Suchthilfe in der kulturellen Vielfalt

Dokumentation des
11. Berliner Suchtgespräch
Suchthilfe
in der
kulturellen Vielfalt
26. November 2015
Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung
Caroline-Michaelis-Str. 1
10115 Berlin
11. BSG „Suchthilfe in der kulturellen Vielfalt“
Veranstalter und Impressum
Veranstalter des Berliner Suchtgesprächs
Gesamtverband für Suchthilfe e.V. (GVS)
Fachverband der Diakonie Deutschland
Invalidenstr. 29, 10115 Berlin
Tel.: 030 – 83001- 500
Fax: 030 – 83001- 505
[email protected]
www.sucht.org
Impressum
Herausgabe: Januar 2016, Berlin
Herausgeber: GVS (Kontaktdaten siehe Veranstalter)
Bearbeitung, Gestaltung u. Endredaktion: GVS (Kontaktdaten siehe Veranstalter)
Für die Inhalte der in dieser Dokumentation enthaltenen Beiträge sind die jeweiligen Referentinnen und Referenten
(wie verzeichnet) verantwortlich. Die im Bericht zur Veranstaltung verwendeten Zitate aus den Beiträgen der
Podiumsdiskussion sowie des Grußworts entsprechen den Originalaussagen der jeweiligen Referentinnen und
Referenten (wie verzeichnet). Der originale Wortlaut des Grußworts sowie die Mitschrift der Podiumsdiskussion
sind in dieser Dokumentation enthalten.
Das Berliner Suchtgespräch wurde unterstützt von
2
11. BSG „Suchthilfe in der kulturellen Vielfalt“
Inhalt
Inhalt
Programm
4
Grußwort der Integrationsbeauftragten des Landes Brandenburg
Dr. Doris Lemmermeier, Potsdam
5
Grußwort des Präsidenten der Diakonie Deutschland
Ulrich Lilie, Berlin
7
Grußwort des Referatsleiters des Arbeitsstabes der Bundesdrogenbeauftragten
Dr. Ingo-Ilja Michels, Berlin
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Sucht und Migration: Ausgangslage, Herausforderungen und
Anregungen für die Zukunft in Prävention, Beratung und Rehabilitation
Ramazan Salman, Ethno-Medizinisches-Zentrum e.V., Hannover
Fortunas falscher Kuss – Migration und Glücksspielsucht
Frank Gauls, Evangelisches Krankenhaus,
Ambulante Suchthilfe Bethel, Fachstelle Glücksspielsucht, Bielefeld
Wein, Weib und Gesang? Besondere Herausforderungen
in der Behandlung suchtkranker Migranten aus den ehemaligen GUS Staaten
Dr. Ursula Fennen, Die Zieglerschen e.V. – Wilhelmsdorfer Werke
evangelische Diakonie – Suchtrehabilitation gGmbH, Wilhelmsdorf
Moderation des 11. Berliner Suchtgesprächs:
Sieghard Schilling, vorsitzender Vorstand des GVS (bis 11/2015),
Geschäftsführer Diakoniewerk Duisburg
… und bitte bereits in Ihrem Kalender vormerken:
12. Berliner Suchtgespräch am 24. November 2016
3
11
27
44
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Programm
Programm 26.11.2015
17.30
Begrüßung
Dr. Theo Wessel, GVS Geschäftsführer, Berlin
17.35
Grußworte
 Dr. Doris Lemmermeier, Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg, Potsdam
 Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland
– Evangelischer Bundesverband für Diakonie und Entwicklung e.V., Berlin
 Dr. Ingo-Ilja Michels, Referatsleiter des Arbeitsstabs der
Bundesdrogenbeauftragten, Bundesministerium für Gesundheit, Berlin
17.50
Impuls 1:
Sucht und Migration: Ausgangslage, Herausforderungen und
Anregungen für die Zukunft in Prävention, Beratung und Rehabilitation
Ramazan Salman, Ethno-Medizinisches-Zentrum e.V., Hannover
18.20
Impuls 2:
Fortunas falscher Kuss – Migration und Glücksspielsucht
Frank Gauls, Evangelisches Krankenhaus Bielefeld,
Ambulante Suchthilfe Bethel, Fachstelle Glücksspielsucht, Bielefeld
18.45
Impuls 3:
Wein, Weib und Gesang? Besondere Herausforderungen in der
Behandlung suchtkranker Migranten aus den ehemaligen GUS Staaten
Dr. Ursula Fennen, Die Zieglerschen e.V. – Wilhelmsdorfer Werke
evangelische Diakonie – Suchtrehabilitation gGmbH, Wilhelmsdorf
19.10
Pause mit Stehempfang
19.40
Podium zum Thema:
„Suchthilfe in der kulturellen Vielfalt“
mit folgenden Teilnehmern:
 Dr. Doris Lemmermeier, Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg, Potsdam
 Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland
– Evangelischer Bundesverband für Diakonie und Entwicklung e.V., Berlin
 Dr. Ingo-Ilja Michels, Referatsleiter des Arbeitsstabs der Bundesdrogenbeauftragten,
Bundesministerium für Gesundheit, Berlin
 Melanie Berg, Praxis für Dialog-Beratung, Großhansdorf
 Dr. Harald Terpe, MdB, drogen- und suchtpolitischer Sprecher
der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Berlin
 Dr. Theo Wessel, GVS Geschäftsführer, Berlin
20.25
Zusammenfassung und Fazit
Dr. Theo Wessel, GVS Geschäftsführer, Berlin
20.30
Ende der Veranstaltung
Moderation:
Sieghard Schilling. Vorsitzender Vorstand des GVS (bis 11/2015), Geschäftsführer Diakoniewerk Duisburg
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11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Grußwort Dr. Doris Lemmermeier
Grußwort der Integrationsbeauftragten des
Landes Brandenburg
Dr. Doris Lemmermeier
Als ich vor einigen Monaten von Herrn Kiepe eingeladen wurde, an der heutigen Veranstaltung
teilzunehmen, war ich mit meiner Zusage doch etwas zögerlich. Nicht nur, weil ich den leisen
Verdacht hatte, dass meine Einladung etwas damit zu tun haben könnte, dass es gerade keine
Berliner Integrationsbeauftragte gab, was ich in dem Moment doch ein wenig bedauerlich fand,
sondern hauptsächlich deshalb, weil ich in meiner bisherigen Tätigkeit mit dieser Thematik nur sehr
am Rande in Berührung gekommen bin.
Das hat mich dann aber doch ein wenig neugierig gemacht. Mit Sucht und Migration konfrontiert
wurde bei einigen Fällen der Härtefallkommission und bei Besuchen in einigen Gemeinschaftsunterkünften in verschiedenen Teilen des Landes Brandenburg.
Nach dem Anruf von Herrn Kiepe habe ich mir die Frage gestellt, ob mein Bild ein falsches ist oder
aber warum das eigentlich so ist.
Natürlich hat es sehr viel mit Land Brandenburg zu tun. Stünde hier der Integrationsbeauftragte des
Landes Berlin, wäre die Erfahrung eine ganz andere.
Valide Zahlen zum Anteil von süchtigen Menschen mit Migrationshintergrund gibt es nicht, soweit
ich das übersehen kann. Für Brandenburg haben wir gar keinen Anhaltspunkt. Wir können jedoch
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Anteil in Berlin ein sehr
viel höherer ist als in Brandenburg.
Das hat schon allein damit zu tun, dass in Brandenburg der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund wie auch derjenige von Ausländerinnen und Ausländern sehr viel niedriger liegt.
Nach den Zahlen des Zensus leben in Brandenburg – die Zahlen sind aus dem Jahr 2014, zur
neueren Entwicklung sage ich gleich noch etwas – 2,1% Ausländerinnen und Ausländer und 4,9%
Menschen mit Migrationshintergrund.
Das hat damit zu tun, dass die ostdeutschen Bundesländer eine ganz andere Zuwanderungsgeschichte haben als die westdeutschen Bundesländer. Es gab keine dem Westen vergleichbare
Zuwanderung über lange Zeit und die damit verbundenen Begleiterscheinungen.
Erst in den 80er Jahren sind mit Vertragsarbeitern vor allem aus Vietnam und einigen afrikanischen
Ländern (Angola, Mozambik) in nennenswertem Umfang Menschen in die DDR zugewandert.
Es fehlt damit die Erfahrung mit Zuwanderung, es fehlen gewachsene Strukturen wie z.B.
Migrantenorganisationen und Vereine und die Zahlen sind auch in den Folgejahren dadurch sehr
überschaubar geblieben. Das hat ganz unterschiedliche Konsequenzen, auf die ich leider jetzt im
Einzelnen gar nicht eingehen kann. Ich gehe davon aus, dass es auch Auswirkungen auf den Anteil
von süchtigen Menschen hat, nicht nur, weil die Zahlen ohnehin geringer sind.
Genauso wie das Flächenland Brandenburg Auswirkungen hat. Großstädte haben eine ganz andere
Dynamik, ganz andere Möglichkeiten und auch ganz andere Versuchungen. Die größte Stadt
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11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Grußwort Dr. Doris Lemmermeier
Brandenburgs, Berlin, übt natürlich ihre Faszination aus, aber insgesamt ist Brandenburg doch sehr
ländlich geprägt. Was natürlich auch Konsequenzen für die Möglichkeiten der Suchthilfe hat.
Was die neue Situation mit der gestiegenen Zuwanderungszahl seit September betrifft, so ist m.E.
noch gar nicht absehbar, was diese für Auswirkungen auf viele Bereiche haben wird, das gilt auch
für das Thema Sucht. Brandenburg hat im letzten Jahr 6.000 Flüchtlinge aufgenommen, Anfang
des Jahres lag die Prognose bei 14.000 – inzwischen werden für 2015 35.000 Flüchtlinge erwartet.
Wie viele davon später Suchthilfe benötigen werden, wird nicht zuletzt auf davon abhängen, wie
