Reine Nervensache - Fachschulzentrum Gesundheitsberufe

Ausgezeichnet!
Ich danke für…
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Nah am
Menschen
Praxisnah: Ausbildung im Fachschulzentrum Gesundheitsberufe (3)
Reine Nervensache
Im Fachschulzentrum Gesundheitsberufe (FZG) laufen sämtliche
pflegerischen und therapeutischen
Fachschulausbildungen der DDH
zusammen. Es umfasst acht Be-
DKF / FZG
„Frau Tietz? Wollen Sie mal die Augen
aufmachen?“ Julia Schrape beugt sich
zu der Patientin hinunter. Langsam öffnet die ältere Dame ein Auge. Nur das
rechte, das linke Lid bleibt geschlossen. „Möchten Sie einen Schluck
trinken?“ Keine Reaktion. Dann, sehr
langsam, mit schleppender Stimme:
„Doch.“
Die Schülerin Julia Schrape ist erst
seit drei Tagen auf Station 4 – Ost, der
neurologischen Station des Friederikenstifts. Doch mit der fast 80-jährigen
Schlaganfallpatientin versteht sie sich
bereits sehr gut. Als die Schülerin mit
rufsschulen, in denen zukunftsorientierte und besonders praxisbezogene Ausbildungen angeboten
werden. „Nah am Menschen“ lautet
demnach auch der Titel unserer
neuen Serie, in der Auszubildende
des FZG ihre Arbeit vorstellen.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß in
der Arbeitswelt unseres Berufsnachwuchses.
dem wippenden Pferdeschwanz und
dem freundlichen Lächeln ihr den Becher reicht, lächelt auch Frau Tietz.
rade von einem Außeneinsatz zurück.
Die 27-Jährige hat schon in der Notaufnahme gearbeitet, auf der Palliativstation und im Kinderkrankenhaus auf
der Bult. Und zuvor hat sie bereits eine
Ausbildung zur Zahnarzthelferin bei
einem Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen
absolviert.
Anschließend wird Frau Tietz auf ihrer
nicht betroffenen linken Seite gelagert,
wobei Aspekte des Bobath-Konzeptes
berücksichtigt werden. Ein regelmäßiger Lagerungswechsel und das aufrechte Sitzen sollen dazu beitragen,
ihre Wahrnehmung zu fördern und normale Bewegungsmuster anzubahnen.
Eigentlich ist die angehende Krankenschwester bereits ein „alter Hase“.
Julia Schrape befindet sich im dritten
Jahr ihrer Ausbildung und kommt ge-
„Die Ambulanz hier im Haus war total
spannend“, erzählt sie. „Man wusste
vorher nie, was passierte.“ Erfahrungen, die ihr auch hier in der Neurologie
helfen. Dass sie die Nerven behalten
kann, stellte sie bereits an ihrem ersten Tag auf der Station unter Beweis:
Als ein Patient plötzlich einen epilepti-
Zahlen / Daten / Fakten
Berufsfachschule Gesundheitsund Krankenpflege
Ausbildungsplätze insgesamt: 141
Beginn: Oktober und April des Jahres
schen Anfall bekam, blieb sie vollkommen ruhig. „Es war mitten in der Übergabe“, berichtet sie. „Und ich war allein
mit ihm. Zum Glück war es nur ein paar
Sekunden dauernder Krampfanfall,
und der Patient lag im Bett. Überzeugend ist die Leistung der 27-Jährigen
offensichtlich. „Wenn ich entscheiden
dürfte – ich würde sagen: Bleiben Sie
hier“, sagt Ingo Tetzlaf-Krebbel, der
die Stationsleitung innehat.
Es ist eine Arbeit, die dem Körper einiges abverlangt. Betten schieben,
Patienten lagern, hochziehen und bewegen, schwer heben – das ist eine
Belastungsprobe für den Rücken. Und
wenn man den ganzen Tag auf den
Beinen ist, melden sich auch die Füße
zu Wort. Julia Schrape sucht Ausgleich im Fitness-Center und auf dem
Fußballplatz: Sie ist Mittelfeldspielerin
beim TSV Victoria Ölsburg.
In der Ausbildung werden Informationen über rückenschonendes Arbeiten
und Kinästhetik vermittelt, um die körperlichen Belastungen aufzufangen,
wie die Lehrerin für Pflegeberufe Sabine Ankewitz verrät. Sie bildet schon
seit 20 Jahren Gesundheits- und Krankenpfleger im Friederikenstift aus.
„Unterrichtsschwester nannte man das
früher“, erinnert sie sich. In den zwei
Jahrzehnten hat sich einiges verändert in der Ausbildung. Die Methodenvielfalt und der Medieneinsatz haben
zugenommen, es gibt mehr Gruppenarbeit und Projekte, mehr Dokumenta-
Julia Schrape bezeichnet die Arbeit auf der Ambulanz total spannend.
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Juni / Juli 2013
Plätze: 24 pro Klasse
Lehrerin Sabine Ankewitz erklärt das Modell eines menschlichen Gehirns.
Juni / Juli 2013
tion, und zur Ausbildung gehören neue
Fachgebiete wie z. B. die Patientenberatung und die Pflegeforschung. Die
Stundenzahl in der Theorie wuchs von
1200 auf 2100 Stunden an.
Trotzdem ist vieles in der Ausbildung
auch seit 20 Jahren im Kern gleich geblieben. Zum Beispiel, dass man vieles
am besten lernt, wenn man es selbst
in die Hand nimmt. Darum hat Sabine
Ankewitz ihrer Schülerin heute ein Modell des menschlichen Gehirns mitgebracht. Sie nimmt es auseinander und
zeigt die beiden Hirnhälften vor. „Frau
Tietz hat einen apoplektischen Insult“,
sagt sie. Mit dem Finger fährt sie die
rot und blau markierte vordere und hintere Zentralwindung des Gehirns nach,
verantwortlich für Bewegung und Sensibilität. Dann dreht sie das Modell um.
„Die Nervenbahnen kreuzen sich hier
im verlängerten Rückenmark. Frau
Tietz ist linksseits gelähmt, daher geht
man davon aus, dass es sich um einen
rechtshirnigen Infarkt handelt.“ Julia
Schrape nickt. Sie hat auch den „Herdblick“ der Patientin bemerkt, die nach
rechts, also zum Ort des Infarkts blickt.
„Sie hat einen Mediainfarkt rechts, betroffen ist die rechte Cerebris media“,
wiederholt sie.
Zugangsvoraussetzungen:
Realschulabschluss (oder gleichwertig
anerkannter Bildungsabschluss); Hauptschulabschluss und eine mindestens
zweijährige Berufsausbildung oder die
Erlaubnis als Altenpflegehelfer/in oder
Gesundheits- und Krankenpflegehelfer/
in oder Pflegeassistent/in plus Praktikum
Kooperation mit der Hochschule Hannover für berufsbegleitenden Bachelorstudiengang Pflege (Fachhochschulreife
notwendig)
2100 Stunden Theorie- und Praxisunterricht in der Schule und mehr als 2000
Stunden praktische Ausbildung in den
Betrieben
Qualitätszertifiziert nach
DIN EN ISO 9001
Wenn sie später einmal über die Vorgänge im Gehirn eines Schlaganfallpatienten geprüft wird, wird sie sich
sicher an Frau Tietz erinnern.
Petra Hartmann
Mehr als 2000 Stunden umfasst die
praktische Ausbildung.
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