Big Data.Hotellerie - Swiss Hospitality Collection

online & technik 17
htr hotel revue
Nr. 30/31 / 23. Juli 2015
Big Data. Hotellerie. Das massenhafte Sammeln, Auswerten und Nutzen von Daten wird für die Branche immer relevanter.
Experten und Branchenvertreter über die Chancen, welche Big Data heute für die Hotellerie bereithält.
Treffsichere Angebote für den Gast und
eine bessere Kommunikation mit ihm
werden als die grossen Vorteile von Big
Data genannt. Ketten
gehen das bereits
strategisch an.
NATHALIE KOPSA
J
eder Mensch, der im Inter­
net surft, dort einkauft oder
seine nächste Übernach­
tung bucht, hinterlässt eine
Menge digitaler Spuren.
Doch wie kann man die rasant
wachsende Datenflut in nützliche
Informationen verwandeln, mit
der sich das Geschäft zusätzlich
beflügeln lässt? Genau dies ist die
grosse Herausforderung von Big
Data, sagt der Münchner Marke­
tingexperte Michael Toedt: «Bei
Big Data geht es darum, die vor­
handenen Daten in einem Hotel
intelligent zu verknüpfen und
auszuwerten, um einen Mehrwert
zu schaffen, der sich im Umsatz
niederschlägt. Es geht darum, Ge­
winne zu optimieren, die Kom­
munikationsqualität zu verbes­
sern und durch saubere Analysen
richtige Investitionsentscheidun­
gen zu treffen», erklärt Toedt, wel­
cher auch im Auftrag von hotelle­
riesuisse Schweizer Hoteliers zum
Thema informiert (siehe Interview
unten). Die Zukunft gehöre nicht
mehr dem Massenmarketing, so
Toedt weiter, sondern es geht um
das richtige Angebot zum richti­
gen Zeitpunkt.
Personalisiertere Dienstleistungen
für den Gast
Dass Big Data für die Hotellerie
immer relevanter wird, steht für
Thomas Allemann, Mitglied der
Geschäftsleitung von hotellerie­
suisse, ebenfalls ausser Frage.
«Big Data ist ein äusserst wichti­
ges Thema für unsere Branche,
wird aber noch zu wenig als sol­
ches wahrgenommen. Das liegt
zum einen daran, dass die Daten
noch zu wenig systematisch ge­
sammelt werden und noch dazu
mit den unterschiedlichsten Sys­
temen.» Zum anderen mangle es
an Verständnis, wie man die ge­
sammelten Daten aus den ver­
schiedenen Systemen zusam­
Nachgefragt
Michael Toedt
Unternehmensberater und
Managing Partner der
Toedt, Dr. Selk & Coll.
(TS&C) mit Sitz in München.
Als Experte, Autor und
Referent ist er vor allem in
den Bereichen Big Data und
Hotelmarketing tätig.
Nächste Vorträge in der
Schweiz hält Michael Toedt
unter anderem am
Hotelmarketing-Tag von
hotelleriesuisse und
Schweiz Tourismus am
8. und 9. September 2015 in
Zürich und Genf.
Die digitalen Spuren, welche jeder User online dauernd hinterlässt, enthalten auch für die Branche wertvolle, auswertbare Informationen.
Fotolia/Dreaming Andy
Spurenleser in der Hotellerie
menbringt
und
«Big Data wird in und miteinander
vernetzt werden.
auswertet, damit
der Hotellerie
Und die Daten
man sie zum Bei­
spiel für das Mar­ noch zu wenig als müssen so aufbe­
keting einsetzen
werden, dass
wichtiges Thema reitet
könne.
«Mir
man sie auch sinn­
scheint, dass es bei wahrgenommen.» voll
analysieren
den Firmen aber
kann. Dazu muss
Thomas Allemann
auch an konkreten
man zum Beispiel
hotelleriesuisse
Lösungen für ei­
wissen, wer der
nen integralen Ansatz mangelt. Es Gast ist, der im Newsletter auf den
ist deren Aufgabe, das voran­ Link geklickt hat und danach auf
zutreiben» so Thomas Allemann. die Website geht. Technisch ist
Denn ohne eine sinnvolle Ver­ dies eigentlich kein Hexenwerk,
knüpfung sind die Informationen aber man braucht dafür Leute, die
praktisch wertlos, wie Michael das technische mit dem ana­
Toedt feststellt: «Die verschie­ lytischen Verständnis verbinden
denen Datentöpfe müssen in die und die Zusammenhänge verste­
IT-Struktur eines Hotels integriert hen.»
