3. - WIFI Wien

11. Österreichischer Personalverrechnungskongress 2015
Arbeitsrechtliche Neuerungen
o. Univ.-Prof. Dr. Franz Schrank
Wien, 5.11.2015
Teil 1: Arbeitsrechtliche
Neuerungen aus der Gesetzgebung
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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Neue Teilpension-Altersteilzeit
ab 1.1.2016
-- Wodurch unterscheidet sie sich
von der bisherigen Altersteilzeit?
-- Normale Altersteilzeit und TeilpensionAltersteilzeit hintereinander?
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Neuer § 27a ab 1.1.2016:
„Teilpension – erweiterte Altersteilzeit“
• Ist zwar keine Teilpension, doch wird das Altersteilzeitgeld des AG im Gesetz „Teilpension“ genannt.
• Statt und frühestens ab Korridorpensionsanspruch
Vereinbarung einer kontinuierlichen (wie sonst
schaden auch kleine Blockungen innerhalb von 12
Monaten mit Abweichungen von bis zu +- 20% der
Normalarbeitszeit nicht) Altersteilzeit mit gesetzlichem Lohnausgleich. Ersatzkraft nicht nötig.
• Begünstigung: 100% Ersatzrate Altersteilzeitgeld
(Ersatz der Mehrkosten des AG).
• Maximaldauer: Regelpensionsanspruch, daher meist 3
Jahre (63.-65. Lj.), in Kombinations- oder Umstellfällen
bis zu insgesamt 5 Jahren. Zur Umstellmöglichkeit des
AG siehe nachstehenden Gesetzestext:
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Umstellmöglichkeit laufender
Altersteilzeiten: § 27a
•
„(8) Für Personen, für die der Arbeitgeber bereits Altersteilzeitgeld
gemäß § 27 bezogen hat, gelten die Voraussetzungen gemäß Abs. 2 Z
2 auch als erfüllt, wenn die kontinuierliche Herabsetzung der
Arbeitszeit mit Beginn der Altersteilzeit erfolgte und seither ununterbrochen vorliegt. Grundlage für die Bemessung der Teilpension ist in
diesem Fall das zuletzt bezogene Altersteilzeitgeld mit der Maßgabe,
dass der abzugeltende Aufwand statt 90 vH nunmehr 100 vH beträgt.
Eine Teilpension kann in diesem Fall jedoch nur für die auf die
Höchstdauer von fünf Jahren gemäß § 27 Abs. 2 noch fehlende Zeit
bezogen werden. Für Personen, für die bereits Altersteilzeitgeld auf
Grund einer Blockzeitvereinbarung bezogen wurde, besteht kein
Anspruch auf eine Teilpension.
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Antworten auf die Fragestellungen
• Die Unterschiede zu den normalen Altersteilzeiten:
Die Teilpension ist keine Pension, sondern letztlich ebenfalls Altersteilzeitgeld für kontinuierliche Altersteilzeiten
an den AG, mit einer Mehrkostenersatzrate von 100%
statt 90%. Die TP ist aber wesentlich kürzer – sie setzt
eine nicht bezogene Korridorpension voraus und ist daher mit bis zu 3 Jahren auf das 63.-65. Lj. begrenzt.
• Kontinuierliche ATZ und Teilpension sind auch als
Abfolge möglich, aber mit insgesamt 5 Jahren begrenzt.
• Auch die TP bedarf einer Vereinbarung AG-AN.
• Einer solchen bedarf jedoch ab einem Korridorpensionsanspruch der Umstieg aus einer vereinbarten laufenden
kontinuierlichen ATZ in die AG-günstigere TP nicht. Hier
genügt ein rechtzeitiger AMS-Antrag des AG!
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BAG-Novelle, u.a. zur automatischen
Endigung von Lehrverhältnissen
• In Kraft seit 10.7.2015. Inhalte zur aut. Endigung:
-- Bei Endigung durch Tod des AG ist nunmehr der
Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren an die
Lehrlingsstelle informationspflichtig (§ 9 Abs. 9a); die
Mitteilungspflicht des AG und damit der Erben ist entfallen (§ 9 Abs. 9 lit. b).
-- Erweiterung der Endigungstatbestände um rechtskräftig negativen Bescheid eines Asylverfahrens (§ 14
Abs. 2 lit. f neu)
-- Neue Sanktion, wenn Lehrberechtigter Lehrling nicht
unverzüglich (wohl ohne unnötigen Aufschub, spätestens jedoch binnen vier Wochen) vom Wegfall d. Ausbildungsbefugnis (Zurücklegung Gewerbe) oder von
Ausbildungsausschluss informiert.
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Zugehörige Texte der BAG-Novelle
• 33. Im § 14 Abs. 2 wird … folgende lit. f angefügt:
• „f) ein Asylverfahren des Lehrlings mit einem rechtskräftigen negativen
Bescheid beendet wurde.“
• 34. § 14 wird folgender Abs. 4 angefügt
• „(4) Wird ein Lehrling vom Lehrberechtigten vom Eintritt eines Endigungsgrundes gemäß Abs. 2 lit. d nicht unverzüglich informiert,
hat dieser gegenüber dem Lehrberechtigten für die Dauer der fortgesetzten Beschäftigung die gleichen arbeits- und sozialrechtlichen
Ansprüche wie aufgrund eines aufrechten Lehrverhältnisses (Arbeitsverhältnis). Bei Kenntnis des Lehrlings von der eingetretenen
Endigung des Lehrverhältnisses endet dieses Arbeitsverhältnis ex
lege. Dem Lehrling steht ein Entschädigungsanspruch entsprechend
den auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Bestimmungen für
berechtigten vorzeitigen Austritt zu.“
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Änderungen zum „Lohndumping-“
bzw. Unterzahlungsverbot:
1. Sozialbetrugs-Bekämpfungsgesetz
mit AVRAG-Novelle – Verständigung der AN
2. Die neuen LSDB-Richtlinien des BMASK –
Praxiswichtige Auswahl und Hinweise
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1. SBBG: AVRAG-Novelle
BGBl. I 2015/113 (Art. 6)
LD-Mitteilungspflicht SV
an betroffene AN
• Vorher:
GKK muss betroffene AN
erst von Strafbe-scheid
der BVB ver-ständigen
5. 11.2015
• Seit 14.8.2015:
GKK muss AN schon von
ihrer Anzeige verständigen, muss bzw. darf also
den Strafbescheid nicht
abwarten.
• Grunde dafür? Praktische
Auswirkungen?
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2. Wichtige LSDB-Richtlinieninhalte (1)
•
•
•
•
•
•
•
Grundsätzliches:
Nur „Auslegungsbehelf“, insbes. zu den §§ 7e und 7n
Über Gesetz hinausgehende Rechte und Pflichten aus
Erlass nicht ableitbar.
Bei Erledigungen KZ keine Zitierungen des Erlasses!
LSDB-Richtlinien 2015 auf Homepage des BMASK.
Einzelinhalte:
Keine behördl. Lohnkontrolle für Entgeltbestandteile in
Betriebs- oder Einzelverträgen
Arbeitsrechtlicher Arbeitnehmerbegriff, aber wahrer
wirtschaftlicher Gehalt, tatsächlich gelebte Praxis ...
Eigene behördliche Vorfragenbeurteilung
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Wichtige LSDB-Erlassinhalte (2)
• Jene Fallkonstellationen keine Entsendungen, in denen AN Leistungen aus seinem Arbeitsvertrag erbringt,
die keine bzw. kaum Auswirkungen auf den inländischen Arbeitsmarkt haben und somit weder in
Konkurrenz zu im Inland tätigen AN noch zu
inländischen Unternehmen stehen.
• Dem entsprechen die Ausnahmen des § 7b Abs. 1a
AVRAG, außer bei Abs.1b
• Verhandlungen, aber auch konzerninterne Projekttreffen
können unter Besprechungsausnahme fallen.
• Unter Seminarausnahme fallen Workshops und Vorträge, aber auch kurzfristige Schulungen zu Weiter- und
Fortbildungszwecken, ebenso entsandte Vortragende
• Bei längerfristigen Einschulungen ausl. AN in inländischem Betrieb ist Überlassungsfrage zu prüfen.
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Wichtige LSDB-Erlassinhalte
(3)
• Dem entsprechen die Ausnahmen des § 7b Abs. 1a
AVRAG, außer bei Abs.1b
• Verhandlungen, aber auch konzerninterne Projekttreffen
können unter Besprechungsausnahme fallen.
• Unter Seminarausnahme fallen Workshops und Vorträge, aber auch kurzfristige Schulungen zu Weiter- und
Fortbildungszwecken, ebenso entsandte Vortragende
• Bei längerfristigen Einschulungen ausl. AN in inländischem Betrieb ist Überlassungsfrage zu prüfen.
• Kurzfristige solche Entsendungen mit Dienstleistungsvertrag in Österreich sind zwar meldepflichtig, aber
nicht nach österr. Normen entgeltpflichtig, sodass
Lohnkontrolle obsolet ist:
Im Pflichtfeld „Entgelt“ ist der Betrag 0,01 einzusetzen; weiters ist im Feld
„Sonstiges“ zu vermerken: „Montageprivileg“ oder kurzfristige Inlandstätigkeit und nähere Angabe des Ausnahmetatbestandes.
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Wichtige LSDB-Erlassinhalte (4)
• Neu: Bloße Rahmen(Quartals)meldung bei Entsendung
aufgrund eines laufenden und längerfristigen Vertrages,
für jeweils 3 Monate (Pkt.5.2)
• 1-jährige Verfolgungsverjährungsfrist für Nichtmeldungen beginnt 1 Woche zu meldendem Tatbestand.
• Ausländische Arbeitgeber/innen mit Sitz in einem
Drittstaat (d.h. ohne Sitz in einem EWRMitgliedstaat
oder der Schweiz) trifft keine Meldeverpflichtung nach
dem AVRAG; sie haben aber die Verpflichtung,
entsprechende Bewilligungen nach dem AuslBG
einzuholen. Die Lohnunterlagen sind aber auch von
ihnen bereit zu halten (Punkt 6.3).
• Lohnkontrolle-Prüfmaßstab: Brutto (bei Nettozahlungen
im Ausland Hochrechnung auf dortiges Brutto, sonst LD)
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Wichtige LSDB-Erlassinhalte (5)
• Sonderzahlungen Entsandter: (Pkt. 7.3)
Keine Anwendung bei ausreichender Überzahlung.
Aliquote Zahlungspflicht jeweils zusammen mit dem
laufenden Entgelt!
• Montageprivileg:
Auf Anlagen eingeschränkt, erfassen daher Maschinen
nicht mehr (Pkt. 7.7).
Lohnkontrolle obsolet, auch Lohnunterlagen.
• Dienstleistungen im Transportsektor:
Gewöhnlicher Arbeitsort Österreich – österr. AR und KV
Gewöhnlicher Arbeitsort Ausland – Entsendung prüfen:
-- Personaleinsatz auf Grund eines grenzüberschreitenden
Dienstleistungsvertrags mit in Österreich tätigem Leistungsempfänger = zu meldende Entsendung, jedenfalls wenn regelmäßig und nicht nur vorübergehend, auch wenn dabei verschiedene, einander ablösende AN eingesetzt werden
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Wichtige LSDB-Erlassinhalte (6)
-- Keine Entsendung i.S.d. Entsende‐RL (kein
grenzüberschreitender Dienstleistungsvertrag) wie auch i.S.d.
AVRAG (keine Konkurrenzsitu-ation zu inländischen
Unternehmen) bei grenzüberschreitendem Personaleinsatz im
reinen Transitverkehr (Korridorverkehr)
-- meldepflichtige Entsendung i.S.d. Entsende‐RL sowie
des AVRAG jedenfalls bei Kabotagebeförderungen bzw.
Kabotagefahrten:
http://www.bmvit.gv.at/bmvit/verkehr/strasse/personengueter/kabotage/i
ndex.html
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Wichtige LSDB-Erlassinhalte (7)
• Absehen von Strafanzeige bei Nachzahlungen nach
Kontrolle bzw. über behördl. Aufforderung:
Geringer Betrag?
-- KV-(Gesamt)Entgelt um max. 10% unterschritten,
-- Je Lohnzahlungszeitraum, außer
-- durchgehende Unterentlohnung, dort zähle Schnitt
-- Bruttobetrag ist AG bei Aufforderung mitzuteilen
(ohne sv-freie Bezugsarten)
• Straffreiheit tätige Reue:
-- Auch bei Intervention Dritter
-- inkl. offene § 49 Abs. 3 ASVG
-- betroffener Zeitraum Unterentlohnung nicht begrenzt
(Erlass sagt dazu nichts)
-- Auch Rückwirkungsgebot für Fälle vor 2015
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Lohndumping:
Was sind geringe Unterzahlungen?
ARD 6461, S. 12, LE-AS 11.14.1.Nr.3, § 7i Abs. 3 und 4 AVRAG (idF vor 2015)
1.
Auch prozentuell niedrige Unterentlohnungen können nur dann als gering eingestuft werden, wenn
sie durch eine kurze Dauer und niedrige absolute Geldbeträge gekennzeichnet sind..
2.
Selbst Unterentlohnungen von 1,1% bis 4,2% sind dann nicht mehr gering, wenn sie sich – wie im
anlassfall – über einen Zeitraum von zumindest 2 Monaten, in der Mehrzahl der Fälle jedoch über 17
Monate erstrecken.
3.
Bei einer derart langen Dauer der Unterschreitung kann sich nämlich sogar bei einer
Unterentlohnung von 1,1 % rechnerisch kein geringer absoluter Fehlbetrag mehr ergeben.
VwGH 10.6.2015, 2013/11/0121
5. 11.2015
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Lohndumping: Was sind geringe Unterzahlungen?
LE-AS 11.14.1.Nr.2, § 7i Abs. 3 und 4 AVRAG (idF vor 2015)
1.
Wurden 9 Arbeitnehmer über unterschiedliche Zeiträume (2 bis 52 ½ Stunden) hinsichtlich des
kollektivvertraglichen Grundlohns zwischen 2,84% und 33,86% bzw. € 0,77 und € 43,11 unterentlohnt, lässt
der Umstand mehrerer von der Unterentlohnung betroffener Arbeitnehmer das Verschulden des
Arbeitgebers schon nach den Gesetzesmaterialien nicht mehr als geringfügig ansehen.
2.
Da Unterschreitungen von 14,08%, 16,94% und 33,86% auch nicht mehr geringe Unterentlohnungen
sind, war in diesen Fällen (trotz Nachzahlung) eine Strafe zu verhängen.
3.
Eine – eklatante – Unterschreitung um 33,86% ermöglicht auch kein Überwiegen der Milderungsgründe (erstmalige Begehung, Zahlung der Differenz).
4.
In jenen 6 Fällen, in denen die Unterschreitung 4,33% betrug, sind für die Feststellung geringer
Unterschreitungen zusätzliche Kriterien – die absoluten Beträge der Unterentlohnung und deren Dauer –
heranzuziehen.
5.
Bewegen sich die Beträge zwischen € 0,77 für 2 Stunden und € 20,81 für 52,5 Stunden und betrug die
gesamte Lohnnachzahlung für alle 6 Arbeitnehmer € 44,59, liegen noch geringe Unterschreitungen vor.
6.
Für diese Fälle sind angesichts des präventiven Charakters der Strafnorm (Sicherstellung des
Entgeltanspruchs und nicht die Pönalisierung) keine Strafen zu verhängen.
VwGH 23.10.2014, Ro 2014/11/0071
LVwG Stmk 28.2.2014, LVwG 33.13-650/2004-16
BH SO 5.9.2014
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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Inhaltliches zum verschärften
Unterzahlungsverbot
- Abgrenzungsfallen Überstunden/NAZ, v.a. bei
flexibleren Arbeitszeiten
- Endabrechnungen: Besondere Risikofaktoren
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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§ 7i. (5) erster und dritter Satz AVRAG:
Wer als Arbeitgeber/in
ein/en Arbeitnehmer/in beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne
ihm/ihr zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder
Kollektivvertrag zustehende Entgelt unter Beachtung der
jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten, begeht ................
Auf Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag beruhende Überzahlungen bei den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührenden Entgeltbestandteilen sind auf allfällige
Unterzahlungen im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum
anzurechnen.
§ 7e. (4) letzter Satz AVRAG:
Aufwandersätze und Sachbezüge dürfen, soweit der KollektivV nicht anderes bestimmt, für die Zwecke der Bestimmung des
kollektivvertraglichen Entgelts nicht aufgerechnet werden.
22.10.2015
F.Schrank, AZ u. Entgelt, GKK Tirol
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Arbeitszeit und „Lohndumping“?
• Aus dem AV-Synallagma ergibt sich:
Auch kollektivvertragliches Arbeitsentgelt steht für
geleistete, dem Arbeitgeber zurechenbare Arbeit und
damit Arbeitszeit immer zu. Rechtlich gibt es insoweit
keine unbezahlte Arbeit oder Arbeitszeit.
• Dessen Höhe richtet sich daher ebenfalls nach Ausmaß
und zeitlicher Lage der Arbeitszeit.
• Dies bestätigen die Differenzierungen des AZG zur
Normalarbeitszeit, TZ-Mehrarbeit, AZV-Mehrarbeit und
Überstundenarbeit ebenso wie der üblichen KollVe.
• Insofern gewinnt auch das Arbeitszeitrecht für die LDProblematik besonderes Gewicht und eine neue,
zusätzliche Dimension!
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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AZ-Lohndumpingfallen
• Abgrenzungsprobleme zuschlagspflichtiger Arbeit bzw.
welcher zuschlagspflichtiger Arbeitszeiten
• Bloße Bestandteilbezogenheit und Lohnzahlungszeitraum- bzw. Fälligkeitsbezogenheit der gesetzlichautomatischen Anrechnung von Überzahlungen
• Problemlösung Voll-Pauschalentgelt-Vereinbarungen?
(nicht alle sind erlaubt; Textfehler; äußerste 12-Monatsgrenze; mangelnder Überblick; doppelte Arbeit)
• Sorglosigkeit im „Bremsen“ von Überzeiten
• Fehlen bezahlungsausreichender Aufzeichnungen
(„Erpressbarkeit“, Schätzungsrisiko)
• LD- und AZ-Strafen schließen einander nicht aus.
V.a. im Überzeitbereich
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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Überstundenentgelte: All-In? Kfz-Sachbezüge? Einseitig?
LE-AS 11.8.3.Nr.12, §§ 863, 914 ABGB, § 7e Abs. 4 letzter Satz AVRAG nF, § 10 AZG
1. Dem Arbeitnehmer steht Entgelt aus unterkollektivvertraglicher Entlohnung und nicht abgegoltenen
Überstunden zu, wenn sein Dienstvertrag nicht dahin verstanden werden kann, dass der Sachbezug
(Dienstfahrzeug) auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt anzurechnen ist.
