Kommentare des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)* ID-Nummer 6437280268-55 zur besseren Rechtsetzung auf EU-Ebene mit Blick auf die weiteren Diskussionen in den EU-Institutionen zum Programm zur „Regulatorischen Eignung der EU-Vorschriften“ (REFIT) Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. Wilhelmstraße 43 / 43 G, 10117 Berlin Postfach 08 02 64, 10002 Berlin Tel.: +49 30 2020-5700 Fax: +49 30 2020-6700 Ansprechpartner: Thomas Ilka Geschäftsführer Europa / Internationale Beziehungen E-Mail: [email protected] 51, rue Montoyer B - 1000 Brüssel Tel.: +32 2 28247-33 Fax: +32 2 28247-39 Ansprechpartnerin: Barbara Gallist Leiterin Europabüro E-Mail: [email protected] www.gdv.de ______________________________ * Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mit Sitz in Berlin ist die Dachorganisation der privaten Versicherer in Deutschland. Die rund 460 Mitglieder sorgen durch 427 Millionen Versicherungsverträge für umfassenden Risikoschutz und Vorsorge sowohl für die privaten Haushalte wie für Industrie, Gewerbe und öffentliche Einrichtungen. Als Risikoträger und bedeutender Kapitalgeber (Kapitalanlagebestand 1,45 Billionen Euro) haben die privaten Versicherungsunternehmen auch eine herausragende Bedeutung für Investitionen, Wachstum und Beschäftigung in der deutschen Volkswirtschaft. Die Versicherungswirtschaft bietet zudem für 533.000 Menschen eine Erwerbstätigkeit als Angestellte bei Versicherern und im Vermittlergewerbe oder als selbstständige Versicherungsvermittler / -berater. Inhaltsverzeichnis 1. Kernforderungen der deutschen Versicherer zur besseren Rechtsetzung / REFIT S.4 1.1. Alle Politikoptionen streng prüfen: Dabei Belastungen und Inkohärenzen in den Fokus nehmen S.4 1.2. Prozess der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission umfassender, nachhaltiger und transparenter gestalten S.8 1.3. Dauerhafte interinstitutionelle Kultur der besseren Rechtsetzung und der entsprechenden Mechanismen etablieren S.10 1.4. Ex-Post-Analysen häufiger durchführen und Konsequenzen ziehen S.10 1.5. Festen Zeitplan für REFIT und formale Konsultationen zu Maßnahmen etablieren S.11 1.6. Grenzen der Handlungsnotwendigkeit beachten: Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit immer berücksichtigen S.11 1.7. Grenzen der Handlungsfähigkeit beachten: Das Prinzip der Subsidiarität jederzeit wahren S.11 1.8. „Gold Plating“ durch die Mitgliedstaaten adressieren S.12 2. Nachgelagerte Regulierungsebenen: Auch die Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) zu REFIT verpflichten S.13 2.1. Ausgestaltung auf nachgelagerter Regulierungsebene nicht zum Regelfall machen S.13 2.2. Maßnahmen auf nachgelagerter Ebene nah am Basisrechtsakt orientieren S.13 2.3. Folgenabschätzung und Einbindung von Stakeholdern bei nachgelagerter Rechtsetzung verbessern S.14 2.4. Bessere Rechtsetzung beim Erlass von ESA-Leitlinien berücksichtigen S.14 2.5. Betrachtung aller Regelungsebenen zusammen notwendig S.17 2.6. Grenzen von Handlungsermächtigung und -notwendigkeit auch auf nachgelagerter Regulierungsebene beachten S.17 3. REFIT-Vorschläge im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2015: Betroffenheit der deutschen Versicherer S.18 Seite 2 / 19 Kernpunkte Mit dem REFIT-Programm hat sich die Europäische Kommission dazu bekannt, den gesamten Bestand an EU-Rechtsvorschriften auf Verwaltungslasten, Unstimmigkeiten, Lücken oder wirkungslose Maßnahmen zu überprüfen. Auf allen Regulierungsebenen muss demnach gewährleistet werden, dass der Nutzen des Verwaltungshandelns zu geringstmöglichen Kosten erreicht wird. Das Ziel, die Schaffung eines klaren, stabilen und vorhersehbaren Rechtsrahmens, wird nachdrücklich begrüßt. Entscheidungen der Vergangenheit sind kritisch zu hinterfragen und deren Auswirkungen sorgfältig mit den Betroffenen zu evaluieren. Gleichzeitig muss aber auch künftige Regulierung an REFIT-Maßstäben gemessen werden. Auch mit Blick auf die jüngste Agenda der Europäischen Kommission für bessere Rechtsetzung sind für den GDV folgende Anliegen zentral: Politikoptionen streng auf Belastungen überprüfen: Vor allem Kohärenz mit bestehenden und geplanten Initiativen sicherstellen. Überlappungen, Widersprüche und Doppelungen müssen korrigiert werden. Dies gilt für Level 1 und 2 der Rechtsetzung. Folgenabschätzungen der Europäischen Kommission umfassender, nachhaltiger und transparenter gestalten: Folgenabschätzungen mit verpflichtenden Konsultationen sind zu begrüßen. Auch die Anwendung des Standard-Kosten-Modells würde Legislativvorschläge verbessern. Konsultationsauswertungen müssen nachvollziehbar sein. Expertengruppen sollten allen betroffenen Interessengruppen offen stehen. Dauerhafte interinstitutionelle Kultur der besseren Rechtsetzung und entsprechende Mechanismen etablieren: Alle EU-Institutionen und Agenturen müssen sich den gleichen Zielen und Prozessen verpflichten. Eine unabhängige, transparente Normenkontrolle des gesamten Rechtsetzungsprozesses muss in allen beteiligten Institutionen etabliert werden. Ex-Post-Analysen häufiger durchführen und Konsequenzen ziehen: Konsequente Ex-Post-Analysen sind angesichts der jüngst sehr hohen Regulierungsdichte, vor allem im Finanzdienstleistungsbereich, besonders wichtig. Nicht-intendierte Konsequenzen müssen rasch korrigiert werden. Grenzen des Handelns erkennen: Die Prinzipien von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit immer beachten. Nicht alles, was gut ist, ist auch auf europäischer Ebene gut, notwendig und angebracht. Das gilt auch für Level 2. Ausgestaltung auf nachgelagerter Regulierungsebene nicht zur Regel machen: Prinzipiell ist die Klärung technischer Details durch Experten zu begrüßen. Doch auch technische Aspekte können weitreichende Auswirkungen haben. Maßnahmen auf nachgelagerter Ebene sollten sich konsequent am Basisrechtsakt orientieren. Politische Entscheidungen sollten nicht auf Level 2 unterminiert werden. Folgenabschätzung und Einbindung von Stakeholdern bei nachgelagerter Rechtsetzung verbessern: Bessere Rechtsetzung umfasst auch Folgenabschätzungen und die Einbeziehung von Stakeholdern auf Level 2. Bessere Rechtsetzung bei Leitlinien der Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) berücksichtigen: Basis muss immer eine klare spezifische Ermächtigung und ein klarer Arbeitsauftrag sein. Ein Einklang zwischen Ermächtigungsgrundlage und Ausgestaltung muss hergestellt sein. Leitlinien dürfen nicht der Gesetzgebung widersprechen oder diese vorwegnehmen. Betrachtung aller Regelungsebenen zusammen notwendig Seite 3 / 19 1. Kernforderungen der deutschen Versicherer zur besseren Rechtsetzung / REFIT Ein Mehr an gemeinsamem Europa muss nicht mehr gemeinsame Vorschriften bedeuten. Die deutschen Versicherer können und wollen die EUInstitutionen dabei unterstützen, Bürokratie