Was können Hotels in puncto
Big-Data-Marketing von den
grossen Buchungsportalen
lernen?
Hoteliers sind diesbezüglich
produktorientiert und haben
den Gast dabei sehr häufig aus
den Augen verloren. Hotelmanager glauben zwar das
Richtige zu tun, treffen ihre
Entscheidungen aber auf Basis
falscher Analysen oder aus dem
Bauch heraus. OTAs sind im
Gegensatz zu Hotels komplett
kundenorientiert und versuchen
den Wünschen entsprechend
sinnvoll und effizient nachzukommen. Mitunter ist das ein
Grund, warum die OTAs so
erfolgreich sind: Sie «hören»
ihren Kunden zu. Das bedeutet
im Zeitalter von Big Data
natürlich nicht, dass der Kunde
hierfür mühsam befragt werden
muss, sondern dass die Daten,
welche die Kunden überall und
jederzeit hinterlassen, gesammelt und genauestens analysiert werden. Viele Hoteliers
wissen heute so gut wie nichts
über ihre Gäste, weil sie
technologisch den Anschluss
verloren haben. Man hat
schlichtweg nicht gemerkt, wie
die Datenrevolution das
Wirtschaften und somit auch
das Handeln verändert.
Das heisst konkret?
Ein sehr einfaches Beispiel:
Eine OTA kennt nicht nur die
komplette Kaufhistorie mit all
ihren Facetten für jeden
einzelnen Kunden, sie weiss
auch, wann der Kunde die
Website besucht hat, was er
sich dort angesehen hat, auf
welche Links im Newsletter er
geklickt hat und wie sein
Feedback aussieht. Hierdurch
entsteht ein umfassendes Bild,
das sich automatisch weiter
entwickelt und immer aussagekräftiger wird, je länger die
Kundenbeziehung dauert.
Hoteliers haben hingegen fast
nirgends eine zentrale marketingorientierte IT-Strategie
verfolgt, mit dem Ergebnis,
dass viele autarke Insellösungen betrieben werden, die eine
intelligente Nutzung verhindern. OTAs sind anders als
Hotels datengetriebene
IT-Unternehmen. Hotelverantwortliche müssen sich das
notwendige Know-how
aneignen, sonst verlieren sie in
Zukunft immer weiter an
Boden.
Auch
in
einem Anhang an
«Je mehr Daten
Deutschland ha­
sein Mobiltelefon
der Hotelier vom gesandt wird, mit
ben die Branchen­
deren Hilfe er sei­
verbände Big Data
Gast speichert,
auf ihre Agenda umso treffsicherer ne Zimmernum­
gesetzt. Dass sich
mer erfährt und
das Marketing.»
die Hotellerie mit
die Zimmertür öff­
dem Thema be­
nen kann. Die
Markus Luthe
Möglichkeiten
schäftigen muss,
Hotelverband Deutschland
sind
unendlich
steht auch für
Markus Luthe, Geschäftsführer und eröffnen schon heute noch
des Hotelverbands Deutschland vor wenigen Jahren ungeahnte
(IHA), fest. Warum? Luthe erklärt Dienstleistungen. Anders ausge­
es mit einem Blick in die nicht all­ drückt: Je mehr Daten der Hote­
zu ferne Zukunft: «Eine biometri­ lier über seinen Gast erhebt und
sche Gesichtserkennung könnte speichert, umso personalisiertere
etwa dafür sorgen, dass der Kunde Dienstleistungen kann er anbie­
sofort mit seinem Namen ange­ ten und umso treffsicherer ist sein
sprochen und eine Nachricht mit Marketing.»
Sie sagen in Ihrem Blog, dass
der nächste grosse Player im
Reisebereich schon in den
Startlöchern steht und der
Hotellerie «richtig wehtun»
wird. Der Player, den Sie
meinen, ist die «Datenkrake»
Amazon. Warum muss sich die
Branche davor fürchten?
