Schriftliche Kleine Anfrage und Antwort des Senats

BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
Drucksache
21/1480
21. Wahlperiode
11.09.15
Schriftliche Kleine Anfrage
der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 04.09.15
und
Betr.:
Antwort des Senats
Anträge auf Wiederholung der zehnten Klasse – Werden Hamburgs
Schülerinnen und Schüler von der Behörde im Stich gelassen?
Wie wichtig das Erreichen eines möglichst guten Bildungsabschlusses für die
berufliche Zukunft unserer Kinder ist, ist allgemein bekannt. Manche Schülerinnen und Schüler, gerade in der pubertären Phase, benötigen jedoch aufgrund verschiedenster Umstände eine zweite Chance. Aus diesem Grund
besteht die Möglichkeit zum Wiederholen der Jahrgangsstufe 10. Dieser weitere Anlauf ist gerade für Jugendliche, die den mittleren Abschluss knapp
verfehlt haben, von immenser Bedeutung.
Bislang konnten Schülerinnen und Schüler gemäß § 12 Absätze 3 und 4 der
Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Grundschule und die Jahrgangsstufen 5 bis 10 der Stadtteilschule und des Gymnasiums (APO-GrundStGy)
die Jahrgangsstufe 10 wiederholen, wenn sie mindestens in zwei der Fächer
Deutsch, Mathematik und einer weiteren Sprache die Anforderungen des
höheren Schulabschlusses oder der Versetzung bereits erfüllt, mithin in zwei
Hauptfächern die Prüfung bestanden haben.
Diese rechtlichen Voraussetzungen finden betroffene Schüler und Eltern
auch heute noch aktuell im Internet der Freien und Hansestadt unter dem
Link http://www.hamburg.de/contentblob/3013778/data/apo-grundstgy.pdf.
Leider entspricht dies jedoch nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten,
wie viele Schüler nunmehr am eigenen Leibe und mit erheblichen Auswirkungen auf ihre Zukunft zu spüren bekommen.
Mit der Vierten Verordnung zur Änderung der APO-GrundStGy hat der Senat
die Vorschriften zulasten betroffener Jugendlicher am 16. Juli 2015 verschärft, und dies offenbar mit sofortiger Wirkung.
Bei der zuständigen Schulbehörde soll eine Vielzahl von Anträgen auf Wiederholung der Jahrgangsstufe 10 einschließlich Widersprüchen liegen, die
noch nicht abschließend beschieden wurden. Vor dem Hintergrund, dass das
neue Schuljahr bereits vor einer Woche begonnen hat, ist die Ungewissheit
für die betroffenen Jugendlichen und ihre Eltern unzumutbar.
Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:
Mit Einrichtung der Stadtteilschulen wurde die Lernzeit für alle Schülerinnen und
Schüler in Hamburg um ein Jahr auf zehn Jahre Lernzeit an der allgemeinbildenden
Schule verlängert, um den ersten allgemeinen Schulabschluss (ESA) zu erreichen.
Zudem wurden die Schulen in erheblichem Umfang mit zusätzlichen Lehrerstellen und
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Sachmitteln ausgestattet, um das Konzept „Fördern statt Wiederholen“ umzusetzen.
Schülerinnen und Schüler, die erwarten lassen, dass sie durch eine Wiederholung der
zehnten Klasse erstmals den ESA oder den mittleren Schulabschluss (MSA) erreichen
werden, dürfen trotzdem weiterhin die zehnte Klasse wiederholen. Wer die zehnte
Klasse verlässt, ist in jedem Fall bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, als Auszubildender in einer dualen Ausbildung darüber hinaus bis zum Abschluss dieser Ausbildung, schulpflichtig und muss eine berufliche Schule besuchen. An den beruflichen
Schulen können neben der jeweiligen beruflichen Qualifikation auch alle allgemeinbildenden Schulabschlüsse bis hin zur allgemeinen Hochschulreife erworben werden.
Viele Jugendliche, die ihre Möglichkeiten an der allgemeinbildenden Schule nicht
haben ausschöpfen können, profitieren von der veränderten Lernumgebung im beruflichen Schulwesen und erreichen dort einen ersten beziehungsweise mittleren Schulabschluss.
Trotz dieser Verbesserungen möchte die zuständige Behörde im Interesse der Schülerinnen und Schüler Wiederholungen der zehnten Klasse weiterhin ermöglichen,
wenn die begründete Hoffnung besteht, dass die Wiederholung den nächsthöheren
Schulabschluss ermöglicht. Die Behörde hat ihre vorstehend dargestellte Rechtsansicht durch eine veränderte Formulierung in § 12 APO-GrundStGy verdeutlicht. Dies
soll künftig schulische Misserfolge der Jugendlichen vermeiden und dazu beitragen,
dass sie rechtzeitig eine berufliche Perspektive entwickeln und in die vorhandenen
Angebote der beruflichen Bildung, insbesondere die duale Ausbildung, übergehen und
damit eine realistischere Aussicht auf den Erwerb auch des angestrebten Schulabschlusses haben.
Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:
1.
Welche konkreten Änderungen hat es im Hinblick auf die in § 12 APOGrundStGy geregelten Voraussetzungen zur Möglichkeit einer Wiederholung der Jahrgangsstufe 10 gegeben?
a.
Aus welchem Grund wurden diese Änderungen, die einen erheblichen Nachteil für die berufliche Zukunft der betroffenen Schülerinnen und Schüler bedeuten, vorgenommen?
b.
