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Griechenland und die DDR – Manuskript
Griechenland und die DDR Bericht: Annett Glatz, Alexander Ihme Und das ist der Mann, der behauptet: Was Griechenland jetzt erlebt, das kennen wir alles – aus der DDR. Der Wirtschaftswissenschaftler aus Halle hat die ökonomischen Daten der ostdeutschen Republik analysiert und sieht Parallelen. Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Blum, Institut für Wirtschaftsforschung Halle "Vor allem dieser Zwang auf eine Situation hinzusteuern, die nicht mehr vermeidbar ist. Das war die Situation der 80er‐Jahre in Ostdeutschland. Man hatte einen Überkonsumismus, man investierte nicht genug, man hatte ein sogenanntes Leistungsbilanzdefizit, man exportierte nicht genug. Der Kapitalstock ging vor die Hunde. Und irgendwann musst es "krach" machen. Und in dieser Situation ist Griechenland seit einigen Jahren." Wir gehen der These nach. Ende der 80er‐Jahre hatte die marode DDR immense Außenstände. Im Inland lag die Verschuldung des Staatshaushaltes bei 130 Milliarden DDR‐
Mark und ausländische Banken stellten Forderungen in Höhe von 49 Milliarden D‐Mark. Diesen Scherbenhaufen übernahm Lothar de Maiziere 1990. Er erfuhr, mit welchen Methoden man versuchte, die Kreditwürdigkeit der DDR aufrecht zu erhalten. Lothar de Maiziere, letzter Ministerpräsident der DDR: "Sie konnte sie überhaupt nur sichern, indem sie die westlichen Banken täuschte. Die notwendigen Kredite wurden jährlich bei rund 400 Banken eingeworben. Und es wurde Sicherheiten vorgegaukelt, die keine waren. Im Grunde genommen hat man bei der einen Bank Geld eingeworben und dieses bei der anderen eingezahlt, damit den Anschein von Zahlungsfähigkeit bewirkt und dann einen höheren Kredit bei der nächsten Bank bekommen. Deswegen 400 Banken, um dieses Schneeballsystem am Laufen zu halten. Das ist an sich eine absolut kriminelle Methode." Die hochbrisanten Fakten zur Wirtschaftsmisere gab es sogar schriftlich. In diesem Geheimpapier – vom Chef der Plankommission Gerhard Schürer. Wie präzise die Zahlen waren, darüber streiten heute Historiker. Klar wurde jedoch, es sah düster aus. Erich Honecker interessierte das jedoch nicht. Sein Wirtschaftsexperte Günther Mittag soll ihn mit den unangenehmen Wahrheiten nicht behelligt haben. Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 1 Griechenland und die DDR – Manuskript
Lothar de Maiziere, letzter Ministerpräsident der DDR: "Mittag war schon bewusst, dass die DDR am Ende war. Honecker hat von Wirtschaft nichts verstanden oder sich auch nicht ernstlich dafür interessiert. Die letzten Jahre war ihm wichtig, dass er reiste. Das er in der Welt anerkannt wurde. Sein großer Traum war ja bei Maggie Thatcher auf dem Schoß zu sitzen oder in New York zu sein." Die Sozialleistungen und die hohen Subventionen haben die DDR‐Wirtschaft ruiniert: Das Land leistete sich ein gigantisches Wohnungsbauprogramm, förderte aufwändig die Geburtenrate. Ein Drittel der Konsumgüter wurde weit unter den Herstellungskosten verkauft. Aus ideologischen Gründen erfand man abstruse Preismodelle, zum Beispiel zu Versorgung der Bevölkerung mit frischem Obst und Gemüse. Prof. Dr. André Steiner, Wirtschaftshistoriker: "Da konnten die Leute sagen wir mal, wenn sie so und so viel Kilo Äpfel abgegeben haben in der Ankaufsstelle, dann haben sie einen relativen hohen Ankaufspreis bekommen. Der war hoch festgelegt worden, damit die Leute einen Anreiz hatten so was tatsächlich abzugeben. Damit sollte das Angebot in den Obstläden verbessert werden. Und dann wurde es vorne in der Verkaufsstelle für einen deutlich niedrigeren Preis verkauft. So dass der Obstbauer praktisch vorn wieder reingehen konnte und seine Äpfel wieder kaufen konnte zu einem deutlich niedrigeren Preis. Und praktisch hinten noch einmal verkaufen konnte. Wieder an die Ankaufsstelle." Der Lebensstandard in der DDR war qualitativ höher als der, den man sich leisten konnte. Aber das war politischer Wille von ganz oben. Prof. Dr. André Steiner, Wirtschaftshistoriker: "Man hatte die Vorstellung, wir steigern erst die Sozialpolitik und das Konsumniveau und dann wird dadurch auch die Arbeitsproduktivität steigen, weil die Arbeiter dann besser arbeiten und so. Das war natürlich eine Milchmädchenrechnung." Die Arbeitsproduktivität stieg eben nicht wie erwünscht. Die Fabriken wurden auf Verschleiß gefahren. Der Wirtschaftswissenschaftler Ulrich Blum sieht genau da Parallelen zu Griechenland. Auch wenn in dem südeuropäischen Staat keine sozialistische Planwirtschaft herrscht. Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Blum, Institut für Wirtschaftsforschung Halle: "In Griechenland die Mittelschicht lebt von den hohen Subventionen, die der Staat ausreicht und von den Steuern, die nicht kassiert werden. In der DDR gab es die zweite Lohntüte. So Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 2 Griechenland und die DDR – Manuskript
was Ähnliches haben die Griechen auch. Sie haben zwar eine Demokratie, aber trotzdem einen zu hohen Staatsanteil und halt zu viel Staatsangestellte." Ein weitere Gemeinsamkeit der Systeme: Selbstbetrug. Gefälschte Bilanzen – wie in Griechenland, so auch in der DDR, die sich als große Wirtschaftsmacht feierte. Und selbst von internationalen Instituten zu den zehn führenden Industrienationen gezählt wurde. Lothar de Maiziere, letzter Ministerpräsident der DDR: "Ich habe mich mal mit Leuten vom Institut der Weltwirtschaft in Kiel unterhalten. Die DDR‐
Wirtschaft war für uns kein Forschungsgegenstand mehr, weil auch der Handel mit der DDR nicht nach ökonomischen Gesetzen erfolgte, sondern nach politischen Gesetzpunkten. Transitabkommen und ähnliches mehr. Und wir haben unsere Zahlen gestützt auf das Statistische Jahrbuch der DDR. Da kann ich nur mit Churchill sagen: Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe." In der Realität hat sich das Haushaltsdefizit unter Honecker vom Anfang der 70er‐Jahre bis 1989 mehr als verzehnfacht. Ohne die Deutsche Einheit wäre das System kollabiert. Der sogenannte Schürer‐ Bericht stellt nüchtern fest: Lothar de Maiziere, letzter Ministerpräsident der DDR: "Dort heißt es ja, wenn wir die Verschuldungssituation ändern wollen und wieder auf einen grünen Zweig zurückkommen wollen, dann müssen wir den Lebensstandard der Bevölkerung um 25 bis 30 Prozent senken. Und dann schreiben die Herren gleich dazu: Unter diesen Umständen ist das Land aber nicht mehr regierbar." Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Blum, Institut für Wirtschaftsforschung Halle: "Und das ist auch wieder eine Zahl, die ganz ähnlich ist zu Griechenland. Auch Griechenland muss seinen Lebensstandard um ein Drittel senken. Also insofern sind die Parallelen fast systemübergreifend naheliegend." Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig. 3