Fallbesprechung_8_-_03_Loesungsskizze

Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2015/2016
Kurt
Lösungsskizze FB 8: „Scheint auf Lichtmess die Sonne froh
“
Grundfall
Ansprüche der S gegen H auf Herausgabe des Strohhäckslers
I. Herausgabeanspruch aus § 985 BGB:
Eigentum der S (-)
Keine Einigung zwischen L und S i.S.v. § 929 S. 1 BGB; nur Verwahrungsvertrag i.S.v. § 688 BGB und Übergabe des Häckslers.
II. Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes § 861 Abs. 1 BGB:
1. Früherer unmittelbarer Besitz der S (+)
A (Angestellter der S) war nur Besitzdiener, § 855 BGB
2. Jetziger Besitz der H (+)
3. Besitzverlust durch verbotene Eigenmacht (des A gegenüber
S), § 858 Abs. 1 BGB: (+)
Ohne den Willen der S.
Besitzdienerschaft endet; A will nicht mehr für S besitzen.
4. Fehlerhaftigkeit des Besitzes der H, § 858 Abs. 2 BGB?
hier (-), da keine Kenntnis der H von der verbotenen Eigenmacht des A und kein Erbe, vgl. § 858 Abs. 2 S. 2 BGB
5. Ergebnis:
Anspruch aus § 861 Abs. 1 BGB (-)
III. Herausgabeanspruch aus § 1007 Abs. 1 BGB
1. Früherer rechtmäßiger Besitz der S (+)
2. Jetziger Besitz der H (+)
1
Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2015/2016
Kurt
3. Bösgläubigkeit der H beim Besitzerwerb bezüglich des eigenen
fehlenden Besitzrechts, § 932 Abs. 2 BGB?
Hier: (-)
Besitzrecht der H nur gegenüber A aus dem Kaufvertrag.
4.Ergebnis:
Anspruch aus § 1007 Abs. 1BGB (-)
IV. Anspruch aus § 1007 Abs. 2 BGB:
1. Grundvoraussetzungen wie bei § 1007 Abs. 1 BGB (+)
2. Abhandenkommen des Strohhäckslers:
Unfreiwilliger Verlust des unmittelbaren Besitzes bei S (+), vgl.
§ 935 Abs. 1 BGB.
Wille des A nicht maßgeblich, da A nur Besitzdiener.
3. Kein Eigentumserwerb durch H gem. §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1
BGB (§ 1007 Abs. 2 Hs. 2 BGB):
Voraussetzungen des § 929 S. 1 BGB (+)
Gutgläubigkeit der H (+)
Aber: Abhandenkommen beim Besitzmittler des Eigentümers,
§ 935 Abs. 1 S. 2 BGB (Besitzmittlungsverhältnis zwischen L
und S (+); Verwahrung gem. § 688 BGB)
4. Anspruchshindernde Voraussetzungen nach § 1007 Abs. 3 BGB
(-):
Insbesondere kein Recht des H zum Besitz gem. § 986 BGB
gegenüber S (Kaufvertrag nur zwischen A und H).
5. Durchsetzbarkeit des Anspruchs: (+)
Kein Zurückbehaltungsrecht ersichtlich
6. Ergebnis:
Anspruch aus § 1007 Abs. 2 BGB (+)
2
Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2015/2016
Kurt
V. Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB (Nichtleistungskondiktion, Eingriffskondiktion):
1. Anwendbarkeit:
Problematisch wegen § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB.
Sperrwirkung aber nur für Nebenansprüche aus EBV nicht auf
Herausgabeanspruch.
Hier: es liegt kein EBV vor; S ist nicht Eigentümerin.
2. Etwas erlangt:
Besitz am Strohhäcksler
3. Auf sonstige Weise: (+)
P: Vorrang der Rückabwicklung im Leistungsverhältnis A-H?
Grundsatz: Die Eingriffskondiktion ist als Nichtleisungskondiktion regelmäßig ausgeschlossen, wenn sich im „bereicherungsrechtlichen Dreieck“ eine Beziehung als Leistungsbeziehung
darstellt.
Aus Sicht der H: Leistung des A
Ausnahmsweise jedoch Unbeachtlichkeit der subjektiven Sicht
der H?
h.M.: Übertragung der Wertungen des § 935 Abs. 1 BGB:
Kein gutgläubiger Erwerb abhanden gekommener Sachen.
Die Leistung des Besitzes an abhanden gekommenen Sachen schützt den Leistungsempfänger nicht gegen das Herausgabeverlangen des Eigentümers.
Konsequenz: kein Vorrang der Leistungsbeziehung.
4. Aber: Besitz der H „auf Kosten“ der S?
„auf Kosten“ wenn der Vermögensnachteil des Entreicherten
unmittelbar zu einem Vermögensvorteil des Bereicherten führt.
Hier: (-), da Besitzverlust von S schon bei Entwendung durch A.
5.Ergebnis:
Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 2 BGB (-)
3
Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2015/2016
Kurt
Variante
Ansprüche der L gegen H
I. Herausgabeanspruch aus § 985 BGB:
1. Anspruch entstanden?
a) Eigentum der L:
Ursprünglich (+)
Kein Verlust durch Veräußerung A-H, da Abhandenkommen bei
S vorliegt (s.o.) und S Besitzmittlerin für L war, § 935 Abs. 1 S. 2
BGB.
b) Besitz der H: (+)
c) Recht zum Besitz der H: (-)
Kaufvertrag zwischen A und H wirkt nur inter partes
Allenfalls Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 BGB als Einrede
h.L.: Einrede aus § 1000 BGB führt nur zu Zug-um-ZugVerurteilung; Einrede gibt daher kein Recht zum Besitz; ansonsten wäre Vindikationslage beseitigt; §§ 994 ff. BGB setzen aber
diese voraus.