2. Dass der Sachbezug einen Entgeltbestandteil bilden soll, ist nämlich davon zu trennen, ob der
Sachbezug auch auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt anzurechnen ist.
3. Die Frage, ob und inwieweit eine solche Anrechnung überhaupt wirksam vereinbart werden könnte,
stellt sich nicht, wenn schon eine entsprechende Vereinbarung in vertretbarer Weise verneint wurde.
4. Hält der Dienstvertrag unter „Entgelt und Besondere Vereinbarungen“ ausdrücklich fest, dass sich
das monatliche Bruttoentgelt aus a) dem monatlichen Fixum und b) den Provisionen zusammensetzt,
und weiter, dass für die Dienstausübung ein Kfz zur Verfügung gestellt wird, dass für Reisen keine Diäten
bezahlt werden und wie der Zeiterfassungschip zu benützen ist, liegt darin vertretbar noch keine Vereinbarung über eine Anrechnung des Sachbezugs auf den kollektivvertraglichen Mindestlohn.
5. Einseitiges Abgehen von einer kollektivvertraglichen Verpflichtung, das Entgelt in Geld zu leisten, ist
aber dem Dienstgeber jedenfalls verwehrt.
6. Vertretbar ist es auch, wenn die Überstunden nicht mit dem Sachbezug abgegolten angesehen werden,
weil die All-In-Klausel eine Abgeltung der Überstunden durch „Fixum und Provision“ vorsieht, trotz der
davor getroffenen Unterscheidungen den Sachbezug jedoch nicht erwähnt.
7. Daran ändert auch eine Betriebsübung, wonach generell keine Überstunden ausbezahlt würden, nichts,
ist doch ein Eingriff in zwingende gesetzliche oder kollektivvertragliche Ansprüche jedenfalls unzulässig.
8. Bei vereinbarter überkollektivvertraglicher Entlohnung wiederum kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass AN mit einem kollektiven Vorenthalten eines vereinbarten Entgeltbestandteils durch den
Arbeitgeber – was die AG hier als „Betriebsübung“ ansehen dürfte – einverstanden wären.
OGH 28.5.2015, 9 ObA 54/15d
OLG Linz 5.3.2015, 11 Ra 13/15h-12
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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All-In-Vereinbarungen und ÜP?
• Vorteile: Zulässige Vereinfachung und Sicherung der
Anrechenbarkeit der entsprechenden Entgeltbestandteile für jeweils 12 Monate und insofern Vermeidung der
LD-Lohnzahlungszeitraumbezogenheit
• Nachteile:
-- Gesamtsumme für 12 Monate muss höher als Einzelbezahlung sein (Deckungsprüfung).
-- Kosten letztlich auch für nicht erbrachte Zeiten.
-- Rechtzeitige jährliche Aktiv-Kontrolle (Deckungsprüfung) und erforderlichenfalls rascheste Nachzahlung
• Bei Vereinbarungen beachten:
-- Was umfassend? Auch Mehr- und Reisezeiten?
-- Sonstige Entgeltbestandteile aufnehmen?
-- In allen Fällen deutliche Formulierung!
-- Dies auch, wenn z.B. Provisionen oder Jahresbonifikationen etc. auch der Zeitabgeltung dienen sollen!
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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Was helfen Zeitausgleiche?
• Unter Entgeltaspekten in Verbindung mit der strikten
Lohnzahlungszeitraumbezogenheit des LD-Verbots
schützen Zeitausgleiche nur, wenn
• sie grundsätzlich (in BV oder EV) oder in Einzelfällen
noch vor Fälligkeit (beweisbar) vereinbart sind,
• die Wertigkeit ausreichend berücksichtigen,
• auch durch entsprechendes Zeitausgleichskonto o.Ä.
nachvollziehbar sind, dies hinsichtlich fristgerechter
Zubuchungen – nach Höhe der Zuschläge gegliedert –
und auch Abbuchungen der Verbrauche (Übereinstimmung mit AZ-Aufzeichnungen) und
• bei Ende des AV offene Guthaben mit den Zuschlägen
zum dortigen Entgeltsatz ausbezahlt werden;
• etwaige frühere Rückumwandlungen und Auszahlungen
müssen ebenfalls dokumentiert nachvollziehbar sein.
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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NAZ-Durchrechnungen und LD?
Außer ausreichende, anrechenbare Überzahlung
oder ausreichende All-In-Vereinbarung
• AZG-widrige flexiblere Normalarbeitszeitgestaltungen
(z.B. Durchrechnungen ohne KV-Zulassung) und daher
fehlende Zuschläge für TZ-MA, AZV-MA, Überstunden
• Gleitzeiten ohne formal ausreichende Gleitzeit-Betriebsbzw. (bei Fehlen eines BR oder bei allen geschützten
Elternarbeitszeiten) schriftliche Einzelvereinbarung
• Schlichtes Nichterkennen bzw. Riskieren solcher oder
anderer fehlerhafter Normalarbeitszeitgestaltungen
(z.B. 10. Tagesstunde ohne gültige Gleitregelung oder
KV-Zulassung oder ohne zugelassene 4-Tage-Woche
oder ohne gesetzl. Einarbeiten iVm Feiertagen)
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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Voraussetzungen flexiblerer NAZ
• Weitgehend
unabhängig von KollV
• Turnus bei Schichtarbeit
• Einarbeiten iVm
Feiertagen (bis 13 Wo)
• Gleitende Arbeitszeiten,
bedürfen jedoch einer
Betriebsvereinbarung
bzw. schriftlichen EV bei
Fehlen eines BR
• Teilzeit-Durchrechnung
bei Vereinbarung, bis 9
Std/Tag und Vollzeit-Normal-Std. in Einzelwoche,
zuschlagsfrei max. 3 Mo
5. 11.2015
• Nur bei ausdrücklicher
Zulassung durch KollV
• Durchrechnung ieS, also
jene Durchschnittsverteilungen von Vollzeit-AN,
die keine der links angeführten Arten sind
• Für Teilzeit-AN, wenn
Durchrechnung drei
Monate überschreitet,
um zuschlagsfrei zu sein
(OGH), und nur im Rahmen der KV-Zulassung
Schrank, AR-Neuerungen
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Entgegenkommens-Risiken?
• Auch individuelles Entgegenkommen schützt gegen zwingende Normalarbeitszeitbegrenzungen
nicht (außer bei finanziell
objektiver Günstigkeit
oder ausreichender Pauschalierung)
• Daher kann auch AZ-Entgegenkommen zu strafbarem LD führen
5. 11.2015
• Typische Risikofälle:
-- Dulden bloßer 1:1-Arbeitszeiten von VollzeitAN außerhalb des Gleitzeitrahmens
-- AN-gewünschte Zusatzübertragungen von
Zeitguthaben über Übertragbarkeitssalden der
Gleitzeitregelung
-- Diensttausche, welche
die Wochen-AZ oder den
allf. Durchrechnungszeitraum überschreiten
Schrank, AR-Neuerungen
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Durchrechenbare Normalarbeitszeiten: Kann Kollektivvertrag
NAZ bei Seilbahnen auf über 50 Stunden ausdehnen?
LE-AS 10.4.3.Nr.5, 10.5.2.Nr.5, §§ 4 Abs. 1, 9 Abs. 3, 18 Abs. 2 AZG
§§ 6, 8 Seilbahnen-KollV
1.
§ 18 Abs. 2 AZG für die dort genannten Betriebe des öffentlichen Verkehrs lässt bei kollektivvertraglich vorgesehener Durchrechnung der Normalarbeitszeit zwar Abweichungen von § 4 AZG zu
(so zur Aufrechterhaltung des Verkehrs auch tägliche Normalarbeitszeiten über 10 Stunden), nicht jedoch –
außer für Arbeitsbereitschaftsfälle – eine Abweichung von der in § 9 Abs. 3 AZG festgelegten Obergrenze
der wöchentlichen Gesamtarbeitszeit von 50 Stunden.
2.
Die im Seilbahnen-KollV unter Hinweis auf § 18 Abs. 2 AZG vorgesehene Verlängerung der zulässigen
Wochenarbeitszeit um höchstens 20 Stunden ist daher gesetzwidrig.
3.
Infolge des sich aus der öffentlich-rechtlichen Natur und aus dem klaren Zweck des Gesetzes ergebenden zwingenden Charakters der Bestimmungen des AZG ist diese KollV-Bestimmung daher nichtig.
4.
Allerdings liegt nur geltungserhaltende Teilnichtigkeit und damit Restgültigkeit der kollektivvertraglichen Durchrechnungsregelungen, die ausdrücklich auch die Überstundenabgeltungsregelungen
abrunden, insoweit vor, als sie die in § 9 Abs. 3 AZG normierten gesetzlichen Grenzen von 50 Stunden nicht
überschreiten.
5.
Soweit das Ausmaß der höchstzulässigen Arbeitszeit pro Woche von 50 Stunden überschritten wird,
sind die darüber hinausgehenden Arbeitsleistungen infolge Unzulässigkeit der kollektivvertraglichen
Überschreitbarkeit dieser Wochengrenze nicht als Normalarbeitszeit abzugelten, sondern als Überstunden.
OGH 25.11.2014, 8 ObA 67/14g
OLG Linz 2.9.2014, 12 Ra 59/14d-14, LG Salzburg 24.4.2014, 59 Cga 116/13t-10
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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Richtige Diagnose und Umsetzung?
• Entgelthöhe hängt kollektivvertraglich wesentlich
auch von der Art der Arbeitszeit ab. Arbeitszeitrechtliche Fehleinschätzungen können daher strafbare
Unterzahlungen bewirken.
• Die kollektivvertraglich richtige Bezahlung erfordert
die Kenntnis,
1. was Arbeitszeit ist,
2. welche Normalarbeitszeitmodelle der AG hat,
3. ob diese den gesetzlichen und kollektivvertraglichen
Anforderungen entsprechen,
4. ob sie auch richtig umgesetzt werden und
5. welches Arbeitszeitmodell und welche Arbeitszeiten die AN jeweils konkret hatten.
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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Wann liegen Überstunden vor?
Bei Vollzeit-AN: Alles was nicht NAZ/AZV-MA ist
Entgeltwichtig auch für das neue Lohndumping
• Bei Arbeit von Vollzeit-AN
außerhalb der jeweiligen
täglichen oder wöchentlichen NAZ ohne vorherige
gültige Neuverteilung
• Bei GLAZ Stunden
außerhalb des Gleitzeitrahmens
• Jedenfalls bei Überschreitung des Ausmaßes
der maximalen tgl./wöchentlichen NAZ-Grenzen
5. 11.2015
• Bei durchrechenbaren
NAZ und GLAZ, soweit
am Ende der Periode
0-Saldo bzw. Übertragungsstunden überschritten werden
Schrank, AR-Neuerungen
32
Echte Überstunden bei Teilzeit-AN?
• Arbeit über der maximalen gesetzlichen oder kollektivvertragl. tgl./wöch.
Vollzeit-NAZ-Grenze
• Zeitguthaben bei zulässiger Durchrechnung, die
keine bloße Mehrarbeit
sind, weil und soweit sie
das durchschnittliche
Ausmaß der wöchentlichen Differenz auf die
Vollzeit-NAZ übersteigen
5. 11.2015
• Gleitzeitguthaben, soweit
sie am Ende der Gleitzeitperiode die Übertragbarkeitsstunden und das
durchschnittliche Mehrarbeitsausmaß (WochenAZ-Ausmaß von VollzeitAN minus vertraglichem
Teilzeitausmaß x Wochen
der Gleitperiode) überschreiten
• Teilzeit-Mehrarbeit, wenn
die NAZ für vergleichbare Vollzeit-AN überschritten wird (OGH)
Schrank, AR-Neuerungen
33
Warum Arbeitszeitaufzeichnungen?
• Zur (auch AG-seitigen) Kontrolle der Einhaltung
der konkreten gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen:
Dem dienen die diesbezüglichen Vorschriften der AZGesetze, insbes. des AZG, ARG, KA-AZG, KJBG, etc.
Insofern wirken die neuen Erleichterungen tatsächlich
vereinfachend und risikoreduzierend.
• Aus der Vertrags- und Gesetzespflicht zur richtigen Entgeltzahlung – besonders wichtig seit den verschärften LD-Vorschriften –müssen sich Arbeitgeber
alles dafür Relevante verschaffen, auch die AZ
samt allen entgeltdifferenzierenden Elementen.
• Insofern kam ein Teil der Vereinfachungen per
1.1.2015 völlig zur Unzeit, weil das Unterzahlungsund damit LD-Risiko verschärfend.
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
34
LD-sichere Aufzeichnungen?
• Welche Aufzeichnungen sind nach AZG jeweils
verpflichtend? Welche sind auch LD-sicher?
-- Regelfallaufzeichnungen, für exakte richtige
Bezahlung geeignet
-- Bloße Saldoaufzeichnungen? Nicht wirklich
bezahlungsgeeignet, außer uU bei Pauschalierungen
-- Entfall der Pausenaufzeichnungen? Auch LD-sicher,
wenn die Pausennahmen glaubwürdig sind
-- Schriftlich fixe Einteilungen: Mtl. Einhaltebestätigungen und nur laufende Abweichungsaufzeichnungen?
Besonders LD-sicher.
• Aufzeichnungserleichterungen nutzen?
Vorteile und Nachteile abwägen!
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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Zeitaufzeichnungen auch für Leitende?
• Wenn KollV greift (was auch bei Ausnahme vom AZG
meist der Fall ist), greift auch das massiv verschärfte
Lohndumpingverbot!
• Auch bei ihnen (seien es auch vereinfachte)
Zeitaufzeichnungen verlangen?
Ja, außer bei sehr hohen, sicher abdeckenden ausdrücklichen All-In-Bezügen.
Trifft letzteres nicht zu, überdies in angemessenen
Abständen (12 Monate) Deckung bzw. Deckungswahrscheinlichkeit checken.
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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Endabrechnungen:
Besondere Lohndumping-Risikofaktoren
• Sonderzahlungen: Richtige Höhe (Aliquotierung etc.)?
Zulässige Überhangsrückver- bzw. -anrechnungen?
• Offene NAZ-Zeitguthaben:
Aktuelles Grundentgelt plus 50% Zuschlag nach § 19e
Abs. 2 AZG?
• Offene ÜStd-Zeitausgleiche: Keine Verjährung im
DV! Besondere Divisoren und richtige ÜZ berücksichtigt?
• Unzulässige Abzüge:
Ausbildungskosten unter Verletzung der individuellen
Pfändungsschutzgrenze? Schadenersatzforderungen?
• Offene Urlaube: Zu niedrige Ersatzleistungen?
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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Verjährung und Verfall offener Zeitausgleiche:
Erst ab AV-Beendigung?
(1)
LE-AS 49.2.1.Nr.30,
§ 19f Abs. 2 und 3 AZG, §§ 4 Abs. 3, 16 Abs. 2 Arbeiter-KollV FloristInnen und Blumenhändler
1.
Ein Anspruch auf Überstundenentgelt, der sich aus der Rückumwandlung eines Zeitguthabens ergibt
und der mangels Möglichkeit zu einer früheren Geltendmachung mit dem Ende des Dienstverhältnisses
fällig wird, unterliegt auch dann der dreimonatigen Verfallsfrist des § 16 Abs. 2 Satz 1 KollV, wenn bei
grundsätzlicher Vereinbarung, dass Überstunden durch Zeitausgleich abgegolten werden, die
Überstundenaufzeichnungen des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber im laufenden Dienstverhältnis
regelmäßig bekannt gegeben wurden.
2.
Da bei vereinbartem Zeitausgleich gemäß § 19f Abs. 3 AZG für Überstunden, für die nach Maßgabe
des Abs. 2 kein Zeitausgleich gewährt wurde, ein Wahlrecht zwischen dem einseitigen Zeitausgleichsantritt
oder einer Abgeltung in Geld zusteht, ist zwischen der Geltendmachung der Mehrarbeit einerseits und jener
des daraus resultierenden Entgeltanspruchs andererseits zu differenzieren.
3.
Auch wenn mit Zeitaufzeichnungen zwar die Überstundenleistungen monatlich kontrolliert und diese
zwischen den Vertragsparteien festgehalten wurden, widerspräche ein Verständnis, dass die AN damit von
einem späteren Zeitausgleich Abstand nehmen und stattdessen die Abgeltung der Überstunden in Form
eines Entgeltanspruchs einfordern wollte, schon der Vereinbarung.
4.
Daher wird mit Zeitaufzeichnungen noch kein Überstundenentgelt geltend gemacht.
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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Abgeltungen für offene Zeitausgleiche?
LE-AS 49.2.1.Nr.30,
(2)
5.
Ist der Abbau des Zeitguthabens schließlich infolge Beendigung des Dienstverhältnisses nicht mehr
möglich, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Bezahlung der Überstunden.
6.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist der Anspruch auf Abgeltung der nicht zeitausgeglichenen
Überstunden fällig.
7.
Da die Fälligkeit offenen Zeitausgleichs mangels Ausübung des in § 19f Abs. 3 AZG idgF
vorgesehenen Wahlrechts nicht vor der endgültigen Unmöglichkeit des Naturalausgleichs durch
Beendigung des Dienstverhältnisses eintritt, wird bzw. bleibt mit Ende des Dienstverhältnisse die
Überstundenentgelt-Verfallsregelung maßgeblich.
8.
Ist aber der Anspruch auf das rückumgewandelte Überstundenentgelt jedenfalls mit Beendigung des
Dienstverhältnisses fällig, muss er innerhalb von drei Monaten ab jenem Zeitpunkt geltend gemacht werden
gewesen.
9.
Bei erstmaliger Geltendmachung knapp ein Jahr danach ist der Anspruch daher verfallen.
OGH 27.5.2014, 9 ObA 44/14g
OLG Graz 20.1.2014, 6 Ra 76/13p-20
LG Leoben 18.3.2013, 23 Cga 101/12p-16
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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Steuerreformpaket:
Arbeitsrechtliche Aspekte v.a. der
SV-Änderungen per 1.1.2016
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
40
Ao. Anhebung der SV-HBGl 1.1.2016
und Altersteilzeit/Teilpension?
• Der den AG zustehende Teilersatz der Mehraufwendungen aus dem notwendigen Lohnausgleich ist mit der
jeweiligen Höchstbeitragsgrundlage (unter Anrechnung
des Teilzeitarbeitsentgelts) gedeckelt.
• Die normale und (zusätzlich 90 Euro) außerordentliche
Anhebung der HBGl von bisher 4.650 auf 4.860 (SZ
9.300 auf 9.720) hebt diesen Deckel außerordentlich
an, arbeitsrechtlich (was muss ich dem AN zahlen) wie
leistungsrechtlich (was bekomme ich zu 50%, 90% oder
100% durch das AMS ersetzt).
• Erleichtert zumindest bei den Ersatzraten 90 und 100%
bei sehr gut Verdienenden Altersteilzeiten.