und unnötige Regulierungslasten zu identifizieren, und so dazu beitragen, die Qualität der Gesetzgebung zu verbessern und die drängenden Herausforderungen des gemeinsamen Europas zu meistern. Die in der am 19. Mai 2015 veröffentlichten Agenda für bessere Rechtsetzung1 erneuerte Absicht der Europäischen Kommission, mit den von Regulierung Betroffenen besser zu interagieren und unvoreingenommen alle Politikbereiche auf Verbesserungsbedarf zu prüfen, begrüßen die deutschen Versicherer. Der GDV erneuert hier die wichtigsten generellen Vorschläge zur Verbesserung der Rechtsetzung in der EU2: 1.1. Alle Politikoptionen streng prüfen: Dabei Belastungen und Inkohärenzen in den Fokus nehmen Ein konsequentes Screening der Kohärenz und der zu erwartenden Folgewirkungen der EU-Gesetzgebung ist wichtig und sollte systematisch durchgeführt werden. Wird das gleiche Ziel womöglich mit einem anderen, „horizontalen“ Legislativvorschlag oder durch Abänderungen eines Legislativvorschlags in einem laufenden Gesetzgebungsprozess erreicht? War das Thema bereits Gegenstand früherer Rechtsakte und wurden ähnliche Überlegungen eventuell bereits ad acta gelegt? Aus Prinzip sollte gelten: Maßnahmen zur Reduktion von Bürokratie und Verwaltungslasten sollten nicht durch neuen Aufwand an anderer Stelle zunichte gemacht werden. Forderungen, wonach für jeden neuen Rechtsakt die Abschaffung eines anderen geprüft werden sollte („One in, one out“), werden unterstützt. Beispiele inkohärenter und zumindest teilweise überflüssiger Legislativinitiativen hatte der GDV u.a. bereits in seiner Stellungnahme zur öffentlichen Konsultation des ECON-Ausschusses des Europäischen Parlaments zur Kohärenz der Finanzmarktgesetzgebung im Juni 2013 gegeben3. Demnach sollten etwa Regelungen zum Vertrieb von Versicherungsprodukten ausschließlich in der überarbeiteten Versicherungsvermittlerrichtlinie4 enthalten sein, andernfalls drohen Rechtsunsicherheit und unnötige Kosten für Bürger und Unternehmen. 1 Mitteilung Bessere Ergebnisse durch bessere Rechtsetzung – Eine Agenda der EU Zu nachgelagerten Regelungsebenen und Europäischen Aufsichtsbehörden siehe Kapitel 2. Zu bereits formulierten Vorschläge des GDV zur Besseren Rechtsetzung vgl. u.a. auch : - Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft zu den öffentlichen Konsultationen der Europäischen Kommission zur Überarbeitung der Kommissionsleitlinien für Folgenabschätzungen sowie zu den Leitlinien der Kommission für Konsultationen der Interessenträger - Comments of the German Insurance Association on the consultation on the draft Commission Guidelines for Evaluation, February 2014 3 Vgl. GDV contribution to the ECON public consultation on enhancing the coherence of EU financial services legislation, June 2013 4 Die Insurance Distribution Directive (IDD) wird die geltende Versicherungsvermittlerrichtlinie (Insurance Mediation Directive – IMD1, Richtlinie 2002/92/EG) ersetzen. In den Kommentierungen zur überarbeiteten IMD1 wurde noch der Terminus IMD2 benutzt. Die politische Trilogeinigung zur IDD wurde am 30. Juni 2015 erreicht. 2 Seite 4 / 19 Folgend konkrete aktuelle Beispiele absehbarer Inkohärenzen sowie unnötiger Bürokratielasten durch die EU-Gesetzgebung: BEISPIEL Finanzmarktregulierung EMIR und Solvency II: Doppelregelungen zu Versicherungsderivaten beheben Unabhängig davon, ob Versicherungsderivate als Finanzinstrumente im eigentlichen Sinn betrachtet werden können, sollten sich durch die gleichzei5 tige Regulierung in der Solvency II-Richtlinie und der EMIR-Verordnung keine Widersprüche ergeben. Im Gegensatz zu den versicherungsspezifischen Vorgaben aus Solvency II lassen sich einige Vorgaben der EMIR6 Verordnung schlicht nicht auf Versicherungsderivate (z. B. Wetterderivate) anwenden. So ist nach Art. 11 (3) EMIR beispielsweise der Austausch von Sicherheiten zwingend vorgeschrieben. Nach Art. 105 (6) Solvency II besteht jedoch für die genannten Derivate keine Besicherungspflicht. Sicherheiten, die von dem oder für das Erst- oder Rückversicherungsunternehmen gehalten werden und die damit verbundenen Risiken sind bei der Berechnung des Solvenzkapitals zu berücksichtigen, wenn sie gestellt wurden. Da beide Vorgaben, Solvency II und EMIR, das Risiko des Ausfalls der Gegenpartei adressieren, besteht hier ein Widerspruch. Solvency II verfolgt das Ziel der Stabilisierung des Finanzsystems. Ergänzender Regulierung aus dem Kapitalmarktrecht mit Blick auf die Versicherungswirtschaft bedarf es nicht. Vorschlag der Europäischen Kommission zu SFTs sowie EMIR und UCITS-Leitlinien: Zusätzlichen Aufwand vermeiden Aktuell wird der Kommissionsvorschlag einer Verordnung über die Meldung und Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften (SFT7 Verordnung) beraten. Kern des Vorschlages sind zusätzliche Berichts- und Informationsanforderungen. Um zusätzliche bürokratische Hindernisse zu vermeiden, sollte darauf geachtet werden, dass bestehende Systeme genutzt werden: So bietet sich im Falle der Wertpapierfinanzierungsgeschäfte an, das Berichtssystem nach der EMIR-Verordnung zu nutzen. Zudem sind im Kommissionsvorschlag einer SFT-Verordnung zusätzliche Informationspflichten für Fondsmanager vorgesehen (Art. 13). Zur Ausgestaltung der 8 UCITS V-Richtlinie hat die ESMA bereits Leitlinien zu solchen Berichts9 pflichten vorgelegt. Hierdurch entsteht eine Situation, die besonders mit Blick auf das Verhältnis zwischen ESMA-Leitlinien und Rechtstext u.a. aus REFIT-Erwägungen heraus problematisch ist (vgl. Kapitel 2 des vorliegenden Papiers). Leitlinien der Europäischen Kommission zur nicht-finanziellen Berichterstattung: Best Practices nutzen 10 Die Richtlinie über die Veröffentlichung nicht-finanzieller Informationen sieht in Art. 2 vor, dass die Europäische Kommission unverbindliche Leitlinien als Orientierungshilfe für die Berichterstattung nicht-finanzieller Informationen durch Unternehmen veröffentlicht. Diese Leitlinien werden aktuell entwickelt und sollen bis zum 6. Dezember 2016 veröffentlicht werden. Sinn und Nutzen dieser Leitlinien sind jedoch sehr fraglich. Zwar ist eine einheitliche Berichterstattung sinnvoll, dieses Ziel rechtfertigt jedoch nicht den zusätzlichen Aufwand und zeitlichen Umsetzungsdruck. Es gibt bewährte Best-Practices zur Berichterstattung nicht-finanzieller Informationen, 5 Richtlinie 2009/138/EG Verordnung (EU) Nr. 648/2012 Vorschlag COM(2014) 40 final/2 8 Richtlinie 2009/65/EG 9 ESMA/2012/832 10 Richtlinie 2014/95/EU 6 7 Seite 5 / 19 die bereits heute zur Anwendung kommen. Die Unternehmen bereiten sich auf Basis dieser auf den Anwendungsbeginn der Richtlinie zum 1. Januar 2017 vor. Die unverbindlichen Leitlinien der Europäischen Kommission, die vier Wochen vor Anwendungsbeginn – und mehr als zwei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie – veröffentlicht