Psychische Situation von Flüchtlingen – Das Fremde und der

Psychische Situation von Flüchtlingen
–
Das Fremde und der Flüchtling und wir
AK Asyl
Donnerstag 18. Februar 2016, 20:00
Evangelische Kirchengemeinde
Rommelshausen
20.01.2016
Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
1
„Kultursensible psychosoziale Versorgung von
Flüchtlingen“
•
•
•
•
Das Fremde
Kulturelle Kompetenz
Der Flüchtling
Der Helfer
20.01.2016
Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
2
„Kultursensible psychosoziale Versorgung von
Flüchtlingen“
•
•
•
•
PTSD und Folgen
Das Fremde
Kulturelle Kompetenz
Der Flüchtling
20.02.2016
Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
3
PTSD und FOLGEN
20.02.2016
Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
4
Häufigkeit von PTSD
PTSD entsteht in:
• 50-65% der Fälle nach direkten Kriegserlebnissen mit persönlicher
Gefährdung;
• 50-55% der Fälle nach Vergewaltigungen und sexuellem Missbrauch;
• 3-11% der Fälle nach Verkehrsunfällen;
• ca. 5% der Fälle nach Natur-, Brand-, Feuerkatastrophen;
• 2-7% der Fälle bei Zeugen von Unfällen und Gewalthandlungen
(O ́Brien 1998)
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5
Erinnerungen 1
Nicht-traumatische Erinnerungen
werden
• kognitiv assimiliert,
• verallgemeinert,
• in bestehende kognitive Schemata
und Narrative eingebaut.
Traumatischen Erfahrungen führen
zur Notwendigkeit, sich gegen eine
übergroße Erregung zu schützen:
• Reduktion von linguistischer
Verarbeitung
• Verstärkung sensomotorischaffektiven Verarbeitung
Ergebnis ist ein:
• nicht-symbolischer,
• inflexibler
• unveränderbarer
Inhalt traumatischer Erinnerung,
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Erinnerungen 2
Wiederauftreten von Erinnerungen
ist abhängig:
• vom Auftreten bestimmter
Reize,
• die mit der ursprünglichen
traumatischen Szene assoziiert
sind.
Speicherung von Traumatische
Erinnerungen:
• Überwiegend als sensorische
Fragmente isoliert gespeichert als
–
–
–
–
Traumatische Ereignisse =
 Überforderung der
individuellen Kompetenz
 Schuld- und
Minderwertigkeitsgefühle
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•
Bilder,
Körpersensationen,
Geruchsempfindungen,
Geräusche
Sie alle sind von anderen
Erinnerungen dissoziiert und können
nicht damit verbunden werden.
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DSM IV führt folgende diagnostischen Kriterien für die PTSB an - Stichwort:
Verhaltensauffälligkeiten
C. Anhaltende Vermeidung von Reizen, die mit dem
Trauma verbunden sind, oder eine Abflachung der
allgemeinen Reagibilität (vor dem Trauma nicht
vorhanden). Mindestens drei der folgenden Symptome
liegen vor:
D. Anhaltende Symptome erhöhten Arousals
(vor dem Trauma nicht vorhanden). Mindestens
zwei der folgenden Symptome liegen vor:
1.
1.
2.
3.
4.
5.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
bewusstes Vermeiden von Gedanken, Gefühlen
oder Gesprächen, die mit dem Trauma in
Verbindung stehen,
bewusstes Vermeiden von Aktivitäten, Orten
oder Menschen, die Erinnerungen an das Trauma
wachrufen,
Unfähigkeit, einen wichtigen Aspekt des Traumas
zu erinnern,
deutlich vermindertes Interesse oder
verminderte Teilnahme an wichtigen Aktivitäten,
Gefühl der Losgelöstheit oder Entfremdung
anderer,
eingeschränkte Bandbreite des Affekts (z.B.
Unfähigkeit, zärtliche Gefühle zu empfinden),
Gefühl einer eingeschränkten Zukunft (z.B.
erwartet nicht, Karriere, Ehe, Kinder oder normal
langes Leben zu haben).
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Schwierigkeiten ein- oder durchzuschlafen,
Reizbarkeit oder Wutausbrüche,
Konzentrationsschwierigkeiten
übermäßige Wachsamkeit (Hypervigilanz).
übertriebene Schreckreaktion
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DAS FREMDE
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Stereotypen des Fremden in der Fremde
• Südeuropäer:
• Deutsche:
– locker,
lebenslustig,
eher
unzuverlässig
– Nazis,
ordentlich
• Afrikaner:
– faul, riechen
• Bayern:
– leutselig,
gemütlich
• Asiaten:
– duldsam,
fleißig,
Familienorientiert
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• Schwaben:
– geizig, Tüftler
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Das Fremde
„Fremdes“
ist in niedrigen Dosen häufig interessant,
gegebenenfalls sogar exotisch.
