Rendsburg, 1. Juni 2015: endlich war es soweit: Unter dem Motto „Grüne Berufe sind voller Leben - Nachwuchs bringt frischen Wind“ stand der Bundesausscheid des Berufswettbewerbs 2015 vor der Tür und wollte bestritten werden. Hinter mir: einige der anstrengendsten, aber auch persönlich bereicherndsten Wochen meines bisherigen Lebens. Und vor mir: Die Deutsche Meisterschaft - Höhepunkt meiner Berufsausbildung zum Forstwirt. Zuletzt war alles so schnell gegangen. Den Anfang hatte ein zweitägiges Trainingscamp vor einigen Wochen markiert. Gemeinsam mit den Azubis von Berliner Forsten und Bundesforsten hatten wir uns gegenseitig auf den anstehenden 1. Brandenburgischen Vorentscheid vorbereitet. Ich erinnere mich noch genau, wie groß meine Überraschung war, als mir dort dann tatsächlich der 1. Platz verkündet wurde. Also weiter, Landesausscheid. Immer noch fiel es mir schwer, meine Leistungen als außergewöhnlich zu betrachten – guten Tag gehabt, dachte ich. Den hatte ich zum Landesausscheid dann aber definitiv nicht. Meine Säge überraschte mich mitten in der wohl schwierigsten Disziplin (Kombinationsschnitt) mit einem knallenden Defekt und ich erkämpfte mir mit drei unterschiedlichen Sägen doch noch den zweiten Platz. Als ich dann tatsächlich zum Sieg eine Motorsäge überreicht bekam, wurde mir erst so langsam klar, wo das hier hinführen würde. Meine Freude fand indes ihren Höhepunkt, als mein Kollege und guter Freund Martin Neubert (auf dem Bild rechts) vor mir aufs Treppchen stieg. Mit ihm, dessen war ich mir sicher, war ein Teamgefühl vorprogrammiert, das uns beide durch die nun anstehenden Herausforderungen bugsieren würde. Und dieser Gedanke erwies sich als genau richtig. Der Bundesausscheid, so wurde uns nun mitgeteilt, unterschied sich fast vollständig von dem, was wir bisher hatten leisten müssen. Nicht nur die Disziplinen waren andere, auch die Bewertungskriterien waren, in der Tat, atemberaubend. Es war klar: ohne Eigeninitiative war hier nichts zu machen. In einem zweinachmittäglichen Crashkurs nach Feierabend machte mich Revierförster Dirk Eichhoff fit in Bestimmungslehre und rettete mich so über diese Prüfung, die ich prompt zusammen mit meinem Brandenburger Mitstreiter Martin als Wettbewerbs-Beste absolvieren sollte. In einem extra nur für uns eingerichteten Trainingscamp in der Kaderschmiede Kunsterspring nahmen uns dann noch einmal vier Tage lang unsere Lehrmeister abwechselnd so in die Zange, dass wir die Gewissheit erlangten, Rendsburg definitiv überleben zu können, wenn wir erst mal diese Woche Vorbereitung überlebt hätten. Hatte ich zuvor ernsthaft geglaubt, ich verstünde etwas vom Vortragen einer Präsentation? Erst Hr. Gohl machte es wahr. Erkenntnis der Woche: „Zielfällung macht Spaß!“ Und Hr. Misch sei Dank hat es das dann auch. Sollte ich doch in Rendsburg tatsächlich den home run schaffen und damit Bester in dieser Disziplin werden, dicht gefolgt von Martin. Dennoch, dass wir frohen Mutes aus dieser Woche herausgingen, war wohl vor allem Lehrmeister Hr. Borks Verdienst, der uns mit seiner ruhigen Art auch noch auf dem Höhepunkt des Stresses das Gefühl zurückgab, nicht die allerletzten Versager zu sein. Der Vorhang fiel am Freitag und zurück blieb uns nur Hr. Dossow, der uns den Rücken frei hielt, als er uns die Woche darauf