Die Geheimhalteeinrichtungen der LMB oder Ein Unglück in SEWASTOPOL Von Peter Voss Am 05. Februar des Jahres 2004 rief das Gemeinschaftliche Lagezentrum im Bundesministerium des Innern, eine in Bonn eingerichtete Zentrale der Gefahrenabwehr, die Munitionsfachkundigen der Bundesländer zur Hilfeleistung auf. Der Grund für diese nächtliche Aktion war ein Ersuchen der ukrainischen Botschaft in Berlin. Man wünschte die rasche Entsendung von Experten und technischen Unterlagen in den Hafen von SEWASTOPOL, wo einige Laientaucher am 31. Januar eine deutsche Seemine der Bauart LMB aus dem II. Weltkrieg in etwa 6 Meter Tiefe entdeckt und an Land gebracht hatten. Beim Versuch der Entschärfung waren zwei Fachkundige vom ukrainischen Umweltministerium, das für die Kampfmittelräumung zuständig ist, getötet worden. Auf deutscher Seite wurden während des II. Weltkrieges seetüchtige Großsprengkörper entwickelt die vom Flugzeug mit einem Fallschirm über See und Land eingesetzt werden. Sie trugen die Bezeichnung LUFTMINE ergänzt durch die Modellbezeichnung. Detail über Entwicklung, Aufbau und Bezünderung werden in einem gesonderter Fachbericht behandelt. Die Bauarten LMA und LMB legten sich nach dem Ausbringen auf Grund. Die LMB war 1938 einsatzfähig. Sie war fast identisch mit der LMA, besaß jedoch mit ihrer Ldg von 700 kg der SSM „S16“ eine mehr als doppelt so große Detonationskraft und wurde häufiger eingesetzt als jede andere deutsche Seemine. Damit ein möglicher Blindgänger dem Gegner keine Rückschlüsse auf die Zündeinrichtungen ermöglichte, wurde eine ELEKTRISCHE (siehe gesonderten Fachbericht) und eine MECHANISCHE Ausbausperre eingesetzt. Die mechanische GEHEIMHALTUNGSEINRICHTUNG war äußerlich der Deckelverschraubung angepasst und unterschied sich nicht von den übrigen Schraubenmutter. ( Sie befindet sich bei Aufhängung der LMB von oben 90° nach links, vom Minenheck aus gesehen). stabil. Am unteren Rand war die Entsicherungshülse wie eine Buchse als Widerlager und kurze Führung der Entsicherungsfeder ausgedreht. Hatte der Entschärfer alle Muttern entfernt und den Gehäusedeckel nur wenige Zentimeter abgezogen, dann schob die Entsicherungsfeder die Entsicherungshülse nach hinten aus dem Schraubendom. Am Ende dieser Bewegung stand die eingestochene Nut über den Sperrkugeln. Jetzt drückte die kegelförmige Schraubenmutter mit der Zugkraft der Schlagbolzenfeder- die Sperrkugeln ganz in ihre Bohrungen hinein. Der Schlagbolzen wurde frei, und die Zündnadel traf auf das unten in das Gehäuse eingeschraubte Zündhütchen, das eine kleine Zündladung in der Sprengfalle anfeuerte. Aus der zu kurzen Distanz einer Armlänge, nämlich beim Abheben des Gehäusedeckels durch den Entschärfer, war und ist immer noch die Sprengfalle mit 1000 g Sprengstoff eine tödliche Ausbausperre. Den ukrainischen Entschärfern bot sich zur Gefahrenanalyse nur der ziemlich harmlose Anblick eines kräftigen Blechdeckels, der mit 36 Muttern am Heck der LMB befestigt war. Wer von ihren beiden Geheimhalteeinrichtungen nichts weiß, ist beim Versuch der Entschärfung verloren. Vermutlich war die mechanische Geheimhalteeinrichtung die Ursache für den Unfalltod in SEWASTOPOL. Drei Sperrkugeln unter einer unten kegelförmigen Schraubenmutter hielten den Schlagbolzen fest und sicherten