werden, stiften folglich keinen Mehrwert. Eigenständige Aufsicht von Finanzkonglomeraten: Unnötige Mehrbelastung vermeiden Mit Solvency II und CRD IV/CRR wurden die Aufsichtsregime für Versicherer und Banken grundlegend überarbeitet. Die weitreichenden Anforderungen, die auch Strukturen intensiv beleuchten, werfen die Frage nach der Notwendigkeit einer zusätzlichen Aufsicht für Finanzkonglomerate in Europa auf. Durch die neuen sektoralen Aufsichtssysteme werden sektor- übergreifende Risiken bereits umfassend abgedeckt. Die zusätzliche Regulie11 rung über die Finanzkonglomerate-Richtlinie (FICOD) führt daher zu unnötigen und belastenden Überschneidungen von Aufsichtsverfahren. Ein Mehrwert für Aufsicht und Unternehmen ist nicht zu erkennen. Ungeachtet der Überarbeitung der FICOD in 2011 sollte die Europäische Kommission eine umfassende Überprüfung der Richtlinie zeitnah vornehmen. Hierbei sind die nachgelagerten Regulierungsebenen zu überprüfen (siehe auch Kapitel 2 des vorliegenden Papiers). Die Berücksichtigung der veränderten Rahmenbedingungen ist dabei entscheidend. BEISPIEL Verbraucherschutz PRIIPs: Doppelung von Informationspflichten bereinigen 12 Die PRIIPs-Verordnung sieht vor, dass Informationspflichten gemäß Solvency II und jene in der Verordnung gleichermaßen zu berücksichtigen sind (Erwägungsgrund 9, Art. 3 Abs. 2). Dieser Regelungsansatz hat zur Folge, dass identische Informationen in unterschiedlichen Dokumenten dargestellt werden müssen. Die PRIIPs-Verordnung ergänzt außerdem die in der Versicherungsvermitt13 lerrichtlinie (IMD1) enthaltenen Maßnahmen im Bereich des Vertriebs von Versicherungsprodukten (Erwägungsgrund 5). Auch hier kann es zu Doppelungen von Informationspflichten kommen. Das sollte bei der weiteren Ausgestaltung vermieden werden. BEISPIEL Vertrieb Starker Zuwachs an Offenlegungsvorschriften: Unnötige Bürokratie und Doppelungen vermeiden Es ist fraglich, ob die wachsende Zahl an Offenlegungsvorschriften aufseiten der Versicherer und Versicherungsvermittler noch dem Verbraucherschutz dient, oder, soweit sie dieses Ziel nicht erreicht, einen unnötigen Bürokratieaufbau darstellt. Zum Beispiel bestehen beim Maklervertrieb über das Internet zurzeit 75 Kategorien von Offenlegungsvorgaben (aufgrund von IMD1, Lebensversicherungsrichtlinie, Fernabsatzrichtlinie, E-Commerce-Richtlinie). Künftig werden es 147 sein (aufgrund von 14 Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD, PRIIPS-Verordnung, Solvency II15 Richtlinie, Fernabsatzrichtlinie, E-Commerce-Richtlinie). Es zeichnet sich zudem ab, dass viele dieser Vorschriften redundant sind und zu Doppelungen führen werden, was die Anwendung zusätzlich erschweren wird. 11 Richtlinie 2011/89/EU Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 Richtlinie 2002/92/EG 14 Im Original: Insurance Distribution Directive (IDD) 15 Vgl. auch Insurance Europe Press Release „Risk of information overload as EU disclosure requirements set to double“, 14. April 2015 12 13 Seite 6 / 19 BEISPIEL Datenschutz Datenschutz-Grundverordnung: Verhältnis zu bestehenden Regelungen klären Bisher ist ungeklärt, in welchem Verhältnis die geplante EU-Datenschutz16 Grundverordnung nach ihrem Inkrafttreten zur bestehenden e-Privacy17 Richtlinie stehen wird. Schließlich ist bezüglich des Datenschutzes im öffentlichen Bereich bisher keine Regelung gefunden worden, wie die Parallelitäten zwischen den relevanten Inhalten der EU-DatenschutzGrundverordnung und den existierenden nationalen Regelungen abgebaut werden können. Zudem ist bezüglich der EU-Datenschutz-Grundverordnung voraussehbar, dass die Informationspflichten für die Unternehmen stark zunehmen werden. Aktuell ist das Ausmaß noch unklar, aber ebenso ist noch nicht absehbar, ob diese verstärkten Informationspflichten echte Mehrwerte für die Verbraucher bringen werden. BEISPIEL Gesellschaftsrecht Aktionärsrechte-Richtlinie: Verhältnismäßigkeit wahren und bestehende Regelungen achten Einschätzungen zum Vorschlag zur Revision der Aktionärsrechte18 Richtlinie , wonach dieser keinen positiven Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit oder dem Binnenmarkt darstellt, werden geteilt. Der Richtlinienvorschlag und viele Überlegungen aus dem Europäischen Parlament widersprechen dem erklärten Ziel des Abbaus von Bürokratie und Regulierungslasten. Vor allem durch die Überfrachtung der Hauptversammlungen mit Entscheidungen, etwa zu Geschäften mit Personen, die dem Unternehmen nahe19 stehen („related party transactions“) , entsteht Verwaltungsaufwand, der die nötige Flexibilität bei unternehmerischen Entscheidungen gefährdet. Auch die Involvierung der Aktionärsversammlung in die Vergütungspolitik ist unverhältnismäßig bürokratisch und zu weitgehend. Mit gutem Grund ist eine solche Vorgabe bei Solvency II gerade nicht in den finalen Text der Level 2-Verordnung 2015/35 aufgenommen worden. Zudem gibt es für die Versicherungswirtschaft bereits aufsichtsrechtliche Vorgaben zur Vergütung, so dass ein Konflikt zwischen den Regelungen zu erwarten ist. Auch die vorgeschlagene Verpflichtung zur Offenlegung der Anlagestrategie aller institutionellen Investoren sowie die Einbeziehung aller Aktionäre in die Anlagestrategie sind kritisch. Losgelöst von der fehlenden sachlichen Notwendigkeit sind diese Pflichten aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen praktisch nicht umsetzbar. Zudem führt dies unweigerlich zu Diskrepanzen mit den Vorschriften zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen und zu den Grundsätzen des europäischen Wettbewerbsrechts. (Bezüglich der Forderungen im Europäischen Parlament nach CBCR siehe folgendes Beispiel aus dem Bereich Rechnungslegung.) BEISPIEL Rechnungslegung Länderspezifische Berichterstattung: Evaluierungsberichte abwarten Bei der Diskussion des Vorschlages zur Revision der AktionärsrechteRichtlinie sind im Europäischen Parlament auch Forderungen nach einer Offenlegung von länderspezifischen Daten großer Unternehmen (‚Country16 Vorschlag KOM(2012) 11 Richtlinie 2002/58/EG 18 Vorschlag COM(2014) 213 final 19 Vgl. GDV-Stellungnahme zur Überarbeitung der Aktionärsrechte-Richtlinie, Juli 2014 17 Seite 7 / 19 by-country Reporting‘ / CBCR) laut geworden. Dies würde dem für Juli 2018 vorgesehenen CBCR-Evaluierungsbericht gemäß der geltenden Bi20 lanzierungsrichtlinie vorgreifen. Der Verband erachtet es als wichtig, dass diese Zeit genutzt wird, um notwendige Erfahrungen zu sammeln. In der folgenden Überprüfung kann eine angemessene Lösung für diesen Sachverhalt gefunden werden. Ein Vorgriff würde möglicherweise zu Regelungen führen, die enormen zusätzlichen Aufwand erzeugen und später reduziert werden müssen. BEISPIEL Schadenversicherung Kostspielige Konsequenzen neuer Pflichtversicherungen erkennen Pflichtversicherungen werden auf europäischer Ebene regelmäßig