wir mit ihnen umgehen und inwieweit wir uns um ihre Integration in die und Teilhabe an der
Gesellschaft kümmern.
Jedenfalls habe ich schnell gemerkt, dass die Veranstaltung heute ein sehr spannendes Thema
hat, über das ich gerne mehr erfahren möchte. Daher fiel mir die Zusage dann letztendlich doch
sehr leicht.
Ich freue mich, dass ich heute viel lernen kann und wünsche uns allen eine spannende und
ertragreiche Veranstaltung.
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11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Grußwort Ulrich Lilie
Grußwort des Präsidenten der
Diakonie Deutschland
Ulrich Lilie
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Berliner Suchtgespräch des Gesamtverbandes für Suchthilfe ist auf dem besten Weg, zu
einer Institution zu werden. Es findet heute zum elften Mal statt und diejenigen, die es heute
verantworten, haben es mit dem Wechsel des GVS nach Berlin aus der Taufe gehoben.
Besonders danken möchte ich darum heute dem scheidenden Vorsitzenden des Verbandes,
Herrn Sieghard Schilling, der uns heute durch den Abend führen wird. Mein Dank gilt aber auch
Herrn Dr. Theo Wessel, dem fachpolitischen Kopf des GVS, der für den Verband in Berlin präsent
ist.
Ich weiß nicht, lieber Herr Schilling, lieber Herr Wessel, ob Sie bei der Planung des Themas
„Suchthilfe in der kulturellen Vielfalt“ geahnt haben, dass die kulturelle Vielfalt in unserem Land
das Thema sein wird, das die Menschen momentan besonders bewegt.
Es ist gerade in diesen Tagen unübersehbar, dass Deutschland noch vielfältiger werden wird, als
wir es in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. Migration ist ein Teil der Geschichte der
Bundesrepublik, angefangen von der Integration der Vertriebenen, über die Öffnung für größere
Zahlen von Arbeitnehmern seit den 1960er Jahren, die Migration und Zuwanderungen aus
Russland, Jugoslawien, Vietnam in den 1980er und 1990er Jahren.
In diesen Monaten sind wir aber noch einmal in einer neuen Dimension, in einer neuen Form
gefordert:
Diakonische Träger, Verbände und Einrichtungen im ganzen Land sind – oft im Zusammenspiel
mit Kirchengemeinden und oft auch bis an ihre Leistungsgrenze – mit der Errichtung von
Unterkünften, der Begleitung von unbegleiteten Minderjährigen und anderen Schutzbedürftigen,
der Beratung im Asylverfahren sowie der Begleitung von Menschen mit Traumata, der
Organisation von Integrationsangeboten in Kitas, Arbeit und Bildungsangeboten engagiert. Dafür
bin ich sehr dankbar.
Ich bin sicher, die Welt wird das Projekt Europa eines Tages daran messen, ob wir gemeinsam
eine europäische Antwort auf diese humane Jahrhundertkatastrophe gefunden haben oder eben
nicht. Diese humanitäre Jahrhundertherausforderung braucht eine internationale, eine
europäische und eine überzeugende deutsche Antwort. Stehen in diesen Tagen die
unübersehbar großen Herausforderungen und manche Überforderungen bei einer
menschenwürdigen Unterbringung und Erstaufnahme dieser Menschen in unserem Land im
Vordergrund, so müssen wir gleichzeitig tragfähige Konzepte für ihre Integration durch raschen
Zugang zur deutschen Sprache, durch Begegnung und Bildung, durch Kitaplätze und
Arbeitsplätze, mittels Wohnraum und Qualifizierungsmöglichkeiten umsetzen. Da kommen z.B.
gerade jeden Tag viele junge Männer, die haben keine kulturelle Erfahrung im Umgang mit
Alkohol erworben, den es hier an jeder Ecke zu kaufen gibt. Die sich im Ausnahmemodus
befinden und darum gefährdet sind.
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11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Grußwort Ulrich Lilie
Aber wie gesagt, das Thema Sucht und Migration begleitet uns schon viel länger. Ich erinnere
mich an unsere erste Pfarrwohnung in Düsseldorf, wir wohnten mit unsren Kindern in der ersten
Etage eines Mehrfamilienhauses. Und über uns war eine russische Spätaussiedler-Familie
eingezogen. Eine beeindruckend ehrgeizige und tatkräftige Lehrerin, mit zwei fast erwachsenen
Kindern und ihrem Mann. Diese Frau fasste schnell Fuß und suchte sich Arbeit, die Kinder
studierten schnell. Nur der Ehemann – der kam nicht so gut klar. Er saß den ganzen Tag im
Bademantel auf dem Balkon, schaute unseren kleinen Kindern beim Spielen auf der Terrasse zu
– und trank Wodka. Unsere Kinder hatten Angst vor ihm, er hatte eine tiefe Stimme und war ihnen
unheimlich, wie er da den ganzen lieben Tag auf dem Balkon saß, rauchte und trank. Sie sagten:
`Papa, der böse Mann sitzt wieder auf dem Balkon!´ Ein gutes Jahr später war der „böse Mann“,
der eigentlich ganz umgänglich war, plötzlich tot. Er hatte seinen Kummer, sein NichtAngekommensein und vielleicht auch seine Isolation in seiner eigenen Familie in den
Wodkaflaschen ertränkt.
Susheila fällt mir ein, eine bildschöne Halbinderin, auch eine Nachbarin, Mutter von Freunden
unser inzwischen größer gewordenen Kinder. Sie und ihr Mann waren einen Traumpaar, wie viel
Nachbarn sagten, sehr erfolgreich und wohlhabend geworden. Eigentlich hatten sie alles, zwei
hübsche und nette Kinder, ein eignes Haus mit Hund und Garten. Susheila erzählte viel von
Indien, wo sie aufgewachsen war, bis ihr Vater aus geschäftlichen Gründen nach Stuttgart zog.
Auch eine Migrationsgeschichte, leider auch sie mit tödlichem Ausgang. Es fiel zunächst auf den
ersten gemeinsamen Partys auf, dass sie mehr trank als die anderen. Dann war sie manchmal für
einige Wochen plötzlich weg, das feuchte Geheimnis dieser kleinen Traumfamilie blieb nicht
lange geheim, und die Abstände zwischen den Entzügen wurden immer kürzer. Wir hatten
inzwischen viel Kontakt, hatten uns angefreundet. Alle Gespräche und Vermittlungen von
Beratungsstellen und Therapeuten haben nicht gefruchtet. Susheila starb, nach vielen Dramen
und Therapieversuchen, nach der Trennung von ihren Kindern und ihrem Mann, vereinsamt und
allein an einem Silvestermorgen. Ich erinnere mich an ihren Perfektionsanspruch und ihren
schwäbischen Akzent. Als wir uns das letzte Mal sahen, erzählte sie uns, dass sie nach Indien zu
ihrer Tante ziehen wolle.
Migration ist für viel Menschen eine schwierige Erfahrung, oft gibt es Gewinner und Verlierer in
den Familien, die so viel hinter sich gelassen haben. Kultursensible Suchthilfe ist in kultureller, in
anthropologischer Perspektive ein hochinteressantes und dringend zu entwickelndes Arbeitsfeld.
Auf der einen Seite haben Süchte eine ganz spezifische kulturelle Ausprägung, haben bei diesen
Menschen oft Aspekte, die mit ihrer besonderen Geschichte zu tun haben und auf der anderen
Seite ist die Anfälligkeit für Suchtprobleme in jedem Menschen vorhanden. Deshalb geht es nicht
nur darum, die kulturellen Verschiedenheiten wahrzunehmen und anzunehmen, sondern es wird
in der wichtigen Arbeit der Suchthilfe auch das sichtbar, was alle Menschen über Kulturen hinweg
verbindet: Unsere Verletzlichkeit, unsere Anfälligkeit und unsere Verführbarkeit – aber auch die
Stärke und das Vermögen, Abhängigkeits- und Suchtprobleme zu bewältigen.
Ich bin sehr gespannt, auf das, was wir heute und morgen dazulernen können, ich freue mich auf
das Programm des heutigen Abends, das uns bei diesen kompetenten Referenten sicherlich neue
Erkenntnisse eröffnen wird.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
8
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Grußwort Dr. Ingo Ilja Michels
Grußwort des Referatsleiters des Arbeitsstabs
der Bundesdrogenbeauftragten
Dr. Ingo Ilja Michels
Sehr geehrter Herr Lilie,
sehr geehrter Herr Dr. Wessels,
Ich freue mich, erneut bei einem der spannenden Berliner Suchtgespräche des GVS dabei sein zu
können und möchte Ihnen auch die Grüße der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marlene
Mortler, übermitteln.
Sie haben sich wieder eines aktuellen Themas angenommen, dass uns allen ‚unter den Nägeln‘
brennen sollte. Für mich führte das in der Vorbereitung zu einigen „déja vues“:
Zum einen habe ich bereits zu Anfang des Jahres an dem sogenannten „Big Discussion Day“ von
verschiedenen Trägern von Gruppen afrikanischer Migranten bzw. der Berliner Drogenhilfe
teilgenommen, wo es um die Frage ging, ob Menschen mit einem afrikanischen Migrationshintergrund möglicherweise auch Sucht- und Drogenprobleme mit nach Deutschland bringen bzw.
hier auf Grund ihrer Lebenssituation ein Risiko haben, suchtkrank zu werden. Die öffentliche
Wahrnehmung in Berlin war und ist eine andere: man nimmt diese Menschen weitgehend nur als