ihn. Damit die Kugeln den schrägen Schultern der Schraubenmutter nicht nachgaben, war über das Schlagbolzengehäuse eine gut passende Entsicherungshülse gesteckt, deren Innendurchmesser sich im unteren Drittel zu einer tief eingestochenen Nut erweiterte. Die Kugeln steckten ein klein wenig mehr als zur Hälfte in Bohrungen des Gehäuses, der kürzere Teil der Rundungen lag hinten gegen die schräge Schulter der Schraubenmutter und seitlich gegen den Schlagbolzen an. Mit dem Anziehen der Schraubenmutter gegen die eingeschobenen Kugeln wurde der Schlagbolzen zurückgezogen und die Schlagbolzenfeder dabei gespannt. Auf diese Weise von allen Seiten festgelegt, hielt die gespeicherte Federkraft das Kugelsystem Die bekannt gewordenen Bilder zeigten das der Sprengfalle zerstörte Minenheck, und beigefügter Bericht erklärte, das Unglück eingetreten, als man die Muttern gelöst und Deckel gelockert habe. von ein sei den Die LMB mit 700 kg „S16“ und den vielfach ausgeklügelten Zündeinrichtungen befand sich mitten in einem Wohngebiet. Sie war den ukrainischen Entschärfern vorgelegt worden. Unter dem Verdacht einer möglicherweise beim Heben der Luftmine wieder angelaufenen Zeitzündung (eine Möglichkeit, die bei unbekannter Munition immer in Betracht zu ziehen ist) stellten sie sich dem Wettlauf mit der Zeit. Da man die Luftmine B in SEWASTOPOL zwar gehoben, der Zünder aber nicht ausgelöst hatte, mag das Ausbleiben eines größeren Unglücks einer funktionsunfähig gewordenen Mechanik des hydraulischen Bombenzünders 34 B oder, wenn es elektrische Zünder waren, einer alterschwachen Batterie gedankt sein. Auf den Zündertyp kommt es jedoch nicht an: der Ausbau gleich welchen Zünders nach der Methode „Haltering gelöst und Zünder gezogen“ endet fast immer tödlich. Nicht Leichtsinn oder Ruhmsucht, sondern Opferbereitschaft und ausgeprägte Verantwortung für die Sicherheit der Stadt SEWASTOPOL und ihrer 380.000 Einwohner haben diese mutigen Männer handeln lassen. Nach ihrem Tode aber lag die Gefahr immer noch zwischen den Wohnhäusern, jetzt mit einer zerstörten Zündeinrichtung und einem angesprengtem Minenkörper, in dessen seitlichen Sprengbüchsen noch andere Teufeleien stecken mochten. Ein Zeitzünder vielleicht, und darunter möglicherweise der Zusatzzünder 40, an dessen Ausbau sich kein Entschärfer wagen sollte. Zünder mit einer Ausbausicherung in den verschiedensten Formen haben gleichermaßen die Alliierten und das reichsdeutsche Militär verwendet. Ihre technische Reife und die Perfidie, sie an den unzugänglichsten Stellen anzubringen, flößen auch noch 60 Jahre nach dem Krieg jedem Fachkundigen gehörigen Respekt ein. Wer über den gesamten Krieg hinweg so umfangreiche Sicherungen und tödliche Sprengfallen in eine ganze Gruppe von Seeminen konstruierte, verfolgte ein klares Ziel: Diese Mine sollte nur durch zeitraubendes und gefahrvolles, schadenverursachendes Sprengen zu beseitigen sein. Und sie sollte jeden töten, der sich ohne umfassende Kenntnis an ihre Entschärfung wagte. Von den mechanischen Sprengfallen der deutschen Luftminen dürfen wir erwarten, dass sie ihre Aufgabe noch einige Jahrhunderte lang mit großer Zuverlässigkeit tun. Das Unglück von SEWASTOPOL hat dies einmal mehr nachgewiesen.
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