diskutiert, prominent derzeit zu den Vorschlägen zu den Verordnungen über Me21 22 dizinprodukte und In-vitro-Diagnostika . Die vom Europäischen Parlament geforderte Einführung einer Pflichthaftpflichtversicherung für Medizinproduktehersteller ist unnötig. Die hohe Dichte von Versicherungen für Schäden durch Medizinprodukte und der mangelnde Mehrwert für die Patientensicherheit machen diese entbehrlich. Prinzipiell gilt: Die Konsequenzen aus Pflichtversicherungen können erheblich sein und den Interessen der Verbraucher zuwider laufen. Oft sind nicht angemessene Überversicherungen bei niedrigem Schadenrisiko die Folge, wenn bedarfs- und risikogerecht maßgeschneiderte Versicherungslösungen behindert werden. Durch diesen „One size fits all“-Ansatz steigen die Versicherungskosten. Das kann etwa Betriebe vor wirtschaftliche Probleme stellen. Zudem senken Pflichtversicherungen den Präventionsanreiz und erhöhen die Gefahr des „moralischen Risikos“. Pflichtversicherungen ersparen zudem keine Bürokratie. Im Gegenteil: Eine zusätzliche Bürokratie muss die Einhaltung von Pflichten überwachen, was den Steuerzahler somit Geld kostet. Durch unnötig gestiegene Prämiensummen können auch die Verbraucherpreise steigen - ohne dass der Verbraucher hierfür ein qualitativ hochwertigeres Produkt erhalten würde. Freiwilligen Versicherungslösungen ist somit auch im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit Europas prinzipiell Vorzug zu geben. Das gilt auch im Be23 reich der Umwelthaftung. Die Umwelthaftungs-Richtlinie wird derzeit im Rahmen von REFIT auf Effektivität und Bürokratiebelastung überprüft. 1.2. Prozess der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission umfassender, nachhaltiger und transparenter gestalten Niemand kennt die Probleme und mögliche Lösungen besser als jene, die betroffen sind. Interessierte und betroffene Gruppen müssen frühzeitig und stärker in den Gesetzgebungs- und Evaluierungsprozess einbezogen werden - auch auf den nachgelagerten Regulierungsebenen (siehe Kapitel 2 des vorliegenden Papiers). Die entsprechende Empfehlung der hochrangigen Gruppe zum Bürokratieabbau wird weiterhin begrüßt.24 Mit der von der Europäischen Kommission beabsichtigten Einführung von öffentlichen Konsultationen zu Fahrplänen und Folgenabschätzungen in der Anfangsphase von Initiativen ist ein positiver Schritt gesetzt. Bestehende Anliegen umfassen: 20 Richtlinie 2013/34/EU Vorschlag COM(2012) 542 final Vorschlag COM(2012) 541 final 23 Richtlinie 2004/35/EG 24 Abschlussbericht der hochrangigen Gruppe im Bereich Verwaltungslasten „Bürokratieabbau in Europa“, Juli 2014 21 22 Seite 8 / 19 Folgenabschätzungen bei allen Initiativen mit wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkung durchführen Diskussionswürdig bleibt auch weiterhin, dass nur bei „erheblichen“ absehbaren Auswirkungen von Initiativen der Europäischen Kommission Folgenabschätzungen verpflichtend sind.25 Gleichzeitig ist nicht hinreichend definiert, ab wann eine Auswirkung als „erheblich“ anzusehen ist. Gerade Folgenabschätzungen sollen die Auswirkungen von Vorhaben und deren Ausmaß ermitteln. Nur durch einen Entfall der Bedingung einer vermuteten „erheblichen Auswirkungen“ für die Durchführung einer Folgenabschätzung kann sichergestellt werden, dass vorab nicht als „erheblich“ vermutete Auswirkungen identifiziert werden können. Bessere Kommunikation von Vorhaben und Anwendung des Standard-Kostenmodells notwendig Die Einrichtung eines laufend aktualisierten, zentralen Web-Portals für den gesamten Folgenabschätzungsprozess der Europäischen Kommission (inkl. Ex-Post-Evaluierung) ist wünschenswert. Folgenabschätzungen sollten neben der Kohärenz- und Subsidiaritätsprüfung zudem die Ermittlung des gesamten Erfüllungsaufwands einer Norm mittels des erweiterten Standard-Kosten-Modells konsequent zur zentralen Prüfungsfrage machen. Konsultationen der Europäischen Kommission breit adressieren und Wertung und Einfluss nachvollziehbar machen Auch nicht-öffentliche Konsultationen sollten sich zudem prinzipiell immer an einen größtmöglichen Adressatenkreis richten. Betroffene einer politischen Initiative sind nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich. Gerade Versicherer sind von einer extrem großen Bandbreite von Themenstellungen betroffen und sollten deshalb bei der Identifizierung von zu konsultierenden Interessenträger besonders berücksichtigt werden: Nicht allein Themen der „klassischen“ Finanzmarktregulierung sind für die Versicherer von hohem Interesse. Vielmehr ist z. B. jede Regelung von Haftungsfragen oder zur Verkehrssicherheit von unmittelbarer Bedeutung. Daneben sind Versicherer natürlich auch durch all jene Regelungen betroffen, die sie in ihrer Wirtschaftstätigkeit berühren. Bessere Rechtsetzung umfasst auch klare und objektive Kriterien für die Einbeziehung von Stakeholdern. Die Transparenz des Auswertungsverfahrens von Konsultationen bleibt jedoch auch nach den aktuellen Leitlinien für bessere Rechtsetzung26 weiterhin diskussionswürdig. Bewertung und Gewichtung der Beiträge von öffentlichen Konsultationen der Europäischen Kommission unterliegen keiner transparenten Methode. Eine klare Vorgabe, wie Eingaben von Einzelpersonen gegenüber Rückmeldungen von Wirtschaftsverbänden, die für zahlreiche Unternehmen und deren Arbeitnehmer sprechen, gewertet werden, fehlt weiterhin. Worauf es der Europäischen Kommission im Ein- 25 26 Vgl. u.a. S.17 Leitlinien für bessere Rechtsetzung; Im Original „significant impact“ Leitlinien für bessere Rechtsetzung Seite 9 / 19 zelfall ankommt und welche Gewichtung sie vornehmen will, sollte deshalb veröffentlicht werden. Mehr Transparenz bei Expertengruppen einführen Auch im Zusammenhang mit Expertengruppen der Europäischen Kommission und anderer EU-Behörden besteht Verbesserungspotenzial, allen voran27: o Kritische Praxis personenbezogener Mandate hinterfragen: Mandatsträgern sollte der Austausch mit den von ihnen repräsentierten Interessengruppen möglich sein. Eine Benennung qua functionem anstelle von ad personam ist deshalb sachgerechter. o Relevanz eines Themas für Interessengruppen beachten: Vor allem Versicherer sind von einer großen Bandbreite von Themenstellungen betroffen und sollten deshalb besonders berücksichtigt werden. o Bessere Transparenz bei Ausschreibungen: Analog zur Website „Ihre Stimme in Europa“ sollten laufende Ausschreibungen für die Teilnahme an Expertengruppen öffentlich einsehbar veröffentlicht und nicht in Newslettern der Dienststellen der Europäischen Kommission ‚versteckt‘ sein. 1.3. Dauerhafte interinstitutionelle Kultur der besseren Rechtsetzung und transparente Mechanismen etablieren Bessere Rechtsetzung sollte nicht allein als Projekt der Europäischen Kommission verstanden werden. Transparente Folgenabschätzungen müssen auch bei den Ko-Gesetzgebern