/07, BStBl II 2010, 631, unter B.II.2.b cc
Im Urteilsfall noch § 52 Abs. 33 S. 3 EStG. Im Text oben ist der derzeitige Absatz angegeben.
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Argument wurde vom BFH nicht widerlegt, kann aber aufgrund des vorliegenden
höchstrichterlichen Urteils nicht in die Beratung der Mandanten einbezogen werden.
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