zum Wettbewerb nach Rendsburg (Schleswig-Holstein) begleitete…Sein Erfahrungsschatz als mehrfacher Deutscher Meister hat uns in dieser Situation sehr geholfen. Unser Gepäck: eine eigens für unseren Wettkampf vom Landesbetrieb Forst Brandenburg gesponserte Spezialausrüstung, ebenso hochkarätige Erwartungen, die in uns gelegt wurden – aber, vor allem anderen, die Versicherung unseres Schulleiters Hr. Schade, der uns noch kurz vor der Abfahrt mitgab, das Anstehende als das zu betrachten, was es dann auch werden würde: ein Treffen junger Azubis, die sich in freundschaftlichem Wettstreit miteinander messen in den Disziplinen, die ihren Beruf zu ihrer Berufung hatten werden lassen. Nach Rendsburg sind es von Kunsterspring mit dem Auto gut 3h, genug Zeit, um etwas zur Ruhe zu kommen, Atem zu holen für das, was da kommen würde. Plötzlich durchflutete mich Stolz, soweit gekommen zu sein auf diesem Weg, den ich, als Quereinsteiger, in der Vergangenheit immer wieder hatte verteidigen müssen. Ich gehörte jetzt dazu, Brandenburgs Forstfamilie hatte mich aufgenommen in ihren Kreis. Also los, jetzt galt es, mich zu beweisen. Noch an diesem Abend sollte die erste Herausforderung gemeistert werden in Gestalt eines Beitrags zum Länderabend. Wir, die Tier-, Land- und Forstwirte Brandenburgs wollten unser Land präsentieren. Nun ist es für solch eine Aufgabe im Team sicherlich hilfreich, wenn sich das Team kennt. Das regelten wir in der einstündigen Pause zwischen Abendessen und Präsentationsbeginn – wie auch den gesamten Beitrag. Es klappte – und wir waren ein Team Brandenburg. Die wirklich gute Organisation der Woche verhieß viel Spaß für alle Beteiligten: Theorie Dienstag, Praxis Mittwoch, Exkursion und Ausklang Donnerstag mit anschließender feierlicher Siegerehrung. Hatte man erst einmal die sprachlichen Hürden der verschiedenen Dialekte erfolgreich gemeistert und war auf den Geschmack des großzügig ausgeschenkten Flensburger Pilsners gekommen, waren dem eifrigen Austausch mit den Vertretern der anderen Bundesländer dann auch kaum Grenzen gesetzt. Aber nicht nur nach Feierabend, auch während der einzelnen Disziplinen konnte ich meine Mitstreiter kaum als Gegner empfinden, einfach getreu dem Grundsatz: was hier von uns verlangt wurde, war kaum schaffbar, und erst recht nicht, wenn wir uns auch noch gegenseitig daran hinderten, unser Bestes zu geben. Jetzt kam es auch richtig zum Tragen, dass Martin und ich uns gegenseitig so den Rücken frei halten konnten, uns gegenseitig motivierten und anspornten. Und die Belohnung dafür blieb dann auch nicht aus: am Donnerstagabend trennten uns gerade mal 0,55 Punkte. Eine Woche Bundesausscheid in Rendsburg: das hieß für mich vor allem zu lernen, was es bedeutet, mal wirklich aufs Ganze zu gehen, seine Grenzen auszuloten - und dann noch ein Stückchen weiter. Und dabei durfte ich Menschen kennen lernen, die so gut sind in dem, was sie tun. Sie werden meine Vorbilder sein. Jetzt brauche ich erst mal ein bisschen Abstand zum Wettbewerb. Aber ich freue mich schon darauf, in ein paar Wochen mit Martin auf das Erlebte anstoßen zu können. Wir waren da, in Rendsburg 2015, und es war großartig! Jacob Böttcher (22), Azubi Forstwirt, 2. Lehrjahr (Landesbetrieb Forst Brandenburg)
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