etabliert werden. Die explizite Feststellung der Verantwortung des Europäischen Parlaments und des Rates durch die Europäische Kommission im Rahmen ist folgerichtig. Alle am Gesetzgebungsprozess beteiligten Organe sollten ihre Verantwortung annehmen. Das Europäische Parlament ist hier mit der Einführung eigener Gesetzesfolgenabschätzungen bereits einen wichtigen Schritt gegangen. Dieser Weg sollte konsequent weiter verfolgt werden. Weiterhin ist eine Normenkontrolle für den gesamten Rechtsetzungszyklus wünschenswert. Die deutschen Versicherer regen an, ein suprainstitutionelles, unabhängiges Gremium zur Begleitung der Änderungen im weiteren Rechtsetzungsprozess dauerhaft zu etablieren. Forderungen nach einem unabhängigen Normenkontrollrat und auch die von der Europäischen Kommission angekündigte Umwandlung des Ausschusses für Folgenabschätzung in einen Ausschuss für Regulierungskontrolle unterstützt der GDV grundsätzlich. Wichtig ist aber, dass die Bestellung der Mitglieder der neuen Gruppen und deren Arbeit nach transparenten, objektiven Kriterien erfolgt. Zusätzlich wäre es wünschenswert, aufseiten des Europäischen Parlaments ein Mitglied des Präsidiums mit der Zuständigkeit für bessere Rechtsetzung zu betrauen. 1.4. Ex-Post-Analysen häufiger durchführen und Konsequenzen ziehen Alle rechtsetzenden europäischen Institutionen sollten sich zudem zu ExAnte- und zeitnahen Ex-Post-Analysen von Rechtsakten in transparenter Zusammenarbeit mit betroffenen Kreisen verpflichten. Konsequente Ex27 Der GDV hatte zur Konsultation der Europäischen Bürgerbeauftragten über die Zusammensetzung von Expertengruppen der Europäischen Kommission im August 2014 beigetragen. Seite 10 / 19 Post-Analysen sind vor dem Hintergrund der jüngst sehr hohen Regulierungsdichte, vor allem im Finanzdienstleistungsbereich, ein besonders wichtiges Anliegen für die kommenden Jahre. Nicht zuletzt durch das Bekenntnis zu vermehrten Ex-Post-Evaluierungen erkennt die Europäische Kommission die übergeordnete Bedeutung der Überprüfung des Rechtsbestandes an. Die Eigenverpflichtung der Europäischen Kommission zu öffentlichen Konsultationen bei Evaluierung und Fitness-Checks28 wird ausdrücklich begrüßt. Nicht-intendierte Konsequenzen für die Betroffenen infolge beschleunigter Gesetzgebungsverfahren müssen rasch korrigiert werden können. 1.5. Festen Zeitplan für REFIT und formale Konsultationen zu Maßnahmen etablieren Ein vorab kommunizierter fester Zeitplan, evtl. für mehrere Jahre, wäre wünschenswert. Die Veröffentlichung von REFIT-Mitteilungen einschließlich Vorschlägen für Maßnahmen erfolgt bislang nach keinem erkennbaren Schema. Auch formale Konsultationen zu Vorschlägen von REFITMaßnahmen vor deren Veröffentlichung würden interessierte und betroffene Parteien zur Stellungnahme motivieren. Die Ambitionen der Europäischen Kommission würden somit noch besser im Bewusstsein der Betroffenen verankert und auf eine legitimierte Basis gestellt. 1.6. Grenzen der Handlungsnotwendigkeit beachten: Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit immer berücksichtigen Maßnahmen der EU müssen nach Art. 5 Abs. 4 EUV verhältnismäßig sein und dürfen nicht über das zur Zielerreichung erforderliche Maß hinausgehen. Doch Proportionalität muss mehr sein als ein generelles Bekenntnis und eine juristische Floskel. Zu bedenken ist unter anderem auch die Diversität innerhalb der von Regulierung betroffenen Branchen. Innerhalb der Versicherungswirtschaft etwa gibt es klein- und mittelständische Unternehmen, spezialisierte Versicherer, regional tätige Unternehmen und Versicherer, deren Produktportfolio im Vergleich nur sehr geringe Risiken birgt. 1.7. Grenzen der Handlungsfähigkeit beachten: Das Prinzip der Subsidiarität jederzeit wahren Gemäß Art. 5 Abs. 3 EUV gilt das Prinzip der Subsidiarität als Grundsatz für das Handeln der EU. Dieses besagt, dass Regelungen grundsätzlich auf der sachnäheren Kompetenzebene getroffen werden müssen. Demnach ist die EU nur dann für eine Regelung zuständig, wenn europaweit harmonisierte Regelungen besser geeignet sind, die Probleme zu lösen. Harmonisierung und Zuständigkeit der Mitgliedstaaten stehen dabei in einem Spannungsverhältnis. Es bedarf stets einer Abwägung im Einzelfall, auf welchem Wege die politischen Ziele besser erreicht werden können. Erfreulich ist, dass die Europäische Kommission zukünftig besser erklären will, wie eine Initiative im Einklang mit dem Grundsatz der Subsidiarität steht. 28 Vgl. S.66 der Leitlinien für bessere Rechtsetzung Seite 11 / 19 Analysen zeigen, dass das Subsidiaritätsprinzip in der EU bisher zu wenig beachtet wird.29 Folgende Aspekte könnten danach zur Verbesserung der Kontrolle der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips beitragen: o Recht der nationalen Parlamente zur Subsidiaritätskontrolle für das gesamte EU-Gesetzgebungsverfahren, auch auf nachgelagerter Regulierungsebene. o Konsultation der nationalen Gesetzgeber durch die Europäische Kommission bereits vor der Vorlage von Legislativvorschlägen. o Einrichtung eines Gerichtshofes für Kompetenz- und Subsidiaritätsfragen. o Definition von rechtssicheren, justiziablen Subsidiaritätskriterien. o Selbstverpflichtung der nationalen Parlamente zur konsequenten Subsidiaritätskontrolle. o Verpflichtung der Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) zur Subsidiaritätsprüfung (siehe auch 2.6.). 1.8. „Gold Plating“ durch die Mitgliedstaaten adressieren Exzessive Auslegung der europäischen Rechtsvorschriften und eine etwaige Komplementierung der EU-Rechtsvorschriften durch nationale Regelungen schaden der Wettbewerbsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats und konterkarieren den Gedanken eines fairen Wettbewerbs im europäischen Binnenmarkt. Die EU-Institutionen, allen voran die Europäische Kommission und die Aufsichtsbehörden sollten deshalb entsprechende Hinweise der Betroffenen prüfen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten die nationalen Gesetzgeber auf die eigentliche Zielsetzung und die Umsetzung in den anderen Mitgliedstaaten hinweisen. Um eine gesamteuropäisch ausgewogene Rechtslage bestmöglich zu gewährleisten, sollte REFIT sich auch des Themas „Gold Plating“ annehmen. Die Aufforderung der Europäischen Kommission an die Mitgliedstaaten, Gold Plating zu vermeiden30, ist zu befürworten. Aus der aktuellen Umsetzung der Solvency II-Richtlinie allein ergeben sich die folgenden Beispiele, die ein Level-Playing-Field gefährden: BEISPIEL Testierung der Solvabilitätsübersicht gemäß VAG 31 § 35 Abs. 2 des deutschen Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) n.F. sieht eine verpflichtende Testierung der Solvabilitätsübersicht durch den Abschlussprüfer vor. Diese rein nationale Bestimmung geht über die Solvency II-Vorgaben hinaus. Art. 129 Abs. 4 Solvency II-RL fordert