Unter dem Motto »die Allgäuer Kräuterwelt aktiv erleben« führte

Johanniskraut
Unter dem Motto »die Allgäuer Kräuterwelt
aktiv erleben« führte Chefin und Wildkräuterfrau
Brigitte Dinser unsere Leser von »Leben im Allgäu«
durch ihren Kräutergarten in Wengen.
Allgäuer Kräuterwelt
aktiv erleben
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Herbst 2013
D
ie Geheimnisse der Pflanzen und
ihre Heilkraft, ihren Duft und
Geschmack entdecken, das konnten die
Kursteilnehmer auf dem Kräuterlandhof
»Pro Kräuter« in Wengen. Chefin und
Wildkräuterfrau Brigitte Dinser erzählte
aus ihrem Schatzkästchen und gab viele
praktische Tipps zum Thema Kräuter
rund um Küche und Gesundheit.
»Johanniskraut und andere Kräuter
wie Beifuß und Gundermann sind durch
Mythen und Brauchtum eng mit der
Sommersonnwende verbunden.« Gespannt lauschten die Kursteilnehmerinnen der Allgäuer Wildkräuterfrau.
Wie vielseitig Johannipflanzen eingesetzt
werden können, demonstrierte sie an
diesem Nachmittag den Damen. Gemeinsam wurden Aussehen und wichtige
Merkmale der Johannipflanzen erschlossen. »An jedem Wegesrand begegnen wir
den Heil- und Nutzpflanzen der Natur.
Doch wer kennt die Kräuter heute noch
beim Namen, kann sie erkennen und
weiß sie zu verwenden?«, Brigitte Dinser
blickte in die Runde und reichte Johannisblüten, Ringelblume, Beifuß, Frauenmantel, Königskerze und Quendel reihum und erklärte die Heilkraft der ein-
Allgäu aktiv
zelnen Pflanzen, ihre Verwendung in
Küche und Hausapotheke.
Öle und Tinkturen
»Die wohl bekannteste Johannipflanze
ist das Johanniskraut selbst, das um den
Johannistag herum in voller Blüte steht«,
so die Wildkräuterfrau. Johannisblut
nannte man den rötlichen Saft der Blütenblätter, der als wunderkräftig galt.
Gemeinsam setzt die Gruppe ein Öl aus
Johannisblüten und Sonnenblumenöl
an. Das aus der Pflanze gewonnene Öl
kann nach dem Ausziehen – in sechs
bis acht Wochen – bei Brandwunden,
Operationsnarben und Schürfwunden
verwendet werden. Gegen Stiche aller Art
oder bei Brennnesselquaddeln hilft eine
Brigitte Dinser führt durch ihren Kräutergarten »Pro Kräuter« in Wengen.
2013 Herbst
Frische Minze verfeinert den selbstgemachten Holunder-Sirup.
Tinktur aus Spitzwegerich. Innerlich eingenommen hilft die Tinktur gegen Erkältungen. Die Herstellung von Tinkturen
ist relativ einfach und so schneiden Perdita und Erika die Blätter klein.
Christina und Ingrid befüllen saubere
Schraubgläser zur Hälfte mit den kleingeschnittenen Blättchen und Rosa füllt
die Gläser mit hochprozentigem Alkohol (mind. 40 %) auf. »Die angesetzte
Tinktur muss jetzt an einem warmen Ort
für einen Monat ausziehen und einmal
täglich geschüttelt werden«, erklärt Brigitte Dinser. Ist die Tinktur fertig, kann
sie abgeseiht und in einer dunklen Flasche aufbewahrt werden.
im Topf. Das Ringelblumenöl wird separat handwarm erwärmt und anschließend in die geschmolzene Salbengrundlage gegeben. Dann heißt es abwechselnd
rühren, rühren und nochmals rühren, bis
es eine einheitliche Konsistenz gibt. Perdita fügt ganz langsam wohlriechendes
Rosenwasser hinzu.
Sobald die Salbe eine cremeartige
Konsistenz erreicht, werden ein paar
Tropfen Duftgeranienöl untergemischt.
Christina und Erika füllen die leuchtend
gelbe Creme in Salbentigel ab. Im Kühlschrank aufbewahrt hält die Salbe ein
bis zwei Jahre, fördert Heilungsprozesse,
wirkt entzündungshemmend und antibakteriell.