• Auch für laufende Fälle, daher also Differenzanträge an
AMS nicht vergessen!
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
41
Jubiläumsgelder
ab 1.1.2016 sozialversicherungspflichtig
(Entfall § 49 Abs. 3 Z 10 ASVG)
• Auswirkung im Arbeitsrecht:
• Normativ kollektivvertraglich gebührende Jubiläumsgelder unterliegen damit ab 1.1.2016 dem Lohndumpingverbot nach § 7i Abs. 5 AVRAG:
Jegliche (zumindest durch Organisationsverschulden)
vorwerfbare Unterzahlung (Bemessung, Nichtzahlung
trotz Fälligkeit infolge unrichtiger Berechnung der Jahre)
wird nun grundsätzlich massiv strafbar!
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
42
Barzahlungsverbot Bau (§ 48 EStG)
• „Geldzahlungen von Arbeitslohn … an zur Erbringung
von Bauleistungen nach § 19 Ab.s 1a UStG beschäftigte
AN dürfen nicht in bar geleistet oder entgegengenommen werden, wenn der AN über ein bei einem Kreditinstitut geführtes Girokonto verfügt oder einen Rechtsanspruch auf ein solches hat.“
• Auswirkungen: Nur steuerlich oder auch neuerliches
unbares Zahlungsgebot? Lohndumping? ME nur steuerlich, nicht auch arbeits- oder sv-rechtlich. Bei Beweisbarkeit tatsächlich geleisteter Barzahlungen daher keine
neuerliche Leistungspflicht. Sie werden normal sv-beitragspflichtig sein und auch kein arbeitsrechtliches
Lohndumping begründen. Der arbeitsrechtlichen Bewertung als Nichtzahlung steht der auch im systematischen
Standort EStG zum Ausdruck kommende Normzweck
und das Fehlen eines Anrechnungsverbots entgegen.
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
43
Mitarbeiterrabatte:
Teils großzügige SV-und Steuerfreiheit
(Freigrenze 20% im Einzelfall bzw. für sonstige Freigrenze € 1.000 im KJ)
• Anrechenbar auf kollektivvertragliches Mindestentgelt,
zumindest auf Überstundenentgelte?
• Nein, da Anrechnungsverbot:
Es handelt sich um Sachbezüge, die mangels entsprechender KV-Anrechnungsbestimmung nach § 7e Abs. 4
letzter Satz AVRAG auf KV-Entgelt nicht angerechnet
werden dürfen, bei sonstigem strafbarem Lohndumping!
• Überdies ist für Arbeiter das sog. Truckverbot der §§ 78,
78d GewO 1859 zu beachten.
• Rabatte dürfen also die geschuldeten Entgelte nicht
beeinträchtigten.
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
44
Teil 2: Aktuelle Judikatur
aus dem Arbeitsrecht
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
45
Nachfolgende Leitsätze
finden Sie zusammen mit den
o
o
o
o
Sachverhalten,
Prozessverläufen,
Volltexten der Entscheidungsgründe
sowie Anmerkungen zu Bedeutung und Auswirkungen
in LE-AS:
Leitentscheidungen der Höchstgerichte
zum Arbeits- und Sozialrecht
Aufbereitet und kommentiert für die Praxis
von F. Schrank
Grundwerk inkl. Ergänzungen in derzeit siebzehn DIN A-5 Bänden,
Stand Ergänzungslieferungen Feber und Juni 2015, Vorgriff auf Oktober 2015
Seit 1.1.2015 im Verlag LexisNexis
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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Arbeitszeit- und Entgeltfragen,
Ausbildungskosten
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
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Arbeitsgebiet und Arbeitszeit:
Arbeit nur bei Kunden – Wege Wohnort mit Firmenfahrzeug
zum ersten bzw. vom letzten Kunden eines Tages?
LE-AS 8.2.2.Nr.5, 10.1.1.Nr.1, Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG
1.
Haben AN keinen festen oder gewöhnlichen Arbeitsort, stellt die Fahrzeit, die diese AN mit einem
Firmenfahrzeug für die täglichen Fahrten zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und
des letzten von ihrem Arbeitgeber bestimmten Kunden aufwenden, „Arbeitszeit“ im Sinner der EGArbeitszeit-RL dar.
2.
Dies jedenfalls dann, wenn sie zuvor einen festen Arbeitsort hatten, diese Regionalbüros aber
geschlossen wurden und den Anweisungen ihres Arbeitgebers unterstehen, der die Kundenreihenfolge
ändern oder einen Termin swährend der Fahrten treichen oder hinzufügen kann, also nicht die Möglichkeit haben, frei über ihre Zeit zu verfügen und ihren eigenen Interessen nachzugehen, so dass sie
demnach ihren AG zur Verfügung stehen.
EuGH 10.9.2015, Rs C-266/14, Tyco (Spanien)
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
48
Durchrechenbare Normalarbeitszeiten: Kann Kollektivvertrag
NAZ bei Seilbahnen auf über 50 Stunden ausdehnen?
LE-AS 10.4.3.Nr.5, 10.5.2.Nr.5, §§ 4 Abs. 1, 9 Abs. 3, 18 Abs. 2 AZG
§§ 6, 8 Seilbahnen-KollV
1.
§ 18 Abs. 2 AZG für die dort genannten Betriebe des öffentlichen Verkehrs lässt bei kollektivvertraglich vorgesehener Durchrechnung der Normalarbeitszeit zwar Abweichungen von § 4 AZG zu
(so zur Aufrechterhaltung des Verkehrs auch tägliche Normalarbeitszeiten über 10 Stunden), nicht jedoch –
außer für Arbeitsbereitschaftsfälle – eine Abweichung von der in § 9 Abs. 3 AZG festgelegten Obergrenze
der wöchentlichen Gesamtarbeitszeit von 50 Stunden.
2.
Die im Seilbahnen-KollV unter Hinweis auf § 18 Abs. 2 AZG vorgesehene Verlängerung der zulässigen
Wochenarbeitszeit um höchstens 20 Stunden ist daher gesetzwidrig.
3.
Infolge des sich aus der öffentlich-rechtlichen Natur und aus dem klaren Zweck des Gesetzes ergebenden zwingenden Charakters der Bestimmungen des AZG ist diese KollV-Bestimmung daher nichtig.
4.
Allerdings liegt nur geltungserhaltende Teilnichtigkeit und damit Restgültigkeit der kollektivvertraglichen Durchrechnungsregelungen, die ausdrücklich auch die Überstundenabgeltungsregelungen
abrunden, insoweit vor, als sie die in § 9 Abs. 3 AZG normierten gesetzlichen Grenzen von 50 Stunden nicht
überschreiten.
5.
Soweit das Ausmaß der höchstzulässigen Arbeitszeit pro Woche von 50 Stunden überschritten wird,
sind die darüber hinausgehenden Arbeitsleistungen infolge Unzulässigkeit der kollektivvertraglichen
Überschreitbarkeit dieser Wochengrenze nicht als Normalarbeitszeit abzugelten, sondern als Überstunden.
OGH 25.11.2014, 8 ObA 67/14g
OLG Linz 2.9.2014, 12 Ra 59/14d-14, LG Salzburg 24.4.2014, 59 Cga 116/13t-10
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
49
ARG-Ersatzruhe: Auch für Montagfrühbeginne
außerhalb der gesetzlichen Mindestwochenendruhe?
LE-AS 10.8.3.Nr.6, §§ 2 Abs. 1 Z 3, 6 Abs. 1 ARG
1.
Ein Anspruch auf Ersatzruhe entsteht gemäß § 6 Abs. 1 ARG dann, wenn innerhalb von 36 Stunden
vor dem Arbeitsbeginn in der nächsten Arbeitswoche während der wöchentlichen Ruhezeit (§ 2 Abs. 1 Z 3
ARG) eine Arbeitsleistung erbracht wird.
2.
Die Arbeitswoche iSd Bestimmung beginnt nicht am Montag um 0:00 Uhr, sondern mit der
Wiederaufnahme der Arbeit nach Ende der vorgesehenen Wochenruhezeit.
3.
Auf den tatsächlichen Arbeitsbeginn in der nächsten Arbeitswoche ist nur dann abzustellen, wenn es
zu einer generellen (wenn auch letztlich nur vorübergehenden) Festsetzung des Arbeitsbeginns kommt.
4.
Der Auffassung, nur jene Beschäftigungszeiten in den letzten 36 Stunden, die noch innerhalb der
gesetzlichen, in den §§ 3 und 4 ARG präzisierten Ruhezeiten lägen, würden eine entgeltpflichtige
Ersatzruhe auslösen, ist entgegen zu halten, dass der Klammerausdruck (§ 2 Abs. 1 Z 3 ARG) in § 6 Abs. 1
erster Satz ARG lediglich auf den Begriff der wöchentlichen Ruhezeit (so auch die Überschrift zu § 2 ARG)
verweist, zu verstehen nämlich sowohl als Wochenendruhe als auch als Wochenruhe.
5.
Auch der Eingriff in die individuell vorgesehene Wochenendruhe oder Wochenruhe – mag diese auch
mehr als 36 Stunden betragen – löst daher einen Ersatzruheanspruch nach § 6 Abs. 1 ARG aus.
6.
Nur dieses Ergebnis wird dem vorbeugenden Zweck der Ersatzruhe gerecht, den Arbeitnehmer vor
beliebigen Verschiebungen der Arbeits- und Ruhezeiten zu schützen.
OGH 18.12.2014, 9 ObA 123/14z
OLG Innsbruck 16.6.2014, 15 Ra 16/14m-13, LG Innsbruck 13.11.2013, 43 Cga 111/13x-9
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
50
ARG-Ersatzruhe-Verbrauchszeitraum:
AN-seitige Ablehnung oder Umwidmung?
LE-AS 10.8.3.Nr.7, § 4 Abs. 2 UrlG
§ 6 Abs. 1 und 5 ARG
1.
Der Arbeitnehmer kann eine tatsächlich gewährte Ersatzruhe nicht ohne Anspruchsverlust ablehnen
oder nach eigenem Gutdünken umwidmen.
2.
Urlaubsverbrauch darf für Zeiten, in denen die Arbeitszeit unter Anspruch auf Fortzahlung des
Entgelts aus anderen Gründen entfällt, nicht vereinbart werden.
3.
Bei dennoch getroffener Urlaubsvereinbarung gilt dieser Zeitraum nicht als Urlaub.
4.
Mit der bezahlten Freizeit wurde daher ein anderer – hier der (zeitlich feststehende)
Ersatzruheanspruch – erfüllt.
OGH 23.1.2015, 8 ObA 1/15b
OLG Graz 13.11.2014, 7 Ra 46/14h-27
LG Graz 26.2.2014, 38 Cga 60/13f-23
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
51
Kollektivvertragliches Entgelt:
Ruferreichbarkeit oder nur allgemeine Erreichbarkeit?
(1)
LE-AS 10.3.4.Nr.4, § 25 EVU KollV Angestellte, Abschnitt XVI EVU KollV Arbeiter, § 20a AZG
1. Das vereinbarte Arbeitsentgelt gebührt für die Arbeitszeit.
2. Für Arbeitsbereitschaft und Rufbereitschaft bestehen besondere Regelungen.
3. Für die Arbeitsbereitschaft, die zur Arbeitszeit zählt, ist maßgebend, dass sich der Arbeitnehmer in der
Regel an der Arbeitsstätte oder in deren unmittelbarer Umgebung aufzuhalten hat, um im Bedarfsfall
jederzeit die Arbeitsleistung aufnehmen zu können.
4. Die Rufbereitschaft, die nicht zur Arbeitszeit im engeren Sinn gehört, ist dadurch gekennzeichnet, dass
der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort grundsätzlich selbst wählen kann, dort aber jederzeit erreichbar
sein muss, damit er in kurzer Zeit seine dienstlichen Tätigkeiten aufnehmen kann.
5. Das Arbeitszeitgesetz regelt nicht, welches Entgelt dem Arbeitnehmer für die verschiedenen Formen
der Inanspruchnahme der Arbeitskraft zusteht.
6. Dies ist in erster Linie Sache des Kollektivvertrags und – im Rahmen des Günstigkeitsprinzips – der
individuellen Vereinbarung.
7. Mangels Vereinbarung gebührt ein ortsübliches bzw. angemessenes Entgelt.
8. Ist ein Bereitschaftsdienst als Rufbereitschaft (Erreichbarkeit über „Diensthandy“) geregelt und differenziert der Kollektivvertrag die Entlohnungshöhe nach Ruferreichbarkeit und allgemeiner Erreichbarkeit,
verstößt eine bloße betriebliche Regelung, die nicht an die kollektivvertraglich vorgesehene Entfernung von
6 Wegkilometern (aufgrund der „Diensthandy-Ausstattung“) von der Wohnung anknüpft, sondern eine
Zeitspanne von 30 Autofahrminuten vom Aufenthaltsort bis zum Einsatzort (nächstgelegenes Kraftwerk)
vorsieht, gegen die Anordnung des Kollektivvertrags, wonach für eine derartige Abweichung eine
Betriebsvereinbarung abzuschließen ist.
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
52
Ruferreichbarkeit oder nur allgemeine Erreichbarkeit?
(2)
LE-AS 10.3.4.Nr.4,
9. Tut der Arbeitgeber dies nicht, kann er dem einzelnen AN die Entlohnung nicht schon mangels
Anspruchsgrundlage verwehren.
10. Es ist vielmehr – regelt der KollV die Entlohnung für im Wesentlichen vergleichbare Tätigkeiten – auf
diese kollektivvertraglichen Ansätze zurückzugreifen.
11. Entspricht der konkret ausgestaltete Bereitschaftsdienst keiner der beiden Entlohnungsvarianten des
Kollektivvertrags, kommt es für die Zuordnung darauf an, ob der Bereitschaftsdienst eine größere Nähe zur
Ruferreichbarkeit oder zur allgemeinen Erreichbarkeit aufweist.
12. Darf sich der Arbeitnehmer gemäß Kollektivvertrag bei der allgemeinen Erreichbarkeit auch zu Fuß 6
Wegkilometer von seiner Wohnung entfernen, sodass er in einem solchen Fall die betrieblich vorgesehene
Zeitspanne von 30 Minuten bis zum Einsatzort (nächstgelegenes Kraftwerk) im Allgemeinen nicht einhalten
kann, obwohl er dies sicherstellen muss, gibt dies in Wirklichkeit den Aufenthaltsort vor.
13. Bestimmt dementsprechend die betriebliche Regelung weiters, dass bei entfernteren Wohnsitzen die
Einhaltung der Zeitspanne durch die Bereitstellung eines Dienstzimmers bzw. Quartiers erfüllt werden
kann, darf/kann sich ein solcher Arbeitnehmer nicht einmal in seiner Wohnung aufhalten.
14. Da diese Regelung sogar ungünstiger als die kollektivvertragliche Ruferreichbarkeit ist, liegt eine
gravierende Einschränkung der Bewegungsfreiheit und des Aktionsradius vor, die nicht mit den Vorgaben
für die allgemeine Erreichbarkeit vergleichbar ist, sondern eine größere Nähe zur Ruferreichbarkeitsregelung des KollV aufweist.
15. Damit sind solche Mitarbeiter nach der kollektivvertraglichen Ruferreichbarkeitsregelung und nicht
nach jener der allgemeinen Erreichbarkeit zu entlohnen.
OGH 28.4.2015, 8 ObA 23/15p
OLG Graz 14.1.2015, 7 Ra 68/14w-15
LG Klagenfurt 5.6.2014, 43 Cga 27/14h-10
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
53
Arbeitsentgelt: Mindestentgelt-Einstufungen – zulässig
Rückstufung nach befristeter höherwertiger Tätigkeit?
LE-AS 11.1.1.Nr.34, §§ 4 Abs. 2 Z 8, Abs. 4, 13 Abs. 3, 15 Abs. 1 VBG, § 13 Abs. 3 StatutG
1.
Mit dem Ausmaß der Beschäftigung des Vertragsbediensteten im befristeten oder unbefristeten
Dienstverhältnis hat die Kettendienstvertragsbeschränkung des § 4 Abs. 4 VBG nichts zu tun.
2.
Konsequenterweise ist aus dieser Bestimmung auch für befristete Höherverwendungen bzw.
Höherstufungen nichts zu gewinnen.
3.
Weder das VBG noch das StatutG steht einer mehrfachen befristeten höherwertigen Verwendung und
Entlohnung des Vertragsbediensteten mit dessen Einverständnis entgegen.
4.
Auch ein Abweichen von den zwingenden gesetzlichen Eintufungs- und Entlohnungsvorschriften des
VBG liegt nicht vor, wenn für die Dauer einer höherwertigen Verwendung die dafür gesetzlich vorgesehene
höhere Entlohnung nach der Entlohnungsgruppe v1 und für die danach wieder verrichtete v2-wertige
Tätigkeit das dafür gesetzlich festgelegte Entgelt nach der Entlohnungsgruppe v2 bezahlt wird.
5.
Auch beim zwingend festgelegten Entgeltanspruch kommt es auf die tatsächlich geleisteten Dienste
an.
6.
Der zwingende Charakter der Einstufungs- und Entlohnungsvorschriften des VBG besagt nicht, dass
der Vertragsbedienstete nach Beendigung einer einvernehmlich befristeten, höherwertigen (als
dienstvertraglich vereinbarten) Tätigkeit weiterhin einen Anspruch auf diese höherwertige Verwendung
und/oder höhere Entlohnung hat.
7.
Eine entsprechende Rückstufung ist daher zulässig.
OGH 18.12.2014, 9 ObA 99/14w
OLG Wien 25.6.2014, 7 Ra 40/14z-21, ASG Wien 9.10.2013, 35 Cga 93/13x-15
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
54
Mindestentgelt-Einstufung: Metallgewerbeangestellte –
auch Vordienstzeiten außerhalb des Kollektivvertrages?
LE-AS 11.1.2.Nr.13, §§ 6, 7 ABGB, § 11 Abs. 2 ArbVG, Art. 7 B-VG, Art. 2 StGG
§§ 17 Abs. 8, 3 Abs. 1, 21 Abs. 1 KollV Angestellte Metallgewerbe
1. Die Formulierung „Als Verwendungsgruppenjahre gelten jene Zeiten, die ein Dienstnehmer in einer
bestimmten Verwendungsgruppe bzw. vor Wirksamkeitsbeginn dieses Kollektivvertrags mit der einer
bestimmten Verwendungsgruppe entsprechenden Tätigkeit als Angestellter verbracht hat“ umfasst nicht
nur solche Vordienstzeiten bis zum vorgesehenen Höchstausmaß, die in einer bestimmten
Verwendungsgruppe des KollV zurückgelegt hat.
2. Sie umfasst auch solche Vordienstzeiten, die als Angestellter bei einem oder verschiedenen Arbeitgebern mit der einer bestimmten (allenfalls auch höheren) Verwendungsgruppe entsprechenden Tätigkeit
zurückgelegt hat.