nur eine vierteljährliche Berechnung und Meldung des Minimumsolvenzkapitals (MCR) an die Aufsichtsbehörden. BEISPIEL Anforderungen an die Qualifikation der Schlüsselfunktionen gemäß VAG § 24 Abs. 1 Satz 3 und 4 VAG n. F. fordert theoretische und praktische Kenntnisse in „Versicherungsgeschäften“ sowie eine dreijährige Leitungserfahrung bei einem Versicherungsunternehmen von vergleichbarer Größe und Geschäftsart als notwendige Qualifikationen. Nach Art. 273 Abs. 2 Entwurf der delegierten Rechtsakte sind hingegen ausdrücklich auch Kenntnisse im „insurance sector, other financial sectors or other businesses“ zu berücksichtigen. Die vorgesehene Verschärfung im nationalen Recht engt den qualifi29 30 31 Centrum für Europäische Politik (cep): Subsidiaritätsprinzip mit Leben füllen; April 2015 Vgl. Mitteilung Bessere Ergebnisse durch bessere Rechtsetzung – Eine Agenda der EU Deutsches Versicherungsaufsichtsgesetz Seite 12 / 19 zierten Personenkreis unnötig ein. Selbst ein Seiteneinstieg aus dem Bankoder Wertpapierbereich wäre damit nur noch schwer möglich. BEISPIEL Kreditaufnahmeverbot gemäß VAG In § 15 Abs. 1 Satz 3 VAG n.F. findet sich noch immer das Kreditaufnahmeverbot, für das es keine Grundlage in den europäischen Regelungen gibt und das in anderen Mitgliedstaaten der EU nicht existiert. Das Kreditaufnahmeverbot benachteiligt die deutsche Versicherungswirtschaft und sollte nicht in das neue VAG aufgenommen werden. 2. Nachgelagerte Regulierungsebenen: Auch die Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) zu REFIT verpflichten Aufgrund ihrer Expertise kommt den drei europäischen Aufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities, ESAs) - EIOPA, ESMA, EBA32 - eine wichtige Funktion bei der einheitlichen Ausgestaltung und Anwendung der europäischen Finanzaufsichtsregeln zu. Die durch die ESAs ausgearbeiteten Rechtsakte sowie die Grenzen ihrer Befugnisse sollten auch Teil der REFIT-Agenda werden. Wesentliche Aspekte sind die Rechtsstaatlichkeit der Entscheidungsprozesse (inkl. Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit) und die demokratische Rückkopplung der Agenturen. Folgende Aspekte stehen im Fokus: 2.1. Ausgestaltung auf nachgelagerter Regulierungsebene nicht zum Regelfall machen Die ESAs arbeiten auf Level 2 die Entwürfe für die technischen Standards aus, die formal durch die Europäische Kommission mit rechtsverbindlicher Wirkung erlassen werden.33 Prinzipiell ist zu begrüßen, dass die Klärung technischer Details an Experten delegiert wird. Ziel ist ja gerade die Entschlackung des Gesetzgebungsprozesses. Strategische politische Entscheidungen müssen nach den klaren Vorgaben im Primärrecht (Art. 290 bzw. 291 Abs. 2 AEUV) aber vom Gesetzgeber selbst getroffen werden. Auch vermeintlich technische Aspekte können weitreichende politische Auswirkungen haben. Nur bei den delegierten Rechtsakten kommt den Co-Gesetzgebern ein Veto-Recht zu. Regulierungsbefugnisse sollten deshalb mit Bedacht und ausschließlich bei konkreter Notwendigkeit und vorheriger Abklärung der Grundsätze von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit (siehe auch 2.6.) delegiert werden. 2.2. Maßnahmen auf nachgelagerter Ebene nah am Basisrechtsakt orientieren Der Gesetzgeber muss bei der Arbeit auf nachgelagerten Regulierungsebenen sicherstellen, dass sich diese Rechtsakte von Aufsichtsbehörden eng am Basisrechtsakt orientiert. Dies beginnt bereits bei Begriffsbestimmungen. Bei Abweichungen vom Basisrechtsakt besteht die Gefahr, dass politische Entscheidungen unterminiert werden, zusätzlicher Aufwand für die Adressaten kreiert wird und die oft bewusst eingeräumte Flexibilität hinfällig wird. 32 Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA), Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) 33 Technische Regulierungsstandards werden als delegierte Rechtsakte gem. Art. 290 AEUV erlassen, technische Durchführungsstandards ergehen als Durchführungsrechtsakte gem. Art. 291 Abs. 2 AEUV. Seite 13 / 19 BEISPIEL Abweichende Definitionen auf unterschiedlichen Regulierungsebenen: Im Technical Advice für delegierte Rechtsakte zur Umsetzung der „IMD 1.5“ (d. h. Art. 91 MiFID2) zum Umgang mit Interessenkonflikten beim Vertrieb von Versi34 cherungsanlageprodukten schlägt EIOPA eine neue Begriffsabgrenzug von „inducements“ gegenüber „remuneration“ vor, die der Begriffsbestimmung auf 35 Richtlinienebene widerspricht. Auch zu beachten ist, dass Regelungen auf nachgelagerter Ebene die Aussagekraft von Folgenabschätzungen zum Legislativvorschlag mindern können. Zudem muss jedenfalls immer der Rahmen der Ermächtigung eingehalten werden. Bezüglich der EIOPA-Leitlinien sollte Art. 16 Abs. 1 der EIOPAVerordnung konkreter gefasst werden (Siehe 2.6.). 2.3. Folgenabschätzung und Einbindung von Stakeholdern auch bei nachgelagerter Rechtsetzung verbessern Transparenz, Stakeholdereinbindung und Folgenabschätzung müssen auch auf der nachgelagerten Regulierungsebene gelten.36 Der GDV unterstützt das Bekenntnis der Europäischen Kommission, Folgenabschätzungen für delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte verbindlich vorzunehmen.37 Dies schließt auch die Anhörung von Betroffenen und Interessenträgern ein. Die bedenkliche Vorgabe, wonach Folgenabschätzungen nur bei vermuteten „erheblichen“ Auswirkungen einer Initiative durchgeführt werden muss (siehe auch 1.2.) gilt auch für delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte. Eine solche Einschränkung sollte der Gesetzgeber bei einer möglichen Überarbeitung der ESA-Verordnungen ignorieren und verbindliche Anforderungen festlegen. Bessere Rechtsetzung umfasst auch die adäquate Einbeziehung aller Stakeholder auf Basis klarer und objektiver Kriterien. Diese sollten in der EIOPA-Verordnung ausdrücklich verankert werden. Voraussetzung hierfür sind transparente Prozesse. In dem Rahmen, in dem EIOPA nicht Aufseher, sondern Teil des nachgelagerten Rechtsetzungsverfahrens ist, müssen diese Grundlagen auch dort gelten. Explizite Geheimhaltungsvorschriften für Stakeholdergruppen werfen Fragen der Rechenschaftspflicht und der Möglichkeit zur Einbindung anderer Experten auf. 2.4. Bessere Rechtsetzung beim Erlass von ESA-Leitlinien berücksichtigen Vor allem mit Blick auf den Erlass von Leitlinien durch die Europäischen Aufsichtsbehörden braucht es ein klares Bekenntnis zu einer intelligenten und transparenten Regulierung. Diesbezüglich problematisch ist, dass das Sekundärrecht die nationalen Behörden und Unternehmen verpflichtet, ESA-Leitlinien und Empfehlungen mit „allen erforderlichen Anstrengungen … nachzukommen“ („comply or explain“, vgl. Art. 16 Abs. 3 EI- 34 EIOPA-15/135 Siehe Art. 2 Abs. 1 der Allgemeinen Ausrichtung zur IDD, wie dieser auch im Trilog angenommen wurde. 