2. Anspruch nicht erloschen und durchsetzbar?
Dem Anspruch dürfte keine Einrede entgegenstehen
a) Einrede des Zurückbehaltungsrechts gem. §§ 1000, 994 ff.
BGB:
aa) Verwendungsersatzanspruch H-L aus § 994 BGB:
Vindikationslage bei Einbau (+)
Verwendung?
Definition: Verwendungen sind freiwillige Vermögensaufwendungen, die der Sache zugute kommen, indem sie ihrer
Wiederherstellung, Erhaltung oder Verbesserung dienen.
Hier (+): Einbaukosten als Verwendungen.
Notwendigkeit?
Notwendig ist eine Verwendung, wenn sie zur Erhaltung oder
ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Sache objektiv erforderlich ist.
4
Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2015/2016
Kurt
Hätte L im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft selbst
diese Aufwendungen machen müssen? Hier: (-)
bb) Verwendungsersatzanspruch H-L aus §§ 994, 996 BGB:
Grundvoraussetzungen: s.o. (+)
H vor Einbau redlich und unverklagt (+)
Nützlichkeit?
Fortdauernde Wertsteigerung? Hier: wohl (+)
cc) Zwischenergebnis:
H kann gem. §§ 1000, 994, 996 BGB ein Zurückbehaltungsrecht
geltend machen.
b) Einrede gem. §§ 273 Abs. 1 und 2, 996 BGB:
Gegenanspruch grundsätzlich (+)
jedoch Fälligkeit (-), vgl. § 1001 BGB !
Verwendungsersatzanspruch erst fällig wenn Eigentümer Sache
wiedererlangt hat.
Hier: H ist noch unmittelbarer Besitzer.
Einrede gem. §§ 273 Abs. 1 und 2, 996 BGB daher (-)
3. Ergebnis:
Anspruch L gegen H auf Herausgabe des Häckslers aus § 985
BGB Zug um Zug gegen Erstattung der Kosten für das Sonnenschutzdach.
II. Anspruch aus §§ 861 Abs. 1, 869 BGB auf Wiedereinräumung des
Besitzes: (-)
1. Früherer mittelbarer Besitz der L: (+)
2. Fehlerhaftigkeit des Besitzes der H:
Hier: (-), da keine Kenntnis der H von der verbotenen Eigenmacht des A und kein Erbe, § 858 Abs. 2 BGB (s.o.)
III. Herausgabeanspruch aus § 1007 Abs. 1 BGB: (-)
Bösgläubigkeit der H beim Besitzerwerb hins. fehlenden Besitzrechts, hier (-), s.o.
5
Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2015/2016
Kurt
IV. Herausgabeanspruch aus § 1007 Abs. 2 BGB:
1. Anspruch entstanden?
a) Früherer unmittelbarer Besitz der L (+).
b) Jetziger Besitz der H (+).
c) Abhandenkommen des Strohhäckslers:
Unfreiwilliger Verlust des unmittelbaren Besitzes bei S (+).
Besitzmittlungsverhältnis S-L i.S.v. § 935 Abs. 1 S. 2 BGB
durch Verwahrungsverhältnis gem. § 688 BGB.
Abhandenkommen auch für L
d) Anspruchshindernde Voraussetzungen:
§ 1007 Abs. 1 S. 1, 2. HS: (-), H wurde keine Eigentümerin.
§ 1007 Abs. 2 S. 2: (-), kein Geld oder Inhaberpapiere.
§ 1007 Abs. 3 BGB: (-), Zurückbehaltungsrecht aus §§ 1000,
996 (s.o.) gibt kein Besitzrecht gem. § 986 BGB.
2. Durchsetzbarkeit des Anspruchs?
§ 1007 Abs. 3 BGB verweist auf §§ 986 ff. BGB
Hier: ebenfalls Einrede des Zurückbehaltungsrecht aus §§ 1000,
996 BGB wegen des Verwendungsersatzanspruchs H-L
3.Ergebnis:
L hat gegen H Anspruch auf Herausgabe des Häckslers aus
§ 1007 Abs. 2 BGB Zug um Zug gegen Erstattung der Kosten für
das Sonnenschutzdach.
V. Ansprüche aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB (Nichtleistungskondiktion):
1. Anwendbarkeit: wegen § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB (s.o.):
Keine Sperrwirkung des EBV bezüglich der Herausgabe selbst,
nur bezüglich der Nebenansprüche aus EBV.
2. „Etwas erlangt“: Besitz am Strohhäcksler.
6
Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2015/2016
Kurt
3. Auf sonstige Weise: (+)
P: Vorrang der Rückabwicklung im Leistungsverhältnis A-H?
Aus Sicht der H liegt eine Leistung des A vor; aber Unbeachtlichkeit der subjektiven Sicht der H wegen Übertragung der
Wertungen des § 935 Abs. 1 BGB s.o.
Kein Vorrang der Leistungsbeziehung.
4. Aber: Auf Kosten der L (-), da Besitzverlust (mittelbarer Besitz)
schon bei Entwendung durch A.
5. Ergebnis:
Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB (-)
VI. Ansprüche L gegen H auf Nutzungsentschädigung:
1. Aus §§ 987, 990 Abs. 1 BGB: (-)
Vindikationslage (+)
Bösgläubigkeit der H (-), Rechtshängigkeit (-)
2. Aus § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB
Anwendbarkeit (-): § 993 Abs. 1, Hs. 2 BGB!
H ist redliche unverklagte Besitzerin.
Fundstelle: ZJS 4/2008, 382 ff.
Unter: www.zjs-online.com
7