3. Aus einer solchen Formulierung kann jedenfalls nicht geschlossen werden, dass nur gleichwertige
Tätigkeiten erfasst wären, die vor November 1949 erbracht worden wären.
OGH 29.4.2015, 9 ObA 39/15y
OLG Linz 15.01.2015, 11 Ra 1/15v-12
LG Steyr 25.07.2014, 9 Cga 41/14s-8
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
55
Sonderzahlungen Gastronomie-Arbeiter: Bemessung?
Kürzung bei mitverschuldeter ungerechtfertigter Entlassung?
LE-AS 11.3.1.Nr.11, Art. 14 lit. a KollV Arbeiter Gastronomie, § 1162c ABGB, § 32 AngG
1. Art. 14 lit. a KollV begrenzt die Jahresremuneration zweifach, einerseits mit 230 % des jeweiligen kollektivvertraglichen Mindestlohns, zugleich aber mit „der Höhe des tatsächlich ins Verdienen gebrachten
Lohnes für die Normalarbeitszeit“.
2. Aus der Gesamtschau dieser Regelung ergibt sich – trotz missverständlichen Wortlauts –, dass als
zweite Höchstgrenze nicht der einfache, sondern der zweifache Istlohn heranzuziehen ist.
3. Dies lässt sich aus der grundsätzlichen Festlegung der Höhe mit 230 % und nicht mit 115 % des
jeweiligen kollektivvertraglichen Mindestlohns ableiten sowie aus der Auszahlung der JR in zwei Teilen.
4. Dadurch wird eine Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern getroffen, deren Istlohn (für die
Normalarbeitszeit) den Kollektivvertragslohn um weniger als 15 % übersteigt und Arbeitnehmern, deren
Istlohn den kollektivvertraglichen Mindestlohn um 15 % oder mehr übersteigt.
5. Nur Arbeitnehmer der zweiten Gruppe, bei denen das Doppelte des Istlohns 230 % des kollektivvertraglichen Mindestlohns ausmacht oder übersteigt, erhalten eine Jahresremuneration von 230 % des
kollektivvertraglichen Mindestlohns.
6. Diejenigen, bei denen der Istlohn 115 % Mindestlohns nicht erreicht, haben nur Anspruch das
Zweifache ihres Istlohns, das notwendigerweise unter 230 % liegt.
7. Bei diesen Dienstnehmern ist die Berechnungsbasis für die Jahresremuneration nach dem eindeutigen
Wortlaut des Kollektivvertrags der Durchschnitt der letzten 12 Kalendermonate vor Auszahlung der
Jahresremuneration, bei kürzerer Dienstzeit die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses.
8. Bei Mitverschulden des Arbeitnehmers an seiner ungerechtfertigten Entlassung unterliegen auch die
Jahresremuneration und die Sonderzahlung zur Urlaubsersatzleistung der Mitverschuldensregel des §
1162c ABGB. Beide sind in solchen Fällen daher nach Maßgabe des Verschuldensausmaßes kürzbar.
OGH 28.5.2015, 9 ObA 6/15w
OLG Wien 28.10.2014, 10 Ra 70/14h-25, ASG Wien 4.9.2013, 3 Cga 63/12y-21
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
56
Sonderzahlungsausmaß: Was gilt für entgeltreduzierte
Zeiten, konkret beim EF-Hälfteanspruch?
LE-AS 11.3.5.Nr.3, § 8 Abs. 1 und 2 AngG
§ 2 Abs. 1 EFZG
1.
Für jenen Entgeltfortzahlungszeitraum, in dem der Arbeitnehmer nur mehr Anspruch auf das halbe
Entgelt hat, gebührt grundsätzlich auch nur die halbe Sonderzahlung.
2.
Da gemäß § 125 Abs. 3 ASVG Sonderzahlungen durch einen Zuschlag zum Krankengeld zu
berücksichtigen sind, vermeidet dies einen sachlich problematischen Doppelbezug.
OGH 29.1.2015, 9 ObA 135/14i
OLG Wien 27.8.2014, 10 Ra 43/14p-14, ASG Wien 24.9.2013, 27 Cga 49/13t-10
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
57
Unverbindlichkeitsvorbehalte: Jährliche Bonuszahlung
LE-AS 1.9.1.Nr.6, § 879 Abs. 1, 914, 915 ABGB
§ 18 AngG
1.
Ob Unverbindlichkeits- oder Widerrufsvorbehalte vorliegen, kann naturgemäß nur nach der konkreten
Vertragsbeziehung im Einzelfall beurteilt werden.
2.
Wird die Erklärung, „die Gewährung der Bonuszahlung stellt eine freiwillige Leistung dar und
begründet weder der Höhe noch dem Grunde nach einen Rechtsanspruch für die Zukunft bzw. ist die
Leistung freiwillig und jederzeit widerrufbar“, als Unverbindlichkeitsvorbehalt beurteilt, ist dies nicht zu
beanstanden.
3.
Bezieht sie sich inhaltlich nicht auf einen wesentlichen Teil des typischen Monatsentgelts, sondern
auf andere Entgeltbestandteile, die nur unregelmäßig bzw. aus besonderem Anlass gewährt werden – wie
eine unverbindliche jährliche Bonuszahlung – besteht kein triftiger Grund, Unverbindlichkeitsvorbehalte
generell als unzulässig zu betrachten.
OGH 18.12.2014, 9 ObA 121/14f
OLG Wien 26.8.2014, 8 Ra 11/14t-77
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
58
KollV-Belastungszulage für regelmäßige Spätdienste?
LE-AS 11.7.1.Nr.3, §§ 6, 7 ABGB, §§ 9g, 48 Abs. 1 Z 1 DO.A SV-Angestellte, § 12a AZG, § 5a KA-AZG
1. Die Nachtdienst-Belastungszulage gebührt auch nur bei regelmäßiger Leistung von Spätdiensten.
2. Enthält die DO.A eine besondere Definition des Nachtdienstes – 20 Uhr bis 6 Uhr –, besteht nämlich
keine Notwendigkeit, von diesem völlig eindeutigen Begriffsinhalt bei der Interpretation der Erläuterungen
abzuweichen und für die Auslegung des Begriffs „Nachtdienst“ Definitionen der „Nachtarbeit“ oder „Nachtschwerarbeit“ aus gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Bestimmungen (§ 12a AZG; § 5a KA-AZG; § 9g
DO.A) heranzuziehen, die in einem ganz anderen sachlichen Zusammenhang stehen.
3. Als Kollektivvertrag ist die DO.A im normativen Teil nach den Regeln für die Gesetzesauslegung
(§§ 6, 7 ABGB) auszulegen. In erster Linie ist daher der Wortsinn im Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der
Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen.
4. Maßgebend ist, welchen Willen des Normgebers der Leser aus dem Vertragstext entnehmen kann und
nicht, was der Normgeber seinerzeit wirklich gewollt oder später unverbindlich geäußert hat.
5. Allerdings ist eine einvernehmliche authentische Interpretation durch die KollV-Parteien als Normsetzungsberechtigtem möglich, sie stellt selbst einen Akt der Rechtsetzung dar und entfaltet Normwirkung.
Die Erläuterungen zur DO.A sind als authentische Interpretation durch die KV-Parteien verbindlich.
6. Dienen die Erläuterungen zu § 48 Abs. 1 DO.A offenkundig nur der Klarstellung, wie häufig belastende
Dienste innerhalb eines Lohnzahlungszeitraums geleistet werden müssen, um den Anspruch auf Belastungszulage zu begründen, und spricht auch sonst nichts für eine Absicht, das darin eindeutig definierte
Zeitfenster („zumindest teilweise zwischen 20 Uhr bis 6 Uhr“) zu verkürzen oder dem Begriff „Nachtdienst“
ein abweichendes Verständnis zu unterlegen, umfassen auch verrichtete Spätdienste regelmäßig (teilweise)
Nachtdienststunden iSd § 48 Abs. 1 Z 1 DO.A samt Erläuterungen.
7. Dieses Ergebnis spiegelt sich letztlich auch in der späteren Novelle zu § 48 Abs. 1 Z 1 DO.A wider, hätte
es doch der formulierten Ausnahme („es sei denn ...“) nicht bedurft, wäre der Zeitraum zwischen 20:00 Uhr
und 22:00 Uhr vom ursprünglichen Anwendungsbereich ohnehin ausgenommen gewesen.
OGH 27.5.2015, 8 ObA 69/14a
OLG Graz 11.9.2014, 6 Ra 45/14f-16, LG Graz 28.2.2014, 9 Cga 147/13m-12
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
59
VB-Nebengebühren: Notfallsanitäter-Zulage
bei überwiegender Verwendung als Notallsanitäter?
LE-AS 11.7.2.Nr.12, § 17 Abs. 1 VBO Wien, § 33 Abs. 1 BO Wien iVm Nebengebührenkatalog Pkt. 18 und 19
1. Auch für Nebengebühren von Vertragsbediensteten gilt der Grundsatz der Verwendungsabhängigkeit.
Danach kommt es für die Notfallsanitäter-Zulage aber nicht auf die Einreihung in eine bestimmte
Bedienstetengruppe, sondern nur auf die tatsächliche Verwendung an.
2. Dem öffentlichen Dienstgeber steht es außerhalb von Sonderverträgen auch nicht frei, im Dienstvertrag
zum Nachteil eines Vertragsbediensteten von den gesetzlichen Rahmenbedingungen abzuweichen.
3. Der Auslegung, wonach andere Zulagen auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit abstellen und es daher
im Umkehrschluss für die Notfallsanitäter-Zulage nur auf die Zugehörigkeit zur entsprechenden Bedienstetengruppe ankomme, steht entgegen, dass auch die Zulagen nach Punkt 18. und 19. explizit als „Abgeltung
für die qualitativen Leistungen und die verantwortungsvolle Tätigkeit“ beschrieben werden und
ausdrücklich als „Leistungsentgelt“ bezeichnet sind.
4. Daher sind sie Leistungszulagen nach § 33 Abs. 2 Z 5 BO 1994. Diese werden nach § 37a Abs. 1 BO
u.a. iZ mit der konkret auszuübenden Tätigkeit verbundenen Leistungsanforderungen (Z 3) gewährt.
5. Bei tatsächlich überwiegenden Diensten als Notfallsanitäter steht daher auch die NotfallsanitäterZulage im Rettungs- und Krankenbeförderungsdienst zu.
6. Bloß „regelmäßige“ Tätigkeit lässt jedoch noch keinen eindeutigen Schluss auf ihr tatsächliches
Ausmaß im Verhältnis zu anderen Tätigkeiten („überwiegend“) zu.
OGH 28.5.2015, 9 ObA 55/15a
OLG Wien 27.1.2015, 9 Ra 75/14m-19
ASG Wien 23.1.2014, 20 Cga 41/13i-15
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
60
Gleichbehandlungsgrundsatz und jährliche
unverbindliche Bonuszahlungen – Beweislast für Verstoß?
LE-AS 11.9.2.Nr.19, § 879 Abs. 1, 914, 915 ABGB, § 18 AngG
1.
Fragen der Beweiserleichterung sind nicht mit Fragen der Behauptungspflicht zu vermengen.
2.
Zwar hat bei Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots der Diskriminierte
Anspruch auf gleichartige Behandlung, doch hat er – wie jeder andere Kläger – jene Tatsachen zu
behaupten, aus denen sich die konkrete Höhe des von ihm begehrten Anspruchs ergibt.
3.
Redlicherweise schreitet der Anspruch stellende Arbeitnehmer in der Regel nur dann zur Klage,
wenn er konkrete Anhaltspunkte für seine Ungleichbehandlung hat.
4.
Sein Begehren hat sich daher auch der Höhe nach aus seinen Prozessbehauptungen – hier also aus
der Differenz zwischen der ihm gewährten und der anderen vergleichbaren Mitarbeitern gewährten
Bonuszahlungen – zu ergeben.
5.
Ob in einem konkreten Einzelfall auch zur Höhe einer Forderung ein ausreichendes Vorbringen
erstattet wurde, hängt ebenfalls von den Umständen des Einzelfalls ab.
6.
Das Verlangen, Behauptungen darüber aufzustellen, wie viele Mitarbeiter mit ihm vergleichbar seien
und welche davon in welcher Höhe eine Bonuszahlung erhalten hätten, ist keine korrekturbedürftige
Fehlbeurteilung.
OGH 18.12.2014, 9 ObA 121/14f
OLG Wien 26.8.2014, 8 Ra 11/14t-77
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
61
Gleichbehandlungsgrundsatz und jährliche
unverbindliche Bonuszahlungen – Beweislast für Verstoß?
LE-AS 11.9.2.Nr.19, § 879 Abs. 1, 914, 915 ABGB, § 18 AngG
1.
Fragen der Beweiserleichterung sind nicht mit Fragen der Behauptungspflicht zu vermengen.
2.
Zwar hat bei Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots der Diskriminierte
Anspruch auf gleichartige Behandlung, doch hat er – wie jeder andere Kläger – jene Tatsachen zu
behaupten, aus denen sich die konkrete Höhe des von ihm begehrten Anspruchs ergibt.
3.
Redlicherweise schreitet der Anspruch stellende Arbeitnehmer in der Regel nur dann zur Klage,
wenn er konkrete Anhaltspunkte für seine Ungleichbehandlung hat.
4.
Sein Begehren hat sich daher auch der Höhe nach aus seinen Prozessbehauptungen – hier also aus
der Differenz zwischen der ihm gewährten und der anderen vergleichbaren Mitarbeitern gewährten
Bonuszahlungen – zu ergeben.
5.
Ob in einem konkreten Einzelfall auch zur Höhe einer Forderung ein ausreichendes Vorbringen
erstattet wurde, hängt ebenfalls von den Umständen des Einzelfalls ab.
6.
Das Verlangen, Behauptungen darüber aufzustellen, wie viele Mitarbeiter mit ihm vergleichbar seien
und welche davon in welcher Höhe eine Bonuszahlung erhalten hätten, ist keine korrekturbedürftige
Fehlbeurteilung.
OGH 18.12.2014, 9 ObA 121/14f
OLG Wien 26.8.2014, 8 Ra 11/14t-77
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
62
Teilzeitanteilige Kinderzulage?
LE-AS 11.9.3.Nr.9, § 4 Nr. 2 Teilzeit-Rahmenvereinbarung, Anhang RL 97/81/EG idF RL 98/23/EG
§ 19 Abs. 6 und 7 AZG, §§ 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 und 4 Angestellten-KollV Banken und Bankiers
1.
Nach der im Anlassfall eingeholten Vorabentscheidung erachtet der EuGH die Anwendung des Prorata-temporis-Grundsatzes auf sämtliche vom Arbeitgeber bezahlten Entgeltbestandteile (im weiteren Sinn)
als gerechtfertigt.
2.
Auf die (allenfalls sozialpolitische) Zweckbestimmung und die Rechtsnatur der Entgeltleistung kommt
es nicht an.
3.
Der Begriff des „Entgelts“ umfasst alle gegenwärtigen oder künftigen Vergütungen, die der
Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Beschäftigung dem Arbeitnehmer gewährt.
4.
In der Berücksichtigung einer im Verhältnis zu Vollzeitbeschäftigten reduzierten Arbeitszeit erblickt
der EuGH ein objektives Kriterium, das eine proportionale Kürzung aller Entgeltansprüche der betroffenen
Arbeitnehmer erlaubt.
5.
Nach diesen unionsrechtlichen Grundsätzen verstößt die im Kollektivvertrag normierte Aliquotierung
der Kinderzulage bei Teilzeitbeschäftigung nicht gegen das Verbot der Diskriminierung von
Teilzeitbeschäftigten.
6.
Auch eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts liegt nicht vor.
7.
Beim Pro-rata-temporis-Grundsatz handelt es sich in Bezug auf Entgeltbestandteile von
Teilzeitbeschäftigten um einen sachlichen arbeitszeitbezogenen Grund.
8.
Die Aliquotierungsregelung des Kollektivvertrags ist daher im Einklang mit der Rsp des EuGH durch
nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe gerechtfertigt.
OGH 25.11.2014, 8 ObA 76/14f
EuGH 5.11.2014, C-476/12, ÖGB
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
63
Entgeltrückforderung – gutgläubiger Verbrauch?
Entgeltmäßige Doppelzählung v. Betreuungsstunden als volle
Lehrerstunden durch 1,5 Jahre?
(1)
LE-AS 11.10.1.Nr.11, §§ 328, 1431 ABGB, §§ 37 ff, 42b Abs. 2 Z 5 VBG, § 12 Abs. 3 BLVG
1.
Irrtümlich angewiesene Bezüge können vom Dienstgeber im Umfang der irrtümlich geleisteten
Nichtschuld grundsätzlich zurückgefordert werden.
2.
Lediglich im Fall redlichen Verbrauchs durch den DN ist die Rückforderung ausgeschlossen.
3.
Dabei ist der gute Glaube schon dann zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer zwar nicht nach seinem
subjektiven Wissen, aber bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ausbezahlten Betrags auch
nur zweifeln musste.
4.
Da Redlichkeit gem. § 328 ABGB vermutet wird, muss der Dienstgeber die Unredlichkeit beweisen.
5.
Beruht der Übergenuss nicht auf einer unrichtigen Auslegung, sondern auf einem vom Arbeitnehmer
weder veranlassten noch erkannten Eingabefehler im SAP-System, und waren die zustehenden, nicht
schwankenden Bezüge als Einreihung in ein bestimmtes Entlohnungsschema in den ausgehändigten
Unterlagen – dem Dienstvertrag und den Beschäftigungsausweisen – auch korrekt ausgewiesen, ist dies –
ungeachtet der subjektiven Kenntnisse – zumindest grundsätzlich objektiv geeignet, dass der Irrtum dem
Arbeitnehmer auffallen hätte können.
6.
Vor allem aber liegt ein besonderer Umstand vor, aus dem ihm erkennbar ist, dass keine ordnungsgemäße Zahlung vorliegt, wenn er 15 Monate lang jeweils das Doppelte der gesetzlich zustehenden
Bruttoentlohnung erhalten hat.
7.
Eine außergewöhnliche, sonst nicht erklärbare Höhe kann objektiv den guten Glauben erschüttern.
2. bzw. 9.6.2015
Schrank, AR-Jud.Update
64
Entgeltrückforderung – gutgläubiger Verbrauch?
Entgeltmäßige Doppelzählung v. Betreuungsstunden als volle
Lehrerstunden durch 1,5 Jahre?
(2)
LE-AS 11.10.1.Nr.11,
8.
Da unter bestimmten Umständen der Rückforderungsbetrag sogar brutto an den Arbeitgeber zu
bezahlen ist, kann nicht allein auf die Höhe der Nettoüberzahlung abgestellt werden.
9.
Aber selbst bei bloßer Nettobetrachtung stellt eine monatliche Nettoüberzahlung von „nur“ rund 500
€, setzt man sie in Relation zum erwiesenermaßen erwarteten („gewünschten“) Gehalt von rund 1.000 €
monatlich, keinesfalls eine betraglich bloß unerhebliche Überzahlung dar.
