Stellungnahme des dbb zum Familienpflegezeitgesetz

Stand: 25. Januar 2016
Stellungnahme
des dbb
zum
Referentenentwurf eines Gesetzes
zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf
für Beamtinnen und Beamte des Bundes vom 16.12.2015
dbb beamtenbund und tarifunion, Friedrichstraße 169/170, 10117 Berlin
Tel.: 0 30/40 81 40 – Fax: 0 30/40 81-49 99 – E-Mail: [email protected] – Internet: www.dbb.de
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Allgemeine Würdigung
Mit dem Gesetzentwurf kommt der Gesetzgeber unter anderem der Forderung des
dbb nach, die Regelungen des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie,
Pflege und Beruf, das die Vorschriften des Familienpflegezeitgesetzes und des
Pflegezeitgesetzes besser miteinander verzahnte und zum 1.1.2015 für
Arbeitnehmer in Kraft trat, wirkungsgleich im Beamtenbereich nachzuvollziehen.
Die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Karriere im Beruf ist eine zentrale
Voraussetzung für eine geschlechtergerechte Gesellschaft. Männer und Frauen
müssen entsprechend ihren individuellen Wünschen und Bedürfnissen am
Erwerbsleben teilhaben können.
Deswegen begrüßt der dbb den vorliegenden Gesetzesentwurf als einen Beitrag, die
Rahmenbedingungen der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf zu verbessern
und damit attraktivere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von familiären
Aufgaben und Erwerbstätigkeit im öffentlichen Dienst zu schaffen. Die
Neuregelungen verschaffen auch Beamtinnen und Beamten, die pflegebedürftige
Angehörige zu Hause betreuen, mehr zeitliche Flexibilität.
Die Notwendigkeit, Angehörige im häuslichen Umfeld zu pflegen, wird im Zuge des
demografischen Wandels bereits in naher Zukunft deutlich zunehmen. Die häusliche
Pflege von Angehörigen wird nach wie vor in der Regel hauptsächlich von Frauen
geleistet. Auch im Beamtenbereich die Möglichkeiten der Inanspruchnahme von
Pflegezeiten zu verbessern, wertschätzt diese gesamtgesellschaftlich wichtige
Aufgabe.
Zu den Vorschriften im Einzelnen
Zu Art. 1 Nr. 2:
Die hier gefundene Lösung erscheint sicherlich sachgerecht; jedoch stellt sich für
den dbb die Frage, für welche Fallgruppen dieser Regelungsbedarf besteht. Hier
wäre es notwendig, diese allgemein zu benennen. Des Weiteren ist unklar, wie die
Besoldung im „Doppelstatus“ gestaltet ist. Es stellt sich die Frage, ob aus dem Amt
des ruhenden Beamtenverhältnis oder aus dem Anwäterbeamtenverhältnis besoldet
wird. Außerdem fehlt eine Regelung, wie sie in § 24 Abs. 2 und 6 BBG getroffen
worden ist.
Zu Art. 1 Nr. 4:
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Gegen diese Ergänzung erhebt der dbb keine generellen Einwände. Jedoch sollte
der Halbsatz „…sofern die übertragene neue Funktion mit der zuvor
wahrgenommenen Funktion nach besoldungsrechtlicher Bewertung des jeweiligen
Landes gleichwertig ist, “aus der Begründung mit in den Gesetzestext übernommen
werden. Der gesetzgeberische Wille wird dann im Gesetz bezeichnet und nicht nur in
der Begründung genannt. Dann ist aus der „Kann“-Vorschrift auch eine „Soll“Vorschrift zu machen, um das Ermessen des jeweiligen Dienstherrn einzuschränken.
Schließlich sollten Zeiten in vergleichbaren qualifizierten Funktionen gleich behandelt
werden.
Zu Art. 1 Nr. 9:
zu Absatz 1.:
Die vorgesehene Bestimmung sollte sich nicht nur explizit auf „tätliche Angriffe“
beschränken, sondern insgesamt gegen Beamtinnen/Beamte gerichtete Handlungen
Dritter einbeziehen; diese Forderung entspringt einer vom dbb und den von ihm
vertretenen Kolleginnen und Kollegen über einen langen Zeitraum und stets erneut
gemachten Erfahrung, wonach ein Tatbestandsmerkmal „tätlicher Angriff“ den
Erfordernissen der Praxis nur unzureichend genügen würde.
Aus dieser praktischen Erfahrung folgt auch der Vorschlag, nicht nur vorsätzlich
begangene Taten in die neue Bestimmung einzubeziehen, sondern diese auf grob
fahrlässige Handlungen auszuweiten. Diese Notwendigkeit folgt schon aus dem
Umstand, dass die Beweisführung selbst in Fällen unstreitig feststehende
Tatbegehung als Vorsatztat in der Praxis oftmals größten Problemen begegnet.
