Franz Hohler auf dem Agassizhorn mit einem Bild

Franz Hohler auf dem Agassizhorn mit einem Bild des kongolesischen Sklaven Renty (August 2011) Liebe Freunde, liebe Bergkameradinnen und -­‐kameraden Dies ist ein etwas längeres E-­‐Mail. Nehmt Euch ruhig Zeit beim Lesen – wie Ihr dem Titel anseht, eilt es nicht. Wer ich bin Auch wenn mich einige von Euch gut kennen, stelle ich mich doch gerne für alle kurz vor: Hans Fässler, Jahrgang 1954, Englischlehrer an der Kanti Trogen, Historiker mit Schwergewicht "Geschichte der Sklaverei", in den 70er-­‐Jahren viel kletternd und skitourend in den Bergen unterwegs (Alpstein, Rhätikon, Bockmattli, Dolomiten) und Stammgast im Klubheim Fälensee. Heute bin ich vor allem wandernd Gast in den Bergen (Wallis, Berner Oberland, Alpstein, Churfirsten). Im SAC bin ich seit 38 Jahren. Worum es geht Heute geht es mir um ein historisches Thema, das aber auch mit den Bergen zu tun hat. Ich bin bei der Arbeit an meinem Buch “Reise in Schwarz-­‐Weiss. Schweizer Ortstermine in Sachen Sklaverei” (Zürich 2005) auf Louis Agassiz (1807-­‐1873) gestossen, einen bekannten Schweizer Naturforscher und Glaziologen, nach dem nordwestlich des Finsteraarhorns auf der Grenze zwischen BE und VS ein 3946 Meter hoher Berg benannt ist. Agassiz wanderte 1846 in die USA aus und wurde dort nicht nur zu einem berühmten Naturwissenschafter und Gründer von wissenschaftlichen Institutionen, sondern auch zum bedeutendsten “wissenschaftlichen” Rassisten des 19. Jahrhunderts. Er teilte die Menschheit in Rassen ein und postulierte eine klare Rangordnung unter diesen. Die “weisse Rasse” definierte er als überlegen und kulturschaffend, die "schwarzen Rasse" war für ihn affenähnlich, zur Kultur unfähig und gehörte nicht zur selben Menschheit wie die weisse. Er hielt an der Idee der Rassenreinheit fest, lehnte Rassenmischung kategorisch ab und sah diese als Ursache von kulturellem Abstieg. “Mischlinge" definierte er als minderwertig und wollte den Staat zu Rassenpolitik verpflichten, d.h. zu räumlicher Rassentrennung und zur Beschleunigung des Verschwindens der Mischlinge. Man kann es auch anders sagen: Barack Obama, den heutigen Präsidenten der USA, hätte es nach Agassiz gar nicht geben dürfen... Seine Theorien verbreitete Agassiz in Zeitungsartikeln, Vorträgen und Briefen an Regierungskommissionen. Dort schrieb er Dinge wie: "Das Hirn des Negers entspricht dem unvollständigen Hirn eines siebenmonatigen Fötus im Mutterleib einer Weissen.” – "Der unbezwingbare, mutige, stolze Indianer – in welch anderem Licht steht er neben dem unterwürfigen, kriecherischen, nachahmerischen Neger, oder neben dem listigen und feigen Mongolen!” – "Das natürliche Ergebnis eines ununterbrochenen Kontaktes zwischen Mischlingen ist eine Klasse von Menschen, in der der reine Typus verblasst und zwar genau so vollständig, wie all die guten Qualitäten, körperliche wie moralische, der ursprünglichen Rassen. Dadurch entsteht ein Mischhaufen, der so abstossend ist wie der Bastard bei Hunden.” Das Denken von Agassiz – so haben wir für unsere erstmals in Grindelwald gezeigte Ausstellung nachweisen können – lässt sich via “Hitlers amerikanische Lehrer” (Grant, Davenport, Stoddard) bis zu den Rasseghygienikern der Nazis (Baur, Fischer, Lenz) nachweisen. Ausserdem hatte Agassiz entscheidenden