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KULTURELLE KOMPETENZ
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Was schafft kulturelle Identität?
• Jeder Mensch hat
– seine eigene Geschichte,
– sein eigenes Leben,
– seine eigene Familie
• Über was definiert man sich?
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•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Nation
Geographie
Ethnie
Familie
Religion
Zugehörigkeit zu einer Minderheit
Politische Einstellung
Geschlecht
Alter
Schichtzugehörigkeit
Beruf
Allgemeine ethische und
moralische Werte
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Identität und Identifikation
Über was identifiziert sich der
"Andere"?
• Beruf,
• Status,
• Geld,
• Kinder,
• Ehemann,
• Mein Haus, mein Wagen,
meine Yacht
• Kamele, Frauen,
• Soziales Netzwerk...
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Das Beispiel Deutschland
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Religionszugehörigkeit nach Zensus 2011:
gelb: römisch-katholisch,
lila: evangelisch,
blau: konfessionslos;
dunkel: absolute Mehrheit,
hell: relative Mehrheit
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Die religiöse Lage Mitteleuropas um 1618:
Die roten Gebiete sind überwiegend
protestantisch, die blauen und blaulängsgestreiften überwiegend römischkatholisch.
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http://data4u-online.de/wp-content/uploads/2013/03/Ethnische-Gruppen-in-Deutschland.gif
Das Beispiel Kurdistan
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Das Beispiel Syrien
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Kulturschock
Honeymoon-Phase
• Alles so wunderbar faszinierend und
neu
Krise
• Es fällt einem auf, was alles nicht so
ideal ist in der "neuen" Kultur und
man tritt häufig in Fettnäpfchen.
Typisch: "zu Hause wird das besser
gemacht".
Erholung
• Man entwickelt Verständnis für die
Handlungsweisen, die von der
Heimatkultur abweichen und versucht
sie zu verstehen.
Anpassung
• Ggf. Integration des Fremden und
Erhalt des Bekannten
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Die Therapie der Wahl ?
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Interkultureller Kompetenz
 STICHWORT: ENKULTURATION
 Teil des Sozialisationsprozesses, des
unmerklichen Hereinwachsens in die
jeweilige eigene Kultur
 STICHWORT: AKKULTURATION
 Das Hineinwachsen einer Person in eine
fremde kulturelle Umwelt durch Erziehung
 STICHWORT: ASSIMILATION
Voraussetzungen:
• Entsprechendes förderliches
Umfeld:
– direkte und indirekte
Erziehung zur Entwicklung
einer emotionalen
Kompetenz und
interkulturellen Sensibilität.
• Diese sind Voraussetzung für
erfolgreiche interkulturelle
Kommunikation.
• Feinfühligkeit
und Selbstvertrauen.
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Interkultureller Kompetenz
•
Aber auch:
Grundsätzliche Offenheit für
Fremdes und Neues.
•
Bereitschaft zu lernen.
•
Fähigkeit, eigene Erfahrungen und
Vor-Urteile zu hinterfragen, zu
relativieren und ggf. abzulegen.
•
Fähigkeit, bei der Interaktion mit
Menschen aus fremden Kulturen
deren spezifische Konzepte der
Wahrnehmung, des Denkens,
Fühlens und Handelns zu erfassen
und zu begreifen.
•
Diese Konzepte und Handlungen
ggf. zu tolerieren und akzeptieren.
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•
Fähigkeit, den eigenen Standpunkt transparent
zu vermitteln, mit der Erwartung, verstanden
und respektiert zu werden.
•
Flexibilität zu zeigen, wo es möglich ist, sowie
klar oder deutlich zu sein, wo es notwendig ist.
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Wo hört meine Toleranz auf?
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Lese-Arten
Etischer Ansatz
Emischer Ansatz
Von außen:
Von innen: Kulturen werden versucht, aus sich
heraus zu beschreiben und zu verstehen.
Von innen:
Beispiel: Kopftuch
= Unterdrückung der Frau
Beispiel: Minirock
= Kontaktaufnahme durch die Frau:
Aufforderung zu Sex
Beispiel: Kopftuch
= Schutz, Mode, Identifikation mit Werten
Beispiel: Minirock
= Mode, Selbstbestimmtheit
Generalisierung: Etische Ansätze versuchen
allgemeine, d. h. universelle Kriterien zu
identifizieren, die es in jeder Kultur gibt, und
diese dann miteinander in Beziehung zu setzen.