Sollen in diesem Punkt die berechtigten Interessen der durch eine Tatbegehung
geschädigten Beamtinnen/Beamten nicht deutlich zu kurz kommen, ist ein Einbezug
der grob fahrlässigen Tatbegehung zwingend erforderlich.
Es sollte ausreichen, dass die Handlung „in“ der Eigenschaft als Beamtin/Beamter
erlitten wird; das Erleiden explizit „wegen“ der Eigenschaft als Beamtin/Beamter
dürfte in der Praxis in vielen Fallkonstellationen zu einer Anspruchsversagung
führen, da ein diesbezüglicher Vorsatz subjektiv beim Täter vorhanden, de facto oft
schwer nachweisbar ist.
Die Bestimmung sollte nicht lediglich als „Kann-Bestimmung“ formuliert werden;
vielmehr sollte eine Übernahmeverpflichtung definiert sein, falls die übrigen
Voraussetzungen gegeben sind.
zu Absatz 2.:
Die Zahl der beamtenseitig zunächst zu unternehmenden Vollstreckungsversuche
kann nicht unbestimmt bleiben, eine entsprechende Konkretisierung ist u.E. auf
jeden Fall aufzunehmen. Sinnvoll dürfte es sein, die Zahl der Vollstreckungsversuche
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auf einen zu begrenzen, da das Erfordernis weiterer Vollstreckungsversuche zum
Einen zu unbotmäßigen zeitlichen Verzögerungen führen und zum Anderen – nach
allen gemachten praktischen Erfahrungen im Mahn- und Vollstreckungswesen – nur
in Ausnahmefällen eine „höhere Erfolgsquote“ bedeuten würde.
Ebenfalls konkretisiert und bestimmter gefasst werden sollte die Situation des
gleichzeitigen Eintritts einer Unfallentschädigung bzw. eines Unfallausgleichs mit der
begehrten Erfüllungsübernahme. Hier sollte die vorgeschlagene Formulierung „der
Dienstherr kann beschränken“ eingefügt werden. Damit wird sowohl den Interessen
des Dienstherrn als auch den Interessen der Beamtinnen/Beamten Rechnung
getragen.
Zu Art. 1 Nr. 10:
Die Ermächtigungsnorm des § 80 BBG muss nach dem Grundsatz des
Gesetzesvorbehalts, vorbehaltlich dessen Präzisierung durch die Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2014 (2 C 50.02), sicherstellen, dass
die wesentlichen Entscheidungen über die Leistung an Beamte, Richter und
Versorgungsempfänger im Fall von Krankheit und Pflegebedürftigkeit durch den
Gesetzgeber getroffen werden. Deshalb ist es unerlässlich, dass die
Rechtsgrundlage
für
die
Bundesbeihilfeverordnung
dementsprechend
fortgeschrieben wird. Die Neufassung ist notwendig und sachgerecht und stellt die
BBhV auf eine aktuelle und zutreffende Rechtsgrundlage.
Die explizite Einbeziehung
Organspenden wird begrüßt.
von
Aufwendungen
im
Zusammenhang
mit
Zu Absatz 3
Der dbb hat bereits bei den Änderungsverordnungen zur Bundesbeihilfeverordnung
die Einbeziehung der pauschalen Beteiligung der Beihilfe an Leistungen Dritter zu
der Pflegeberatung, den ambulanten Hospizdiensten sowie den klinischen
Krebsregistern begrüßt. Dies stellt eine sinnvolle verwaltungsvereinfachende
Weiterentwicklung der Beihilfe dar.
Die Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.
April 2014 (5 C 16.13) zum Basistarif, wonach die Unterscheidung nach Art der die
Beihilfe ergänzenden Versicherung nicht mehr erfolgen soll, wird grundsätzlich
begrüßt. Jedoch bleibt hierzu insbesondere abzuwarten, welche Folgen für
gesetzlich versicherte Beamte damit verbunden sind. Besonders für diese
Personengruppe muss auch nach Auslaufen der Übergangsregelung des
Beihilfebemessungssatzes von 100 % im Jahre 2017 sichergestellt sein, dass ein
ausreichendes Sicherungsniveau vorhanden ist.
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Zu Absatz 4
Die Regelung des gesetzlichen Forderungsübergangs bei unrichtigen Abrechnungen
wird begrüßt. Ergänzend wird angeregt, dass der Beihilfeberechtigte über das
Verfahren informiert wird, damit er ggf. auch den Abrechnungsteil gegenüber seiner
Krankenversicherungsgesellschaft geltend machen kann.
Zu Absatz 5
Die
Abgrenzung
der
originären
Beihilfeleistung
zu
speziellen
Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken
(z. B. Impfungen) ist schlüssig. Jedoch wird besonders darauf hingewiesen, dass die
dem
Arbeitgeber
obliegenden
Maßnahmen
zum
allgemeinen
Gesundheitsmanagement für alle Statusgruppen gleichermaßen offen stehen
müssen. Es obliegt grundsätzlich dem Dienstherrn, diese anzubieten und zu
finanzieren. Nur in diesem Zusammenhang ergibt die zu Absatz 5 nominierte
Gesunderhaltungspflicht und Abgrenzung zur Gesundheitsförderungsmaßnahmen
einen tragbaren Gesamtzusammenhang.