Drogenverkäufer, als „Dealer“ wahr, im Zusammenhang mit Vorgängen um den „Görlitzer Park“.
Tatsächlich ist das Wissen um diese Problematik in der betroffenen Community sehr gering, man
negiert das Problem oder es gibt keine verlässlichen Zahlen. Auch auf dem afrikanischen Kontinent
setzt sich erst langsam die Erkenntnis durch, dass der Kontinent nicht bloße Transitregion für
internationalen Dogenschmuggel ist, sondern mehr und mehr Länder betroffen sind z.B. vom
steigendem injizierenden Heroinkonsum und den damit verbundenen Folgen wie HIV und
Hepatitisinfektionen. Auch die Alkoholproblematik nimmt zu.
Ein ähnliches Phänomen erlebten wir in Deutschland schon vor rund 25 Jahren, als plötzlich die
Zahl der jugendlichen Drogenkonsumenten, die an einer Opiatüberdosis starb überproportional
zunahmen und erst genauere Recherchen nach den Geburtsorten der Gestorbenen zeigten, dass
es sich um junge Aussiedler handelte, die im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion und des heutigen
Zentralasiens aufgewachsen waren. Erst dann stieg die Bereitschaft, einmal genauer hinzuschauen
und das Bundesministerium für Gesundheit gab dann 2002 ein Forschungsprojekt bei der
Universität Essen in Auftrag zum Thema „Migration und Sucht“, in dem der Konsum psychoaktiver
Substanzen, einschließlich von Tabak und Alkohol, unter Migranten aus dem türkischen und
arabischen Kulturkreis sowie unter Aussiedlern untersucht wurde. Es war nur ein Randthema in der
Suchtkrankenhilfe, obwohl es bereits einige wenige Einrichtungen gab, die sich der interkulturellen
Öffnung für ihre Klienten öffneten, wie dönus in Nürnberg oder Notka in Berlin.
Die Studie zeigte, dass der Alkoholkonsum bei Migranten mit arabischem oder türkischem
Hintergrund deutlich unter den Werten deutscher Jugendlicher lag. Hier scheint der islamische
Religionshintergrund protektiv zu sein. Auch der Medikamentenkonsum scheint geringer zu sein in
dieser Gruppe. Illegale Drogen, vor allem Cannabis, aber auch Heroin, wurden hingegen in einem
etwa gleichgroßen Anteil bei Migranten konsumiert. Bei Aussiedlern waren die Konsummuster
denen deutscher Jugendlicher, die im Land geboren sind, sehr ähnlich. Auch die Konsumgewohnheiten der Eltern spielen hier eine große Rolle und die Wahrnehmung von Alkohol als
inkulturierter Droge, die nur dann als problematisch definiert wird, wenn der Konsum auffällig ist
oder zu schon erheblichen gesundheitlichen oder sozialen Schäden geführt hat.
9
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Grußwort Dr. Ingo Ilja Michels
Es folgten darauf eine Reihe von gemeinsamen Aktivitäten der Drogen- und des damaligen
Beauftragten für Aussiedlerfragen, um für Prävention und Aufklärung zu werben. In einem
Fachgespräch der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen im Januar 2002 wurde zudem diskutiert,
die zielgruppenspezifischen Beratungsangebote zu verbessern, aber keine neuen eigenständigen
Angebote für diese Gruppen auszubauen.
Ich war dennoch erstaunt, wie wenig Kommunikation innerhalb des damals beteiligten Fachverbandes der Arbeiterwohlfahrt bestand zwischen der Abteilung für Suchtkrankenhilfe und
derjenigen für Hilfen für Migranten. Erst durch die damaligen Modellprojekte kam es zu einer
übergreifenden Zusammenarbeit der Bereiche.
Nicht viel anders dürfte es heute noch sein, das gilt sicher auch für den GVS. Dabei liegen die
Zahlen auf der Hand. Auch wenn die Zahl der Migrantinnen und Migranten oder der Menschen mit
einem Migrationshintergrund in der Suchtkrankenhilfe etwas hinter ihrem Anteil in der
Gesamtbevölkerung liegt, kennt doch jede Suchtberatungsstelle die Besonderheiten in der Arbeit
mit den betroffenen Klienten. Das gilt erst Recht für Einrichtungen der Psychiatrie oder des
Maßregelvollzugs bzw. der Haftanstalten, wo dieser Anteil deutlich höher ist.
Auch wenn wir für integrative Angebote der Hilfe werben, müssen wir dennoch die Besonderheiten
kennen und beachten, die eine interkulturelle Kompetenz voraussetzen. Es gibt noch immer viele
Vorbehalte, das Hilfesystem in Anspruch zu nehmen, insbesondere bei betroffenen Eltern und
Angehörigen. Es gibt Misstrauen gegenüber den Behandlungsmethoden, die oft als uneffektiv
gesehen werden, insbesondere wenn es um psychotherapeutische Interventionen geht. Es gibt
Misstrauen gegen Behandlungseinrichtungen, die mit dem Staat identifiziert werden, der als immer
noch feindliche Instanz wahrgenommen wird. Es gibt Sprachbarrieren und kulturelle Verständnisbarrieren, selbst wenn die Sprache gemeinsam ist.
Ich hatte die Gelegenheit, etwas mehr über diese kulturspezifischen Hintergründe zu erfragen, in
meiner Arbeit mit Dogenhilfeeinrichtungen in China und zuletzt in einem EU Projekt für
Drogenabhängige in Zentralasien. Der Wunsch zum Austausch von Erfahrungen ist groß.
Wohlgemerkt, es geht um Austausch, nicht um Überstülpen eigener Vorstellungen und Werte. Und
wir können auch von dort lernen: in Kirgistan und Tadschikistan wird die Drogenproblematik in den
Gefängnissen nicht geleugnet, es werden dort sogar sterile Spritzbestecke verteilt, um den HIVund Hepatitisinfektionsgefahren zu begegnen. Bei uns noch ferne Utopie!
Es wird uns in einer Einwanderungsgesellschaft aber gar keine Wahl gegeben, uns in unserem
Hilfesystemen auf diese Problemsituation einzustellen. Dabei hilft uns sicher, dass ein immer
größerer werdender Teil der Suchthelfer selbst einen solchen Migrationshintergrund hat.
Es gibt zudem viele gute Beispiele in der Praxis, wo interkulturell sensible Suchthilfe erfolgreich ist.
Wir werden heute einige dieser guten Beispiele kennen kernen und auch noch mehr lernen über
die Hürden des Alltags und des Kulturverständnisses.
Ich bin – wie sie – sehr gespannt und wünsche uns einen spannenden Dialog.
10
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Ramazan Salman „Sucht und Migration“
Interkulturelle Suchthilfe und Kultursensible
Prävention als Beitrag zur Integration
Dipl.-Sozialwiss. Ramazan Salman
Geschäftsführer Ethno-Medizinisches Zentrum Deutschland
Präsentation zum 11. Berliner Suchtgespräch am 26.11.2015
Inhalt
1. Bevölkerungsdaten
2. Herausforderungen
3. Migration, Inklusion, Integration
4. Best Practice
5. Fazit und Ausblick
11
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Ramazan Salman „Sucht und Migration“
1. Bevölkerungsdaten
Bevölkerung nach Migrationsstatus
Deutschland: 2011 Bevölkerung insgesamt 81,7 Mio. Menschen (100 %)
Personen mit
Migrationshintergrund
Gesamtzahl
Personen ohne
Migrationshintergrund
15,9 Mio. (19,5%)
65,8 Mio. (80,5%)
Männer
8,0 Mio. (50,3%)
32,1 Mio. (48,6%)
Frauen
7,9 Mio. (49,7%)
33,9 Mio. (51,4%)
Deutsche Staatsangehörige
8,7 Mio.
65,8 Mio.
Ausländische Staatsangehörige
7,2 Mio.
-
Mit eigener Migrationserfahrung
11,1 Mio.
-
Ohne eigener Migrationserfahrung
4,8 Mio.
-
Durchschnittsalter
35,2 Jahre (15,9 Mio.)
46,1 Jahre (65,8 Mio.)
Anteil der 0 bis 15-jährigen
21,3 % (3,4 Mio.)
15,9 % (10,5 Mio.)
Anteil der über 65-jährigen
9,4 % (1,5 Mio.)
23,7 % (15,6 Mio.)
Quelle: Statistisches Bundesamt (2012) Bevölkerung und Erwerbstätigkeit: Bevölkerung mit Migrationshintergrund Ergebnisse des Mikrozensus 2011. Wiesbaden.
12
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Ramazan Salman „Sucht und Migration“
2 Herausforderungen
Besondere Bedarfslage bei Migranten
• Soziale Ungleichheit hat Einfluss auf Suchtrisiken
• Migration macht nicht zwangsläufig krank aber die Verarbeitung
der Migration ist ein langwieriger Prozess und kostet viel Energie
• Migranten sind stärker von Sucht, Unfällen, HIV/AIDS, Adipositas,
psychischen Störungen, Diabetes u.a. Krankheiten betroffen
• Migranten und ihre Angehörigen sind schlechter informiert über
das Gesundheitssystem, Vorsorge, Früherkennung, Prävention
und Therapien
• Sprache und kulturelle Faktoren sind Barrrien in öffentliche und
private Versorgungsangebote
• Zugangsbarrieren beeinflussen Erkrankungen und Heilungschancen
sowie die Arbeitsbeziehung in der professionellen Begegnung
• Bedarf nach praxisnahen und nachhaltigen transkulturellen Lösungen
13
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Ramazan Salman „Sucht und Migration“
Stationäre Psychiatrische Versorgung
Repräsentative Umfrage der Arbeitsgruppe Psychiatrie & Migration der Bundesdirektorenkonferenz
Befragt wurden in den Jahren 2003 und 2006 insgesamt 350 Psychiatrische Kliniken in Deutschland
Patienten mit Migrationshintergrund…
•
Forensische Abteilungen:
27,2%
•
