Film und Psychoanalyse: FReMDe essen

YIN SHí NáN Nü – EAT DRINK MAN WOMAN
Film und Psychoanalyse
Film und Psychoanalyse: FReMDe essen
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Essen – etwas Fremdes in den eigenen Körper aufnehmen. Hunger, orale Lust, Gier, Appetit, Kauen, Schlucken, Verdauen – der Akt des Essens wird zur zentralen
Seinsgegebenheit in unserem alltäglichen Dasein.
Was und wie wir essen ist geprägt von Kultur, von technischen Fortschritten, von religiösen Ritualen, vom Kontext der lokalen, regionalen und globalen Lebenswelt.
Fremdes und Vertrautes vermischen sich. Es ist allemal
auch ein kommunikatives Geschehen mit der Speise,
ob wir alleine, mit bekannten oder fremden Personen,
zuhause oder an öffentlichen Orten, mit Stäbchen, Besteck oder den Händen essen.
Die Vielfalt durchdringt uns – im Einverleiben machen
wir uns das Fremde sinnlich vertraut. Der Mensch
braucht bestimmte Nahrungsmittel, um zu überleben.
Dies erfahren alle und jeder schmerzhaft, wenn Hunger
herrscht, wenn Marktökonomie, Klima und politische
Macht über Leben und Tod entscheiden.
Wie viel Macht im Essen steckt und wie Eros und Thanatos auch im Essen zur Darstellung kommen, zeigt
der Kontrast von haute cuisine und vergiftetem Essen.
Ängste, Falsches oder Gesundheitsschädliches zu
essen, begegnen uns in all den Debatten über das »perfekte Essen«. Unbewusste Phantasien prägen unser
Geschmackserleben sowie unsere Essens-Lust oder
-Unlust.
FREMDE ESSEN – ein vielfältiges sprachliches, filmisches und sinnliches Menü, das wir gemeinsam verkosten wollen.
Heidi Spanl
Yin Shí Nán Nü (Eat Drink Man Woman) | Taiwan
1994 | R: Ang Lee | B: Wang Hui-Ling, Ang Lee, James
Schamus | K: Jong Lin | M: Mader | D: Sihung Lung,
Kuei-Mei Yang, Chien-Lien Wu, Yu-Wen Wang, Winston
Chao | 124 min | OmU | Der taiwanesische Witwer und
Meisterkoch Chu ist der »Matriarch« in seiner Familie,
versorgend und dominant. Am Anfang des Films wohnen seine drei erwachsenen Töchter Jia-Jen, Jia-Chen
und Jia-Ning alle noch zuhause, in einem kleinen Haus
mitten in Taipeh, wo Chu für ein riesiges Hotel arbeitet.
Jeden Sonntag bekocht der Vater die Töchter mit einem
opulenten Festessen. Die dampfende Sinnlichkeit des
geteilten »Eat Drink« ist faszinierend fotografiert. Allerdings ist die perfekte Kochkunst gefährdet, denn Chu
verliert allmählich seinen Geschmackssinn. Eher im
Verborgenen wird der Bereich »Man Woman« abgehandelt. Alle Protagonisten suchen irgendwie nach der richtigen Partnerschaft – ohne dass sie selbst recht verstehen, was genau abläuft. In Bildsprache und Handlungsabläufen thematisiert der Film damit das Schwanken
zwischen traditionellen und modernen, westlichen und
östlichen Kulturanteilen und Lebensentwürfen.
