Mit dem Rolli in die Schlacht

Titel
Auf den Spuren Bonapartes
Mit dem Rolli in die Schlacht
„Vater und Sohn 1813“, so nennen sich Stefan Hückler und sein Sohn Jonas, wenn es
sie mal wieder hinauszieht, auf die großen europäischen Schlachtfelder. Meistens sind
die beiden dann auf den kriegerischen Spuren von Napoleon Bonaparte unterwegs, in
Russland, in Frankreich, in Deutschland und anderswo.
wir im Internet zu einem günstigen Kurs“, berichtet Vater Stefan. Das ist die preiswertere Variante, sich stilecht auf den Schlachtfeldern zu
bewegen. Im zweiten Stock des Hückler-Hauses
sind die wertvollen Textilien wohlgeordnet in
einem Kleiderschrank platziert. Rund 20 Uniformen hängen da ordentlich in Reih und Glied,
dazu Mäntel, Jacken, aber auch Mützen und
Pickelhauben. Plastikfolien schützen die Textilien vor den lästigen Motten. Die Uniformen
sind Nachbildungen der Originaltextilien. „Da
stimmt jedes Detail, vom einfachen Knopf bis
zum komplizierten Rangabzeichen“, berichtet
Stefan Hückler. Manche hohen Offiziere lassen
sich ihren Auftritt richtig was kosten. Sie treten
in den Schlachten mit einer maßgeschneiderten
Uniformierung auf, die nicht selten mehr als
10.000 Euro kostet.
Der Moment, als Napoleon ihm auf die Schulter klopfte,
bleibt Jonas Hückler in besonderer Erinnerung.
D
er französische Kaiser, General und Revolutionär schlug
sich in seinem Leben von 1769 bis 1821 ja durch ganz Europa, bevor er die Schlacht bei Waterloo verlor und anschließend auf die Atlantikinsel St. Helena verbannt wurde. „Wir
dienen ihm als französische Soldaten“, erklärt der 18-jährige
Jonas Hückler stolz. Jonas und sein Vater waren aktive Teilnehmer der großen Schlachten, die in den vergangenen Jahren
immer wieder europaweit „nachgespielt“ wurden. Doch Jonas
Hückler ist nicht irgendein gemeiner Soldat. Auf den Schlachtfeldern fällt er auf, weil er im Rollstuhl sitzt. Der junge Berliner hat Muskelschwund (Muskeldystrophie). Das ist wirklich
etwas Besonderes in seinem ambitionierten Hobby, wo zumeist schnittige, kernige Soldaten den Ton angeben.
„Wenn ich mit meinem Vater zu den Schlachten anreise, weiß
ich eigentlich immer, dass es keinen einzigen anderen Freizeitsoldaten gibt, der im Rollstuhl sitzt“, erklärt Jonas Hückler.
Wenn der junge Mann in den Kampf zieht, ist er selbstverständlich standesgemäß gekleidet. Der junge Hückler bekleidet in Napoleons Armee den Rang eines einfachen französischen Soldaten. „Unsere historischen Uniformen schneidern
wir uns aus gebrauchten Feuerwehrmänteln. Die ersteigern
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„Der Pulverdampf ist wie eine Droge!“
Ihr Hobby hat Vater und Sohn mittlerweile
durch halb Europa gebracht. Mal reisen die
Freizeithistoriker in einer Gruppe zu den historischen Orten, mal geht es privat mit dem Auto in die Ferne.
„Der Pulverdampf ist wie eine Droge! Das lässt einen nicht
mehr los“, sagt Jonas Hückler. Wenn er als Soldat an einer
Schlacht teilnimmt, ist er meistens mitten im Getümmel. Sein
Rollstuhl stört da wenig. Es sei denn, es regnet stark und die
Erde ist matschig. „Dann schiebe ich meinen Sohn zu seinem
Standort“, erklärt der Vater und verweist lachend auf seine
muskulösen Arme. Die Schlachten sind immer an der detailgetreuen Choreografie und Dramaturgie orientiert. „Da wird
nichts dem Zufall überlassen. Es soll alles so aussehen und
sich entwickeln, wie es sich wirklich zugetragen hat“, so Stefan
Hückler. Darauf legen nicht nur die Hücklers großen Wert. Es
gab unter Napoleon sogar Behindertenbataillone, haben die
Hücklers recherchiert. Doch weil es heute kaum behinderte
Darsteller auf den Schlachtfeldern gibt, ist Jonas ein beliebter
Außenseiter. Er ist voll integriert in das einfache Lagerleben
in den großen Biwak-Zelten. Hier wird gemeinsam gekocht
und getrunken, sich vom schweren Kampf erholt. Die verschiedenen Sprachen der Darsteller sind für die Hücklers kein
Problem. Es geht international zu, so wie früher.