Abteilungen für Suchterkrankungen:
21,8%
•
Allgemeinpsychiatrie:
18,4 %
•
Suchtrehabilitationseinrichtungen:
11,4 %
•
Gerontopsychiatrie:
9,2%
•
Psychosomatik/Psychotherapie:
4,5%
Quelle: Koch E, Hartkamp N, Siefen RG & Schouler-Ocak M (2008) Patienten mit Migrationshintergrund in
stationär-psychiatrischen Einrichtungen – Pilotstudie der Arbeitsgruppe „Psychiatrie und Migration“ der
Bundesdirektorenkonferenz, Nervenarzt 2008, 79: 328-339
Prävalenz für psychische Erkrankungen
Für die Gruppe der erwachsenen Migranten ist die Re-Analyse des
Bundesgesundheitssurveys (BGS; Wittchen & Jacobi, 2001) von Bermejo,
Ruf, Mösko und Härter (2010) von repräsentativer Aussagekraft.
Vergleich der BGS-Daten von Migranten mit denen von Deutschen.
ICD-10 Diagnosen
Mit
Migrationshintergrund
ohne
Migrationshintergrund
F3: Affektive Störungen
17,9%
11,3%
F4: Somatoforme Störungen
19,9%
10,3%
12-Monatsprävalenz
Quelle: Bermejo, I., Ruf, D., Mösko, M, Härter, M (2010) Epidemiologie psychischer Störungen bei Migranten. In: W. Machleidt
& A. Heinz (Hrsg.), Praxis der interkulturellen Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 209-215.
14
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Ramazan Salman „Sucht und Migration“
Studie Hannover: Diagnosen
Verteilung ICD-10 Diagnosen nach Herkunft der Patienten (N=XY)
ICD-Diagnosen
F1 Psychische und
Verhaltensstörungen durch
psychotrope Substanzen
Sucht-Diagnosen
F2 Schizophrenie, schizotype
und wahnhafte Störungen
F3 Affektive Störungen
F4 Neurotische, Belastungsund somatoforme Störungen
Spielsucht und Migration
Spielsucht
„Ich konnte die innere Leere ausblenden“
Die Hälfte der Spielsüchtigen in Deutschland sind Männer mit
ausländischen Wurzeln. Die Älteren spielen in der Teestube, die
jüngeren in Spielhöllen oder Sportwettbüros.
http://www.zeit.de/gesellschaft/familie/2011-04/spielsucht-migranten
15
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Ramazan Salman „Sucht und Migration“
3 Migration, Inklusion, Integration
Suchtproblematik
1
2
3
Viele drogenabhängige Migranten berichten, dass sie
ihre erste Drogen aus Neugier und Mangel an
Information konsumiert hätten.
Aufgrund von Scham, Hilflosigkeit und Angst halten
sie ihre Drogenprobleme von ihren Eltern geheim und
suchen keine professionelle Hilfe.
Die Migranteneltern bemerken die Drogenprobleme
häufig nur sehr spät. Wenn die Angehörigen schließlich
von den Problemen erfahren, folgen oft verzweifelte
Bewältigungsversuche.
16
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Ramazan Salman „Sucht und Migration“
Andere Copingstrategien, z.B:
Migrationsspezifische Copingmuster bei Suchtproblemen
• Beginn
Drogenabhängigkeit
• Ende
Gescheitertes Coping
•
Therapie in der Heimat
•
Familienunterstützung
•
Geheimhaltung
•
Temporärer Aufenthalt in der Heimat
•
Militärdienst
•
Heirat
•
Glaube, Religion
•
Endgültige Rückkehr in die Heimat
•
Ausstoßung durch die Familie
Identität ein Balanceakt
Grundanforderung an jeden Migranten:
Wie finde ich eine Balance zwischen dem Eigenem und dem Fremden ?
Das
Fremde
Das
Eigene
Zuviel Wandel und Aufgeben des Eigenen führt zu Chaos, zu wenig Wandel zu Rigidität!
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11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Ramazan Salman „Sucht und Migration“
Migranten, ihre Familien & Loyalitätsbereiche
Familie - Peergroup
Alltägliche – säkulare –
existentielle – religiöse Welt
Schule - Arbeit - Freizeit
ethnische - regionale nationale Welt
Männerwelt - Frauenwelt
Quelle: Bekkum, 1999
Erwartung der Eltern
„Strenge Dich an,
erreiche alles was hier zu
erreichen ist, aber
verändere Dich nicht.“
Es entsteht für die Eltern durch die Migration eine beständige Konfrontation mit dem Wertesystem
der Aufnahmegesellschaft, die vielfach zu verstärkten Bemühungen um den Erhalt eigener
kultureller Werte führt (um eigene kulturelle Identität zu wahren), der jedoch in bestimmten
Konstellationen zu (vermehrten) Generationenkonflikten innerhalb der eigenen Familie hervorrufen
kann, weil Kinder und Jugendliche aufgrund ihrer Sozialisation in Deutschland sich deutlicher mit
der Kultur der Aufnahmegesellschaft verbunden fühlen als ihre Eltern (Merkens 1997).
18
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Ramazan Salman „Sucht und Migration“
Prävention: Wir brauchen Vorbilder & Botschaften!
Wir brauchen Euch, ihr seid die
Zukunft dieses Landes…
Es gibt einen Platz in dieser
Gesellschaft für dich, aber diesen
bestimmst auch Du…
Migration ist keine Behinderung!
Derdini söylemeyen derman bulamaz!
Wer nicht über sein Leid spricht,
dem kann auch nicht geholfen
werden…
4 Best Practice
19
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Ramazan Salman „Sucht und Migration“
Transkulturelle Öffnung der Suchthilfe
Ebenen der Transkulturellen
Öffnung der Suchthilfe in
Deutschland (in Anlehnung an De
Jong, 2006)
•
•
•
•
Dolmetscher
Leitlinien für Diagnostik und Therapie
Kultursensible Therapie/Strategien
Supervision/ Intervision
•
Aufbau von migrantenspezifischen
Angebote innerhalb der bestehenden
Suchthilfe (Bsp. MUDRA, DÖNÜŞ,
NOKTA, ISH)
Muttersprachliche Mitarbeiter
Fortbildung für Fachkräfte
•
•
•
•
•
Primärpräventive Aufklärung über
Sucht, Drogen und Hilfemöglichkeiten
Ausbildung von Lotsen und
Keypersons aus der Community
zwecks Aufklärung und Stärkung der
Eigenverantwortung
Sachliche Informationen und
Aufklärung über die Problematik
zwecks Sensibilisierung und Abbau
von Vorurteilen
Kultursensible Suchtprävention fördern!
Das ISH-Projekt
•
Projektträger:
seit 1996
•
Projektförderer:
•
Projektleiter: Ramazan Salman und Ahmet Kimil.
•
Das ISH-Projekt war das erste Drogenpräventionsprogramm für Migranten in
Deutschland (wahrscheinlich auch in Europa).
•
Es wurde bereits mehrmals als Best -Practice- Model ausgezeichnet.
20
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Ramazan Salman „Sucht und Migration“
Projekt Interkulturelle Suchthilfe (ISH):
Ergebnisse und Effekte
ISH-Projekt und seine Module
Interkulturelle Suchthilfe: Prävention und Beratung für Migranten/‐innen
1. Schulung
2. Kampagne
3. Medien
4. Evaluation
‐ Schlüsselpersonen aus Migranten‐
Communities werden
zu Mediatoren
geschult.
‐ Mehrsprachige Infoveranstaltungen in den Lebenswelten der Migranten (Setting Ansatz)
‐ Es werden mehrsprachige
Medien für Sucht‐
prävention erstellt.
‐ Schulungen und Infoveranstaltungen werden mit mehrsprachigen Fragebögen evaluiert.
‐Wegweiser
‐ Broschüren
‐ Toolkit
‐Handbuch für Experten
‐ 50 Stunden Schulung in Theorie und Praxis
‐ Forschung und Studien
5. Beratung: Betroffene, Angehörige, Gefährdete, Interessierte
21
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Ramazan Salman „Sucht und Migration“
Funktion der interkulturellen Mediatoren
Verhinderung bzw.
Reduzierung des
Konsums von Drogen
durch Aufklärung
Sucht ist ein
Tabuthema
(mangelnde
Kommunikation)
Informationen von
Mediatoren sind eher
vertrauenswürdig (er/
sie ist einer von uns)
Angst und
Misstrauen
gegenüber den
Angeboten der
Suchthilfe
Mediatoren /
Schlüsselpersonen
bauen Vertrauen zu
den Angeboten auf
Mediatoren sind
persönliche
Kontaktpersonen
ISH-Kampagne - Impressionen
22
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Ramazan Salman „Sucht und Migration“
Modul 4: Ergebnisse des ISH-Projekts
Mehrsprachige Kampagne
23
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Ramazan Salman „Sucht und Migration“
Teilnehmer mehrsprachige Kampagnen
5 Ausblick
24
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Ramazan Salman „Sucht und Migration“
BMBF Studie:
Effektivität und Kosteneffektivität
des Zugangsweges über muttersprachliche Präventionsberater zur
Optimierung des Gesundheitsverhaltens von Migranten
Gefördert durch:
Regionalanalyse, Monitoring & Angebotsplanung
Erste Studie aus dem Jahr 2009
Zweite Studie aus dem Jahr 2014
PDF Download: www.hannover.de
25
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Ramazan Salman „Sucht und Migration“
Fragen - Kontakt
Please
approach me
to talk more!
Vielen
Dank!
Thanks!
Teşekkürler!
Merci!
Mille Grazie!
Obrigado!
Ramazan Salman, Geschäftsführer
Ethno-Medizinisches Zentrum e.V.
Königstr. 6
30175 Hannover / Deutschland
Tel.: +49 (0)511 16841017
[email protected]
26
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
„Fortunas falscher Kuss“
Migration und Glücksspielsucht
Frank Gauls
Leiter
Gesprächspsychotherapeut (GWG)
Ambulante Suchthilfe Bethel
Fachstelle Glücksspielsucht
Bielefeld
Inhalt






