WaffG, Waffenbesitzkarte, Pistole, Munition

VGH München, Beschluss v. 07.07.2015 – 21 ZB 14.2690
Titel:
VGH München: WaffG, Waffenbesitzkarte, Pistole, Munition, Waffenschrank, Klinke,
Wünschmann, KVR, Rechtsquelle, Unzuverlässigkeit, Zulassungsverfahren,
Nebenfolge, ohne mündliche Verhandlung, Erlaubnis, Waffengesetz,
Aufbewahrungsvorschrift, Zulassungsgrund, Rechtsgrundlage
Normenketten:
VwGO §§ 113 I 1, 124 II Nrn. 1 u. 3
WaffG §§ 4 I Nr. 2, 5 I Nr. 2 Buchst. b, 36 I, II, 45 II 1
§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG
§ 36 Abs. 1 Satz 2 WaffG
VwGO §§ 113 I 1, 124 II Nrn. 1 u. 3
WaffG §§ 4 I Nr. 2, 5 I Nr. 2 Buchst. b, 36 I, II, 45 II 1
Schlagworte:
Waffenrecht, Sportschütze, Waffenbesitzkarte, Widerruf, Unzuverlässigkeit, Aufbewahrung, Munition,
Berufungszulassungsantrag, Waffenaufbewahrung, Waffe
Vorinstanz:
VG München Beschluss vom 05.11.20147 K 14.2133
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 13.250,-- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der am 9. März 1958 geborene Kläger ist Sportschütze und wendet sich gegen den Widerruf seiner vier
Waffenbesitzkarten, in die insgesamt zwölf Waffen eingetragen sind.
2
Nachdem der Kläger am 19. Februar 2014 eine Kontrolle der sicheren Waffenaufbewahrung ohne Angabe
von Gründen verweigert hatte, wurde die Nachschau am 24. März 2014 durchgeführt. Dabei wurde unter
anderem festgestellt, dass eine halbautomatische Pistole SIG, Kaliber 9 mm, zusammen mit dazugehöriger
Munition nicht im Waffenschrank, sondern in einem verschlossenen Waffenkoffer außerhalb des
Waffenschranks aufbewahrt wurde. Der Schlüssel zu dem Waffenkoffer befand sich im Munitionsschrank.
Der Kläger gab dazu an, er sei am Vortag mit dieser Pistole beim Schießen gewesen und habe sie erst
noch reinigen wollen. Herumliegendes Putzzeug wurde bei der Nachschau nicht festgestellt.
3
Mit Bescheid vom 15. April 2014 widerrief die Beklagte die Waffenbesitzkarten des Klägers und ordnete die
entsprechenden Nebenfolgen an.
4
Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 5. November 2014
ab.
5
Dagegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
6
Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der
Richtigkeit des angefochtenen Urteils und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache liegen nicht vor
(§ 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO).
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1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
8
Der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse und die weiteren Regelungen in dem angegriffenen
Bescheid der Beklagten vom 15. April 2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen
Rechten mit der Folge, dass das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Klage zu Recht abgewiesen hat
(§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
9
Rechtsgrundlage des Widerrufs der Waffenbesitzkarten ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine
Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur
Versagung hätten führen müssen. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ist eine Erlaubnis zu versagen, wenn der
Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG
besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen,
dass sie mit Waffen und Munition nicht vorsichtig oder nicht sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände
nicht sorgfältig verwahren werden.
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Diese Widerrufsvoraussetzungen sind im Fall des Klägers erfüllt. Ihm fehlt es an der erforderlichen
Zuverlässigkeit. Er hat eigenen Angaben zufolge und nach den Feststellungen der Mitarbeiter der Beklagten
bei der Nachschau am 24. März 2014 seit mindestens 23. März 2014 seine halbautomatische Pistole SIG,
Kaliber 9mm, außerhalb des nach § 36 Abs. 2 WaffG vorgeschriebenen Sicherheitsbehältnisses und
entgegen § 36 Abs. 1 Satz 2 WaffG nicht getrennt von der dazugehörigen Munition aufbewahrt. Diese
schwerwiegenden Verstöße gegen die aus Sicherheitsgründen besonders wichtigen
Aufbewahrungsvorschriften rechtfertigen die Prognose, dass der Kläger auch zukünftig nicht vorsichtig und
sachgemäß mit Waffen und Munition umgehen und diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren wird (§ 5
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass es sich bei den
Aufbewahrungsvorschriften, die der Kläger nicht beachtet hat, um zentrale waffenrechtliche Vorschriften
handelt, die der Umsetzung eines der vordringlichsten und wichtigsten Ziele des Waffengesetzes dienen,
nämlich das Abhandenkommen oder die unbefugte Ansichnahme von Waffen und Munition durch unbefugte
Dritte zu verhindern. In Anbetracht der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige
Rechtsgüter ausgehen, darf ein Restrisiko nicht hingenommen werden. Hat ein Waffenbesitzer - wie hier
der Kläger - in diesem Sinn bereits einmal versagt, ist allein das ein gewichtiges Indiz dafür, dass er das in
ihn gesetzte Vertrauen nicht mehr verdient. Eine dahingehende Lebenserfahrung oder ein entsprechender
Rechtssatz, dass erst ab einem weiteren Verstoß eine negative Zukunftsprognose gerechtfertigt ist, besteht
nicht (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 - 21 ZB 14.1512 - juris).