–
–
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Vorteil dieser Vorgehensweise:
Vergleichbarkeit von an sich
unterschiedlichen Kulturen und
Religionen
Nachteil: Verallgemeinerung
–
–
–
Beispiel: Unübersetzbare Worte (Deutsche
„Gemütlichkeit“, japanisch „Baku shan“)
Beispiel: Kulturgebundene Phänomene
(„Böser Blick“)
Beispiel: Kulturgebundene Krankheiten
(„Koro“)
Nachteil: Fehlender Fokus auf Gemeinsamkeiten,
Hervorheben des Trennenden in Kulturen und
Religionen
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Gender Identität - Kopftuch oder Schottenrock. Wann fühle ich
mich nackt?
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Analyse kultureller Unterschiedlichkeit: Kulturdimensionen
•
Individualismus (individuelle Anreize) ↔
Kollektivismus (Gruppenanreize)
•
Unsicherheitsvermeidung ↔ Risikofreude
•
Hierarchisch ↔ egalitär: (In-)Akzeptanz von
Hierarchie und Ungleichheit
•
monochrone (zeitfixiert, „eins nach dem
andern“) ↔ polychrone (vieles gleichzeitig)
Aspekte (Edward T. Hall)
•
Restraint (Beherrschung) und Indulgence
(Hingabe) – Umgang mit Regeln
•
„Freizügigkeit“↔ „Restriktion" (Michael
Minkov)
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•
Emotional ↔ Rational
•
Einstellung zur Umwelt
•
(Nicht-)Trennung von Privatsphäre und
öffentlichem Raum
•
(In)direkte Kommunikation
•
(Nicht)äußerung eigener Emotionen
•
High context ↔ low context (Edward T.
Hall)
•
Raumverständnis - Körperlichkeit, Blickund Körperkontakt
•
Kausalattributionen
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Das Beispiel Gambia
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High Context – low context Kulturen
Kulturen mit starkem Kontextbezug ( „high context“Kulturen):
•
Es wird erwartet, dass ein Großteil der
Informationen bereits bekannt oder ohne
sprachlichen Ausdruck erkennbar ist
•
Sprache ist ein Kommunikationsmittel unter
anderen (Mimik, Gestik, der Gesprächspartner,
Anspielungen, die Umstände der Begegnung, und
andere Kontextfaktoren)
•
Es ist weniger üblich, die Dinge direkt beim Namen
zu nennen. Ihre Bekanntheit wird implizit
vorausgesetzt (high implicit meaning)
•
Kommunikation ist indirekter, das Erwähnen
zahlreicher Details kann als negativ empfunden
werden
•
•
Sind stärker Gemeinschafts-orientiert: Individuum
definiert sich über die Gruppe
Low Context Kulturen:
•
Es wird nicht erwartet, dass ein Großteil der
Informationen bereits bekannt oder ohne
sprachlichen Ausdruck erkennbar ist
•
Sprache ist das wichtigste Kommunikationsmittel,
soziale Erwartungen werden verbal ausgedrückt
•
Alles (Zustände, Ereignisse, Gefühle etc.) werden
beim Namen genannt und erläutert
•
Wenig implizite Bedeutung (implicit meaning),
dafür mehr explizite Codierung
•
Kommunikation ist direkter
•
Sind stärker Individuums-orientiert: Individuum
definiert sich über sich selbst
•
Sind wenig traditions- und geschichtsbewusst.