Ausgangspunkte/Datenlage
Vergleich soziographischer Daten
Kulturspezifische Aspekte
Migrationsspezifische Risikofaktoren
Funktionalität des Glücksspiels
Migrationspezifische Aspekte in
Beratung und Behandlung der
Glücksspielsucht
27
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
Datenlage
Glücksspieler mit Migrationshintergrund:
 haben ein 3 fach erhöhtes Risiko
eine Glücksspielsucht zu entwickeln
 dies erhöht sich nochmals durch
Alter
 und Ausbildungs-/Erwerbsstatus
Page, 2011
Datenlage
Auch die BZGA stellt in ihrer
Untersuchung fest, „dass das Ausmaß
glücksspielassoziierter Probleme mit
den Merkmalen
 männliches Geschlecht
 niedrige Schulausbildung
 Erwerbslosigkeit und
 Migrationshintergrund
BZGA, 2014
korrespondiert.“
28
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
Datenlage




Männer haben der Studie zur Folge
ein 2,7-fach erhöhtes Risiko,
Menschen mit Migrationshintergrund
ein ca. 3,7-fach erhöhtes Risiko
Erwerbslose ein ca. 6,5-fach
erhöhtes Risiko und
Zudem führt ein niedriger
Bildungsstatus zu einem etwa 3,8fach erhöhten Risiko
BZGA, 2014
Datenlage