10. Auch ein sicherlich kompliziertes und – insbesondere in Bezug auf die in den Beschäftigungsausweisen verwendeten Kürzel – intransparentes Abrechnungssystem ändert letztlich nichts daran, dass
diese Überzahlung weit über der nach dem Gesetz zustehenden Entlohnung liegt, sodass aus 9 ObA
168/13s arbeitnehmerseitig nichts zu gewinnen ist.
11. Auf die Frage einer sich aus den Umständen ergebenden Nachforschungspflicht muss nicht
eingegangen werden, wenn der Arbeitnehmer ohnehin bestrebt war, Informationen über die Höhe der zu
erwartenden Entlohnung zu erhalten und aufgrund eigener Internetrecherche mit einer Entlohnung von
(nur) 1.000 € netto pro Monat rechnete.
12. Damit war aber auch subjektiv aus den übermittelten Gehaltszetteln die deutliche „Überhöhung“ der
ausgewiesenen Brutto- und Nettobeträge von Anfang an erkennbar.
13. Unter diesen Umständen ist der Arbeitgeber zur Rückforderung berechtigt.
OGH 22.7.2014, 9 ObA 46/14a
OLG Wien 25.2.2014, 7 Ra 11/14k-40, LG St. Pölten 29.10.2013, 27 Cga 122/12z-36
2. bzw. 9.6.2015
Schrank, AR-Jud.Update
65
Entgeltrückforderung – gutgläubiger Verbrauch?
Irrtümliche Entgeltfortzahlung über Probezeitende hinaus
LE-AS 11.10.1.Nr.12, §§ 328, 1431 ABGB
§ 5 EFZG
1.
Wird ein wirksam vereinbartes Probearbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aufgelöst, entsteht kein über
das Ende des Arbeitsverhältnisses hinausgehender Fortzahlungsanspruch.
2.
Werden dennoch weiterhin Bezüge irrtümlich angewiesen, können sie vom Arbeitgeber
zurückgefordert werden, außer im Fall redlichen Verbrauchs durch den Arbeitnehmer.
3.
Dabei wird der gute Glaube schon dann verneint, wenn er bei objektiver Beurteilung an der
Rechtmäßigkeit des ihm ausbezahlten Betrags auch nur zweifeln musste.
4.
Die Einzelfall-Bejahung des Ausschlusses solcher Gutgläubigkeit ist nicht unvertretbar, wenn zu
Lasten des ohnehin zweifelnden Arbeitnehmers veranschlagt wird, dass er bei seiner diesbezüglichen
Internetrecherche sein konkretes Wissen über das jederzeit lösbare Probearbeitsverhältnis nicht
berücksichtigte.
OGH 22.7.2014, 9 ObA 66/14t
OLG Wien 23.4.2014, 8 Ra 34/14z-18
2. bzw. 9.6.2015
Schrank, AR-Jud.Update
66
Ausbildungskostenrückzahlung bei Karenzaustritt?
LE-AS 12.3.2.Nr.9, § 2d Abs. 4 Z 3 AVRAG, § 15r MSchG
1.
Der Mutterschaftsaustritt ist kein vorzeitiger Austritt aus wichtigem Grund iSd traditionellen
Terminologie, sondern eine vorzeitige Beendigungsart sui generis.
2.
Daher stellt sich die Frage eines gerechtfertigten Analogieschlusses zu § 2d Abs. 4 Z 3 AVRAG.
3.
Aus dessen Z 1 AVRAG, der für den Ausschluss der Rückzahlungsverpflichtung auch einen Fall der
Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Initiative des Arbeitnehmers, nämlich bei Auflösung während der
Probezeit iSd § 19 Abs. 2 AngG oder gleichlautender sonstiger gesetzlicher Regelungen nennt, lässt sich
im Prinzip die Zielsetzung des Abs. 4 eines Rückzahlungsausschlusses ableiten, wenn nach einer
sondergesetzlichen Bestimmung in einer besonders schutzwürdigen Sonderkonstellation ein besonderes
Auflösungsrecht für den Arbeitnehmer vorgesehen ist.
4.
Dies ist bei § 15r MSchG der Fall, wonach die Dienstnehmerin während des Mutterschutzes oder
während der Elternkarenz ihren vorzeitigen Austritt erklären kann.
5.
Mit diesem besonderen gesetzlichen Auflösungsrecht (sui generis) im Sinn eines gesetzlich
anerkannten und damit berechtigen vorzeitigen Austritts kann der Mutterschaftsaustritt nicht in die Nähe
einer Selbstkündigung (mit bestimmten günstigeren Rechtsfolgen) gerückt werden.
6. Bei Übertragung der Zielsetzung und Wertung des § 2d Abs. 4 AVRAG auf den sondergesetzlich
berechtigten Austritt iSd § 15r MSchG ergibt sich, dass der Gesetzgeber, hätte er an dieses besondere
Auflösungsrecht gedacht, auch dazu die Rückzahlungsverpflichtung ausgeschlossen hätte.
7. Da dies insgesamt den Analogieschluss rechtfertigt, ist § 2d Abs. 4 Z 3 AVRAG (jedenfalls) um das
sondergesetzliche Auflösungsrecht nach § 15r MSchG zu erweitern.
8. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch berechtigten vorzeitigen Mutterschafts- bzw.
Karenzaustritt besteht daher kein Anspruch auf Ausbildungskostenrückzahlung.
9. Dies jedenfalls, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass vom besonderen Auflösungsrecht
entgegen dem Zweck des § 15r MSchG Gebrauch gemacht wurde.
OGH 29.9.2014, 8 ObA 57/14m
OLG Graz 27.5.2014, 7 Ra 9/14v-23, LG Graz 15.10.2013, 29 Cga 17/13s-18
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
67
Ausbildungskostenrückzahlung: Entgeltfortzahlung –
im öff. Dienst auch ohne Vereinbarung?
LE-AS 12.3.3.Nr.18, § 187a Stmk L-DBO
§§ 1 Abs. 2 Z 1, 2d Abs. 1 AVRAG
1.
Auf Vertragsbedienstete eines Landes sind nach § 1 Abs. 2 Z 1 AVRAG die Bestimmungen des AVRAG
nicht anwendbar. Dies gilt damit auch für dessen Ausbildungskostenrückzahlungsbestimmungen.
2.
Die Rückzahlungsansprüche ergeben sich bei diesem Personenkreis vielmehr unmittelbar aus § 187a
Stmk. L-DBO, wonach es einer schriftlichen Vereinbarung über den Ausbildungskostenersatz überhaupt
nicht bedarf.
3.
Auch § 2d Abs. 1 AVRAG lässt die Rückforderung des während einer Ausbildung fortgezahlten
Entgelts aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung zu, sofern der Arbeitnehmer für die Ausbildungsdauer
von der Dienstleistung gänzlich freigestellt war.
4.
Nach wiederholtem Ausspruch des erkennenden Senats ist eine Vereinbarung, nach der sich der
Arbeitnehmer verpflichtet, das ihm während der Freistellung zu Ausbildungszwecken weitergewährte
Bruttoentgelt zurückzuzahlen, in der Regel der Höhe nach hinreichend deutlich bestimmt.
OGH 23.1.2015, 8 ObA 73/14i
OLG Graz 2.10.2014, 6 Ra 67/14s-17
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
68
Krankenstands-, sonstige
Verhinderungs- und Urlaubsfragen,
Elternschaftsprobleme
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
69
Krankenstände: Verhalten grob genesungsbeeinträchtigend?
Beginn einer Ausbildung als Physiotherapeut bei Burn-Out
LE-AS 14.6.1.Nr.22, § 27 Z 1 dritter Fall AngG
1.
Ob ein Arbeitnehmer wegen Krankheit an der Verrichtung seiner Dienste verhindert ist, richtet sich
nach der konkreten Arbeitspflicht bzw. der Verhinderung an derselben.
2.
Dies kann naturgemäß nur bezogen auf den konkreten Arbeitgeber und nicht auf die berufliche
Tätigkeit in einem anderen Unternehmen beurteilt werden.
3.
Liegt zwar keine allgemeine Arbeitsunfähigkeit vor, kann der Arbeitnehmer aber aus gesundheitlichen
Gründen seine konkrete Arbeitstätigkeit nicht wieder aufnehmen, entbehrt es jeglicher Grundlage, ihn in
diesem Fall als „arbeitsunwillig“ und nicht als arbeitsunfähig anzusehen.
4.
Es liegt daher kein ungerechtfertigtes Fernbleiben vor.
5.
Auch der Entlassungsgrund grob genesungsbeeinträchtigen Verhaltens liegt nur vor, wenn die
Gebote allgemein üblicher Verhaltensweisen im Krankenstand offenkundig oder betont verletzt werden.
6.
Dabei muss das objektiv sorgfaltswidrige Verhalten dem AN auch subjektiv vorwerfbar sein.
7.
Die Rechtsansicht, der an einem „Burn-Out Syndrom“ Erkrankte habe durch die begonnene
Ausbildung zum Physiotherapeuten die gebotenen Verhaltensweisen im Krankenstand nicht ganz
offenkundig oder betont verletzt, ist daher insbesondere angesichts der festgestellten Tatsache, dass der
Hausarzt des Klägers diese Ausbildung befürwortete, jedenfalls vertretbar.
OGH 26.8.2014, 9 ObA 64/14y
OLG Innsbruck 23.4.2014, 15 Ra 18/14f-49
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
70
Entgeltfortzahlungsregress des Überlassers gegen
krankenstandsschuldhaften Beschäftiger?
LE-AS 14.7.1.Nr.3, § 1358 ABGB, § 2 EFZG, § 8 AngG, §§ 6, 7 Abs. 2 AÜG, § 333 ASVG
1.
Der Beschäftiger kann bei einem Arbeitsunfall eines ihm überlassenen Arbeitnehmers auch
gegenüber dem Überlasser einem Lohnfortzahlungsregress das Haftungsprivileg des § 333 ASVG entgegen
halten.
2.
Nach nun stRsp kommt es in den sogenannten Lohnfortzahlungsfällen aufgrund einer gesetzlichen
Lohnfortzahlungspflicht (zB § 8 AngG, § 2 EFZG) zu einer bloßen Verlagerung des Schadens auf den
Dienstgeber des Verletzten.
3.
Der entsprechende Ersatzanspruch gegen den Schädiger geht analog § 1358 ABGB, § 67 VersVG mit
der Lohnfortzahlung auf den Dienstgeber über. Der Schädiger hat daher dem Dienstgeber den auf ihn
überwälzten Schaden des Dienstnehmers zu ersetzen und nicht einen eigenen Schaden des Dienstgebers
aus dem Ausfall der Arbeitskraft.
4.
Wie schon in 2 ObA 276/04h judiziert, kann somit dem Arbeitgeber das Haftungsprivileg des § 333
ASVG hinsichtlich seiner aus der Lohnfortzahlung an geschädigte Arbeitnehmer resultierenden
Ersatzansprüche grundsätzlich entgegen gehalten werden, während dies für eigene Ansprüche des
Arbeitgebers (zB Gebäudeschaden, Erzeugungsausfall etc) verneint wurde.
5.
Auch das Vertragsverhältnis zwischen Überlasser und Beschäftiger hindert für Fortzahlungsregresse
nicht die Anwendung des § 333 ASVG zugunsten des Beschäftigers.
OGH 23.10.2014, 2 Ob 73/14w
LG Linz 16.1.2014, 14 R 215/13f-21
BG Traun 30.10.2013, 2 C 340/13t-16
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
71
Freie Dienstverträge: Dienstfreistellungen
§ 1155 ABGB? Durchschnittszeitraum bei Provisionen?
LE-AS 1.2.3.Nr.13, § 1155 Abs. 1 ABGB
1. Die Frage, welche Ansprüche einem leistungsbereiten freien Dienstnehmer in der Kündigungsfrist
zustehen, ist analog § 1155 ABGB zu beurteilen. Sie hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
2. § 1155 ABGB beruht auf dem Lohnausfallsprinzip, wonach jenes Entgelt gebührt, das der Dienstnehmer bekommen hätte, wenn er wie bisher weiter gearbeitet hätte.
3. Hinsichtlich variabler Einkommensbestandteile (insbesondere Provisionen) ist der Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem Durchschnittsprinzip zu berechnen, wobei auf die letzten zwölf repräsentativen
Monate abgestellt wird.
4. Auch bei schwankenden Einkommen freier Dienstnehmer ist ein Beobachtungszeitraum von einem
Jahr vertretbar.
5. Ein bedeutend längerer Beobachtungszeitraum als zwölf Monate (hier geforderter siebenjähriger
Durchrechnungszeitraum) ist auch bei freien Dienstnehmern nicht geboten, weil es nach dem § 1155
ABGB zugrunde liegenden Ausfallsprinzip nicht darum geht, einen Ausgleich zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Jahren zu schaffen, sondern dem leistungsbereiten Dienstnehmer
jenes Entgelt zukommen zu lassen, das ihm ohne Dienstverhinderung zugekommen wäre.
6. Dabei ist es sachgerecht, an das Einkommen vor Ausspruch der Kündigung anzuknüpfen und auch
das zu erwartende Arbeitsausmaß im Zeitraum der Dienstverhinderung mitzuberücksichtigen, mögen
auch dem DN in diesem Zeitraum umstrukturierungsbedingt keine Aufträge zugekommen sein.
OGH 25.2.2015, 9 ObA 153/14m
OLG Graz 2.10.2014, 6 Ra 70/14g-18, LG Klagenfurt 2.06.2014, 32 Cga 146/13a-13
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
72
Urlaubs- und Krankenentgelt: Schwankendes Entgelt –
welcher Durchschnittszeitraum?
LE-AS 16.3.1.Nr. 7, § 6 Abs. 3 UrlG, § 8 Abs. 1 AngG
1. Zufolge des in § 6 Abs. 3 UrlG zum Ausdruck kommenden Ausfallsprinzips bzw. des in § 8
Abs. 1 AngG zum Ausdruck kommenden Bezugsprinzips ist zu prüfen, welcher Entgeltanspruch
entstanden wäre, wenn die Arbeit in dem zu erwartenden Ausmaß erbracht worden wäre.
2. Für die Berechnung ist bei schwankendem Entgelt grundsätzlich von den Umständen des
Einzelfalls auszugehen.
3. Das Bezugsprinzip, Durchschnittsprinzip und Ausfallsprinzip sind nur rechentechnische
Hilfskonstruktionen. Aus ihnen lässt sich keine einzige sachgerechte und allgemeine Formel für
die Entgeltfortzahlung oder das Urlaubsentgelt ableiten.
3. Provisionen sind zweckmäßigerweise auf der Grundlage des Durchschnitts der in den letzten
zwölf repräsentativen Monaten erzielten Umsätze zu ermitteln.
4. Im Fall von Überstunden werden hingegen nur dann die im letzten Jahr (und nicht die in den
letzten dreizehn Wochen) geleisteten Überstunden dem Durchschnitt zugrunde gelegt, wenn der
Dreizehnwochenzeitraum aus besonderen Gründen (Krankheit, Urlaub, saisonale Unterschiede
etc) dem Gedanken der Kontinuität nicht entspricht.
5. Wird aufgrund des schwankenden Entgelts, das in den saisonal sehr unterschiedlichen
Flugeinsatzzeiten begründet ist, ein Jahresdurchschnitt herangezogen, trägt dieser dem
Gedanken der Kontinuität des Entgelts besser Rechnung, weil damit die saisonalen
Unterschiede ausreichend berücksichtigt werden.
OGH 25.2.2015, 9 ObA 12/15b
OLG Wien 25.11.2014, 10 Ra 87/14h-22
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
73
Kalendarisches Urlaubssystem – KollV-Arbeitsstundenmodell?
LE-AS 16.2.1.Nr.7, §§ 2 Abs. 1, 12 UrlG, §§ 27a ff VBG, § 3 Abs. 2 AMS-KollV
1.
Im zu 9 ObA 20/14b klar herausgearbeiteten kalendarischen System ist der Urlaubsanspruch
des UrlG völlig unabhängig vom jeweiligen Beschäftigungsausmaß.
2.
Einerseits entsteht daher bei einem geringeren Beschäftigungsausmaß der Urlaubsanspruch weder
nur aliquot, noch ist er bei einer Umstellung auf ein geringeres Beschäftigungsausmaß aliquot zu kürzen.
3.
Er umfasst vielmehr immer die im Gesetz vorgesehenen und grundsätzlich in zwei Teilen zu
verbrauchenden 30 bzw. 36 Werktage (also fünf oder sechs Wochen).
4.
Beim kalendarischen Urlaubsanspruch kommt es bei einer Änderung des Arbeitszeitausmaßes zu
keiner Änderung des Urlaubsanspruchs (9 ObA 20/14b, 8 ObA 35/12y).
5.
Der GG will für den UrlG-Bereich offenkundig nicht das alternative VBG-Modell verwirklicht wissen.
6.
Zieht man für den Günstigkeitsvergleich die wesentlichen vom UrlG zum Schutz der Arbeitnehmer
vorgegebenen Wertungen heran (Freizeitperiode zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und der Gesundheit), ist
ein Urlaubsmodell, das es auch ermöglicht, dass sich diese Freizeitperiode verkürzt und der Urlaubsverbrauch nicht angemessen erfolgen kann, für die Arbeitnehmer nachteilig.
7.
Da sich die Modelle schon im Ansatz völlig unterscheiden und diese Unterscheidung auch in die
verschiedensten Detailfragen durchschlägt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass nur ein Detail
dieses alternativen Modells wirksam und andere Teile unwirksam wären.
8.
Jedes Modell ist in sich geschlossen und nicht trennbar.
9.
Daher kann das vom AMS-Kollektivvertrag eingeführte alternative Urlaubsmodell auch nicht partiell
wirksam sein, zumal nicht ersichtlich ist, dass insgesamt eine Erhöhung des Gesamturlaubsausmaßes
gegenüber dem gesetzlichen Urlaubsausmaß beabsichtigt gewesen wäre.
10. Mangels Einräumung eines größeren KollV-Gestaltungsspielraums in § 12 UrlG ist daher das vom AMSKollV gewählte alternative Urlaubssystem zur Gänze unwirksam.
OGH 19.12.2014, 8 ObA 80/14v
OLG Linz 30.9.2014, 11 Ra 36/14i-8, LG Linz 26.2.2014, 7 Cga 5/14m-4
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
74
Urlaubsvereinbarung für ARG-Ersatzruhezeit wirksam?
LE-AS 16.2.8.Nr.4, § 4 Abs. 2 UrlG, § 6 Abs. 1 und 5 ARG
1.
Urlaubsverbrauch darf für Zeiten, in denen die Arbeitszeit unter Anspruch auf Fortzahlung
des Entgelts aus anderen Gründen entfällt, nicht vereinbart werden.
2.
