Deutlich aufgewertet

Fahrbericht_MAN TGL und TGM Euro 6
Deutlich aufgewertet
Mit den Euro-6-Motoren erhalten die
mittelschweren LKW
von MAN eine umfassende Modellpflege. Die
Motorleistungen bleiben gleich, der Fahrer
genießt mehr Komfort.
Z
u sehen waren sie ja schon zur IAA im
letzten Herbst. Aber aufgefallen sind sie
kaum neben ihren großen Kollegen vom
Fernverkehr, die bei Großereignissen stets die
erste Geige spielen. Aber der Seitenblick auf
die kleineren und leichteren Verteiler-LKW
von MAN lohnt sich: Sie kommen jetzt mit
Euro-6-Motoren auf die Straße – plus einem
beachtlichen Aufwertungspaket. Die gesamte Motorenpalette gibt’s mit Euro-6-Zertifikat, vom 150-PS-Basismotor für den kleinen
Schmuckes Cockpit mit Fahrerappeal:
ein Plus an Ergonomie und Qualität.
12
7,5-Tonner TGL bis hin zu 340 PS für den
schweren TGM – so komplett sind in dieser
Klasse heute nur wenige Wettbewerber aufgestellt.
Auf den ersten Blick erkennt man die
2013er-Generation nur von vorn, und zwar am
geschwärzten Kühlerkeil. Oder an der neuen
Chromspange, die den Löwen jetzt prominenter trägt. Ein Facelift, das von knappen Kassen kündet, dafür lässt die Aufwertung im
Innenraum die Fahrerherzen höherschlagen.
Bis zuletzt hatte man die leichten MAN wegen
seiner billigen Plastikoberflächen gescholten
– das Knistern und Klappern gehörte zur Nahverkehrslogistik, wenigstens in München. Mit
der neuen Generation ist damit Schluss. Das
Interieur der TGL- und TGM-Fahrzeuge entspricht den schweren TGS-Trucks, jetzt hält
Premiumqualität im mittelschweren MANCockpit Einzug. Mit einem neuen Armaturenträger, mit gediegenen Türverkleidungen
und hochwertigen Sitzen – und ordentlichen
Soundsystemen, der Fahrer kommt in den
Genuss richtigen Fernverkehrskomforts. Das
Lenkrad mit Funktionstasten stammt ebenfalls aus dem schweren Programm, die Hände
bleiben fast immer am Lenkrad. Der Tempomat, die Bordmenüs, Radio und Telefon lassen
sich mit den Lenkradtasten bedienen. Und
jetzt mit einem maßgeschneiderten Abgasnachbehandlungssystem ergänzt. Es sitzt im
Schalldämpfer und enthält Oxikat, Partikelfilter, SCR-Katalysator und zur Sicherheit einen
Ammoniakfilter. Das komplexe Abgassystem
erhöht allerdings das Fahrzeuggewicht, bei
den Vierzylinder-Modellen um etwa 150 Kilo,
bei den Sechszylindern um 200 Kilo.
Gleiche Leistung, mehr Komfort
Euro 6 mit besonderem Merkmal:
die MAN-Mittelgewichtler
mit schwarzem Keil am Bug
wenn der Kunde die automatisierte TipmaticGetriebeschaltung mitordert, hat das linke
Kupplungsbein Pause – nicht generell, nur optional, soweit wie der Wettbewerber Mercedes
möchten die Münchner nicht gehen.
Mehr aktive Sicherheit
Bei der Sicherheit wird aber nicht gespart. Jeder TGL und TGM erhält ESP, man kann für
die leichten MAN auch einen Notbremsassistenten bestellen. Das System heißt bei MAN
EBA oder Emergency Brake Assist, es warnt
den Fahrer vor möglichen Kollisionen und
bremst selbsttätig, wenn der Fahrer nicht reagiert. Auch ein Spurwarnsystem bekommt
der neue TGL- oder TGM-Kunde, das volle Paket, sofern es dem Kunden beliebt.
Doch die geballte Aufmerksamkeit der
Transportbranche gilt den neuen Euro-6-Motoren. Deren Konzept und Konstruktion basiert auf der leichten D08-Baureihe von MAN
– Vierzylindern mit 4,6 Liter und Sechszylindern mit 6,9 Litern Hubraum. Diese Motoren kamen in der Entwicklungsstufe Euro 5
mit Abgasrückführung und noch ohne SCRAbgasnachbehandlung mit Adblue-Additiv
aus. Die höheren Motorleistungen wurden mit
Doppelturbo und aufwändiger Ladeluftzwischenkühlung beatmet. Dieses Konzept wird
Nicht dagegen verändern sich die Leistungseinstellungen und die Laufeigenschaften der
Motoren. Der stärkste MAN-Vierzylinder kann
sich nach wie vor mit so manchem Sechszylinder des Wettbewerbs messen, wie die Kostprobe mit einem beladenen TGL-Zwölftonner
beweist. Allein der Antritt aus dem Stand ist
schon kräftig, noch besser gefällt die Zwischenbeschleunigung im sechsten Gang.
Den Common-Rail-Vierzylinder setzen zwei
Turbolader gehörig unter Druck. So mangelt
es dem kleinen Hochleistungstriebwerk weder an Leistung noch an Drehmoment, auch
wenn 220 PS und 850 Nm Drehmomentmaximum in dieser Fahrzeugklasse eher moderat
erscheinen. Drehzahlen von 1.000 bis 1.800
Touren reichen für eine souveräne Fahrweise, die das sechsstufige Tipmatic-Getriebe
wirksam unterstützt. Das optionale Getriebe
stammt von ZF und heißt dort AS-Tronic Lite.
Das Fahrwerk bleibt wie es war – ausgewogen
harmonisch und fahraktiv sicher.
Noch eindrucksvoller fährt der TGM
15.250, ein blatt-luftgefederter 15-Tonner. Sein
D08-Sechszylinder braucht aus dem Stand
zwar etwas Drehzahl, dreht dann aber mit Verve und 1.000 Nm gegen die Fahrwiderstände
an. Ein Fall für höhere Gesamtgewichte oder
die gelegentliche Mitnahme eines Anhängers,
seine Schnellfahrelastizität ist ausgeprägt.
Längere Distanzen sind für den Fahrer keine
Last, der TGM schnurrt vibrationsarm und leise dahin. Unterstützt von einem (optionalen)
Tipmatic-Getriebe, hier mit 12 Gängen, die
sehr versiert und komfortabel gesetzt werden.
Mit mehr Masse nimmt der blatt-luftgefederte
Zweiachser selbst miese Fahrbahnoberflächen
gelassen.
Fest steht: Mit den deutlich aufgewerteten Mittelgewichtlern hat MAN weiterhin
heiße Eisen im Feuer. Die dem neuen Atego
zumindest Paroli bieten könnten. Wesentliche
Schwachpunkte wurden ausgemerzt, die starken Seiten blieben erhalten. Mit hoher Komfortnote und ordentlich Leistung geht es in
die nächsten Jahre – bis zur Ablösung durch
ein neues Modell, an dem die steyrischen Entwickler bereits arbeiten.
Wolfgang Tschakert
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