36 Vgl. Comments of the German Insurance Association on the consultation on the draft Commission Guidelines for Evaluation, February 2014 37 Leitlinien für bessere Rechtsetzung 35 Seite 14 / 19 OPA-Verordnung38), obwohl solche Leitlinien und Empfehlungen nach dem Primärrecht gerade „nicht verbindlich“ sein sollen (Art. 288 Abs. 4 AEUV). Besonders gravierend ist, dass die Leitlinienkompetenz zunehmend dazu genutzt wird, laufenden EU-Gesetzgebungsvorhaben vorzugreifen und teilweise sogar abweichende Standards festzulegen. Hieraus lassen sich notwendige REFIT-Bedingungen für aufsichtsrechtliche Leitlinien ableiten: o Klare spezifische Ermächtigung und klarer Arbeitsauftrag nötig Nur durch rechtssichere Ermächtigung der ESAs durch den Gesetzgeber lässt sich eine Schattenregulierung bzw. der Vorgriff auf legislative Vorhaben unterbinden. Art. 16 Abs. 1 der EIOPA-Verordnung reicht zur unbestimmten Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Leitlinien nicht aus. Intelligente Regulierung kann nur im geordneten Verfahren Schritt für Schritt entstehen. Sonst bestünde die Gefahr einer Überregulierung auf Leitlinienebene. Art. 16 Abs. 1 EIOPA-Verordnung setzt dementsprechend auch voraus, dass die Leitlinien die einheitliche Anwendung bestehender Rechtsakte sicherstellen. Nicht möglich ist es, dass die Leitlinien anstatt fehlgeschlagener politischer Kompromisse ergehen. Da das neue Aufsichtssystem erst 2016 in Kraft treten wird, liegen derzeit außerdem keine belastbaren Erkenntnisse vor, ob und in welchen Bereichen tatsächlich Bedarf an dermaßen detaillierten Erläuterungen durch EIOPA besteht. Die Notwendigkeit jeder einzelnen Leitlinie muss daher besonders sorgfältig überprüft werden. BEISPIEL POG im Rahmen von IMD2 Product Oversight and Governance arrangements by insurance underta39 kings (POG) sollen nach Art. 21a der künftigen Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD (als Entlehnung aus Art. 16 Abs. 3 MiFID2) nicht nur für versicherungsbasierte Anlageprodukte eingeführt werden, sondern für alle Versicherungsprodukte. Der gesamte Ansatz wurde erst im laufenden Gesetzgebungsverfahren von EIOPA aufgebracht, die bereits ohne Ermächtigungsgrundlage Vorbereitungsarbeiten dazu gemacht hatte. Eine Folgenabschätzung unterblieb. Inhaltlich stellt die Verpflichtung zum POG einen unnötigen Bürokratieaufbau dar, der dem Nutzen solcher Prüfprozesse bei der überwiegenden Mehrheit von einfachen (Nicht-Lebens-) Produkten keineswegs entspricht. BEISPIEL EIOPA-Leitlinien zu komplexen Schuldtiteln Art. 25 Abs. 10 der MiFID2 sieht eine klare Ermächtigung der ESMA für Leitlinien zu komplexen Schuldtiteln und strukturierten Einlagen vor. Im Gegensatz hierzu agiert die EIOPA bei den Leitlinien zu Solvency II weitestgehend ohne konkrete Ermächtigung. Dies hat dazu geführt, dass das ohnehin schon komplexe Aufsichtssystem durch ebendiese Leitlinien und den zugehörigen Erklärungstext auf über 6700 Seiten angewachsen ist. Schon aufgrund der schieren Menge wird klar, dass diese Regelungsfülle kaum zu beherrschen sein wird. BEISPIEL Beschleunigung von Omnibus II Bedenklich war auch die Initiative, die stockenden Verhandlungen zur Om38 39 Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 EIOPA-BoS-14/150 Seite 15 / 19 nibus II-Richtlinie dadurch zu „beflügeln“, dass bestimmte Bestandteile des Vorschlags kurzerhand als „Leitlinie“ umgesetzt werden sollten (vgl. EIOPA 40 „Preperatory Guidelines on Solvency II – System of Governance“ ). o Einklang zwischen Ermächtigungsgrundlage und Ausgestaltung (inkl. Kontroll- und Rechenschaftspflichten) herstellen Leitlinien müssen inhaltlich im Einklang mit den bindenden Vorgaben auf Level 1 und Level 2 stehen und dürfen nicht über diese hinausgehen. Leitlinien dürfen jedoch nicht im Widerspruch zur Gesetzgebung stehen. Im Falle von EIOPA etwa sind die Vorschriften alleine aufgrund der Menge und Granularität der Leitlinien sehr problematisch. Zudem darf EIOPA dann keine Leitlinien erlassen, wenn der Basisrechtakt bereits Konkretisierungen auf Level 2 vorsieht (vgl. Erwägungsgrund 25 der EIOPA-VO). BEISPIEL Solvency II-Leitlinien überdehnen Vorgaben Eine Vielzahl der Solvency II-Leitlinien gehen über den Regelungsinhalt von Richtlinie und delegierter Verordnung hinaus. Verschärfungen und Vorgaben in Bereichen, für die die Gesetzgeber flexible Lösungen und Erleichterungen vorgesehen hatten, wurden ausgehebelt bzw. konterkariert. Fit&Proper-Anforderungen: Während die Solvency II-Richtlinie in Art. 42 die Fit&Proper-Anforderungen lediglich für Personen vorsieht, welche eine „Schlüsselfunktion innehaben“ und das Unternehmen tatsächlich leiten, spricht die Leitlinie „System of Governance“ (Erläuterungstext 1.22) von Personen, welche die „Schlüsselfunktion wahrnehmen“, und weitet dadurch den Anwendungsbereich der Regelungen auf sämtliche Mitarbeiter in den Schlüsselfunktionen aus. Bewusst beschränkte Anwendungsbereiche dürfen nicht durch Leitlinien ausgedehnt werden. Leitlinie „System of Governance“: Obwohl Art. 41 Abs. 3 der Solvency II-Richtlinie bei den Dokumentationspflichten eine jährliche Prüfung nur für bestimmte unternehmensinterne Leitlinien fordert, bezieht die Leitlinie „System of Governance“ (Leitlinie 9) sämtliche schriftlichen Leitlinien in die jährliche Prüfungspflicht ein. BEISPIEL ESA-Leitlinien zu Querverkäufen Die MiFID2-Richtlinie ermächtigt ESMA, in Kooperation mit EBA und EIOPA Leitlinien zu Querverkäufen zu erlassen. Querverkäufe werden jedoch in Art. 4 MiFID2 definiert als „Wertpapierdienstleistung zusammen mit einer anderen Dienstleistung oder einem anderen Produkt als Teil eines Pakets oder als Bedingung für dieselbe Vereinbarung bzw. dasselbe Paket“. Trotzdem führen die ESAs als Vorbereitung für solche Leitlinien derzeit Konsultationen zu Querverkäufen durch, die einen viel weiteren Umfang haben (nämlich Pakete von allen Finanzprodukten). In Anbetracht der faktischen Verbindlichkeit der Leitlinien („Comply-orExplain-Mechanismus“) sollte diskutiert werden, ob die bestehenden Kontrollen bei Leitlinienerlass ausreichend sind. Vor der Veröffentlichung der Leitlinien sollte zumindest geprüft werden, ob die formellen Kriterien (hinreichende Ermächtigungsgrundlage, kein Widerspruch zu Level 1 oder Level 2 etc.) eingehalten sind. Diese Aufgabe sollte die Europäische Kommission übernehmen, auch eine entsprechende Erweiterung der Kompetenzen des Regulatory Scrutiny Boards ist diskussionswürdig. Den nationalen Aufsichtsbehörden sowie den Finanzinstituten muss es zudem möglich sein, die Leitlinienvorga40 EIOPA-CP-13/08 Seite 16 / 19 ben nachträglich auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen. Die bestehenden Rechtsschutzoptionen sind ungenügend. Erforderlich ist es jedenfalls, dass die Beschwerde nach Art. 60 EIOPA-Verordnung explizit auf Leitlinien ausgeweitet werden. Klargestellt werden sollte zudem, wer wann gegen Leitlinien