151011_Flo - Berufs- und Weiterbildungszentrum Rorschach

(St. Galler Tagblatt / Ostschweiz am Sonntag, 11.10.2015 / Bildung)
Floristik ist mehr als Blumen binden
Im Unterricht bekommt Nadine Heuberger viele neue handwerkliche Anregungen. (Bild: Ralph Ribi (Ralph
Ribi))
Lange mussten Floristinnen für eine anerkannte Zusatzausbildung in die Innerschweiz reisen. In Rorschach
besteht seit 2014 ein Angebot auf diesem Niveau – das einzige in der Ostschweiz. Dadurch sollen die
Chancen für die Selbständigkeit steigen.
ALESSIA PAGANI
RORSCHACH. Neues lernen und sich weiterbilden – das ist der Antrieb von Nadine Heuberger. Die 26Jährige hat nach der dreijährigen Floristenausbildung bei Blumen Belser AG in Gossau vor bald zwei Jahren
die Führung des Geschäfts mit vier Mitarbeitern übernommen. Dort ist sie auch für die Lehrlingsausbildung
zuständig. 2012 hat Heuberger zudem einen dreijährigen Lehrgang zur Farbdesignerin mit eidgenössischem
Fachausweis abgeschlossen. «Ich will im Leben nicht stehenbleiben», sagt die gebürtige Oberbürerin. «Es
ist wichtig, dass man sich immer neuen Herausforderungen stellt.»
Im August hat Nadine Heuberger nun wieder eine neue Herausforderung angenommen: Sie besucht
während eines Jahres den Weiterbildungslehrgang zur Floristin mit eidgenössischem Fachausweis am
Weiterbildungszentrum Rorschach-Rheintal (WZR) in Rorschach.
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Einziges Angebot in Ostschweiz
2014 mit sieben Interessierten gestartet, besuchen jetzt bei der zweiten Durchführung bereits 13
Teilnehmende die Weiterbildung. Es ist der einzige Ausbildungsort für Floristinnen auf dieser Ebene in der
Ostschweiz – bislang habe es in der Schweiz nur ein einziges kantonales Angebot in Luzern gegeben, sagt
Michael Meier, Leiter Weiterbildungszentrum. «Es ist ein komplexer Lehrgang, in dem neben dem
handwerklichen auch das Rechnungswesen und das Management einen grossen Teil ausmachen», so
Meier. Unterrichtet wird – anders als in Luzern – in neun Blockwochen. «Das ist besser für die Dynamik»,
sagt Meier. Am Unterricht nehmen auch zwei Frauen aus dem Tessin und eine aus Bratislava teil. Experten
aus der ganzen Schweiz geben im Unterricht ihr Wissen weiter, darunter nebst solchen aus dem floralen
Bereich auch Fachleute aus anderen Branchen. Bereits in den ersten beiden Unterrichtswochen hat Nadine
Heuberger viel Neues gelernt. «Zum Beispiel im Bereich der Mitarbeiterführung, was mir natürlich
entgegenkommt.» Es brauche immer gut ausgebildetes Personal «und manchmal reicht eine Lehre einfach
nicht», sagt Heuberger. Obschon Floristik ein alteingesessener Beruf sei, müsse auch er sich mittlerweile mit
starken Trends auseinandersetzen. Dies fordert auch den Betrieb: «Man sieht einem Geschäft an, ob es
Trends aufgreift.»
Schwindende Lehrlingszahlen
Nadine Heuberger verweist auf abnehmende Lehrlingszahlen. Es sei daher wichtig, die Jungen vermehrt auf
handwerkliche und kreative Berufe aufmerksam zu machen. «Es ist gut, dass die Region St. Gallen nun
etwas für unsere Branche macht.»
Dass der Beruf kein einfacher ist, wissen Heuberger wie Meier. Nicht selten steht Heuberger schon um 6.30
Uhr im Laden und kann erst um 18.30 Uhr den Feierabend einläuten. Auch ein Blick auf die Lohnskala gibt
Aufschluss: Eine ausgebildete Floristin verdiene nach der Lehre je nach Region ungefähr 3800 Franken,
sagt Meier. «Das ist nahe am Minimallohn.» Durch Grossanbieter wie die Migros entstehe zusätzlich ein
grosser Margendruck auf Blumenfachgeschäfte. Meier ist sich sicher, dass mit diesem Fachausweis für viele
junge Floristinnen die Chancen für die Selbständigkeit steigen.
Als Standort spezialisieren
Das Weiterbildungszentrum Rorschach-Rheintal überlegt sich momentan, ab dem Jahr 2017 auch einen
Meisterlehrgang in diesem Bereich anzubieten. «Wir wollen Rorschach unter anderem als Standort für die
grünen Berufe spezialisieren», sagt Meier.
Mit dem neuen Lehrgang sind auch zusätzliche Kosten entstanden. Michael Meier beziffert die Investitionen
auf rund 100 000 Franken. «Uns ist bewusst, dass wir die Ausgaben wieder amortisieren müssen», sagt
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Meier. Dass alle sieben Teilnehmerinnen des Lehrgangs vom vergangenen Jahr die Abschlussprüfung
erfolgreich bestanden haben, gibt Meier zusätzlich Zuversicht, dass es auch langfristig ein erfolgreiches und
gefragtes Angebot bleiben wird. «Wie freuen uns schon auf den nächsten Start im August 2016.»
Viele der organisatorischen Aspekte seien indes in Fronarbeit entstanden. Zudem haben Sponsoren und der
Floristenverband ihren Teil dazu beigetragen. Die Arbeit hat sich offenbar gelohnt: «Das ist unser schönster
Lehrgang», sagt Meier.
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