§ 5. Stellung im Unternehmen Prof. Dr. Martin Schulz, LL.M./Wirnt Galster Übersicht Rn. A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Positionierung, Unabhängigkeit und Rechte des Compliance Officers . . . . . . . . . . I. Abgrenzung zu den gesetzlichen Unternehmensbeauftragten . . . . . . . . . . . . . 1. Merkmale gesetzlicher Unternehmensbeauftragter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterschiede zum Compliance Officer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Handeln im Unternehmensinteresse und Konfliktpotenzial . . . . . . . . . . . . . . III. Positionierung im Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuordnung zur Unternehmensleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusammenarbeit mit anderen Unternehmensfunktionen und operativen Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Unabhängigkeit bei der Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unabhängigkeit in organisatorischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unabhängigkeit in disziplinarischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unabhängigkeit in finanzieller Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Budget und Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Budget zur Aufgabenerfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Adäquate personelle Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Ressourcen und Budgetplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Kompetenzen und Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Informations-, Auskunfts- und Zugangsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berichts- und Eskalationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Adressat der Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eskalationsregeln für die Ausübung von Berichts-/Anzeigerechten . . . . c) Frequenz der Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorschlags- und Anhörungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Veto- und Interventionsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Recht auf Weiterbildung und Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 4 5 7 8 12 12 14 15 16 17 19 21 22 24 25 27 28 29 29 31 33 36 37 38 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Literatur: Bay/Seeburg, Überwachung und Verbesserung, in: Bay/Hastenrath (Hrsg.), S. 199 ff.; Bayreuther, Die Haftung des Compliance Officers, FS Säcker, 2011, S. 173 ff.; Behringer, Compliance kompakt, 3. Aufl. 2013; ders., Compliance für KMU – Praxisleitfaden für den Mittelstand, 2012; Bergmoser/Theusinger/Gushurst, Corporate Compliance – Grundlagen und Umsetzung, BB Special 5 (zu BB 2008, Heft 25), 1 ff.; Beulke, Der Compliance Officer als Aufsichtsgarant, FS Geppert, 2011, S. 23 ff.; Bürkle, Corporate Compliance als Standard guter Unternehmensführung des Deutschen Corporate Governance Kodex, BB 2007, 1797 ff.; ders., Weitergabe von Informationen über Fehlverhalten in Unternehmen (Whistleblowing) und Steuerung auftretender Probleme durch Compliance-Systeme, DB 2004, 2158 ff.; ders., Grenzen der Garantenstellung des Compliance Officers, CCZ 2010, 4 ff.; ders., Compliance-Beauftragte, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, § 8; Campos Nave/Zeller, Corporate Compliance in mittelständischen Unternehmen, BB 2012, 131 ff.; Casper, Der Compliancebeauftragte – unternehmensinternes Aktienamt, Unternehmensbeauftragter oder einfacher Angestellter?, FS K. Schmidt, 2009, S. 199 ff.; Dann/Mengel, Tanz auf einem Pulverfass – oder: Wie gefährlich leben Compliance-Beauftragte, Schulz/Galster BürkleHauschkaComplianceOfficer.pdf 147 113 20.08.2015 08:13:57 § 5. Stellung im Unternehmen 4. Veto- und Interventionsrechte 37 Im Hinblick auf etwaige Weisungsrechte des Compliance Officers erscheint Zurückhaltung geboten. Zwar sollte er in Einzelfällen in der Lage sein, rechtswidrige Entwicklungen im Unternehmen bei Gefahr in Verzug zu stoppen, zB durch entsprechende Vetorechte84, doch sollte er im Übrigen möglichst nicht über Weisungsrechte auf Gebieten verfügen, die seine eigene Kontrolltätigkeit betreffen.85 Denn im Hinblick auf die Problematik einer sog Garantenstellung des Compliance Officers wird eine fehlende Weisungsbefugnis als Indiz dafür gewertet, dass der Compliance Officer die Verantwortung der Geschäftsleitung nicht vollständig übertragen erhielt und daher eine abgeleitete Geschäftsherrenhaftung sowie seine Garantenstellung ausscheidet.86 5. Recht auf Weiterbildung und Freistellung 38 Compliance-Management bedarf der regelmäßigen Aktualisierung und kontinuierlichen Anpassung an das dynamische Unternehmensumfeld.87 Dies wirkt sich unmittelbar auf das Aufgabenspektrum der Compliance Officer aus. Diese sind daher in besonderem Maße auf eine kontinuierliche Weiterentwicklung ihrer Kenntnisse und Kompetenzen angewiesen. Es empfiehlt sich, ein entsprechendes Recht auf Weiterbildung arbeitsvertraglich zu fixieren und dieses Recht durch ein Recht auf bezahlte Freistellung zur Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen zu flankieren.88 C. Fazit Durch die zulässige Delegation von Compliance-Maßnahmen rücken Compliance Officer somit immer stärker in den Mittelpunkt des Interesses an einem effizienten und effektiven Compliance-Management. Trotz ihrer Schlüsselrolle gibt es für Compliance Officer bislang jedoch kein einheitliches Berufsbild und außerhalb der Finanzdienstleistungs- und Versicherungsbranche auch keinerlei regulatorische Vorgaben. 