der EIOPA die Nichtigkeitsfeststellungsklage nach Art. 61 EIOPA-VO erheben kann. 2.5. Betrachtung aller Regulierungsebenen zusammen notwendig Die Leitlinien verfolgen in der Sache das gleiche Ziel wie die technischen Standards auf Level 2: Harmonisierung bzw. Sicherstellung der einheitlichen Durchführung von Unionsrecht. Der wichtigste Unterschied ist jedoch - trotz des hohen faktischen Umsetzungsdrucks - die fehlende rechtliche Verbindlichkeit der Leitlinien. Nach Erwägungsgrund 25 der EIOPAVerordnung soll EIOPA nur in den nicht von technischen Standards abgedeckten Bereichen Leitlinien herausgeben. In der Praxis ist das Verhältnis der verschiedenen Vorgaben zueinander häufig unklar und eine Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Ebenen fehlt. Das Nebeneinander von verschiedenen Vorschriften, die sich überlappen und zum Teil widersprechen, erschwert die Umsetzung in den betroffenen Unternehmen erheblich. BEISPIEL Solvency II und nachgelagerte Regulierungsebenen: So ist beispielsweise die Ausgliederung von Schlüsselfunktionen sowohl in der Solvency II-Rahmenrichtlinie (Art. 49 i. V. m. Erwägungsgrund 31 und 33) und den delegierten Rechtsakten (Art. 274), als auch in der EIOPA-Leitlinie „System of Governance“ (Guideline 14) und in der entsprechenden BaFin-Verlautbarung (Randziffer 38) geregelt. Mit jeder weiteren Regulierungsebene werden die Anforderungen verschärft und erweitert. Durch diese und weitere ergänzende Vorgaben wird die Möglichkeit der Ausgliederung von Schlüsselfunktionen, wie sie durch die Richtlinie ursprünglich vorgesehen war und insbesondere für Versicherungsgruppen von besonderer Bedeutung ist, im Ergebnis völlig bürokratisiert und damit nicht sinnvoll umsetzbar. Damit komplexe mehrstufige Regelwerke wie etwa das neue Versicherungsaufsichtsregime Solvency II sowie auch die gesamte Verbraucherschutzgesetzgebung (u.a. IDD, PRIIPs, MiFID2, Fernabsatzrichtlinie, E-Commerce-Richtlinie; siehe Beispiele Verbraucherschutz und Vertrieb in 1.1.) in allen Bereichen wirkungsvoll und funktionsfähig sind, ist es erforderlich, das gesamte Regelwerk auf Redundanz zu prüfen und um überschneidende und überschießende Anforderungen zu bereinigen. Dies ist eine Aufgabe, die nur der europäische Gesetzgeber übernehmen kann. Diese Aspekte sollten auch Eingang in die Überprüfung des Europäischen Systems der Finanzaufsicht („ESA Review“) finden. 2.6. Grenzen von Handlungsermächtigung und –notwendigkeit auch auf nachgelagerter Regulierungsebene beachten o Rahmen der Ermächtigung einhalten Normenhierarchien und Ermächtigungsgrundlagen müssen eingehalten werden. Die ESAs sollten stets nur im Rahmen der Aufträge der relevanten Basisrechtsakte handeln. Nur durch rechtssichere Ermächtigung der ESAs durch den Gesetzgeber lässt sich eine Schattenregulierung unterbinden. Das gilt nicht nur für Entwürfe zu delegierten und Durchführungsrechtsakten, sondern auch für den Erlass von Leitlinien, Seite 17 / 19 zu deren Grundlage Art. 16 Abs. 1 der EIOPA-Verordnung (im Falle EIOPAs) konkreter gefasst werden sollte (siehe 2.4.). BEISPIEL Ausgestaltung der Solvency II-Rahmenrichtlinie: Die von EIOPA vorgeschlagenen Durchführungsrechtsakte zu Kapitalauf41 schlägen (CP-14/053) sehen ausufernde Kooperations- und Informationsvorgaben vor, die so keine Grundlage in Art. 37 der Solvency IIRahmenrichtlinie haben. Ferner legt Art. 35 der Rahmenrichtlinie fest, dass eben diese Ermächtigung den Mitgliedstaaten obliegt. Die technischen Standards sollen lediglich die Prozesse der Informationsweitergabe regeln. o Verhältnismäßigkeit wahren Der GDV unterstützt die Forderung des Europäischen Parlaments,42 wonach die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verstärkt auch hinsichtlich delegierter Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte zu überprüfen ist.43 o Grundsatz der Subsidiarität berücksichtigen Der EuGH kam in seinem Urteil zum Leerverkaufs-Verbot (Urt. v. 22.1.2014 in der Rs. C-270/12, Vereinigtes Königreich/EP u. Rat44) zu folgendem Schluss: Aufgrund der zwischen nationalen Aufsichtsbehörden und den ESAs vorgesehenen Rollenverteilung, dürfen die ESAs nur dann ausnahmsweise Einzelfallmaßnahmen erlassen, wenn die nationalen Behörden rechtswidrig untätig geblieben sind. Diese Anforderung verwirklicht das auf Unionsebene fundamentalen Subsidiaritätsprinzip, wonach die EU-Organe nur tätig werden sollen, wenn die Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht ausreichen und wenn die politischen Ziele besser auf der Gemeinschaftsebene erreicht werden können (Art. 5 Abs. 3 EUV). 3. REFIT-Vorschläge im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2015: Betroffenheit der deutschen Versicherer Aus Sicht der deutschen Versicherer ist vor allem die mittlerweile im Amtsblatt veröffentlichte Rücknahme des Vorschlags zur Überarbeitung der Richtlinie über Systeme für die Entschädigung der Anleger (KOM(2010) 371) relevant. Die Versicherer haben dieses Dossier u.a. aufgrund möglicher resultierender Haftungsfragen verfolgt. Auch zu relevanten laufenden REFIT-Eignungsprüfungen hat sich der GDV eingebracht bzw. steht bei aktuellen und geplanten REFITMaßnahmen jederzeit mit Expertise zur Verfügung, nicht zuletzt zu: o Evaluierung des Normungssystems der EU: Normung sollte nur in solchen Bereichen stattfinden, die in die Regelungskompetenz der Union fallen – etwa nicht im Gesundheitsdienstleistungssektor.45 41 EIOPA-CP-14/053 Vgl. Punkt 9 der Entschließung P7_TA(2014)0061 43 Vgl. Comments of the German Insurance Association on the consultation on the draft Commission Guidelines for Evaluation, February 2014 44 Urteil in der Rechtssache C-270/12 45 GDV-Stellungnahme „on standardisation of medical treatments and other healthcare services at EU level”. Dezember 2014 42 Seite 18 / 19 o Evaluierung der Richtlinie 2004/35/EG über Umwelthaftung: Beibehaltung freiwilliger Lösungen geboten. o Evaluierung der Verordnung 1606/2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards: Bilanzierungsregeln dem Versicherungsgeschäft anpassen. o Kodifizierung von Gesellschaftsrechts-Richtlinien: Zusammenfassung der bereits bestehenden gesellschaftsrechtlichen Richtlinien würde die Transparenz und Lesbarkeit der Vorschriften erhöhen. o Im Bereich Verkehr: Sicherheit muss gefördert werden. Konsequente Ex-Post-Analysen sind besonders wichtig (siehe u.a. 1.4.). Weitere Überprüfungen bestehender Initiativen in Zusammenarbeit mit den Betroffenen bleiben notwendig. In der Folge müssen nicht-intendierte, wettbewerbshemmende Folgen von Regulierung rasch behoben werden. Die deutschen Versicherer werden den Europäischen Institutionen auch weiterhin bei Evaluierungsmaßnahmen mit ihrer Expertise und Erfahrung zur Verfügung stehen. Berlin/Brüssel, Juli 2015 Seite 19 / 19
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