Schriftliche Kleine Anfrage und Antwort des Senats

BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
Drucksache
21/1274
21. Wahlperiode
18.08.15
Schriftliche Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 11.08.15
und
Betr:
Antwort des Senats
Offene Fragen nach dem Chemieunfall
Am 6. August 2015 trat bei einem Chemiebetrieb in Billbrook rund 1 Tonne
der gefährlichen Lauge Contram aus. Laut Medienberichten waren Feuerwehr und Polizei, die um 20.44 Uhr alarmiert worden waren, mit 120 Einsatzkräften schnell vor Ort. Mehr als 100 Gäste eines anliegenden Hotels und
weitere Menschen in der Umgebung wurden evakuiert. 20 Menschen, darunter Feuerwehrleute und Polizeibeamte und -beamtinnen, kamen vorübergehend beziehungsweise stationär ins Krankenhaus, 48 Personen wurden notärztlich behandelt. Die Medienberichte lassen einige Fragen – vor allem in
Bezug auf die Warnung der Bevölkerung – offen, die viele Hamburger bewegen, wie zum Beispiel die Kommentare unter einem NDR-Bericht zeigen.
Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:
1.
Wie viel Zeit verstrich von der Alarmierung bis zum Eintreffen
a.
der Einsatzkräfte der Feuerwehr,
b.
der Einsatzkräfte der Polizei?
Von der Alarmierung bis zum Eintreffen an der Einsatzstelle benötigten die ersten
Einsatzkräfte der Feuerwehr und der Polizei jeweils knapp vier Minuten.
2.
Wann war den Einsatzkräften bekannt, dass es sich bei dem ausgetretenen Stoff um Contram handelt?
Die Feuerwehr erhielt nach dem Eintreffen am Unglücksort zunächst unterschiedliche
Angaben zu dem ausgetretenen Stoff. Der Polizei wurde durch die Feuerwehr um
21.58 Uhr mitgeteilt, dass es sich bei dem entwichenen Stoff nach den bis dahin vorliegenden Erkenntnissen unter Umständen um das Produkt „Contram MBO“ handeln
könnte. Diese Informationen wurden um 22.11 Uhr über Funk an die eingesetzten
Polizeikräfte und die PEZ weitergegeben. Um 22.40 Uhr erfolgte nach ergänzenden
Informationen durch die Feuerwehr bezüglich der Wirkung und Eigenschaften des
Stoffes eine vervollständigende Information an die Polizeikräfte. Die eingesetzten
Kräfte der Feuerwehr wurden über Funk über den jeweils aktuellen Erkenntnisstand
informiert. Da die Bezeichnung „Contram“ vom Hersteller als Sammelbezeichnung für
eine Reihe verschiedener Produkte (Contram MBO und weitere Contram-Produkte)
verwendet wird, ist für die Bewertung die sichere Kenntnis des exakten Produktes
notwendig. Die vorangegangene Annahme der Feuerwehreinsatzleitung, dass es sich
um „Contram MBO“ handelt, konnte nach abschließender Abklärung mit der Werksleitung gegen 0.30 Uhr zweifelsfrei bestätigt werden.
3.
Wann und wie wurde die Bevölkerung in welchem Umkreis gewarnt?
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a.
Wann und in welchen Straßenzügen wurde die Bevölkerung durch
Lautsprecherdurchsagen der Polizei, wie in Medienberichten zu
lesen, gewarnt?
b.
Wann und auf welche Weise wurde in welchen Stadtteilen („rund 20
Stadtteile“) die Bevölkerung auf welche Weise gewarnt und aufgefordert, Türen und Fenster geschlossen zu halten und sich nicht ins
Freie zu begeben?
c.
Trifft zu, dass die Feuerwehr über KATWARN, Twitter und Facebook gewarnt hat, dass es jedoch keine (oder keine rechtzeitigen)
Warnungen durch Rundfunkmeldungen, Videotexte, Sirenen, Lautsprecheransagen durch Polizei und Bezirksamt (außer in unmittelbarer Umgebung der Fabrik) gegeben hat?
Wenn ja, bitte darlegen.
d.
Gibt es eine Schätzung, wie viele Menschen in dem auf der KATWARN-Karte dargestellten Gebiet durch die Warnungen über KATWARN, Twitter und Facebook erreicht wurden?
e.
Wer entscheidet, ob und wie die Bevölkerung bei Chemieunfällen
und vergleichbaren Ereignissen gewarnt wird? Wer hat im konkreten
Fall entschieden?