Sowohl in der ambulanten wie auch
stationären Rehabilitation liegt der
Anteil der Glücksspielsüchtigen mit
Migrationshintergrund deutlich höher
als in der Gesamtgruppe (ambl. 28%
vrs. 17%; stationär 37% vrs. 13%)
Männer sind häufiger betroffen als
Frauen
IFT, 2015
29
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
Bevorzugtes Glücksspiel
W etten
17%
Poker
7%
Kleines
Spiel
2,5%
Großes
Spiel
6%
Geldspielautomaten
77%
Fachstelle Glücksspielsucht, 2014
Bevorzugtes Glücksspiel
(Migranten)
Wetten
15,5%
Poker
6,7%
Kleines Spiel
4,4%
Großes Spiel
4,4%
Geldspielaut
omaten
84,4%
Fachstelle Glücksspielsucht, 2014
30
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
Geschlecht (Spieler)
weiblich
18%
männlich
82%
Fachstelle Glücksspielsucht, 2014
Geschlecht Migranten
weiblich
4%
männlich
96%
Fachstelle Glücksspielsucht, 2014
31
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
Alter
46,7
50
Angaben in %
45
40
35,5
33,3
35
30
26,7
22,5
25
20
16,7
15
9,2
10
5
3,3 2,2
2,2
1,7
0
ohne Migration
Migration
Fachstelle Glücksspielsucht, 2014
Familienstand
70
70
Angaben in %
60
50
40
40
40
30
20
12,5
6,7
10
4,2
0
ohne Migration
Migration
32
13,3
13,3
0
0
Fachstelle Glücksspielsucht, 2014
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
Schulabschluss
45
42,2 41
Angaben in %
40
35
31,1
30
25 24,4
23,3
25
20
15
10
5
0
3,3
0
0,8 0
3,3 2,2 2,5
ohne Migration
0,8
Fachstelle Glücksspielsucht, 2014
Migration
Ausbildungsstatus
70
62,5
57,8
60
Angaben in %
50
40
31,1
30
16,7
20
10
15
6,7
3,34,4
1,7
0,8
0
ohne Migration
Migration
33
Fachstelle Glücksspielsucht, 2014
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
Erwerbsstatus
60
Angaben in %
51,11
46,67
50
40
30
20
15,83
15
13,33
20
10
6,67
7,5
4,44
10
4,44
0,83 0 2,5
1,67 0
0
ohne Migration
Migration
Fachstelle Glücksspielsucht, 2015
Schulden
48
50
Angaben in %
41
45
40
35
27
30
25
20
17
20
18
15
9
10
9
7
2
5
0
ohne Migration
Migration
34
Fachstelle Glücksspielsucht, 2014
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
Vergleich sozigrafischer
Daten
Glücksspieler mit Migrationshintergrund:
 wohnen eher bei den Eltern
 sind häufiger verheiratet
 sind weniger alleinlebend
 verfügen über schlechtere
Berufsausbildung
 haben häufiger keine Ausbildung
 sind häufiger ALG II Empfänger
Vergleich sozigrafischer
Daten
Suchtkranke mit Migrationshintergrund:
 haben häufiger keinen, oder einen
niedrigen Schulabschluss
 verfügen seltener über eine
abgeschlossene Berufsausbildung
 sind häufiger nicht erwerbstätig
Deutsche Suchthilfestatistik,
2013, IFT München
35
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
Kulturspezifische Aspekte