▶ Sonntag, 13. März 2016, 17.30 Uhr | Einführung: Mat-
thias Baumgart, Katharina Leube-Sonnleitner
Politiki kouzina (Zimt und Koriander) | Griechenland
2003 | R+B: Tassos Boulmetis | K: Takis Zervoulakos |
M: Evanthia Reboutsika | D: Georges Corraface, Ieroklis
Michaelidis, Renia Louizidou, Kamer Karadagli, Basak
Film und Psychoanalyse
men norwegischen Dorfpastors, Martine und Philippa,
kommt Babette, die nach der Niederschlagung der
Commune aus Paris fliehen musste. Sie verdingt sich
als Magd und Köchin. Das Dorf ist geprägt vom puritanischen, genuss- und körperfeindlichen Geist des Gemeindegründers. So sind auch dessen Töchter zu alten
Jungfern geworden. Als Babette eine beachtliche
Summe im Lotto gewinnt, will sie zum 100. Geburtstag
des verstorbenen Pastors ein Gastmahl im französischen Stil ausrichten. Die Dorfbewohner, von den festlichen Vorbereitungen beunruhigt, beschließen kein
Zeichen des Genusses zu zeigen. Wird ihnen das gelingen? Der Film nach der unter dem Pseudonym Isak
Dinesen erschienenen gleichnamigen Novelle von
Karen Blixen behandelt die Dialektik von Verzicht und
Verführung in einer kulinarischen Metapher; unterschwellig inszeniert er das Wiederaufleben einer unterdrückten Weiblichkeit.
▶ Sonntag, 29. Mai 2016, 17.30 Uhr | Einführung: Vivian
Pramataroff-Hamburger, Andreas Hamburger
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Köklükaya | 108 min | OmU | In allen Esskulturen spiegelt sich eine kulinarische Leidenschaft wider. In ZIMT
UND KORIANDER finden wir sie in Form der Gewürzkunst, die das alltägliche aber auch politische und Liebes-Leben wesentlich beeinflusst. Türkische und griechische Kochgerichte existierten im ehemaligen Konstantinopel (später Istanbul) friedlich nebeneinander,
ebenso wie die islamische und die griechisch-orthodoxe Religion. 1964 fand dies ein Ende, und sehr viele
Griechen mussten die Stadt verlassen. Die eigene Identität in der Fremde sowie ein Heimatgefühl zu wahren,
gelang vor allem durch das Beibehalten von traditionellen Gerichten und Zubereitungsmethoden. Mit Fanis,
einem Jungen, der von seinem Großvater die Gewürzkunst lernte, können wir miterleben, wie sich seine
Kochleidenschaft in der Fremde auswirkt und die Gastronomie mit der Astronomie verknüpft wird.
▶ Sonntag, 17. April 2016, 17.30 Uhr | Einführung: Eva
Friedrich, Heidi Spanl
Babettes Gæstebud (Babettes Fest) | Dänemark
1987 | R+B: Gabriel Axel, nach dem Roman von Isak
Dinesen | K: Henning Kristiansen | M: Per Nørgård | D:
Stéphane Audran, Birgitte Federspiel, Bodil Kjer, Jarl
Kulle, Bibi Andersson | 102 min | OmU | Zu den beiden
einst schönen und umworbenen Töchtern eines from-
Vatel (Ein Festmahl für den König) | Frankreich 2000
| R: Roland Joffé | B: Jeanne Labrune, Tom Stoppard |
K: Robert Fraisse | M: Ennio Morricone | D: Gérard Depardieu, Uma Thurman, Tim Roth, Timothy Spall, Julian
Sands | 103 min | engl. OmU | François Vatel, eine historische Figur, war der berühmteste Koch und Zeremonienmeister in der Zeit Ludwigs des XIV. Der Film zeigt
die überwältigende Choreographie der Vorbereitungen
zu einem luxuriösen dreitägigen Fest, mit dem der Prinz
von Condé seinen Monarchen »gnädig« stimmen will.
Während des Festes selbst kulminieren intrigante Verwicklungen, Liebeshändel und höfische Machtspiele,
die schließlich zum Eklat der Selbsttötung Vatels führen. Und in dieser Welt des alles entscheidenden, überbordenden Banketts, des drohenden Bankrotts und der
ungehemmten Vergnügungssucht spielen die Speisen
und ihre aufwändige Beschaffung und Zubereitung als
Metapher der politischen Spannungen und Klassengegensätze eine bildmächtige Rolle.
▶ Sonntag, 19. Juni 2016, 17.30 Uhr | Einführung:
Mathias Lohmer, Corinna Wernz