Sind stärker traditions- und geschichtsbewusst
Edward T Hall. Beyond Culture. Garden City, New York 1976
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Von High → low / low → high
High → low
Angehörige einer High Context-Kultur:
Low → high
Angehörige einer Low Context-Kultur:
•
Erwarten eher zahlreiche Sozialkontakte, aber
weniger intime, intensive Beziehungen
•
Versuchen rasch auf eigenen Beine zu
stehen, sich selbst zu organisieren
•
Fragen eher zuerst Dritte um Hilfe, bevor sie
sich selbst an die Lösung eines Problems
machen
•
Beklagen sich eher über mangelnde
Information und Möglichkeiten der „Hilfe zur
Selbsthilfe“
•
Sind schneller enttäuscht, wenn ihre neue
soziale Umgebung nicht am Aufbau von
Beziehungen interessiert ist, oder sie nicht
längerfristig unterstützen möchte
•
Fragen weniger nach Dienstleistungen,
sondern versuchen diese ggf. selbst zu
organisieren
•
•
Erwarten eher, von Dritten „an die Hand
genommen zu werden“
Sind weniger um den Aufbau von neuen
sozialen Netzen bemüht
•
Sehen Beziehungen zu Dritten eher unter dem
Aspekt der gegenseitigen direkten Hilfe und
nicht unter dem Aspekt „der Hilfe zur
Selbsthilfe“
•
Hinterlassen bei Angehörigen der Low ContextKultur das Gefühl des Ausgenütztwerdens
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High context ↔ low context Kulturen
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Afghans
African
Arabic
Brazilian
Chinese
Filipinos
French
Greek
Hungarian
Indian
Indonesian
Italian
Irish
Japanese
Korean
Latin Americans
Nepali
Pakistani
Persian
Russian
Southern United States
Spanish
Thai
Turkish
Vietnamese
South and West Slavic
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•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Australian
Dutch
English Canadian
French Canadian
English
Finnish
German
Israeli
New Zealand
Scandinavia
Switzerland
United States
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„Raumverständnis“ (Hall)
Stichwort „Wohlfühl-Abstand
Stichwort „Berührung“:
Faktoren:
•
Geschlecht: ♂♀ / ♀♀ / ♂♂
•
Alter
•
Rahmenbedingungen: bekannt,
unbekannt, vertraut, intim, öffentlich,
nicht öffentlich
•
Frequenz
•
Art der Berührung: freundschaftlich,
versehentlich, sexuell, verwandtschaftlich,
hierarchisch...
•
Tabu-Zonen
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Beispiel Sitzen im Kaffeehaus:
Anzahl der Berührungen während 1 Stunde:
 Puerto-Ricaner: 180
 Franzosen: 110
 Engländer: 0
 Amerikaner 2
Harper J 2006. “Men hold key to their wives’ calm”. The
Washington Times, A10: 297
Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
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Kausalattributionen
Die Frage nach dem Warum?
Zufall:
• Für Ereignisse oder das
Zusammentreffen mehrerer Ereignisse
gibt es eine keine kausale Erklärung.
Karma: (sanskrit कर्म „Wirken, Tat“):
• Jede physische oder psychische
Handlung hat eine Ursache und eine
Folge
Atheismus versus Höhere Macht (Gott, Götter):
• hat sich nach dem Schöpfungsakt
zurückgezogen und überlässt den Menschen
seinem Schicksal
• Greift noch bestimmend ein (Gottes Wille)
• Greift noch unterstützend ein (Gebet)
Schicksal, Los, Kismet:
• ist der Ablauf von Ereignissen im Leben
des Menschen, die als von göttlichen
Mächten vorherbestimmt (geschickt)
oder von Zufällen bewirkt empfunden
werden, mithin also der
Entscheidungsfreiheit des Menschen
entzogen sind
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Kausalattribution - Ursachenzuschreibung
• Eine internale Kausalattribution liegt vor, wenn eine Person
die Ursache eines Ereignisses bei sich sieht:
– Ich bin hingefallen, weil ich nicht aufgepasst habe.
• Eine externale Kausalattribution liegt vor, wenn eine Person
die Ursache eines Ereignisses bei anderen Personen,
Umwelteinflüssen oder Faktoren sieht:
– Ich bin hingefallen, weil eine Bananenschale auf dem
Boden lag.
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Wie interpretiert der „Andere“ Lebensereignisse ?
Positive Ereignisse und
Zustände:
• „Glück“, „Reichtum“,
körperliche und psychische
„Gesundheit“...
Interpretiert als:
• Zufall
• Strafe
• Prüfung
• Karma
Negative Ereignisse und
Zustände:
• Krankheit, Krieg,
Verfolgung, Ablehnung,
Flucht...
 Grundsätzliche Auswirkung
auf den Umgang mit
Ereignissen, Zuständen,
Lebensplanung
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FLÜCHTLINGE
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Psychische Krankheiten / Störungen / Auffälligkeiten bei
Flüchtlingen
1. Störungen und Traumata vor der Migration (pre-migrant):
Stress / Situation / Zustand
2. (Störungen und) Traumata im Rahmen der Migration
3. (Störungen und) Traumata nach der Migration (post-migrant) /
Stress: Aufenthaltsstatus, Kulturschock etc.
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Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
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Exkurs: Art des Traumas
• Man-made disaster (von
Menschenhand verübt - Folter,
Vergewaltigung, Überfall,
Geiselnahme etc.)
Traumata, die von Menschenhand
ausgelöst werden führen zu
Störungen, die über PTSD-Symptome
hinausgehen:
• Naturkatastrophen (Erdbeben,
Überschwemmung,
Vulkanausbruch etc.)