Bei Glücksspielern mit Migrationshintergrund überwiegt die Gruppe der
türkischstämmigen Migranten
„Teehauskultur“ der Heimat gibt es
auch in Deutschland
Reine Männerdomäne (Rückzug)
Ort des Zusammenseins, des
Austausches, der Geselligkeit und
des (Glücks-) Spiels
Vgl. Sahinöz:2015, Bas: 2012, Becker: 2012
Kulturspezifische Aspekte




Sahinöz weist darauf hin, dass sowohl
die 1., wie auch die 2., aber auch noch
die 3. Generation hier oft erstmals den
1. Kontakt zum Glücksspiel haben
Teestuben auch Orte illegalen
Glücksspiels sind, und auch
Geldspielautomaten Einzug erhalten
haben
die Generationen die Glücksspielangebote unterschiedlich nutzen Vgl. Sahinöz:2015
36
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
Kulturspezifische Aspekte
Spielhallen und Sportwettbüros werden
wie Teestuben benutzt
sind (überwiegend) Männerdomäne
und
Orte des Rückzugs
Gefahr die von Glücksspielen
(insbesondere Automaten) ausgeht
wird unterschätzt




Vgl. Sahinöz:2015, Bas: 2012, Becker: 2012
Kulturspezifische Aspekte



Tuncay weist darauf hin, dass die Messung
des Migrationserfolges häufig über
externalisierte, materielle Werte stattfindet.
Die Auswanderung nach Deutschland erfolgte
mit der Hoffnung auf Reichtum und der
Hoffung die Daheimgebliebenen hierdurch
unterstützen zu können
Die Anhäufung von Statussymbolen wird als
Erfolg gesehen, der zu Ansehen, Stolz und
Ehre führt.
Vgl. Tuncay, 2010
37
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
Glücksspielmarkt
Psychosoziale
Belastungsfaktoren







Entwurzelung,
Anpassungsanforderung
Sprachbarriere
Enttäuschung der hochgesteckten
Erwartungen
Festhalten an Rückkehrabsichten,
damit verbundene Verunsicherung
Trennung von Familie
s.a. Tuna, 2002; Becker 2012
38
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
Risikofaktoren









Tradierung der Statusverbesserung
Erlebte Diskriminierung
Geringerer Bildungserfolg
Loyalitätskonflikt
Rückkehrabsicht der Eltern vrs. eigener
Wünsche
Trennung von Eltern in frühster Kindheit
Traumatisierung
Patriarchalische Familienstruktur
Veränderung der familiären Hierarchien
Funktion des Glücksspiels:



Rückzugsmöglichkeit aus dem als
belastend erlebten Alltag
(Abschalten)
Kompensation negativer Gefühle wie
Wut, Ärger, Enttäuschungen und
Überforderung
Selbstwertsteigerung durch
subjektiv erlebtes Kompetenzgefühl
39
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
Funktion des Glücksspiels:


Das Glücksspiel und die damit
verbundene Atmosphäre der
Spielstätte vermittelt das Gefühl des
erwünscht seins
Gewinne und Gewinnerwartung
vermitteln das Gefühl von
Kompetenz, Erfolg und steigern das
Selbstwerterleben
Kultur & Beratung

„Hör doch einfach auf“

„Verliere niemals Dein Gesicht“

„Probleme sind privat“

„Erfülle die Rolle als Mann“

„Stolz & Ehre“
s.a. Yüksel, 2002
40
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
Kultur & Beratung
Türkische Migranten begegnen uns in
Beratung mit der Vorstellung:
 das Glücksspielsucht keine Krankheit
ist
 sie dementsprechend aus eigener Kraft
aufhören können (müssten)
 sie nicht selbst für die Sucht
verantwortlich sind
 Der Berater/Therapeut das Rezept hat
41
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
Fazit



Glücksspiele bedienen die soziökonomischen
und kulturell geprägte Beürfnisstruktur von
Menschen mit Migrationshintergrund
Türkisch-stämmige Migranten sind besonders
oft betroffen
Wenn das Beratungs- und Behandlungsangebot kulturell bedingte Besonderheiten
einbezieht, lassen sich (Sprachbarrieren
ausgenommen) Menschen mit Migrationshintergrund gut ins bestehende Hilfesystem
integrieren
Forderungen