Verfahren und Zuständigkeiten für die Warnung der Bevölkerung bei Freisetzung von
Schadstoffen in die Luft hat die Behörde für Inneres und Sport durch die „Besondere
Richtlinie zur Abwehr von Gefahren durch gefährliche Schadstoffkonzentrationen in
der Atmosphäre“ festgelegt. Danach bewertet die Feuerwehr bei einer Schadstofffreisetzung das Ausmaß der Gefährdung. Kann eine Gefährdung für das Leben und die
Gesundheit von Menschen nicht ausgeschlossen werden, sind unverzüglich Warnmaßnahmen zu veranlassen.
Im konkreten Fall wurden durch den Einsatzleiter der Feuerwehr um 21.13 Uhr vor Ort
Warnmaßnahmen angeordnet.
Durch die Rettungsleitstelle der Feuerwehr wurde daraufhin um 21.18 die Leitstelle
der Polizei Hamburg gebeten, eine entsprechende Warnung über die regionalen
Rundfunk- und Fernsehsender zu veranlassen. Die Polizei hat dementsprechend die
regionalen Medien ab 21.23 Uhr um die Verbreitung von Rundfunkdurchsagen und
Warnmeldungen gebeten. Die Meldungen betrafen zunächst die Stadtteile Billbrook,
Rothenburgsort, Hamm-Süd, Hammerbrook, Klostertor und HafenCity und wurden im
weiteren Verlauf ab dem 7. August 2015, 00.24 Uhr, auf die Stadtteile Alsterdorf,
Barmbek, Fuhlsbüttel, Eppendorf, Hoheluft, Winterhude, Neustadt, Eilbek, Uhlenhorst,
Bramfeld, Groß Borstel, Niendorf, Schnelsen, Rotherbaum, Hummelsbüttel und Langenhorn ausgeweitet. Die Rundfunkdurchsagen/Warnmeldungen wurden auf Veranlassung der Feuerwehr am 7. August 2015, um 02.16 Uhr, von der Polizei aufgehoben. Über die Verbreitung durch die einzelnen Rundfunk- und Fernsehsender liegen
Feuerwehr und Polizei keine Erkenntnisse vor.
Parallel wurde durch die Rettungsleitstelle der Feuerwehr über das System KATWARN mit dem Text „Stadt Hamburg meldet: Warnung für PLZ xx, Chemieunfall, gültig am sofort, Fenster und Türen schließen“ informiert. Die Warnung erfolgte zu den
nachfolgenden Uhrzeiten für die genannten Postleitzahlengebiet (PLZ):
21.21 Uhr:
D-20537, D-20539, D-22113
22.12 Uhr:
D-20537, D-20535, D-20539, D-22113, D-20099, D-20095, D-20097,
D-22087
23.28 Uhr:
D-20251, D-22339, D-22337, D-22335, D-20149, D-20148, D-22459,
D-22457, D-22455, D-22453, D-22307, D-22309, D-22303, D-22305,
D-22301, D-22085, D-22083, D-22081, D-22089, D-20354, D-22299,
D-20249, D-22415, D-22297
23.43 Uhr:
D-22419, D-22417
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Die Aufhebung der Warnung über KATWARN erfolgte am Folgetag in der Zeit von
02.02 bis 02.05 Uhr.
Allgemeine Lautsprecherdurchsagen zur Warnung der Bevölkerung wurden von der
Feuerwehr nicht angefordert. Vereinzelt hat die Polizei im Nahbereich des Schadensortes anlassbezogen durch Lautsprecherdurchsagen und durch direkte Ansprache
von Personen vor Gefahren gewarnt. Auf Veranlassung der Feuerwehr wurden ab
22.49 Uhr unter Beteiligung der Polizei zudem die Bewohner eines Wohnheims im
Billbrookdeich persönlich angesprochen und aufgefordert, geschlossene Räume aufzusuchen sowie Fenster und Türen geschlossen zu halten. Darüber hinaus müssten
für die weitergehende Beantwortung der Fragestellung hinsichtlich Örtlichkeiten und
Zeiten der Maßnahmen alle beteiligten Einsatzkräfte der Polizei befragt werden. Dieses ist in der zur Beantwortung dieser Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung
stehenden Zeit nicht zu leisten.
Eine Ermittlung, wie viele Personen in den zu warnenden Gebieten letztendlich die
Warnungen über KATWARN, Facebook und Twitter erhalten haben, ist technisch
nicht möglich.
4.
Wie viele der vom Unfall betroffenen Personen sind derzeit noch
a.
im Krankenhaus,
b.
in ärztlicher Behandlung?
Nach Erkenntnissen der Polizei wurden zwei in Krankenhäuser eingelieferte Personen
auf der Intensivstation behandelt und am 7. August 2015 von dort entlassen. Weitere
Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor.
5.
Was war die genaue Unfallursache?
Die Klärung der Unfallursache ist Gegenstand der noch laufenden polizeilichen Ermittlungen.
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