40 Eine generelle Gleichstellung bzw. Vergleichbarkeit der Compliance Officer mit den gesetzlichen Unternehmensbeauftragten ist abzulehnen. Denn der Compliance Officer ist kein „verlängter Arm“ von Behörden, der zum Schutz bestimmter Allgemeininteressen und kraft gesetzlicher Inpflichtnahme des Unternehmens eine die behördliche Überwachung ergänzende Funktion ausübt. Vielmehr sind Compliance Officer Delegatare der Unternehmensleitung und nehmen in bestimmtem Umfang deren Compliance-Aufgaben im Unternehmensinteresse wahr. 41 Die Wahrnehmung ihrer vielfältigen Aufgaben birgt für Compliance Officer naturgemäß ein hohes Konfliktpotenzial im Verhältnis zur Unternehmensleitung, zu den opera39 84 Dies fordern Schulz/Renz, BB 2012, 2511 (2516) zB für nicht adäquate Marketingmaßnahmen, während Raus/Lützeler, CCZ 2012, 96 (98) davon ausgehen, dass solche Vetorechte regelmäßig nicht eingeräumt sind. 85 Kategorisch fordern dies Dann/Mengel, NJW 2010, 3265 (3266). 86 Siehe Warneke, NStZ 2010, 312 (316). Zur Garantenstellung des Compliance Officers siehe ferner o § 7 Rn. 17 ff. sowie o § 9 Rn. 79 ff. 87 Siehe hierzu o § 4 Rn. 60 sowie Schulz, in: Bay/Hastenrath, S. 221 (223). 88 Vgl. Klopp, S. 226 mwN. 128 BürkleHauschkaComplianceOfficer.pdf 162 Schulz/Galster 20.08.2015 08:13:57 C. Fazit tiven Bereichen, welche Gegenstand von Compliance-Maßnahmen sind, sowie zu anderen Unternehmensfunktionen, welche ebenfalls Compliance-Aufgaben ausüben. Grundlage effektiver Aufgabenerfüllung ist zunächst die Unabhängigkeit des Compliance Officers. In organisatorischer Hinsicht schließt dies die Zuordnung zu einem Mitglied der Unternehmensleitung aus, dessen Geschäft bzw. Dezernat die ComplianceFunktion zu überwachen hat. Dasselbe gilt für etwaige Weisungen durch Angehörige der Unternehmensbereiche, die Gegenstand von Compliance-Maßnahmen sind. Dagegen ist der Compliance Officer an die Weisungen der Unternehmensleitung grundsätzlich gebunden. Denn die Unternehmensleitung behält stets die ultimative Verantwortung für Compliance im Unternehmen. Zur Wahrung der finanziellen Unabhängigkeit des Compliance Officers ist darauf zu achten, dass seine Vergütung und ihre einzelnen Bestandteile nicht im Widerspruch zu den Compliance-Zielen stehen. Die Lösung von Konflikten, die dem Compliance-Aufgabenspektrum immanent sind, erfordert seitens des Compliance Officers hohe Sensibilität für Compliance-relevante Fragen und ausgeprägtes Fingerspitzengefühl im Umgang mit Unternehmensangehörigen und Entscheidungsträgern. Erfolgversprechend ist die Tätigkeit des Compliance Officers jedenfalls nur dann, wenn sie durch adäquate Ressourcen und bestimmte durchsetzbare Rechte bewehrt ist. Zur wirksamen Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben benötigen Compliance Officer ein ausreichendes Budget sowie adäquate Personal- und Sachressourcen. Deren Umfang richtet sich nach den Besonderheiten des Unternehmens und dessen spezifischer „Compliance-Situation“. Das Budget und die erforderlichen Personen und Sachmittel für den Compliance Officer sollten Bestandteile der Budgetplanung des Unternehmens sein und regelmäßig bedarfsgerecht angepasst werden. Ebenso wie ein Budget und adäquate Ressourcen benötigt der Compliance Officer zur wirksamen Erfüllung seiner Aufgaben bestimmte Kompetenzen und durchsetzbare Rechte. Hierzu zählen insbesondere Informations-, Auskunfts- und Zugangsrechte. Ohne derartige Rechte kann der Compliance Officer seiner Rolle als zentrale „Informationsstelle“ nicht gerecht werden. Nur so kann er auch seinen Ermittlungs- und Prüfungsaufgaben effektiv nachkommen. Eine wichtige Rolle spielen ferner Berichts- und Eskalationsrechte in Bezug auf alle Compliance-Fragen. Im Regelfall berichtet der Compliance Officer unmittelbar an die Unternehmensleitung, die als Gesamtorgan für die Einhaltung von Compliance-Vorschriften verantwortlich ist. In bestimmten Konfliktfällen (zB wenn die Unternehmensleitung in einen Compliance Verstoß verstrickt ist), hat der Compliance Officer als ultima ratio nicht nur ein Berichtsrecht, sondern eine direkte Berichtspflicht gegenüber dem Aufsichtsorgan. Bei der Wahrnehmung der Berichtsrechte sind Eskalationsregeln zu beachten. Ein Anzeigerecht gegenüber Behörden und anderen unternehmensexternen Institutionen besteht nur, wenn mit innerbetrieblicher Abhilfe nicht mehr zu rechnen ist oder aber der (drohende) Compliance-Verstoß derart schwerwiegend ist, dass ein Festhalten an der arbeitsvertraglich geschuldeten Loyalitätspflicht des Compliance Officers nicht mehr zumutbar ist. Veto- und Interventionsrechte sind nur in Einzelfällen zu befürworten, damit der Compliance Officer rechtswidrige Entwicklungen im Unternehmen bei Gefahr in Verzug unterbinden kann. Im Übrigen zählt die Untersagung zum Sanktionsinstrumentarium der Unternehmensleitung. Compliance-Management bedarf der regelmäßigen Aktualisierung und kontinuierlichen Anpassung an das dynamische Unternehmensumfeld. Zur nachhaltigen Aufgabenwahrnehmung muss sich daher jeder Compliance Officer kontinuierlich fortbilden und sich ein entsprechendes Recht auf Weiterbildung arbeitsvertraglich einräumen lassen. Schulz/Galster BürkleHauschkaComplianceOfficer.pdf 163 42 43 44 45 46 47 48 129 20.08.2015 08:13:57
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