PROF. DR. HUBERT WEIGER, LANDESVORSITZENDER Schutz alter Bäume und Wälder Oberlangheim, 20.05.2015 Alte Bäume, Wälder mit Habitattradition • je älter ein Baum, desto vielfältiger das Strukturangebot Großhöhlen, Spechthöhlen, Vogel-, Säugetier- und Hautflüglernester, Holzpilze, Flechten- und Mistelbesatz, Kampfzonen zwischen intaktem Holz und Faulholz, Spalten und Risse, alte Bohrgänge, starkes Ast- und Kronentotholz • alte Bäume sind über Jahrzehnte ein stabiler Lebensraum • Altwaldstandorte mit ungebrochener Habitattradition sind extrem selten • Heutige Vorkommen nur noch bei besonderen Waldnutzungen wie Hutewald, Mittelwald, kleinstflächige Schutzgebiet wie NSG Rohrberg www.bund-naturschutz.de 2 Alte Laubbäume auf die Rote Liste Oberrhein. Tiefland, Rhein-Main-Ebene 2 Spessart 6,7 Odenwald • in vielen Regionen gibt es 1,6 Rhön 4,2 Fränkische Platte 2,3 Fränkischer Keuper und Albvorland 1,4 Frankenalb und Oberpfälzer Jura 0,7 Südthür.-Oberfränk. Trias-Hügelland 0,8 Frankenwald, Fichtelgebirge, Steinwald kaum noch alte Laubwälder • Spitzenreiter Spessart: nur 6 % der Wälder sind alt 0 Vogtland 0,0 Oberpfälzer Becken- und Hügelland 0,0 Oberpfälzer Wald 0,0 Bayerischer Wald 1 Tertiäres Hügelland 0,5 Schwäb.-Bay. Schotterplatten- u. Altmoränenlandschaft 0,3 Schwäb.-Bay. Jungmoräne u. Molassevorberge 0,8 Bayerische Alpen Alte Laubbäume > 160 Jahre; alle Waldbesitzarten; Zahlen in Grafik: % der Waldfläche im Wuchsgebiet Quellen: BWI II, BWI III 2,5 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Anteil > 160 jähr. Laubbäume an Gesamtwaldfläche www.bund-naturschutz.de 3 Alte Laubbäume auf die Rote Liste alter Laubwald • alte Laubbäume nehmen zwar geringfügig zu: • BWI II: 30.784 ha = 1,3% • BWI III: 46.536 ha = 1,9% • insgesamt aber immer noch sehr niedriges Niveau Wald Bayern www.bund-naturschutz.de Alte Laubbäume > 160 Jahre; alle Waldbesitzarten in Bayern; Quellen: BWI II, BWI III 4 Wenig dicke Buchen in Bayern! Hamburg + Bremen • nur 2 % dicke Buchen über 80 Mecklenburg-Vorpommern Sachsen cm BHD in Bayern Brandenburg + Berlin • geringe Zunahme seit BWI II mit Saarland 1,4 % Schleswig-Holstein Sachsen-Anhalt • in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen Bayern dürfen die Buchen am Niedersachsen Thüringen wenigsten dick werden Rheinland-Pfalz • NRW hat einen deutlich höheren Hessen Bayern Vorrat an dicken Buchen (3.4 Mio. Baden-Württemberg Festmeter) im Vergleich zu Bayern 0 10 20 30 40 Anteil dicker Buchen > 80 BHD am Gesamtbuchenvorrat in % www.bund-naturschutz.de (1.9 Mio. Festmeter) Quellen: BWI III; alle Waldbesitzarten 5 Zunahme dicker Buchen: bedingt durch Altersklassenstruktur und weniger Abnutzung Die Zunahme dicker Buchen 60000 • in Altersklasse 141 - 160 Waldfläche in ha 50000 Jahre bedingt durch Einwachsen einer größerer 40000 Fläche an Wälder unter 30000 140 Jahren, wie BWI II20000 Daten zeigen • in Altersklasse > 160 Jahre 10000 bedingt durch weniger 0 1-20 21-40 41-60 61-80 81-100 101-120121-140141-160 >160 Waldalter in Jahren Buche BWI II www.bund-naturschutz.de Buche BWI III Abnutzung und Einwachsen jüngerer Wälder 6 Zunahme dicker Eichen: bedingt durch Altersklassenstruktur und weniger Abnutzung 25000 Die Zunahme dicker Eichen • in Altersklasse 141 - 160 Waldfläche in ha 20000 Jahre bedingt durch 15000 Einwachsen einer größerer Fläche an Wäldern unter 140 10000 Jahren, wie BWI II-Daten 5000 zeigen • in Altersklasse > 160 Jahre 0 bedingt durch weniger Waldalter in Jahren Eiche BWI II www.bund-naturschutz.de Eiche BWI III Abnutzung und Einwachsen jüngerer Wälder 7 Ursachenforschung in Sachen Forstwirtschaft Trotz vieler engagierter Förster und Waldbesitzer ist nach 300 nachhaltiger Waldwirtschaft zu bilanzieren: • Kaum alte Wälder: Forstwirtschaft verkürzt Alter der Bäume auf 1/3, nur 3 % über 160 Jahre alt • Standortsfremde Baumarten überwiegen: Forstwirtschaft bedingt Wechsel bei den Baumarten. Folge nur 21 % Buche und Eiche, aber 59 % Fichte und Kiefer • Forstwirtschaft entnimmt nahezu komplette Holzbiomasse • Forstwirtschaft führt zu Bodenverdichtung und –schäden auf 15-20 % der Waldfläche • Forstwirtschaft hat Primärwälder beseitigt. Folge: Naturwälder gibt es nur auf 1 % der Waldfläche Negative Folgen: • 20 von 86 Urwaldreliktarten seit 1950 ausgestorben oder verschollen • Viele typische Altbaumbewohner sind gefährdet: Fledermäuse, Holzkäfer, ebenso Altwaldvögel wie Weißrückenspecht, Halsbandschnäpper oder Mittelspecht Fazit: es fehlen alte Wälder und ausreichend große Naturwälder sowie deren Vernetzung www.bund-naturschutz.de 8 Ursachenforschung: Holznutzung verkürzt die Lebenszeit der Wälder auf 1/3 Forst Naturwald Quelle: verändert nach Scherzinger (1996) Naturschutz im Wald www.bund-naturschutz.de 9 Ursachenforschung: Forstwirtschaft entnimmt große Mengen an Holz! Holzvorrat Versuchsfläche Fabrikschleichach: > 1000fm/ha www.bund-naturschutz.de Holzvorrat Forstbetrieb Ebrach (2013): 370 fm/ha 10 Ursachenforschung: Wirtschaftswald ist totholzarm Foto: T. Stephan www.bund-naturschutz.de 11 Ursachenforschung: Bodenstörungen auf 15-20 % der Bayerischen Staatswaldfläche • • • Bodenverdichtung, - schäden Bodenlebewesen werden stark geschädigt Der Wasserspeicher geht verloren www.bund-naturschutz.de 12 Ursachenforschung: über 50 % der Holzaufkommens werden verbrannt www.bund-naturschutz.de 13 Waldwirtschaft verletzt systembedingt mit Holznutzung Waldökosysteme www.bund-naturschutz.de 14 Anteil nutzungsfreie Wälder am öffentlichen Wald [%] Nur sehr kleine Teile der Wälder Bayern sind als Naturwälder geschützt 16 14 12 10 Ziel Nationale Biodiversitätskonvention: dauerhafte natürliche Waldentwicklung in 10 Prozent der öffentlichen Wälder bis 2020 15,3 Nationalpark Bayerischer Wald 8 6 4 2 Nationalpark Berchtesgade n 2,7 Biosphärenreservat Rhön 1,9 0 www.bund-naturschutz.de 0,5 0,4 0,5 2,6 3,3 0,5 15 Totholzmengen in Buchenwäldern im Nordostdeutschen Tiefland – abhängig von der Nutzung www.bund-naturschutz.de (F+E Biologische Vielfalt und Forstwirtschaft (2003), unveröff. Abschlußbericht) 16 Je weniger Nutzung, um so mehr seltene Waldarten! A= Intensive Vorrats- und 450 Wertholzpflege seit ca. 75 Jahren in heute 100- bis Individuen xylobionter Käfer 400 200jährigen Wirtschaftswäldern 350 um Fabrikschleichach (ehemals Forstamt Eltmann) 300 B= Naturschutzorientierte 250 Waldwirtschaft um Ebrach, mit 200 Berücksichtigung von Totholz und Höhlenstrukturen in heute 150 100- bis 200jährigen 100 Wirtschaftswäldern (ehemals Forstamt Ebrach) 50 0 A B C Nutzungsintensität C= Absoluter Nutzungsverzicht und Naturnähezeiger Starker Naturnähezeiger Prozeßschutz in drei Totalreservaten (Müller & Bußler 2006) www.bund-naturschutz.de 17 www.bund-naturschutz.de 18 www.bund-naturschutz.de 19 Staatswald muss alte Bäume und Wälder vorbildlich schützen! Forderungen • Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung umsetzen: 10 % Naturwälder im öffentlichen Wald bis 2020 • 40 Festmeter Totholz und 10 Biotopbäume pro ha sowie besserer Schutz alter Wälder im öffentlichen Wald www.bund-naturschutz.de Umsetzung • Netz aus dauerhaft nutzungsfreien Wäldern mit großen, mittleren und kleinen Naturwäldern plus Altholzinseln im Wirtschaftswald in Zuständigkeit des Forstes • Mehr natürliche Entwicklung der naturnahen alten Wälder • Totholz- und Biotopbaumziele kurzfristig in naturnahen Wäldern, langfristig in allen öffentlichen Wäldern • Vermarktung dicker Bäume fördern, z.B. Buchenrotkernaktion des BN, als Anreiz auch für P-Waldbesitzer • bei Waldpflege Biotopbäume und Biotopbaumanwärter belassen: keine Entnahme aller Protzen • Bei Endnutzung 25 % der Bäume einwachsen lassen 20 Schutz alter Bäume & Wälder, Biotopbäume & Totholz in Privat- und Kommunalwälder fördern! Forderungen • bessere Förderung alte Bäume und Wälder • Änderung der Verkehrssicherungspflicht • 5 % der Wälder mit natürlicher Waldentwicklung (freiwillig) Umsetzung • im Privatwald freiwillig über Förderung • Förderung wie VNP-Wald vereinfachen und ausweiten • entsprechend der Nationalen Biodiversitätsstrategie Förderung des Vertragsnaturschutzes auf 10 % der Privatwaldfläche • Vermarktung dicker Bäume fördern, z.B. Buchenrotkernaktion des BN, als Anreiz für Waldbesitzer www.bund-naturschutz.de 21 BN lädt ein zu einer breiten Allianz zum Schutz alter Bäume und Wälder www.bund-naturschutz.de 22
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