Bei dennoch getroffener Urlaubsvereinbarung gilt dieser Zeitraum nicht als Urlaub.
3.
Mit der bezahlten Freizeit wurde daher ein anderer – hier der (zeitlich feststehende)
Ersatzruheanspruch – erfüllt.
4.
Der Arbeitnehmer kann eine tatsächlich gewährte Ersatzruhe nicht ohne Anspruchsverlust ablehnen
oder nach eigenem Gutdünken umwidmen.
5.
Wurde Urlaubsersatzleistung für gemäß § 4 Abs. 2 UrlG nicht wirksam vereinbarte Urlaubstage im
Prozess nicht geltend gemacht, kann sie auch nicht zugesprochen werden.
OGH 23.1.2015, 8 ObA 1/15b
OLG Graz 13.11.2014, 7 Ra 46/14h-27
LG Graz 26.2.2014, 38 Cga 60/13f-23
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
75
Urlaubsüberverbrauch: Ohne Vereinbarung
Vorgriff oder schlichter Zusatzurlaub?
LE-AS 16.2.4.Nr.8, §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 5, 10 Abs. 1, 12 UrlG
1.
Bei Urlaubsvorgriffen soll der Arbeitnehmer im Ergebnis nicht mehr Urlaub erhalten, als ihm zusteht;
nur die zeitliche Verteilung soll zu seinen Gunsten geändert werden.
2.
Urlaubsvorgriffe bedürfen jedoch einer vom Arbeitgeber nachzuweisende Vereinbarung der
Arbeitsvertragsparteien.
3.
Eine „automatische“ Anrechnung eines „vorgezogenen“ Urlaubs auf den im nächsten Urlaubsjahr
entstehenden Urlaub findet ohne solche Vereinbarung nicht statt.
4.
Bloßes Nichtwissen hinsichtlich des bei der Urlaubsvereinbarung zu geringen offenen Urlaubs
begründet gerade keine Vorgriffsvereinbarung.
5.
In solchen Fällen ist der Überhangsverbrauch ein zusätzlicher gewährter Urlaub ohne Anrechnung auf
den im nächsten Jahr gebührenden Urlaub.
6.
Auch eine Urlaubsersatzleistung wird durch den Überhangsverbrauch nicht gekürzt.
OGH 29.1.2015, 9 ObA 135/14i
OLG Wien 27.8.2014, 10 Ra 43/14p-14, ASG Wien 24.9.2013, 27 Cga 49/13t-10
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
76
Urlaubsverbrauchspflicht in Kündigungsfrist?
LE-AS 16.2.6.Nr.12, §§ 4 Abs. 1, 10 Abs. 1 und 3 UrlG
1.
Nach Aufhebung des § 9 UrlG aF durch das ARÄG 2000 besteht abgesehen vom Rechtsmissbrauch
keine Obliegenheit des Arbeitnehmers, den Urlaub in einer längeren Kündigungsfrist zu verbrauchen.
2.
Ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.
3.
Gerade im Hinblick auf die Kürze einer einmonatigen Kündigungsfrist und den großen Umfang an
noch offenem Urlaub – 31 bzw. 26,5 Werktage – fehlen auch bei Selbstkündigung und möglichem
Verbrauchsmonat Juli Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs.
4.
Die begehrte Urlaubsersatzleistung steht daher zu.
OGH 29.10.2014, 9 ObA 110/14p
OLG Innsbruck 23.6.2014, 13 Ra/14m-19
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
77
Dienstfreistellung mit schlüssigem Urlaub?
LE-AS 16.2.6.Nr. 13, §§ 4 Abs. 1, 10 Abs. 1 und 3 UrlG
1. Das Erfordernis einer Urlaubsvereinbarung schließt ein einseitiges Gestaltungsrecht des AG
zum Urlaubsverbrauch aus, außer im Fall der Verletzung der Treuepflicht und des
Rechtsmissbrauchs.
2. Eine Dienstfreistellung, etwa auch während der Kündigungsfrist, kann aber das Anbot des
AG auf Abschluss einer Urlaubsvereinbarung enthalten, sofern die Voraussetzungen einer
zumindest schlüssigen Willenserklärung vorliegen, also eines schlüssigen Anbots und einer
schlüssigen Annahme.
3. Wird dem AN beim Ausspruch der Kündigung keine Wahl gelassen, sondern (nur) erklärt,
der AN müsse den noch nicht konsumierten Urlaub verbrauchen, liegt in der schweigenden
Befolgung der endgültigen Dienstfreistellung samt Schlüsselübergabe bei verständiger
Betrachtung nicht der Erklärungswert einer Zustimmung zum angeordneten Urlaubsverbrauch.
OGH 25.6.2015, 8 ObA 48/15i
OLG Graz 7.5.2015, 6 Ra 16/15t-13
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
78
Überstundenpauschale:
Entfall auf Dauer der Elternteilzeit?
LE-AS 11.8.2.Nr.4, 17.4.3.Nr.2, §§ 8, 14, 15h Abs. 1 Satz 1 MSchG, § 8 Abs. 1 VKG
§ 19d Abs. 3, Abs. 3a bis 3f und 8 AZG
1. Während der Elternteilzeit besteht zwar kein Überstundenverbot, es besteht jedoch auch keine
Verpflichtung, Mehr- und Überstunden zu leisten.
2. Wird im konkreten Fall eine Arbeitnehmerin während der Elternteilzeit durch längere Zeit hindurch
keine Überstunden leisten, entfällt – zur Vermeidung einer erheblichen Störung des arbeitsvertraglichen
Synallagmas zwischen Arbeitsleistung und Entgelt – die Verpflichtung, das vereinbarte
Überstundenpauschale weiterzubezahlen.
3. Der Anwendung eines Widerrufsvorbehalts bedarf es nicht.
4. Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zur Turnuszulagen-Entscheidung des OGH, da bei
entfallenden Nachtdiensten § 14 MSchG zur Weiterzahlung verpflichtet, anders als bei Überstunden.
OGH 20.3.2015, 9 ObA 29/15b
OLG Graz 18.12.2014, 6 Ra 64/14z-14
LG Klagenfurt 3.4.2014, 34 Cga 23/14d-7
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
79
Betriebsrätewesen
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
80
Informationspflichten und Überwachungsrechte des BR:
Datenschutz der AN gegenüber Betriebrat?
(1)
LE-AS 23.3.1.Nr.3 und 23.3.3.Nr.3, §§ 89 Z 1 und 4, 99 Abs. 4, 115 Abs. 4, 122 Abs. 1 Z 4 ArbVG
§ 1 Abs. 1 und 2, 4 Z 1 und 2, 8 Abs. 1 Z 1 und 4, 9 Z 11 DSG 2000, Art. 8 Abs. 2 lit. b RL 95/46/EG
(Datenschutz-RL), rt. 8 EMRK, § 122 StGB
1.
Die Einsichtsrechte des Betriebsrats nach § 89 Z 1 ArbVG und die Informationspflichten nach § 99
Abs. 4 ArbVG sind auch datenschutzrechtlich nicht von der Zustimmung der betroffenen AN abhängig.
2.
Sie bestehen daher auch gegenüber jenen Arbeitnehmern, die sich gegen die Einsicht in die bzw.
Übermittlung derartiger Unterlagen aussprechen.
3.
Im Gegensatz zu § 31 DSG 1978, wonach die dem Betriebsrat zustehenden Befugnisse durch das
DSG nicht berührt werden, wird der Betriebsrat im DSG 2000 nur mehr in dessen § 9 Z 11 erwähnt.
4.
Nach dieser Bestimmung werden schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung
sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn die Verwendung erforderlich ist, um den Rechten und Pflichten
auf dem Gebiet des Arbeits- oder Dienstrechts Rechnung zu tragen, und sie nach besonderen Rechtsvorschriften zulässig ist, wobei die dem Betriebsrat nach dem ArbVG zustehenden Befugnisse im Hinblick
auf die Datenverwendung unberührt bleiben.
5.
Der Betriebsrat wird dadurch in Befugnissen nach dem ArbVG nicht beschnitten (6 ObA 1/06z).
6.
Das Überwachungsrecht des BR gemäß § 89 Z 1 ArbVG besteht auch ohne Zustimmung des
betroffenen Arbeitnehmers.
7.
Lediglich zur Einsicht in Personalakten ist die Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers
erforderlich (§ 89 Z 4 und § 91 Abs. 2 Z 3 ArbVG).
8.
Das ArbVG enthält ein abgestuftes Model der Rechte der Einsichtnahme und Information des
Betriebsrats und nimmt damit Rücksicht auf die schutzwürdigen Interessen der Dienstnehmer.
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
81
Datenschutz der AN gegenüber Betriebrat?
(2)
LE-AS 23.3.1.Nr.3 und 23.3.3.Nr.3,
9.
Neben dem Zustimmungserfordernis bei Personalakten bildet auch § 99 Abs. 4 ArbVG keine
Rechtsgrundlage für eine Befugnis zur Überwachung von Arbeitsverträgen.
10. Insbesondere hat der Betriebsrat aufgrund dieser Bestimmung kein Recht auf Einsichtnahme in die
Dienstzettel gemäß § 2 AVRAG.
11. Eine erforderliche individuelle Zustimmung der DN im Bereich der Einsichtsrechte des § 89 Z 1 und
der Informationspflichten nach § 99 Abs. 4 ArbVG würde die Tätigkeitsmöglichkeiten des Betriebsrats im
Bereich seiner Pflichtkompetenz aushöhlen.
12. Auch datenschutzrechtlich ist eine individuelle Interessenabwägung aufgrund des eindeutigen
Gesetzeswortlauts nicht vorzunehmen.
13. Die Regelung des § 8 Abs.1 Z 1 DSG 2000 widerspricht weder der Verfassungsbestimmung des § 1
Abs. 2 DSG noch Art. 8 EMRK.
14. Da § 89 Z 1 ArbVG eine Pflichtbefugnis des Betriebsrats darstellt, er also zur Ausübung dieser
Befugnisse verpflichtet ist, hat keine Interessenabwägung iSd § 8 Abs. 1 Z 4 DSG mehr stattzufinden.
15. Hinzuweisen ist auch auf die Verschwiegenheitspflicht der BR-Mitglieder (§ 115 Abs. 4 ArbVG).
16. Diese ist durch eine Verwaltungsstrafe und den Entlassungsgrund des § 122 Abs. 1 Z 4 ArbVG
sanktioniert, allenfalls auch durch § 122 StGB sowie durch einen gerichtlich klagbaren Unterlassungsanspruch, gegebenenfalls auch Schadenersatzansprüche.
17. Damit bestehen jedenfalls angemessene Garantien für die Wahrung des Datenschutzes auch durch
den Betriebsrat, wie sie Art. 8 Abs. 2 lit. b der RL 95/46/EG (Datenschutz-RL) für arbeitsrechtliche
Pflichten erfordert.
OGH 17.9.2014, 6 ObA 1/14m
OLG Innsbruck 14.5.2014, 13 Ra 11/14-29
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
82
Notwendige Mitbestimmung des Betriebsrats:
Allgemeine Alkomat-Kontrollen?
(1)
LE-AS 23.4.3.Nr.3, § 96 Abs. 1 Z 3 ArbVG, § 10 Abs. 1 AVRAG, §§ 16, 879, 1157 ABGB, § 18 AngG
§ 15 Abs. 4 ASchG, § 21b EisenbahnG, Art. 7 B-VG, Art. 14 EMRK, Art. 2 StGG, § 1 DSG
1. In Fällen der notwendigen Mitbestimmung nach § 96 Abs. 1 ArbVG kann die Zustimmung des Betriebsrats nur in Form einer Betriebsvereinbarung erfolgen.
2. „Kontrolle“ meint die Erhebung gewisser Fakten und deren Vergleich mit einem Sollzustand, „Kontrollmaßnahme“ die systematische Überwachung von Eigenschaften, Handlungen oder des allgemeinen
Verhaltens von Arbeitnehmern durch den Betriebsinhaber.
3. Es geht um Regelungen, die insbesondere vorschreiben, wann, unter welchen Umständen und auf
welche Weise Arbeitnehmer beim Betreten oder Verlassen des Betriebs oder bestimmter Betriebsteile,
ferner während ihrer Arbeitsleistung oder überhaupt während ihres Aufenthalts im Betrieb zu irgendeinem
Zweck überprüft werden. Dies trifft auf Alkomat-Kontrollen zu.
4. Daher ist unter dem Aspekt des § 96 Abs. 1 Z 3 ArbVG zu prüfen, ob sie die Menschenwürde berühren.
Der unbestimmte Wert- und Rechtsbegriff „Menschenwürde“ ist aus der Konkretisierung von Generalklauseln des Zivilrechts bzw. Arbeitsrechts zu gewinnen.
5. In diesem Zusammenhang ist § 16 ABGB, wonach jeder Mensch über angeborene natürliche Rechte
verfügt, eine Zentralnorm unserer Rechtsordnung, die in ihrem Kernbereich die Menschenwürde schützt,
und die Rechtskonkretisierung ein Anwendungsfall der Drittwirkung verfassungsrechtlich verankerter
Grundrechte, wie z.B. der Gleichbehandlung (Art. 7 B-VG; Art. 2 StGG; Art. 14 EMRK), des Schutzes des
Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) oder etwa des Datenschutzes (§ 1 DSG).
6. In solchen Fällen ist von einer grundrechtlich verankerten Pflicht zur umfassenden Interessenabwägung
auszugehen.
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
83
Notwendige Mitbestimmung: Alkomat-Kontrollen?
(2)
LE-AS 23.4.3.Nr.3,
7. Der Gesetzgeber will mit der Anknüpfung an die „Menschenwürde“ in § 96 Abs. 1 Z 3 ArbVG erreichen,
dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit des AN keinen übermäßigen Eingriffen ausgesetzt ist.
8. Im Arbeitsverhältnis sind vor allem auch die Wertungen der Fürsorgepflicht, die sich nicht nur auf die
Rechtsgüter Leben, Gesundheit, Sittlichkeit und Eigentum bezieht, sondern die die gesamte Persönlichkeit
umfasst, zu beachten.
9. Schutz der Persönlichkeit impliziert auch Schutz der Individualität, dh der persönlichen Entwicklung,
Selbstdarstellung und Bewahrung der Eigenständigkeit.
10. Auch die körperliche Integrität und die Privatsphäre eines Arbeitnehmers zählen zu den geschützten
Rechtsgütern.
11. Das notwendige „Berühren“ der Menschenwürde verlangt keine Eingriffsdichte, die als „Verletzung“
anzusehen wäre. „Berührt“ wird die Menschenwürde von einer Kontrollmaßnahme oder einem Kontrollsystem dann, wenn dadurch die in den Betrieb miteingebrachte Privatsphäre kontrolliert wird, oder wenn die
Kontrolle der Arbeitsleistung und des arbeitsbezogenen Verhaltens vor allem in übersteigerter Intensität
organisiert wird und jenes Maß überschreitet, das für Arbeitsverhältnisse dieser Art typisch und geboten ist.
12. Dass die Kontrolle eines betrieblich bedeutsamen Alkoholverbots grundsätzlich ein legitimes Kontrollziel ist, macht die gewählte Kontrollmethode noch nicht einseitig zulässig.
13. Alkoholkontrollen, die über die Beobachtungen (Wahrnehmungen von Geruch, Gang, Sprache, Konzentration etc) hinausgehen und die den Grad der Alkoholisierung verlässlich messen, greifen zwangsläufig in
die Integrität der biophysischen Beschaffenheit der Person und damit in ihre körperliche Integrität ein.
14. Daher bedarf es einer umfassenden Abwägung der wechselseitigen Interessen:
So sind einerseits die Interessen des Arbeitgebers, der ein grundsätzliches Recht zur Kontrolle der
Arbeitnehmer hat, aber darüber hinaus z.B. auch sein Eigentum sichern und schützen will, und andererseits
die Interessen des Arbeitnehmers an der Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte gegeneinander abzuwägen
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
84
Notwendige Mitbestimmung: Alkomat-Kontrollen?
(3)
LE-AS 23.4.3.Nr.3,
15. Dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit kommt hier regulierende Funktion zu: Persönlichkeitsrechte
dürfen nur so weit beschränkt werden, als dies durch ein legitimes Kontrollinteresse des Arbeitgebers
geboten ist. Es ist das schonendste – noch zum Ziel führende – Mittel zu wählen.
16. Hat der Arbeitgeber über das bloß relative Alkoholverbot des § 15 Abs. 4 ASchG (im Interesse des
öffentlichen Arbeitnehmer- und Gesundheitsschutzes) hinaus im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum
der Mitarbeiter eine Reihe von gesetzlichen Sonderbestimmungen – hier im Bahnbetrieb – zu beachten und
auch ein weiter nicht in Frage gestelltes absolutes Alkoholverbot ausgesprochen, ist ihm ein grundsätzliches Interesse an der Einhaltung und Kontrolle des Alkoholverbots zuzugestehen.
17. Dem steht jedoch das Interesse der Arbeitnehmer an den besonders hoch geschützten Rechtsgütern
ihrer körperlichen Integrität und ihrer Privatsphäre gegenüber.
18. Möchte der Arbeitgeber in dieses mit unangekündigten sporadischen Atemluftkontrollen eingreifen,
stehen diese aber in keinem Zusammenhang mit konkreten Verdachtsmomenten, weshalb sie einen AN
unvorhergesehen und jederzeit treffen können, ohne dessen Einwilligung, unabhängig von seiner Tätigkeit
und damit davon, ob ein Verstoß gegen das Alkoholverbot eine Gefährdungslage für den AN selbst oder für
Dritte schafft, orientiert sich das Arbeitgeberinteresse in diesem Bereich nicht an Sicherheitsaspekten,
sondern reduziert sich auf eine Kontrolle um der Kontrolle (oder Disziplin) willen.
19. Da der Alkomat-Test auch den untersten Promillebereich erfasst (wie er beispielsweise auch beim Verzehr von mit Alkohol zubereiteten Lebensmitteln gegeben sein kann), nimmt die Kontrollmethode zudem
nicht Bedacht darauf, ob eine geringe Alkoholmenge überhaupt mit einer Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit eines Mitarbeiters einhergeht.
20. Beschränkt sich diese Kontrolle nicht auf beim Fahrbetrieb oder in den Betriebsanlagen tätige Mitarbeiter, sondern soll die Kontrolle „alle Mitarbeiter“ ohne persönlichen Einschränkungen erfassen, fehlt eine
Bedachtnahme auf die konkrete Tätigkeit und Notwendigkeit für Kontrollen.
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
85
Notwendige Mitbestimmung: Alkomat-Kontrollen?
(4)
LE-AS 23.4.3.Nr.3,
21. Solche Kontrollen weisen selbst dann, wenn sie nicht regelmäßig und/oder häufig durchgeführt werden
sollen, eine gravierende Eingriffsintensität auf, weil es sich bei körperlicher Integrität und Privatsphäre um
besonders hoch geschützte Rechtsgüter handelt und der Eingriff nicht bloß unerhebliche Mitwirkung der
Verdächtigen verlangt.
