YIN SHí NáN Nü – EAT DRINK MAN WOMAN Film und Psychoanalyse Film und Psychoanalyse: FReMDe essen 25 Essen – etwas Fremdes in den eigenen Körper aufnehmen. Hunger, orale Lust, Gier, Appetit, Kauen, Schlucken, Verdauen – der Akt des Essens wird zur zentralen Seinsgegebenheit in unserem alltäglichen Dasein. Was und wie wir essen ist geprägt von Kultur, von technischen Fortschritten, von religiösen Ritualen, vom Kontext der lokalen, regionalen und globalen Lebenswelt. Fremdes und Vertrautes vermischen sich. Es ist allemal auch ein kommunikatives Geschehen mit der Speise, ob wir alleine, mit bekannten oder fremden Personen, zuhause oder an öffentlichen Orten, mit Stäbchen, Besteck oder den Händen essen. Die Vielfalt durchdringt uns – im Einverleiben machen wir uns das Fremde sinnlich vertraut. Der Mensch braucht bestimmte Nahrungsmittel, um zu überleben. Dies erfahren alle und jeder schmerzhaft, wenn Hunger herrscht, wenn Marktökonomie, Klima und politische Macht über Leben und Tod entscheiden. Wie viel Macht im Essen steckt und wie Eros und Thanatos auch im Essen zur Darstellung kommen, zeigt der Kontrast von haute cuisine und vergiftetem Essen. Ängste, Falsches oder Gesundheitsschädliches zu essen, begegnen uns in all den Debatten über das »perfekte Essen«. Unbewusste Phantasien prägen unser Geschmackserleben sowie unsere Essens-Lust oder -Unlust. FREMDE ESSEN – ein vielfältiges sprachliches, filmisches und sinnliches Menü, das wir gemeinsam verkosten wollen. Heidi Spanl Yin Shí Nán Nü (Eat Drink Man Woman) | Taiwan 1994 | R: Ang Lee | B: Wang Hui-Ling, Ang Lee, James Schamus | K: Jong Lin | M: Mader | D: Sihung Lung, Kuei-Mei Yang, Chien-Lien Wu, Yu-Wen Wang, Winston Chao | 124 min | OmU | Der taiwanesische Witwer und Meisterkoch Chu ist der »Matriarch« in seiner Familie, versorgend und dominant. Am Anfang des Films wohnen seine drei erwachsenen Töchter Jia-Jen, Jia-Chen und Jia-Ning alle noch zuhause, in einem kleinen Haus mitten in Taipeh, wo Chu für ein riesiges Hotel arbeitet. Jeden Sonntag bekocht der Vater die Töchter mit einem opulenten Festessen. Die dampfende Sinnlichkeit des geteilten »Eat Drink« ist faszinierend fotografiert. Allerdings ist die perfekte Kochkunst gefährdet, denn Chu verliert allmählich seinen Geschmackssinn. Eher im Verborgenen wird der Bereich »Man Woman« abgehandelt. Alle Protagonisten suchen irgendwie nach der richtigen Partnerschaft – ohne dass sie selbst recht verstehen, was genau abläuft. In Bildsprache und Handlungsabläufen thematisiert der Film damit das Schwanken zwischen traditionellen und modernen, westlichen und östlichen Kulturanteilen und Lebensentwürfen. ▶ Sonntag, 13. März 2016, 17.30 Uhr | Einführung: Mat- thias Baumgart, Katharina Leube-Sonnleitner Politiki kouzina (Zimt und Koriander) | Griechenland 2003 | R+B: Tassos Boulmetis | K: Takis Zervoulakos | M: Evanthia Reboutsika | D: Georges Corraface, Ieroklis Michaelidis, Renia Louizidou, Kamer Karadagli, Basak Film und Psychoanalyse men norwegischen Dorfpastors, Martine und Philippa, kommt Babette, die nach der Niederschlagung der Commune aus Paris fliehen musste. Sie verdingt sich als Magd und Köchin. Das Dorf ist geprägt