Einbeziehung und Information der
Community
Keine Ausweitung des Glückspielmarktes
Kohärente Regelung des Glücksspielmarktes
Verbesserung des Jugend- und
Spielerschutzes (Sperrmöglichkeit, keine
Spielhallen im Umfeld von Schulen)
42
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Frank Gauls „Fortunas falscher Kuss“
Herzlichen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit
Frank Gauls
Ambulante Suchthilfe Bethel
Fachstelle Glücksspielsucht
Gadderbaumer Str. 33
33602 Bielefeld
0521/772-78769
[email protected]
43
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Dr. Ursula Fennen „Wein, Weib und Gesang?“
SUCHTHILFE
Vortrag von Frau Dr. Ursula Fennen, MBA
am 26.November 2015
Besondere Herausforderungen in der
Behandlung suchtkranker Migranten aus
ehemaligen GUS Staaten
Dr. Ursula Fennen, MBA | Geschäftsführerin | Geschäftsbereich Suchthilfe
2
1. Kultursensible Psychotherapie
1.1 Kultur
• Kultur entsteht prozessual durch soziale
Interaktion und symbolische Praxis
• Kultur des Übergangs
• Migration und damit verbundene Transformation
des Individuums ist kultureller Prozess
26. November 2015 | Dr. Ursula Fennen
44
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Dr. Ursula Fennen „Wein, Weib und Gesang?“
3
1.2 Sprache
•
organisiert die innerpsychische Struktur
•
ist Brücke zwischen Ich-Struktur und
sozialer Funktion im interaktionellen
Prozess
•
ist kein Gradmesser für Integration
•
ist kein Synonym für Kultursensibilität
26. November 2015 | Dr. Ursula Fennen
4
1.3 Migration
• Entscheidungsphase (kann Jahrzehnte vorbereitet
•
•
•
•
werden)
Phase der Überkompensation mit Schuld, Scham,
Enttäuschung, Ängsten
Phase der Dekompensation mit Zweifeln, evtl.
Erkrankungsbeginn
Phase der Integration (Anpassung an die neue
Mehrheitsgesellschaft unter Beibehaltung alter
Werte)
Phase der Assimilation (vollständiges Einswerden
mit der Mehrheitsgesellschaft)
26. November 2015 | Dr. Ursula Fennen
45
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Dr. Ursula Fennen „Wein, Weib und Gesang?“
5
1.4 Phase der Dekompensation
• Verlust der Selbstkontinuität,
• Zerriebensein im transkulturellen Konflikt,
• Manifestation und Dekompensation der bereits
zuvor bestehenden strukturellen Störungen führen
zur
• Exazerbation der Suchterkrankung.
26. November 2015 | Dr. Ursula Fennen
6
2. Besondere Herausforderungen bei
Migranten aus ehemaligen GUS Staaten
•
Krankheitskonzept der Abhängigkeit
•
Alkoholkonsum und männliches bzw. weibliches
Selbstkonzept
•
Familienkonzept
•
Gesellschaftskonzept
•
Organisierte Kriminalität
26. November 2015 | Dr. Ursula Fennen
46
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Dr. Ursula Fennen „Wein, Weib und Gesang?“
7
2.1 Krankheitskonzept
• Keines!
• Auch übermäßiger Suchtmittelkonsum ist
gesellschaftlich üblich.
• Auffälligkeit durch Suchtmittel ist peinlich,
unmännlich, führt ggfls. Ächtung innerhalb der
Bezugsgruppe,
• was wiederum co abhängige Strukturen befördert.
26. November 2015 | Dr. Ursula Fennen
8
2.2 Männliches und weibliches Selbstkonzept
• Alkoholkonsum Initiationsritus und fester Bestandteil
in der männerdominierten Gesellschaft
• Männlichkeit = Trinkfestigkeit = Tatkraft (Archetypen)
• Frauen trinken gemäßigt, eine Frau, die zu viel trinkt,
ist eine „Schlampe“
• In beiden Fällen: Verlust von Würde, Ansehen, Stellung
bei auffälligem Konsum
26. November 2015 | Dr. Ursula Fennen
47
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Dr. Ursula Fennen „Wein, Weib und Gesang?“
9
2.3 Familienkonzept
• Patriarchalisches Familiensystem
• Der Vater verliert nach der Migration Einfluss,
Kompetenz und Bestätigung, somit
• Auflösung der inneren Familienhierarchie bei
weiterem Zusammenleben der Familien.
• Co abhängige Strukturen
26. November 2015 | Dr. Ursula Fennen
10
2.4 Gesellschaftskonzept
Sozialisationsziel der Kollektivgesellschaft ist:
• Seinen Platz in der Bezugsgruppe zu finden und
störungsfrei auszufüllen.
• Familie ist die gegen den Staat beschützende
Bezugsgruppe.
• Familie ist wirtschaftliche und moralische
Existenzgrundlage und –sicherung.
26. November 2015 | Dr. Ursula Fennen
48
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Dr. Ursula Fennen „Wein, Weib und Gesang?“
11
2.5 Organisierte Kriminalität
• wurzelt in der Stalinzeit mit Verfolgung und
Inhaftierung politischer Häftlinge
• Kooperation des Staats mit kriminellen Autoritäten
(Diebe im Gesetz)
• Bedeutung von Tätowierungen
• das Dach, die Kollektivabgabe
• Romantisierung von Straftaten vs. Aufstieg der
Oligarchen
26. November 2015 | Dr. Ursula Fennen
12
Besondere Herausforderungen bei Migranten
aus ehemaligen GUS Staaten
•
Krankheitskonzept der Abhängigkeit
•
Alkoholkonsum und männliches bzw. weibliches
Selbstkonzept
•
Familienkonzept
•
Gesellschaftskonzept
•
Organisierte Kriminalität
26. November 2015 | Dr. Ursula Fennen
49
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Dr. Ursula Fennen „Wein, Weib und Gesang?“
13
3. Kultursensibilität in der Rehabilitation
Abhängigkeitskranker
• Bereitstellung eines transkulturellen
Übergangsraums,
• in dem Altes Wertigkeit, Berechtigung und
Bestand hat,
• aber neues überwiegt, vorgelebt und eingefordert
wird.
26. November 2015 | Dr. Ursula Fennen
14
3. Kultursensibilität in der Rehabilitation
Abhängigkeitskranker
• Wertschätzende Haltung für die mitgebrachte
Kultur ermöglicht
• die Lösung von dieser,
• dazu notwendige Übergangsobjekte wie Sprache,
Symbole und Stile können anfangs beibehalten,
• um dann gegen Ende der Behandlung ersetzt zu
werden
• durch für jeden individuell annehmbare
• moralische, gesellschaftliche, soziale und
spirituelle Werte der Mehrheitsgesellschaft.
26. November 2015 | Dr. Ursula Fennen
50
11. BSG „Elternschaft und Suchterkrankung“
Dr. Ursula Fennen „Wein, Weib und Gesang?“
15
3. Kultursensibilität in der Rehabilitation
Abhängigkeitskranker
• Der Transkulturelle Übergangsraum ist das Analogon
•
•
•
•
•
zum intermediären Raum nach Winnicott,
in dem das Kind die Symbiose mit der Mutter löst,
(der Patient die Symbiose mit dem Heimatland)
Differenz und Ähnlichkeit wahrnimmt,
innere Realität mit äußerem Leben abgleicht
und über die trianguläre Beziehung( von Herkunftsund Mehrheitsgesellschaft)
eine reife Identität ausbildet.
26. November 2015 | Dr. Ursula Fennen
16
Zwischentitel
26. November 2015 | Dr. Ursula Fennen
51