Einfluss auf das Denken des faschistischen Dichters Ezra Pound und das Handeln von John Kasper, Ku-­‐Klux-­‐Klan-­‐Mitglied und militanter Rassist im Kampf gegen das Civil Rights Movement. Wer mehr wissen will, findet auf meiner Website umfangreiches Material zu Agassiz und unserer Kampagne: Kampagne "Démonter Louis Agassiz" Was ich vorhabe Nachdem Bundesrat und Nationalrat, die Kantone Wallis und Bern sowie alle Standortgemeinden des Gipfels (Fieschertal/VS, Guttannen/BE, Grindelwald/BE) die Umbenennung des Agassizhorns in “Rentyhorn” (zu Ehren eines Sklaven, den Agassiz fotografieren liess, um seine Minderwertigkeit zu beweisen) abgelehnt haben, möchte ich nun noch einen anderen Weg einschlagen. Agassiz wurde 1865 nach Guillaume-­‐Henri Dufour zum zweiten Ehrenmitglied des SAC Schweiz ernannt. In diesem Jahr war bereits deutlich, wie rassistisch und menschenverachtend das Denken von Louis Agassiz war, und er war in den USA auch dementsprechend bereits sehr umstritten. Der SAC soll dagegen heute ein anti-­‐rassistisches und menschliches Zeichen setzen: Ich werde an die SAC-­‐HV in St.Gallen St.Gallen den Antrag richten, die Sektion solle der Abgeordneten-­‐Versammlung (AV) des SAC Schweiz vom 11. Juni 2016 beantragen, Louis Agassiz die Ehrenmitgliedschaft abzuerkennen. Warum ich den SAC einbeziehe Nun könnte man einwenden, man solle den SAC nicht in politische Angelegenheiten hineinziehen. Dagegen ist dreierlei zu sagen: Erstens hat sich der SAC im Verlauf seiner Geschichte auch schon sehr handfest auf der extremen politischen Rechten positioniert, indem er nach dem Landesstreik von 1918 offen zur Bildung von Bürgerwehren aufrief (siehe dazu den Artikel "SAC-­‐Bergsteiger waren braunem Gedankengut nicht abgeneigt -­‐ Schweiz -­‐ Aargauer Zeitung”). Die Zustimmung zum Agassiz-­‐Antrag wäre also vielleicht eine Art später Wiedergutmachung! Zweitens hat es der SAC schon einmal geschafft, innert weniger Tage beim Bundesrat die Umbenennung eines Berges (“Höchste Spitze” im Monte-­‐Rosa-­‐Masiv) durchzusetzen. Nur ging es damals nicht um einen unbekannten schwarzen Sklaven aus dem Kongo, sondern um einen weissen Karthografen und General: Guillaume-­‐Henri Dufour. Und drittens meine ich, einem Manne symbolisch die Ehre wegzunehmen, dessen ideologischer Rassismus oft kaum von demjenigen von Hitler zu unterscheiden ist, habe weniger mit Politik zu tun als mit Anstand und Moral. Was ich mir von Euch wünschen würde Ich würde mich freuen, wenn Ihr Euch grundsätzlich einmal mit meinem Anliegen auseinandersetzen mögt. Wenn Ihr dann zum Ergebnis kommt, dass Ihr mich dabei unterstützen möchtet, freut es mich noch mehr. Und wenn Ihr dann auch noch an die Hauptversammlung vom Donnerstag, 17. März 2016 im Historischen Saal des Bahnhofs St.Gallen kommen könnt, wird vielleicht die SAC-­‐Sektion St.Gallen ein bisschen Geschichte schreiben. Natürlich dürft Ihr dieses Mail auch noch an SAC-­‐Kolleginnen und -­‐
kollegen weiterschicken oder mir mögliche E-­‐Mail-­‐Adressen übermitteln. Wenn Ihr aber anderer Meinung seid und meine Empörung über den Rassismus von Agassiz und seine SAC-­‐Ehrenmitgliedschaft nicht teilen könnt, kann ich damit auch gut leben. Für Rückfragen und Kommentare stehe ich gerne zur Verfügung. Auf jeden Fall grüsse ich Euch ganz herzlich. Hans Fässler