vom puritanischen, genuss- und körperfeindlichen Geist des Gemeindegründers. So sind auch dessen Töchter zu alten Jungfern geworden. Als Babette eine beachtliche Summe im Lotto gewinnt, will sie zum 100. Geburtstag des verstorbenen Pastors ein Gastmahl im französischen Stil ausrichten. Die Dorfbewohner, von den festlichen Vorbereitungen beunruhigt, beschließen kein Zeichen des Genusses zu zeigen. Wird ihnen das gelingen? Der Film nach der unter dem Pseudonym Isak Dinesen erschienenen gleichnamigen Novelle von Karen Blixen behandelt die Dialektik von Verzicht und Verführung in einer kulinarischen Metapher; unterschwellig inszeniert er das Wiederaufleben einer unterdrückten Weiblichkeit. ▶ Sonntag, 29. Mai 2016, 17.30 Uhr | Einführung: Vivian Pramataroff-Hamburger, Andreas Hamburger 26 Köklükaya | 108 min | OmU | In allen Esskulturen spiegelt sich eine kulinarische Leidenschaft wider. In ZIMT UND KORIANDER finden wir sie in Form der Gewürzkunst, die das alltägliche aber auch politische und Liebes-Leben wesentlich beeinflusst. Türkische und griechische Kochgerichte existierten im ehemaligen Konstantinopel (später Istanbul) friedlich nebeneinander, ebenso wie die islamische und die griechisch-orthodoxe Religion. 1964 fand dies ein Ende, und sehr viele Griechen mussten die Stadt verlassen. Die eigene Identität in der Fremde sowie ein Heimatgefühl zu wahren, gelang vor allem durch das Beibehalten von traditionellen Gerichten und Zubereitungsmethoden. Mit Fanis, einem Jungen, der von seinem Großvater die Gewürzkunst lernte, können wir miterleben, wie sich seine Kochleidenschaft in der Fremde auswirkt und die Gastronomie mit der Astronomie verknüpft wird. ▶ Sonntag, 17. April 2016, 17.30 Uhr | Einführung: Eva Friedrich, Heidi Spanl Babettes Gæstebud (Babettes Fest) | Dänemark 1987 | R+B: Gabriel Axel, nach dem Roman von Isak Dinesen | K: Henning Kristiansen | M: Per Nørgård | D: Stéphane Audran, Birgitte Federspiel, Bodil Kjer, Jarl Kulle, Bibi Andersson | 102 min | OmU | Zu den beiden einst schönen und umworbenen Töchtern eines from- Vatel (Ein Festmahl für den König) | Frankreich 2000 | R: Roland Joffé | B: Jeanne Labrune, Tom Stoppard | K: Robert Fraisse | M: Ennio Morricone | D: Gérard Depardieu, Uma Thurman, Tim Roth, Timothy Spall, Julian Sands | 103 min | engl. OmU | François Vatel, eine historische Figur, war der berühmteste Koch und Zeremonienmeister in der Zeit Ludwigs des XIV. Der Film zeigt die überwältigende Choreographie der Vorbereitungen zu einem luxuriösen dreitägigen Fest, mit dem der Prinz von Condé seinen Monarchen »gnädig« stimmen will. Während des Festes selbst kulminieren intrigante Verwicklungen, Liebeshändel und höfische Machtspiele, die schließlich zum Eklat der Selbsttötung Vatels führen. Und in dieser Welt des alles entscheidenden, überbordenden Banketts, des drohenden Bankrotts und der ungehemmten Vergnügungssucht spielen die Speisen und ihre aufwändige Beschaffung und Zubereitung als Metapher der politischen Spannungen und Klassengegensätze eine bildmächtige Rolle. ▶ Sonntag, 19. Juni 2016, 17.30 Uhr | Einführung: Mathias Lohmer, Corinna Wernz
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