53 Prozent aller Online-Käufe
starten bei Amazon. Das
bedeutet, dass es wohl kaum
ein Unternehmen gibt, dass so
viel über seine Kunden weiss.
Von der Kaufkraft über die
Interessen, alles ist vorhanden.
Amazon war von Beginn an ein
kundenorientiertes und
datengetriebenes Unternehmen. Das Ziel von AmazonGründer John Bezos ist es, den
richtigen Kunden zur richtigen
Zeit die richtigen Informationen
zukommen zu lassen. Entsprechend wäre der Schritt in die
Hotelvermittlung nur konsequent. Wehtun würde diese
Entscheidung den Hoteliers,
weil hierdurch der Anteil der
Direktbuchungen nochmals
reduziert würde. Ich gehe nicht
davon aus, dass der Market
Share der anderen OTAs
einbrechen würde, sondern
vielmehr, dass der Gesamtanteil
der vermittelten Buchungen
stiege. Letztlich führt dies dann
natürlich zu sinkenden Betriebsergebnissen.
Die Öffnung des Buchungsportals accorhotels.com für
unabhängige Häuser hat
kürzlich für Aufhorchen
gesorgt. Was hat dieser Schritt
mit Big Data zu tun?
Accor versucht, wie viele
andere grosse Ketten auch,
verzweifelt die Versäumnisse
der letzten Jahre aufzuholen.
Letztlich geht es Accor darum,
das eigene Portal mit zusätzlichen Angeboten attraktiver zu
machen und mehr Besucher auf
die eigene Website zu locken.
Ob Accor die notwendigen
Budgets hat, um die eigene
Seite auch langfristig entsprechend zu platzieren, bezweifle
ich aber. Der spannende
Aspekt, wenn das Portal doch
erfolgreich sein sollte: Gäste,
die zunächst nicht bei einem
Accor-Haus gebucht haben,
würden sich anschliessend in
der Accor-Marketing-Maschinerie wiederfinden. Somit könnte
Accor seine eigenen Häuser
zumindest in einem zweiten
Schritt besser belegen. nk
Grosse Hotelkonzerne wie Ac­
cor gehen Big Data im grossen Stil
strategisch an. Erst kürzlich hat
man dort die digitale Infrastruktur
und Datenverwaltungssysteme
grundlegend modernisiert und
225 Millionen Euro in die Digitali­
sierung investiert. Vor allem die
Stärkung der bereits vorhandenen
eigenen Systeme steht im Vorder­
grund: TARS (The Accor Reserva­
tion System) als Accor-Vertriebs­
system, das 59 Prozent der
Buchungen des Konzerns und
über fünf Millionen Anfragen pro
Tag bündelt, und das Portal accor­
hotels.com, das im Durchschnitt
45 000 Buchungen pro Tag verwal­
tet. Eine wichtige Datenquelle ist
auch das Bonusprogramm Le
Club Accorhotels. «Hierüber treue
Kunden und deren Daten mit de­
ren Einverständnis zu gewinnen
und daraus abgeleitete zielgerich­
tete Angebote zu machen und
Vorteile anzubieten, ist elemen­
tar», lautet der Kommentar von
Eike Kraft, Vice President Corpo­
rate Communications.
Wissen, wer die Gäste sind, als
grösstes Gut
Treffsicherere Angebote und
eine bessere Kommunikation ste­
hen auch für Stefan Matthiessen,
Director of E-Commerce & CRM
von Althoff Hotel Collection, im
Vordergrund. Die Kenntnis darü­
ber, wer die Kunden sind, was sie
antreibt, in den Hotels zu schlafen
oder Tagungen und Events abzu­
halten, sei das grösste Gut, stellt er
fest. Doch auch die Kommunika­
tion mit den Gästen könne mar­
kant verbessert werden. «Statt ex­
plizierter Rückbestätigung eines
Gastes brauchen wir heute nur
noch dem Konsumverhalten und
der Interaktion des Kunden mit
dem Produkt auf den Grund zu
gehen, um zu wissen, über welche
Kanäle und zu welchen Themen
eine Ansprache wirklich ge­
wünscht ist.»
Die neuen Spurenleser nehmen
die Fährte auf.