Zu wann traten diese Änderungen in Kraft?
c.
Sind von diesen Änderungen auch die Schülerinnen und Schüler
betroffen, die im vergangenen Schuljahr 2014/2015 den mittleren
Abschluss verfehlt haben?
Falls ja, inwiefern hat der Senat den Vertrauensschutz der Betroffenen bei seiner Entscheidung berücksichtigt?
d.
Wann und wie wurde die Öffentlichkeit vom Senat beziehungsweise
der zuständigen Behörde über diese Verschärfung informiert?
e.
Weshalb findet sich im Internet unter dem im Vorspann genannten
Link noch immer die anscheinend nicht mehr gültige Version der
APO-GrundStGy?
Die konkreten Änderungen der APO-GrundStGy können dem Hamburgischen Gesetzund Verordnungsblatt entnommen werden, siehe http://www.luewu.de/gvbl/docs/
2098.pdf, S. 178 f. Die Verordnung trat am 1. August 2015 in Kraft. Im Übrigen hat
das Verwaltungsgericht Hamburg mehrfach bestätigt, dass dem Inkrafttreten nicht
etwa ein Vertrauensschutz der betroffenen Schülerinnen und Schüler entgegenstehe.
Die zuständige Behörde hat die Schulen auf Schulleiterdienstbesprechungen ausführlich über die anstehende Veränderung informiert. Maßgebliches Medium für das
jeweils geltende Schulrecht in Hamburg ist die von der zuständigen Behörde herausgegebene Sammlung „Schulrecht Hamburg“, in die umgehend Veränderungen an
Gesetzen und Rechtsverordnungen nach ihrer Verkündung eingepflegt werden. Diese
Sammlung ist, ebenso wie die Sammlung des hamburgischen Landesrechtes, für
jedermann leicht im Internet recherchierbar. Aufgrund eines redaktionellen Versehens
war im Internet eine Broschüre recherchierbar, in der die Veränderung der Verordnung nicht nachgetragen war. Dieses Versehen ist zwischenzeitlich behoben worden.
Im Übrigen siehe Vorbemerkung.
2
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2.
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Wie viele Anträge auf Wiederholung der Jahrgangsstufe 10 sind für das
Schuljahr 2015/2016 bei der zuständigen Behörde eingegangen?
a.
Wie viele dieser Anträge wurden bereits mit welchem Ergebnis
beschieden? Bitte in absoluten und prozentualen Zahlen darstellen.
Anträge Wiederholung Klasse 10
375
424
5
Summe: 804
Erläuterungen
genehmigt
abgelehnt
offen wg. fehlender Unterlagen
Anteil
46,6 %
52,7 %
0,6 %
100 %
Quelle: Interne Daten der zuständigen Behörde, Stand: 7. September 2015
b.
Bis wann sollen alle Anträge beschieden worden sein?
Da die APO-GrundStGy keine Ausschlussfrist für die Stellung eines Wiederholungsantrags vorsieht, gehen auch noch nach Beginn des Schuljahres derartige Anträge bei
der zuständigen Behörde ein. Dies hat zur Folge, dass eine sichere Prognose, wann
alle Anträge beschieden sein werden, nicht möglich ist. Die zuständige Behörde geht
gleichwohl davon aus, dass bis zum 30. September 2015 alle Anträge beschieden
sein werden.
3.
Wie viele Widersprüche gegen abgelehnte Anträge wurden bei der
zuständigen Behörde erhoben?
a.
Wie vielen Widersprüchen wurde abgeholfen?
b.
Wie viele Widerspruchsbescheide wurden erlassen?
Anzahl der in der Rechtsabteilung eingegangenen Widersprüche
davon Verfahren abgeschlossen
davon zugunsten der Schülerinnen und Schüler
117
12
2
Quelle: Interne Daten der zuständigen Behörde, Stand: 7. September 2015
Eine Qualitätssicherung war in der für die Beantwortung dieser Schriftlichen Kleinen
Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nur in begrenztem Umfang möglich.
4.
Aus welchem Grund sind trotz des Beginns des neuen Schuljahrs die
Anträge auf Wiederholung der Jahrgangsstufe 10 einschließlich etwaiger
Widerspruchsverfahren noch nicht beendet?
Sowohl die Bescheidung der entsprechenden Anträge als auch die rechtliche Überprüfung einer Entscheidung der Schulaufsicht, eine Klassenwiederholung nicht zu
genehmigen, erfordert eine ausreichend bemessene Bearbeitungszeit, um mit der
nötigen Sorgfalt arbeiten und gegebenenfalls ergänzende Stellungnahmen abfordern
zu können. Da diese Entscheidungen mindestens für ein ganzes Schuljahr wirken und
deshalb Entscheidungen, die einige Wochen nach Schuljahresbeginn getroffen werden, nicht zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des Rechtsschutzes der
Schülerinnen und Schüler führen, kann diese Bearbeitungszeit hingenommen werden.
5.
Wurden bereits Klagen betroffener Schülerinnen und Schüler eingereicht?
Falls ja, wie viele?
Anzahl der Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
(Klagverfahren und Verfahren nach § 123 VwGO)
davon zugunsten der Behörde
davon zugunsten der Schülerinnen und Schüler
noch offen
18
9
0
9
Quelle: Interne Daten der zuständigen Behörde, Stand: 7. September 2015
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