Gut Ding’ braucht Weile
Küchenkräuter richtig ernten ...
Für die Herstellung einer Creme
braucht man vor allem Zeit, Ruhe und
Muse. »Für mich ist die Herstellung von
Salben immer wein wenig wie Entspannungs-Yoga«, schmunzelt Brigitte Dinser.
Gemeinsam wird gerührt, abgewogen
und gelacht. Unter gleichmäßigem Rühren schmelzen Wollfett und Bienenwachs
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... ist gar nicht so schwer. Beim Workshop erhielten die Teilnehmer das Rüstzeug zur richtigen Ernte, Trocknung und
Verarbeitung ihrer Gartenkräuter. Beim
gemeinsamen Spaziergang durch den
Kräutergarten ernteten sie Holunderblüten, Minze, Estragon und Dost.
Bernd schneidet Estragon für den Kräuter-Essig.
Überall duftete und blühte es. Ganz
nebenbei erklärte Brigitte Dinser Standorte, Erkennungsmerkmale, Inhaltsstoffe
und Wirkungen der Küchenkräuter.
Bernd und Elisabeth wundern sich,
was sich bei genauem Hinschauen so
alles an Feld-, Wald- und Wiesenrändern
entdecken lässt und welche Pflänzchen
essbar sind. Es wird gerochen, probiert,
gezupft und geerntet.
Gemeinsam stellt die Gruppe einen erfrischenden Holunder-Minz-Sirup her.
Die frisch geerntete Pfefferminze und
die Holunderblüten werden gesäubert,
gesichtet und in eine große Schüssel
gegeben. Anschließend füllt Ingrid die
Schüssel mit Wasser und Zucker (zu gleichen Teilen) auf. Obenauf schichtet Rosa in
Scheiben geschnittene Zitronen. »Bevor der
Ansatz aufgekocht, abfiltriert und abgefüllt
werden kann, muss er für mehrere Tage
abgedeckt stehen gelassen und immer
wieder umgerührt werden. Erst wenn der
Geschmack passt, kann der Ansatz abfiltriert werden«, so Brigitte Dinser. Zur
Erfrischung gibt es ein köstliches Minzwasser. Und dann geht’s auch schon
Herbst 2013
weiter. Zum Mitnehmen kreiert die Gruppe einen eigenen Kräuteressig und eine
feine Paste. Bernd erntet den frischen
Estragon. Zwei bis drei Zweige werden in
jede Flasche gesteckt und anschließend
mit Essig aufgegossen. »Der aromatisierte
Weißwein-Essig eignet sich für Salatsoßen«, erklärt Brigitte Dinser. »Mein
Mann gibt zur Abrundung von Soßen
immer einen kleinen Schuss davon
hinzu.«
Paste statt Pesto
Für die Kräuterpaste muss ein riesiger
Berg Dost kleingeschnitten werden.
Abwechselnd hacken Rosa, Elisabeth,
Petra und Erika die Kräuter mit einem
scharfen Messer klein. »Unglaublich wie
leicht Kräuter sind«, stellt Elisabeth fest.
Für zehn Gramm kleingeschnittenen
Dost sind die Damen eine ganze Weile
beschäftigt. Der kleingeschnittene Dost
wird anschließend mit Salz und etwas
Sonnenblumenöl vermischt und so lange
verrührt, bis sich das Salt aufgelöst hat
und eine homogene Kräuterpaste entstanden ist. Die Paste auf ein frisches
Baguette gestrichen, mit etwas Olivenöl
beträufelt – einfach lecker. »Das schmeckt
nach Sommer«, lacht Rosa und beißt
herzhaft in die köstliche Kostprobe.
Am Ende des Kurses haben die Teilnehmer viele, neue Möglichkeiten
kennengelernt, die Kräuter des Sommers in leckere und wertvolle Produkte
zu verwandeln. Neben Kostproben für
die Lieben zu Hause erhielten sie ein
Manuskript mit vielen leckeren Rezepten
zum Nachmachen. »Die Kräuteröle und
den Holunderblütenlikör werde ich
gleich zu Hause ausprobieren«, meint
Angelika. Und auf den Wildkräuterkochkurs im nächsten Jahr freuen sich jetzt
schon viele.
Text: Johanna Strodl /
Fotos: Johanna Strodl (4); photos.com (1) f
Malve wirkt lindernd
und schleimlösend.