Ein Hobby wird zum Beruf
Jonas Hückler und sein 55 Jahre alter Vater haben ihr Hobby
intensiviert und professionalisiert. Die beiden Hobbyhistoriker haben sich jetzt entschlossen, zeitgleich mit dem 200-jäh-
Titel
rigen Jubiläum der
Schlacht bei Waterloo
in diesem Jahr, ein Unternehmen zu gründen, das barrierefreie
historische Führungen
in historischer Uniformierung in Berlin und
Brandenburg anbietet.
„Dabei fing alles mit
ein paar harmlosen
Burgenbesichtigungen
Jonas liebt das einfache Lagerleben.
im Jahr 2004 an“, erinnert sich das Duo. Die
Marienburg in Polen ist eine der größten ihrer Art in Europa.
Sie weckte die Leidenschaft der Hücklers. Vater und Sohn
waren begeistert und schwer beeindruckt von der Größe
der militärischen Präsenz dieser wuchtigen Anlage. „Aber an
das Verkleiden und das aktive Teilnehmen an historischen
Schlachten haben wir da noch nicht gedacht“, sagen die beiden. Sie haben sich wohl auch nicht richtig getraut. Ein Soldatendarsteller im Rollstuhl ist und bleibt die große Ausnahme.
In zivil also besuchten die Hücklers in der Folge einige historische Feste und Schlachten, ehe es dann auch für sie ernst
wurde.
i
•Geschichtsinteressierte, die gern als Geschichtsdarsteller der Napoleonischen Epoche ihre Freizeit verbringen
möchten, können sich bei der Familie Hückler, E-Mail:
[email protected], über Darstellervereine im
näheren Wohnumfeld informieren. Eine deutschlandweite vollständige Auflistung gibt es leider noch nicht.
Helfen kann aber auch: www.reenactorforum.waszmann.de oder www.fecho.de/Gruppen/
•
Im Dezember 2005 reisten die beiden Darsteller nach Tschechien, um an der Schlacht bei Austerlitz teilzunehmen. Am
Pratzeberg zwischen Brünn und Austerlitz im tschechischen
Mähren besiegte Kaiser Napoleon I. von Frankreich im Jahr
1805 eine Allianz aus österreichischen Truppen unter Kaiser Franz I. und russischen Truppen unter Zar Alexander I.
Für die Hücklers war die sprichwörtliche Feuertaufe keine
einfache Reise. „Die lange Fahrt im Privatauto war anstrengend. Ein behindertengerechtes Hotel zu finden, schien aussichtslos und der Bus, der uns dann vom Hotel zur Schlacht
fahren sollte, hatte Verspätung. Außerdem hatten wir große
Probleme, zwischen den ganzen Zuschauern mit dem Rollstuhl auf das Schlachtfeld zu kommen“, erinnert sich Jonas
Hückler an seinen ersten Auftritt in Uniform. Aber am Ende
hatte dann doch alles funktioniert und Vater und Sohn waren
ziemlich glücklich über ihre Premiere als Historiendarsteller.
Seitdem ließen die beiden Berliner kaum eine wichtige Darstellung einer Schlacht aus – und das immer auf den Spuren
Napoleons. Sie waren in Leipzig dabei, als die große Völkerschlacht vom Oktober 1813 genau 200 Jahre später noch einmal nachgespielt wurde. Hier ging Napoleon als Verlierer vom
Feld. Rund 70.000 Zuschauer beobachteten das Schauspiel.
Nicht weniger als 7.000 Laienschauspieler sorgten in Leipzig
für die Umsetzung dieses Spektakels.
Eine bleibende Erinnerung für Vater und Sohn ist aber auch
die Darstellung der Schlacht in Borodino, rund 100 Kilometer
vor Moskau. Vor drei Jahren reisten die Hücklers mit einigen
Mitstreitern im Bus nach Russland und erlebten dort aufregende Tage. „Napoleon hat mir dort sogar auf die Schulter geklopft“, schwärmt Jonas Hückler mit leuchtenden Augen.
Wer im Raum Berlin und
Brandenburg barrierefreie
Geschichtsführungen auf
alten Schlachtfeldern, natürlich auch nach individuellen Wünschen gestaltet,
erleben möchte, der kann
sich jederzeit bei den
Hücklers, E-Mail: info@
historienwanderer.de, informieren. Organisierte
Tages-Gruppenausflüge
sind ihre Spezialität. In
Kürze ist auch die Webseite der Berliner Familie
online: www.historienwanderer.de.
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Torsten Haselbauer
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