11
Ergänzend wird auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 5. November
2014 Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
12
Das Vorbringen des Klägers im Berufungszulassungsverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung.
13
Soweit der Kläger meint, es liege nur ein einmaliger und eher belangloser Verstoß gegen waffenrechtliche
Aufbewahrungspflichten vor, der nicht zum Widerruf der Waffenbesitzkarten führen könne, wurde bereits
dargelegt, dass es sich um aus Sicherheitsgründen besonders wichtige und zentrale Vorschriften des
Waffengesetzes handelt, bei denen schon ein einmaliges Versagen des Waffenbesitzers die Prognose
begründen kann, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht mehr verdient. Wegen der von Waffen und
Munition ausgehenden erheblichen Gefahren für die Allgemeinheit darf ein Restrisiko nicht geduldet
werden.
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Der Kläger macht weiter geltend, er habe mit Blick auf § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG weder eine Straftat begangen
noch sei er einmal oder zweimal zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das trifft zwar zu. Im vorliegenden
Fall findet aber der eigenständige absolute Unzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b
WaffG Anwendung, dessen Voraussetzungen erfüllt sind.
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Auch sein Vorbringen, die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit seien durch die nicht ordnungsgemäße
Verwahrung seiner Pistole nicht konkret gefährdet gewesen, weil er sich allein in seiner abgeschlossenen
Wohnung im vierten Stock des Wohngebäudes befunden und die Reinigung der Pistole noch am Vormittag
des 24. März 2014, dem Tag der Kontrolle durch die Beklagte, geplant habe, entlastet den Kläger nicht.
Abgesehen davon, dass die Mitarbeiter der Beklagten bei der Waffenkontrolle am 24. März 2014 in der
Wohnung des Klägers kein Putzzeug herumliegen sahen, würde die behauptete Reinigungsabsicht
jedenfalls nicht den schwerwiegenden waffenrechtlichen Verstoß der gemeinsamen Aufbewahrung der
Pistole und dazugehöriger Munition in dem Waffenkoffer außerhalb des Waffenschranks entkräften (§ 36
Abs. 1 Satz 2 WaffG); denn Munition muss nicht gereinigt werden. Soweit der Kläger meint, ein Zugriff
Dritter auf die Pistole samt Munition sei in seiner abgeschlossenen Wohnung im vierten Stock, zumal in
seiner Anwesenheit, gar nicht möglich gewesen, ist dies unmaßgeblich. Denn es kommt nicht darauf an, ob
und in welchem Umfang durch den Verstoß im Einzelfall eine konkrete Gefährdung der Allgemeinheit
eingetreten ist. Der Schutz der Allgemeinheit vor von Waffen und Munition ausgehenden Gefahren soll
gerade durch die geltenden Aufbewahrungsvorschriften erreicht werden. Dementsprechend berührt jeder
Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften zugleich die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit,
jedenfalls im Sinn einer abstrakten Gefährdung (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2013 - 21 CS 13.1564; OVG NW,
B.v. 31.5.2010 - 20 B 782/10 - jeweils juris).
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Hinzu kommt, dass der Kläger nicht zuletzt wegen der verweigerten Nachschau am 19. Februar 2014
jederzeit mit einer Kontrolle der sicheren Waffenaufbewahrung in naher Zukunft rechnen musste.
Gleichwohl hat ihn dies nicht von den am 24. März 2014 festgestellten Verstößen gegen die
waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften abgehalten. Der dadurch gezeigte sorglose und leichtfertige
Umgang mit Waffen und Munition lässt auf eine grundlegende Fehleinstellung des Klägers schließen,
welche die Prognose rechtfertigt, dass er auch zukünftig nicht vorsichtig und sachgemäß mit Waffen und
Munition umgehen und diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren wird (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b
WaffG). Von einer einmaligen Momentaufnahme oder Nachlässigkeit minderen Gewichts, die bei nur
einmaligem Auftreten noch toleriert werden könnte, kann angesichts der gesamten Umstände keine Rede
sein (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 - 6 C 30.13 - juris)
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Die auf § 46 WaffG, Art. 29, 31 und 36 VwZVG gestützten Nebenentscheidungen im Bescheid der
Beklagten vom 15. April 2014 sind rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat dazu auch nichts
vorgetragen.
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2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
19
Die aufgeworfene Frage, „ob auch bereits ein noch so geringfügiger Verstoß gegen die
Aufbewahrungspflicht die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit begründen kann“, stellt sich im vorliegenden
Fall nicht. Denn die Verstöße des Klägers sind schwerwiegend und können nicht als Nachlässigkeit abgetan
werden. Darüber hinaus könnte die Frage nur nach den Umständen des Einzelfalls und nicht in
verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden.
III.
20
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
21
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr.
50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
22
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
23
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a
Abs. 5 Satz 4 VwGO).