• massivem Misstrauen,
• Zerstörung des
– Selbstbildes
– Weltbildes,
– des Bildes von Mitmenschen,
– aller bisherigen Annahmen
und Werte,
• Übertragung von Täteraspekten
• Technologischen Katastrophen
(Chemieunfall, Flugzeugabsturz,
Schiffsuntergang etc.)
(vgl. Graessner et. al. 1996)
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FLÜCHTLINGE
Aktuelle Probleme:
Coping:
• Kognitiv
– z.B. Kontrollverlust, Langeweile
• Aufenthaltsstatus
• Situativ emotional
– z.B. Angst, Aggression
• Funktionsstatus
• Weiterbestehende
Probleme:
– Sorgen um Angehörige
in Kriegsgebieten
– uneindeutige Verluste
(Vermisste)
20.02.2016
• Längerfristig
verhaltensbezogen
– (behavioral) z.B. Trauer,
Rückzug, Aggression
• Sozial: Funktionsverlust
– (Ernährer)
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Goma Kongo (former Zaire)
Border to Ruanda 1994
Ethnic conflict Hutu / Tutsi
WER ist Täter?
WER ist Opfer?
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Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
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Goma Kongo (former Zaire)
Border to Ruanda 1994
Ethnic conflict Hutu / Tutsi
IMMER Opfer
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Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
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Soziale Emotionen
• Wo fühlt der Andere
 Stolz
 Schuld
 Scham
– Wut, Liebe, Trauer... ?
Schamkulturen
• (Japan, China, östliches Mittelmeer):
– Verletzte Ehre, Gesichtsverlust,
– Schamgefühle entstehen eher als eine
Reaktion auf Kritik von „außen“
• Was darf in der Kultur
gezeigt werden
– Stolz, Eifersucht, Prestige,
Trauer, Wut, Freude... ?
Schuldkulturen
• (vom Protestantismus beeinflusste
Länder):
– Schuld kann durch Buße oder Sanktionen
verarbeitet werden
– Schuldgefühle entstehen eher durch eine
Kritik von „innen“ (verinnerlichte Autorität)
20.02.2016
Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
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Wertesystem
• Welche ethisch/moralischen Werte hat der Flüchtling?
– Hat er diese diskursiv reflektiert oder sind diese ein
Bauch/Leber/Kopf-Gefühl ?
• Daraus abgeleitet: hierarchisches Denken:
– Verhältnis zu Autoritäten und „Untergeordneten“ (Helfern,
Frauen?)
– Rollenverständnis Arzt - Patient
20.02.2016
Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
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Umgang mit Stress und Krankheit: indigene
Copingmuster
20.02.2016
Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
50
Sinn-Stiftend ?
20.02.2016
Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
Grenze Nordirak-Syrien 2014
10.000 Flüchtlinge
51
Sinn-Stiftend ?
 Arbeit, Tätigkeit,
Beschäftigung
 Soziales Netz
 Glaubenssystem,
Religion
Mae Ra Ma Luang Thai-burmese-Border 2015
20.02.2016
Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
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Vorher ....
.... nachher
Notunterkunft Zakho Nord-Irak /Kurdistan 2014
20.02.2016
Mae Ra Ma Luang Thai-burmese-Border 2015
Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
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Interview zur Erfassung des kulturellen Hintergrunds
20.02.2016
Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
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Fallstricke bei der Arbeit mit dem Fremden
•
•
•
•
•
•
Vorurteile, Vorurteile, Vorurteile
Zu großes Vertrauen
„Helfersyndrom“
Bevormundung und Be“mutter“ung
Zu große Angst und Skepsis
Psychiatrisches „Labelling“ von auffälligem Verhalten
20.02.2016
Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
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FAZIT
Nicht alles was „Fremde“
– wahrnehmen,
– denken,
– fühlen
– tun
ist (uns) fremd.
Manches schon.
20.02.2016
Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
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Winnenden, Baden-Württemberg,
Zentrum für Psychiatrie, Klinikum
Schloss Winnenden
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Prof. Dr. Dr. Peter Kaiser
Ministerium für Arbeit und Sozialordnung,
Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg
Referat 55 Psychiatrie, Sucht
70174 Stuttgart
Tel. 0711-1233805
E-Mail [email protected]
Internet www.sozialministerium-bw.de
20.02.2016
Peter Kaiser Kultur und Flüchtlinge
Ministerium für Arbeit und
Sozialordnung,
Familie, Frauen und Senioren
Baden-Württemberg
Haus der Wirtschaft, Stuttgart
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