22. Alkoholkontrollen bei Arbeitsbeginn überprüfen zugleich ein Freizeitverhalten der Arbeitnehmer.
23. Schließlich wird ein Arbeitnehmer durch eine Alkomatkontrolle naturgemäß in eine Verdachtsituation
gedrängt, bei der – anders als bei Anwesenheits- oder Arbeitszeitkontrollen – der Vorwurf einer
Ordnungswidrigkeit im Raum steht.
24. Dem Umstand nur sporadischer Kontrollen steht gegenüber, dass Arbeitnehmer permanent der
Möglichkeit einer unangekündigten Kontrolle ausgesetzt wären.
25. In Summe überwiegen die Interessen der Arbeitnehmer an der Wahrung ihrer körperlichen Integrität und
ihrer Privatsphäre, wenn der Arbeitgeber Alkomat-Tests unangekündigt, ohne Einwilligung der Mitarbeiter,
ohne besondere Verdachtslage und unabhängig davon durchführt, ob eine Alkoholisierung die konkrete
Tätigkeit zu beeinflussen geeignet ist und ob durch die Tätigkeit eine Gefährdungslage für den Mitarbeiter
oder andere Personen geschaffen wird.
26. Eine solche einseitige konsenslose Kontrollmaßnahme berührt die Menschenwürde und ist daher in
dieser Allgemeinheit rechtswidrig und unzulässig.
27. Infolge Verletzung seiner Mitwirkungsrechte, steht dem Betriebsrat ein Anspruch auf Unterlassung zu.
28. Dieser Anspruch kann auch durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden, könnte doch ohne
einstweilige Verfügung die Verwirklichung des Mitbestimmungsrechts während der Dauer des Prozesses
weiterhin vereitelt werden.
OGH 20.3.2015, 9 ObA 23/15w
OLG Wien 22.12.2014, 7 Ra 95/14p-9, ASG Wien 12.8.2014, 42 Cga 43/14x-5
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
86
Entlassungsschutz Betriebsrat: Untreue im Dienst –
Vorsätzlich unrichtiges Verzeichnen BR-Stunden?
LE-AS 42.4.1.Nr.7, §§ 116, 122 Abs. 1 Z 3 erster Fall, Abs. 2 ArbVG
1.
Hat ein Betriebsratsmitglied in zahlreichen Fällen bewusst unrichtig Zeiten als Betriebsratsstunden
verzeichnet, die keine waren – insbesondere waren jene im Anschluss an die Betriebsratssitzungen in
einem naheliegenden Gasthaus stattgefundenen „Nachbesprechungen“ waren privater Natur, woran auch
fallweises Reden über betriebliche Belange nichts ändern – , erfüllt dieser erheblicher Verstoß gegen die
dienstlichen Interessen der Arbeitgeberin den Entlassungstatbestand der Untreue im Dienst.
2.
Wer vorsätzlich pflicht- und treuwidrig seine Arbeitszeit auf Grundlage der unrichtigen Verzeichnung
von BB-Stunden abrechnet, will die Dienstgeberin über die entgeltsbegründenen BR-Stunden täuschen.
3.
Bei vorsätzlichen Täuschungshandlungen ist die Frage, ob auch fraktionelle Tätigkeiten unter bestimmten Voraussetzungen einen Freistellungsanspruch iSd § 116 ArbVG begründen, nicht von Relevanz.
4.
Auch die Ansicht, die Arbeitgeberin müsse sich die dem Betriebsratsvorsitzenden übertragene
Kontrolle der Arbeitszeitaufzeichnungen „zurechnen“ lassen, kann am eigenen Pflichtenverstoß nichts
ändern.
5.
Genauso wenig ist es relevant, dass die zugestandene Maximalanzahl der verzeichenbaren
Überstunden nicht ausgeschöpft wurde, weil dies nicht berechtigen kann, Zeiträume als
Betriebsratstätigkeit zu verzeichnen, die keine sind.
6.
Jedenfalls vermag auch bei Anlegung eines objektiven Maßstabes die massive Treuepflichtverletzung
durch die wiederholt vorsätzlich begangenen Täuschungshandlungen das Vertrauen des Dienstgebers
nachhaltig zu zerstören, sodass die Anforderung auch des § 122 Abs. 2 ArbVG erfüllt und die Zustimmung
zur Entlassung gerechtfertigt ist.
OGH 29.1.2015, 9 ObA 141/14x
OLG Linz 30.9.2014, 11 Ra 65/14d-27
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
87
Entlassungsschutz Betriebsrat: AN-Listen an AK-Rechtsschutzmitarbeiter – entschuldbarer Geheimnisverrat?
LE-AS 42.4.1.Nr.8, §§ 89 Abs. 1 Z 1, 120 Abs. 1 letzter Satz,122 Abs. 1 Z 4 ArbVG
1. Selbst bei Geheimnisverrat ist die Zustimmung zur Entlassung bzw. Kündigung nicht zu erteilen, wenn
die Mandatsschutzklausel zum Tragen kommt.
2. Hat ein BR-Mitglied 2011 bis 2013 etwa 100 AN des Betriebes im Zusammenhang mit Fragen ihrer
Entlohnung beraten bzw. zu deren Gunsten beim AG interveniert und übermittelte er für eine AN – nach
zahlreichen erfolglosen Gesprächen – dem Rechtsschutz-Mitarbeiter der AK Listen, die umfangreiche (auch
persönliche) Daten von anderen AN enthielten und mit denen die behauptete Ungleichbehandlung belegt
werden sollte, ist diese Vertretung der Interessen in Entgeltfragen, die zum Kernbereich der Aufgaben des
Betriebsrats gehört, grundsätzlich von seinem Mandat erfasst.
3. Dass das BR-Mitglied objektiv seine Kompetenzen und Befugnisse überschritten hat, steht der Anwendung der Mandatsschutzklausel nicht entgegen, wenn er der Meinung war, dass dieser AK-Mitarbeiter die
Listen zur als Entscheidungsgrundlage für die Gewährung von Rechtsschutz an die ANin benötigen und
verwenden werde und das Mitglied der Meinung sein konnte, im Rahmen seines Mandats tätig zu sein.
4. Daran ändert nichts, dass die ANin mittlerweile den Betrieb verlassen hatte, zumal es um die Fortsetzung der schon während des AV begonnenen Vertretung ging, die Ansprüche aus dem AV betraf.
5. Die Handlungsweise des BR-Mitglieds ist daher entschuldbar iSd § 120 Abs. 1 letzter Satz ArbVG.
OGH 27.5.2015, 8 ObA 17/15f
OLG Wien 20.11.2014, 8 Ra 137/14x-22
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
88
Betriebsübergänge
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
89
Betriebsübergänge: Auftragsvergabe Flughafen-Lounges?
LE-AS 27.1.2.Nr.7, § 3 Abs. 1 AVRAG
1.
Ob ein Betriebsübergang vorliegt, ist aufgrund der tatsächlichen Umstände zu beurteilen
2.
Bei Verpflegungsleistungen kommt es im Wesentlichen nicht auf die menschliche Arbeitskraft an, da
dafür Inventar in beträchtlichem Umfang erforderlich ist.
3.
Werden ausgeschriebene Flughafen-Lounges – von der Belegschaft abgesehen – im Wesentlichen
zur Gänze übernommen und am selben Standort, in den denselben Räumlichkeiten und unter Verwendung
derselben Betriebsmittel (Ausstattung wie Kücheneinrichtung, Kühlboote, -wannen und -schränke,
Eiswürfelerzeuger, Spülzeilen, Selbstbedienungsentnahmestellen etc) fortbetrieben, ist nicht entscheidend,
von wem die Betriebsmittel stammen.
4.
Bleibt der Loungebetrieb im Prinzip unverändert, weil den gleichen Loungegästen (BusinessclassKunden, Meilensammler ua) weiterhin, idR zur Überbrückung von Wartezeiten vor oder zwischen Flügen,
ein kleines Speisenangebot sowie Getränke anzubieten sind und WLAN und PC-Arbeitsplätze zur Verfügung stehen müssen, ändern die bloße Essfertigmachung der Speisen vor Ort sowie die Erweiterung des
Speisenangebots und der Öffnungszeiten in beschränktem Umfang im Grundsätzlichen nichts.
5.
Da solche Lounges keines besonderen Know-How bedürfen, das dem Personal eine spezielle
Bedeutung für die Identität des Betriebs geben könnte, liegt auch bei Nichtübernahme des Personals ein
Betriebsübergang vor.
6.
Da das Personal vielmehr kraft Gesetzes auf den Nachfolger übergegangen ist, stehen sie in keinem
Dienstverhältnis zur Betriebsvorgängerin.
7.
Für Zeiten nach dem Übergang sind daher gegen die Betriebsvorgängerin gerichtete
Feststellungsklagen auf Entgeltzahlung abzuweisen.
OGH 27.11.2014, 9 ObA 119/14m
OLG Wien 26.8.2014, 8 Ra 83/13d-38
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
90
Betriebs(teil)übergänge: Vom Vorgänger gekündigte
Pensionsbetriebsvereinbarungen – Nachwirkung?
Ablehnungs- bzw. Widerspruchsrecht?
LE-AS 24.2.1.Nr.12, 24.7.4.Nr.2, 27.2.2.Nr. 3, 27.6.5.Nr.1,
§§ 31 Abs. 7 zweiter Satz, 32 Abs. 3 ArbVG, §§ 3 Abs. 1 und 4, 5 Abs. 1 und 2 AVRAG
1.
Auch bei Inanspruchnahme des für Pensionsbetriebsvereinbarungen geltenden Sonderkündigungsrechts gem. § 31 Abs. 7 ArbVG greift grundsätzlich die Nachwirkung iSd § 32 Abs. 3 ArbVG.
2.
In jedem Fall des Wegfalls einer betrieblichen Pensionszusage infolge eines Betriebsübergangs gilt
die Abfindungsregelung des § 5 Abs. 2 AVRAG.
3.
Das Ablehnungsrecht des Erwerbers nach § 5 Abs. 1 Satz 2 AVRAG ist infolge planwidriger Unvollständigkeit des Wortlauts analog auch auf gekündigte Pensionsbetriebsvereinbarungen anzuwenden.
4.
In diesem Fall steht den AN das Widerspruchsrecht gemäß § 3 Abs. 4 AVRAG zu, mit der Möglichkeit
der Geltendmachung der Ansprüche gemäß § 5 Abs. 2 AVRAG.
5.
Sofern die Inhalte angewandter freier BV zum Inhalt der Einzelverträge geworden sind, gehen sie
bereits nach § 3 Abs. 1 AVRAG auf den Erwerber über.
OGH 25.2.2015, 9 ObA 80/14a
OLG Graz 3.4.2014, 6 Ra 87/13f-16
LG Graz 27.5.2013, 35 Cga 87/12b-11
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
91
Betriebsübergänge: Einstufung in Erwerber-KollV
Vorgängerzeiten bloße Vordienstzeiten oder Dienstzeiten?
LE-AS 27.2.4.Nr.5, §§ 3 Abs. 1 und 3, 4 Abs. 1 und 2 AVRAG, § 101 ArbVG
Art. 3 Abs. 1 RL 2001/23/EG, KollV Angestellte der öffentlichen Flughäfen
1.
Die beim Veräußerer verbrachten Dienstzeiten sind auch bei der Einstufung in den ErwerberKollektivvertrag so zu beurteilen, als wären sie beim neuen Arbeitgeber verbracht.
2.
Dementsprechend ist eine „Anrechnung“ der früheren Dienstzeiten gar nicht erforderlich, weil sie
schon als solche Dienstzeiten zum Erwerber sind.
3.
Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch dem Grundsatz der richtlinienkonformen Interpretation.
Es passt sich genau in die vom EuGH vorgegebenen Zielrichtungen ein.
4.
Grundsätzlich wird der Arbeitsvertragsinhalt und damit auch die Umschreibung der Grenzen des
Weisungsrechts durch den Betriebsübergang nicht geändert.
5.
Ist aber nicht eindeutig, ob die Arbeitsvertragsparteien den Bereich der zuweisbaren Tätigkeiten
tatsächlich abschließend dahin beschreiben wollten, dass eine Veränderung, wie sie im Zuge des
Betriebsübergangs erfolgte, nicht zulässig wäre (allein die längere Verwendung an einem bestimmten
Arbeitsplatz bewirkt ja noch keine Einschränkung auf diesen Aufgabenkreis), ist für die Einstufung in die
begehrte höhere Verwendungsgruppe das Verfahren noch ergänzungsbedürftig.
6.
Dies auch unter dem Aspekt, dass der Arbeitnehmer auch die (eventuelle) Unwirksamkeit einer
Versetzung zeitgerecht aufzuzeigen hat, aber Derartiges aus den bisherigen Feststellungen nicht klar
ersichtlich ist.
OGH 18.12.2014, 9 ObA 109/14s
OLG Graz 25.7.2014, 7 Ra 20/14m-18, LG Graz 20.11.2013, 29 Cga 29/13f-12
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
92
Beendigungs-, Bestandschutz- und
Endabrechnungsfragen
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
93
Befristungserfordernisse: Wiederholte
Vertretungsbefristung trotz Nichtnennung im Vertrag?
LE-AS 30.3.1.Nr.15, §§ 4 Abs. 4, 4a Abs. 2 Z 1 und 3, Abs. 4, 36 VBG
§ 19 Abs. 1 AngG, § 1158 Abs. 1 ABGB
1.
Die Bestimmung des § 4 Abs. 4 VBG gilt gemäß § 4a Abs. 2 Z 1 VBG nicht, wenn der Vertragsbedienstete nur zur Vertretung aufgenommen wurde.
2.
War materiell ein Vertretungsfall gegeben, schadet es der Wirksamkeit einer zweiten Befristung auch
nicht, wenn der Vertretungsfall im Vertrag selbst und im Nachtrag nicht erwähnt war.
3.
Zwar hat ein Dienstvertrag nach § 4 Abs. 2 Z 3 VBG jedenfalls Bestimmungen darüber zu enthalten,
ob und für welche Person zur Vertretung aufgenommen wird, jedoch ist dies als bloße Ordnungsvorschrift
anzusehen.
4.
Daher stellt die Ausnahme des § 4a Abs. 2 Z 1 VBG lediglich materiell auf das Vorliegen eines
Vertretungsfalls ab.
5.
War die zweite Befristung aufgrund des Vertretungsfalls zulässig und die zu Vertretungszwecken
zulässige Höchstdauer befristeter Dienstverhältnisse (§ 4a Abs. 4 VBG) nicht überschritten, besteht
demzufolge kein Anspruch auf ein unbefristetes Dienstverhältnis.
OGH 29.10.2014, 9 ObA 95/14g
OLG Innsbruck 2.7.2014, 13 Ra 20/14k-14
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
94
Dienstgeberkündigung: Bei laufender Kündigungszeit
neuerliche Kündigung mit kürzerer Frist?
LE-AS 35.6.1.Nr.5, §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 2, 29 Abs. 1 AngG
1.
Mit Ausspruch einer Kündigung wird das Arbeitsverhältnis in eine Befristung versetzt, auch wenn sie
nicht von Anfang an vereinbart war.
2.
Diese Befristung steht – jedenfalls ohne Vereinbarung – einer neuerlichen Kündigung entgegen.
3.
Eine neuerliche Kündigung während bereits laufender Kündigungszeit wäre daher zeitwidrig, sodass
Kündigungsentschädigung bis zum ursprünglichen Termin zusteht.
4.
Bei Kündigung am 12.8. mit (gegenüber dem Gesetz günstigerer) dreimonatiger Frist zum 30.11.,
gebührt daher (auch) bei ungerechtfertigter vorzeitiger Auflösung am 16.9. auch dann Entschädigung bis
zum ursprünglichen Kündigungstermin 30.11., wenn ohne die bereits laufende Kündigung eine Kündigung
zum 31.10. zulässig gewesen wäre.
OGH 25.11.2014, 8 ObS 9/14b
OLG Graz 1.7.2014, 6 Rs 24/14t-12
LG Graz 21.10.2013, 32 Cgs 228/13p-8
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
95
Allg. Kündigungsschutz: Anspruchskündigung wegen
Mobbingabhilfe-Aufforderung?
LE-AS 39.1.4.Nr.16, § 105 Abs. 3 Z 1 lit. i ArbVG, § 879 Abs. 1 ABGB, § 18 AngG, § 226 ZPO
1.
Im Anwendungsbereich der speziellen Kündigungsbestimmungen ist die Geltendmachung der
Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nach § 879 ABGB ausgeschlossen, jedoch ist die offenbar rechtlich
unrichtige Qualifizierung des Sachverhalts durch den Kläger bedeutungslos.
2.
Unter „Ansprüchen“ iSd § 105 Abs. 3 Z 1 lit. I ArbVG sind alle Ansprüche zu verstehen, die sich
unmittelbar aus der Stellung des Arbeitnehmers im aufrechten Arbeitsverhältnis ergeben, nicht nur
finanzielle, sondern auch sonstige Leistungs- und Unterlassungsansprüche.
3.
Auf einen solchen Anspruch beruft sich, wer geltend macht, die Arbeitgeberin im Rahmen ihrer
Fürsorgepflicht (§ 18 AngG) um Abhilfe gegen Mobbing-Handlungen Dritter ersucht zu haben und deshalb
gekündigt worden zu sein.
4.
Wurde daher das Klagebegehren mit Sachvorbringen begründet, das grundsätzlich sowohl
Grundlage einer Anfechtung nach § 879 ABGB als auch einer Anfechtung nach § 105 Abs. 3 Z 1 ArbVG sein
konnte, schadet die mit der Berufung auf § 879 ABGB unrichtige Qualifizierung des Sachverhalts nicht,
wenn dem Vorbringen eine ausdrückliche und ausschließliche Beschränkung auf den Rechtsgrund des §
879 ABGB in keiner Weise zu entnehmen ist.
5.
Damit hat die Arbeitnehmerin das Klagehauptbegehren auch auf ein verpöntes Motiv iSd § 105 Abs. 3
Z 1 lit. i ArbVG gestützt, sodass das Berufungsgericht über die geltend gemachten Mängel- und
Beweisrügen zu entscheiden hat.
OGH 25.11.2014, 8 ObA 53/14y
OLG Wien 26.6.2014, 10 Ra 21/14b-38, ASG Wien 13.11.2013, 1 Cga 105/12k-34
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
96
Verbotene Anspruchskündigung: Glaubhaftmachung
eines anderen überwiegend ausschlaggebenden Motivs?
Einfordern bloßer Wünsche?