Zu Art. 1 Nr. 11:
Bisher gab es neben der familienbedingten Teilzeit und Beurlaubung nach § 92 BBG
für den Beamtenbereich nur die Familienpflegezeit nach § 92a BBG. Für die
Arbeitszeitflexibilisierung bei Pflegefällen im häuslichen Umfeld von Beamtinnen und
Beamten stehen zukünftig zwei Instrumente zur Verfügung: die Familienpflegezeit
mit Vorschussgewährung (§ 92a BBG neu) und die Pflegezeit mit
Vorschussgewährung (§ 92b BBG neu). Der dbb begrüßt, dass Familienpflegezeit
und Pflegezeit künftig als Rechtsanspruch ausgestaltet sind.
Familienpflegezeit mit Vorschussgewährung (§ 92a BBG)
Die bisherige Regelung der Familienpflegezeit nach § 92a BBG war eine bloße
Kannvorschrift. Die neue Regelung der Familienpflegezeit entspricht der für
Arbeitnehmer seit 1.1.2015 geltenden Reglung, wonach ein Rechtsanspruch auf
Gewährung einer Teilzeitbeschäftigung für maximal 24 Monate bei einer Arbeitszeit
von mindestens 15 Wochenstunden besteht. Durch die Ausgestaltung als
Rechtsanspruch wird die Position der Pflegenden verglichen mit der bisherigen
Kannregelung gestärkt. Die anstrebte wirkungsgleiche Angleichung des
Beamtenrechts an das Pflegezeitgesetz für Angestellte wird erreicht.
Pflegezeit mit Vorschussgewährung (§ 92b BBG)
Die neue Pflegezeit mit Vorschussgewährung nach § 92b BBG besteht in einem
Anspruch auf 6 Monate Teilzeitbeschäftigung oder Urlaub ohne Bezüge zur Pflege
von pflegebedürftigen Angehörigen. Dadurch werden auch Teilzeiten auch unter 15
Stunden und völlige Freistellungen mit Vorschussgewährung für die häusliche
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Pflegetätigkeit ermöglicht. Diese Gestaltung geht über
Familienpflegezeit deutlich hinaus und erhöht die Flexibilität.
die
bisherige
Wie bisher ist die Flexibilisierung der Arbeitszeit auf 24 Monate je pflegebedürftigem
Angehörigen beschränkt, d. h. in der Summe dürfen Familienpflegezeit und
Pflegezeit 24 Monate nicht überschreiten. Dauert die Notwendigkeit der Pflege länger
an, bleibt nur die Möglichkeit einer familienbedingten Teilzeit oder Beurlaubung ohne
Besoldung nach § 92 BBG bis zu einer Gesamtdauer von 15 Jahren.
Der Ausgleich der Gehaltseinbuße wird sowohl bei der Familienpflegezeit wie auch
bei der Pflegezeit über einen Vorschuss geregelt, der während der Pflegephase
gezahlt und hinterher mit den Bezügen verrechnet wird. Auf eine Darlehensregelung
wie in § 3 FamilienpflegezeitG hat der Gesetzgeber verzichtet. Die
Darlehensregelung war vom dbb als unzweckmäßig kritisiert worden. Der dbb fordert
hingegen die Etablierung einer Lohnersatzleistung ähnlich dem Elterngeld, um
pflegebedingte Lücken bei den Bezügen zu schließen.
Während der teilweisen Freistellung, die mit einer Gehaltsreduzierung verbunden ist,
wird ein Vorschuss gewährt, der über einen entsprechend langen Zeitraum mit den
Bezügen verrechnet wird, wenn die Pflegephase abgeschlossen ist. Die
Vorschussgewährung bei Familienpflegezeit und Pflegezeit federt die mit der
Herabsetzung der Arbeitszeit einhergehende Gehaltseinbuße zunächst ab.
Insgesamt erwachsen aber dem Dienstherrn keine Einbußen durch die Pflegezeit,
weil er den Vorschuss anschließend mit den Bezügen verrechnen kann. Im Ergebnis
bleiben damit bei Familienpflege- und Pflegezeiten die Bezüge insgesamt hinter den
Bezügen in Fällen, in denen keine Pflegesituation aufgetreten ist, zurück. Um diese
bleibende Lücke auszugleichen, wäre eine Lohnersatzleistung ähnlich dem
Elterngeld sinnvoll.
Positiv ist, dass in Zukunft nicht mehr vor dem Beginn der Pflegephase festgelegt
werden muss, mit welchem Arbeitszeitumfang die Rückkehr aus der Familienpflegeoder Pflegezeit stattfinden wird.
Zu den übrigen Vorschriften werden keine Einwendungen erhoben.
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