LE-AS 39.1.3.Nr.5, § 105 Abs. 3 Z 1 lit. i ArbVG
1. Ficht eine AN die Kündigung an, weil sie immer wieder Dienstplanwünsche geltend gemacht habe, die
der AG nicht erfüllen konnte bzw. wollte, stellt das Gericht jedoch fest, dass der AG diese nach Möglichkeit
zu erfüllen versucht habe und die Kündigung wegen mehrerer (davon unabhängiger) Zwischenfälle mit ihr
(abfällige Bemerkungen über Kollegen, Verbreiten unwahrer Gerüchte über Kollegen) erfolgt sei, ergibt sich
aus diesen gerichtlichen Tatsachenfeststellungen, dass in Wahrheit das den Betriebsfrieden störende
Verhalten das (überwiegend) ausschlaggebende Kündigungsmotiv war.
2. Ist somit dem AG die Glaubhaftmachung gelungen, dass die von ihm ins Treffen geführten Vorfälle mit
der AN überwiegend für die Kündigung ausschlaggebend waren, liegt keine anfechtbare „Anspruchskündigung“ vor.
3. Im Übrigen ist das Erheben bloßer Wünsche oder Forderungen, die Arbeitsbedingungen – im Anlassfall
die dienstplanmäßige Arbeitszeiteinteilung – nach den AN-Vorstellungen zu gestalten, keine Geltendmachung eines Anspruchs. Von einem solchen kann nur dann die Rede sein, wenn sich der AN erkennbar
auf eine Rechtsposition bezieht. Betrifft letztere eine einvernehmlich abgeänderte frühere Rechtsposition,
ist die Berufung auf den früheren Anspruch offenbar unberechtigt, wenn ohne Zweifel erkennbar ist, dass
insofern kein Anspruch besteht.
OGH 26.2.2005, 8 ObA 59/14f
OLG Wien 24.6.2014, 9 Ra 16/14k, ASG Wien 12.6. 2013, 18 Cga 76/11v-59
Siehe auch die Kurzdarstellung des Sachverhalts in ARD 6463, S. 7.
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
97
Sozialwidrigkeitsanfechtung:
Soziale Gestaltungspflicht – Kündigung Anderer?
LE-AS 39.5.2.Nr.20,. § 105 Abs. 3 Z 2 lit. b ArbVG
1. Bei einem Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes ist im Rahmen der Beurteilung der Betriebsbedingtheit
der Kündigung zu überprüfen, ob der Arbeitgeber seiner sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen ist.
2. Diese verpflichtet ihn zur Prüfung, ob noch einschlägige Stellen im Betrieb vorhanden sind, die er dem
zu kündigenden Arbeitnehmer anbieten muss.
3. Die Gestaltungspflicht des Arbeitgebers geht aber nicht so weit, dass er dem zu kündigenden
Arbeitnehmer einen weniger qualifizierten Posten ohne Verringerung des Einkommens anbieten müsste.
4. Der Arbeitsplatz ist aus (objektivierten) betrieblichen Gründen weggefallen, wenn der AN ein konkretes
gefördertes Projekt als Leiter betreut hat, das Projekt aber aufgrund der Einschränkung der notwendigen
Fördermittel aus nachvollziehbaren betriebswirtschaftlichen Überlegungen des AG eingestellt wird.
5. Die Forderung, anstelle eines anderen (zu kündigenden) Projektleiters eingesetzt zu werden, ist ohne
Belang, wenn kein freier Arbeitsplatz für ihn vorhanden war und ein Sozialvergleich im Anlassfall nicht
durchzuführen ist.
OGH 28.4.2015, 8 ObA 30/15t
OLG Graz 12.02.2015, 6 Ra 84/14s-33
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
98
Sozialwidrigkeitsanfechtung: Betriebliche Rationalisierung
Unternehmerische Gestaltungsfreiheit? Kostensenkung?
LE-AS 39.5.2.Nr.21, § 252 Abs. 3 lit. b Tir LAO 2000, § 105 Abs. 3 Z 2 lit. b ArbVG
1. Eine Kündigung ist durch betriebliche Erfordernisse begründet, wenn sie im Interesse des Betriebs
notwendig ist.
2. Bei betrieblicher Rationalisierung ist die Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Richtigkeit der Maßnahmen dem wirtschaftlichen Ermessen des Betriebsinhabers vorbehalten.
3. Die Gerichte sind nicht dazu berufen, die Zweckmäßigkeit der getroffenen Maßnahmen zu überprüfen.
Der Arbeitgeber muss sich nur gefallen lassen, dass das Gericht überprüft, ob die Kündigung eines
Mitarbeiters tatsächlich zur Kostensenkung führt.
4. Ist dies der Fall, ist sie ein zur Zweckerzielung geeignetes Mittel und sachlich begründet.
5. Ist der Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers zwar nicht weggefallen, aber eine Nachbesetzung wegen
Rationalisierung unterblieben, weil seine Tätigkeit von anderen Arbeitnehmern mitübernommen wurde, liegt
dennoch ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vor.
6. Mit einer Rationalisierungsmaßnahme ist jedenfalls eine nicht unbeträchtliche Kostenverringerung eingetreten, wenn das rund 85.000 € brutto jährlich zuzüglich Arbeitgeberbeiträge betrug.
OGH 28.5.2015, 9 ObA 48/15x
OLG Innsbruck 13.02.2015, 15 Ra 6/15t-62
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
99
Entlassung: Weitergabe heikler Interna, u.a. auf Facebook?
LE-AS 41.2.1.Nr.96, § 27 Z 1 dritter Fall AngG
1.
Die Verschwiegenheits- und Diskretionspflichten im Arbeitsverhältnis als Ausdruck der Treuepflicht
gehen über Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse hinaus.
2.
Sie umfassen sämtliche nicht allgemein bekannte Tatsachen, an deren Geheimhaltung der
Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat.
3.
Wer wie der Hauptkassier einer Bank zum Träger fremder betrieblicher und geschäftlicher Interessen
geworden ist, muss diese Interessen wahren und alles unterlassen, was diese Interessen zu
beeinträchtigen geeignet ist.
4.
Er hat daher auch Stillschweigen über für den Arbeitgeber wichtige Informationen, selbst wenn es
sich um keine unmittelbaren Geschäftsgeheimnisse handelt, zu bewahren.
5.
Wird ein im gekündigten Dienstverhältnis und vom Dienst freigestellter Bank-Hauptkassier von
Nachbarn ua darauf angesprochen, dass erzählt werde, er sei entlassen worden, weil er Geld unterschlagen
habe, teilt er, um sich zu rechtfertigen, diesen Personen detailliert mit, dass in der Bank auf mysteriöse
Weise 15.000 € verschwunden seien, er aber dafür nicht verantwortlich sei, und stellt er wenig später an
einen Arbeitskollegen über Facebook in dem für Facebook-Nutzer öffentlich zugänglichen Bereich die
Anfrage „Hallo M! Ich habe gehört du bist HK in der R – ich habe 2 Fragen an dich (bitte aber um strenge
Diskretion). 1. Sind die € 15.000,00 nochmals aufgetaucht? ...“, begründet dieses Verhalten den
Entlassungsgrund dienstlicher Vertrauensunwürdigkeit, wenn er diesen Eintrag zwar bald wieder löscht,
aber einige Tage später einem Mitarbeiter eines anderen Bankinstituts, der diesen Eintrag gelesen, aber
nicht verstanden hatte, über dessen telefonische Anfrage wiederum im Detail den Sachverhalt mitteilt, über
den er bereits drei Nachbarn informiert hat.
OGH 27.11.2014, 9 ObA 111/14k
OLG Wien 25.6.2014, 7 Ra 38/14f-18
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
100
Entlassungsgründe: Vertrauensunwürdigkeit
Berufsdetektivassisten „erlaubt“ unwahre Angabe im
Lebenslauf eines Bekannten
(1)
LE-AS 41.2.1.Nr.100, § 27 Z.1 3. Fall AngG
§§ 129, 130 Abs 8 bis 10, 367 Z. 50 GewO 1994
1. Für die Beurteilung, ob ein AN durch treuwidriges Verhalten die betrieblichen Interessen verletzt hat,
kann auch der Art des Betriebs maßgebliche Bedeutung zukommen, weil in manchen Branchen – etwa auch
im Sicherheitswesen – den Angestellten ein besonderes Vertrauen entgegengebracht werden muss.
2. Die Beschäftigung eines Berufsdetektivassistenten ist gemäß § 130 Abs. 8 GewO 1994 an die
erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung des Arbeitnehmers geknüpft.
3. Zu deren Abklärung sieht § 130 Abs. 8 bis 10 GewO ein spezielles Melde- und Prüfverfahren vor, deren
Einhaltung für den Arbeitgeber unter Verwaltungsstrafsanktion steht.
4. Die Ausübungsregel des § 130 Abs. 8 GewO dient auch dem Schutz der von der Gewerbetätigkeit
unmittelbar betroffenen Kunden und anderer (etwa überwachter) Personen.
5. Hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Arbeitnehmer im Sicherheitsgewerbe ist ein ähnlich strenger
Maßstab anzulegen wie beim Bewilligungswerber.
6. Erlaubt der AN eigenmächtig einem Bekannten, den AG wahrheitswidrig in dessen Lebenslauf als Auftraggeber anzuführen, ist dies keine bloße Ordnungswidrigkeit, sondern eine Verletzung der Treuepflicht.
7. Eine solche Vorgangsweise gefährdet potentiell die Reputation des Arbeitgebers im geschäftlichen
Verkehr, weil damit zu rechnen ist, dass der Bekannte den Lebenslauf mit den wahrheitswidrigen Angaben
für sein berufliches Fortkommen auch in der Sicherheitsbranche verwenden werde.
8. Schon diese Vertrauensverletzung ist objektiv derart schwerwiegend, dass dem AG die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses auch nur während der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
101
Entlassungsgründe: Vertrauensunwürdigkeit
Auch abgemahnter Zugriff auf privaten Email-Account des
GF berücksichtigbar?
(2)
LE-AS 41.2.1.Nr.100,
9. Auch ein wenige Wochen zuvor abgemahntes gravierendes Fehlverhalten (im Anlassfall der
unberechtigte Zugriff auf den privaten E-Mail-Account des Geschäftsführers) kann bei späterer
Wiederholung des abgemahnten bzw. gleichartigen Verhaltens) noch zur Beurteilung der Berechtigung der
Entlassung herangezogen werden.
10. Abgemahnte Vorfälle können zwar nicht neuerlich als Entlassungsgrund herangezogen werden, doch
können sie bei späterer Wiederholung des abgemahnten (bzw. eines gleichartigen) Verhaltens im Rahmen
einer Würdigung des Gesamtverhaltens noch nachträglich Berücksichtigung finden.
11. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn der Arbeitnehmer in beiden Fällen im Wesentlichen
gleichartige, das Vertrauen des Dienstgebers verletzende Handlungen gesetzt hat, die auf seiner
festgestellten Neigung beruhten, seine ihm zukommenden Kompetenzen zu überschätzen.
OGH 28.4.2015, 8 ObA 12/15w
OLG Wien 22.12.2014, 8 Ra 159/14g-59
ASG Wien 24.2.2014, 27 Cga 69/12g-48
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
102
Entlassungsgründe: Beharrliche Pflichtverletzung –
Verlassen des Arbeitsplatzes und Nichtrückkehr trotz mehrfacher Aufforderung und Gelegenheit zur Stellungnahme?
LE-AS 41.2.4.Nr.47, § 82 lit. f 2. Fall GewO 1859
1. Immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden kann insbesondere die Frage, ob
eine Dienstverweigerung von derart schwerwiegender Art ist, dass sie auf die Nachhaltigkeit der
Willenshaltung schließen lässt.
2. Verlässt ein Dienstnehmer nicht nur ohne Einwilligung seinen Arbeitsplatz, sondern widersetzt er sich
auch mehrfach den Anordnungen des Vorarbeiters, den Dienst dort wieder fortzusetzen, und rückt er davon
selbst dann nicht ab, als der Vorarbeiter eine Meldung an seinen Vorgesetzten ankündigt und ihm sodann
dessen Vorgesetzter die Möglichkeit zur Stellungnahme einräumt, stellt diese Dienstverweigerung eine
beharrliche Pflichtverletzung dar.
3. Nach Interventionen von Vorgesetzten verschiedener Hierarchieebenen kann für einen Dienstnehmer
der Ernst der Lage und die Tatsache, dass dienstrechtliche Konsequenzen im Raum standen, nicht
zweifelhaft sein.
4. Bei der Gesamtwürdigung des Verhaltens ist die erhebliche Dauer der Dienstzeit zu berücksichtigen.
5. Selbst unter deren Berücksichtigung erfordert jedoch die wiederholte Weigerung, den Dienst wieder
ordnungsgemäß am zugewiesenen Dienstort zu versehen, keine weitere Verwarnung mehr.
OGH 29.4.2015, 9 ObA 31/15x
OLG Wien 22.12.2014, 8 Ra 121/14v-19
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
103
Lehrlingsaustritt: Nachholen der Schriftlichkeit?
LE-AS 43.1.2.Nr.11, § 15 Abs. 2 und 4 BAG
1.
Zur Einhaltung der nach § 15 Abs. 2 BAG erforderlichen Schriftform muss eine Austrittserklärung
vom Lehrling unterschrieben (oder qualifiziert elektronisch signiert) werden.
2.
Bei Nichteinhaltung des Schriftformerfordernisses tritt die angestrebte Auflösung i.A. nicht ein.
3.
Auch ein schriftliches Nachholen des Austritts muss unverzüglich erfolgen.
4.
Dabei kann eine (auch über 5 Wochen spätere) schriftliche Auflösung nicht isoliert gesehen werden,
wenn eine eindeutige mündliche Auflösungserklärung (unverzüglich) abgegeben war und beide Teile vom
Ende ausgegangen sind.
5.
Das Unterlassen der unverzüglichen (formgültigen) Auflösungserklärung führt demnach dann nicht
zur Verwirkung, wenn die Verzögerung durch einen besonderen Grund gerechtfertigt ist.
6.
Hatte der AG eine E-Mail der Eltern, mit der unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wurde, dass
der Lehrling das LV aufgrund von Beschimpfungen und Drohungen unter keinen Umständen fortsetzen
will, und wiederholte dies der Vater im Gespräch am Tag des Maileinlanges ausdrücklich, konnte für den
Arbeitgeber kein Zweifel an der Beendigung aus Sicht des Lehrlings bestehen.
7.
Wurde diese Konsequenz zunächst auch akzeptiert und erfolgte eine Abmeldung bei der GKK mit
dem Grund „Kündigung durch den DN“, sind zunächst beide Teile von erfolgter Beendigung ausgegangen.
8.
Wurde der Lehrling in dieser Haltung durch Zusendung einer Kopie der Abmeldung bestärkt, lag es
am AG, zunächst den Lehrling unter Hinweis auf die Unwirksamkeit zum Dienstantritt aufzufordern.
9.
Ist der Arbeitgeber dieser Obliegenheit auch nachgekommen und wurde daraufhin – die nunmehr
formwirksame – Auflösung postwendend nachgeholt, bestand für ihn kein relevantes Klarstellungsbedürfnis, zumal ihm die Haltung des Lehrlings vollkommen klar war.
10. Unter solchen Umständen ist die objektive Verzögerung bis zu diesem Nachholen vielmehr durch die
Sachlage ausreichend gerechtfertigt.
11. Wurde die Berechtigung zum Austritt nicht bestritten, steht daher die Kündigungsentschädigung zu.
OGH 19.12.2014, 8 ObA 64/14s
OLG Linz 12.8.2014, 12 Ra 56/14p-15, LG Wels 21.5.2014, 16 Cga 12/14m-11
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
104
Abfertigung Alt
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
105
Zusatzabfertigung Sozialplan: Trotz Arbeitgeberkündigung
kein Anspruch?
LE-AS 45.2.2.Nr.16, §§ 6, 7, 863, 879 Abs. 1 ABGB, § 97 Abs. 1 Z 4 ArbVG
1.
Ist nach einer Sozialplan-Betriebsvereinbarung zwischen einer Dienstgeberkündigung aus
disziplinären sowie aus fachlichen Gründen einerseits und einer Dienstgeberkündigung aus anderen
Gründen andererseits zu unterscheiden, fällt eine Dienstgeberkündigung aus disziplinären oder – wie im
Anlassfall – aus fachlichen Gründen nicht in den Anwendungsbereich des Sozialplans.
2.
Dies auch unter dem Aspekt, dass eine solche Dienstgeberkündigung gerade nicht aufgrund der
Betriebsänderung erfolgt, die zum Abschluss des Sozialplans geführt hat.
3.
Knüpft die betriebsvereinbarte Zusatzabfertigung von drei Monatsentgelten an die einvernehmliche
Auflösung des Dienstverhältnisses anstelle einer geplanten Dienstgeberkündigung, kann der Dienstnehmer
nach erfolgtem Ausspruch der Kündigung nicht lediglich ein Anbot auf einvernehmliche Auflösung
unterbreiten und es in weiterer Folge beim Untätigbleiben des Dienstgebers bewenden lassen.
4.
Mangels einvernehmlicher Auflösung gebührt daher die zusätzliche Sozialplanabfertigung nicht.
OGH 25.11.2014, 8 ObA 74/14m
OLG Innsbruck 16.9.2014, 15 Ra 67/14m-30
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
106
Abfertigungsbemessung:
Regelmäßige Überstundenentgelte?
LE-AS 45.8.5.Nr.3, § 23 Abs. 1 AngG, § 10 AZG
1. Nach § 23 Abs. 1 AngG stellt das für den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses gebührende
Entgelt die Basis der Berechnung der Abfertigung dar.
2. Dabei umfasst der weit zu verstehende Begriff des Entgelts jede Leistung des Arbeitgebers, die
der AN als Gegenleistung dafür bekommt, dass er ihm seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt.
3. Darunter ist der sich aus den mit einer gewissen Regelmäßigkeit – wenn auch nicht jeden Monat
– wiederkehrenden Bezügen ergebende Durchschnittsverdienst zu verstehen, der sich aus den
regelmäßig im Monat wiederkehrenden Bezügen zuzüglich der auch in größeren Abschnitten oder
nur einmal im Jahr zur Auszahlung gelangenden Aushilfen, Remunerationen, Zulagen usw
zusammensetzt.
4. Wurden einem Arbeitnehmer regelmäßig Überstundenentgelte ausbezahlt – konkret Überstunden (sei es auch synonym als „Gutstunden“ bezeichnet) in unregelmäßigen Abständen, „im
Durchschnitt des Dienstverhältnisses in 6,8 Monaten“ ausbezahlt, hat der Arbeitgeber daher öfter
als jedes zweite Monat Zahlungen für Überstunden geleistet und nicht ausschließlich durch
Zeitausgleich abgegolten.
5. Diese Überstundenentgelte sind im Durchschnitt in die Bemessung einzubeziehen.
OGH 29.7.2015, 9 ObA 13/15z
OLG Wien 27.11.2014, 7 Ra 54/14h-44
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
107
Herzlichen Dank!
5. 11.2015
Schrank, AR-Neuerungen
108