PFLANZENBAU Hochstammobstbau Vom Boden aus schneiden und ernten auf die schwer behangenen Hochstammbäume des Steinachhofs verheerend ausgewirkt. Der Hochstammobstbau ist für die Aargauer Familie nebst dem Weinbau, dem Ackerbau und der Ochsenmast zu einem wichtigen Standbein geworden. Bilder: Max Welter Spezialitäten aus Hochstammobst Ruedi Kohler erklärt: Bis sie etwa 15-jährig sind, müssen die Bäume jährlich geschnitten werden. Später ist ein Pflegeschnitt alle zwei, drei Jahre nötig. Auch der Hochstammobstbau kann mit vertretbarem Arbeitsaufwand und lohnend betrieben werden. Dies zeigt das Beispiel des Steinachhofs im aargauischen Schinznach-Dorf. VON MAX WELTER D ie diesjährige Feuerbrandepidemie hat die Familie Kohler in Schinznach-Dorf mit Sorge beobachtet. Auch ein Sturm hätte sich 54 LANDFREUND · 11/2007 «Mein Vater hat Hochstamm-Obstbäume gepflanzt, die heute im besten Alter sind», blickt Ruedi Kohler auf die Entwicklung dieses Betriebszweiges zurück. «Er wurde seinerzeit manchmal belächelt, wenn er im Winter Tag für Tag hinter seinem Brennhafen sass, um einen Teil des Obstsegens zu Schnaps zu verarbeiten. Ruedi Kohler brachte es nicht übers Herz, die Obstbäume zu vernachlässigen, obschon sie anfänglich nur wenig abwarfen. Er versuchte sich ebenfalls im Brennen und hatte eine glückliche Hand. Ein Kirschbrand, den er an eine Prämierung sandte, wurde ausgezeichnet. Das gab ihm den Ansporn, Brennkurse zu besuchen und die Brennerei zu vergrössern. Heute steht eine moderne Destillationsanlage auf dem Hof, und Auszeichnungen von Schnapsforum und Distisuisse dekorieren die Wände des Hofladens. Die gegen 20 hofeigenen Destillate bringen heute die Haupteinnahmen aus dem Obstbau. Neben den Edelbränden gibt es weitere Obstprodukte und diverse Weine aus eigener Kelterei im Hofladen zu kaufen. «Damit Kunden wiederholt in den Hofladen kommen, muss man etwas Besonderes bieten können», sind Kohlers überzeugt. Auf dem Wochemarkt, wo Dora Kohler jeweils am Samstag an ihrem Stand anzutreffen ist, findet vor allem Obst alter Sorten reissend Absatz. Dennoch wird dort nur ein kleiner Anteil der Ernte verkauft. Ein Grossabnehmer für Früchte vom Steinachhof ist die innovative Mosti Veltheim, die nebst Süssmost diverse Obstspezialitäten herstellt und damit zum Aufschwung des Hochstamm- obstbaues in der Region beigetragen hat. Der Hochstammobstbau floriert und ergänzt die andern drei Betriebszweige gut; es überschneiden sich keine Arbeitsspitzen. Der Pflegeaufwand während der Vegetationsperiode ist deutlich kleiner als im Intensivobstbau. Die Obsternte folgt auf die Traubenernte, und das Brennen ist Winterarbeit. 425 Hochstammbäume stehen an Strassen- und Wegrändern und auf geeigneten Parzellen auf dem Steinachhof. 250 davon haben Kohlers in den letzten acht Jahren gepflanzt. Sie wurden zum grossen Teil in Reihen gesetzt. Zwischen den Reihen sind mulchbare Baumstreifen mit Blumenwiesen. Sie erleichtern natürlichen Mäusefeinden die Jagd. Bei so vielen Bäumen muss rationell gearbeitet werden. Baumschnitt vom Boden aus Bei der Schnittarbeit konzentriert sich Ruedi Kohler auf die jungen Bäume. Sie brauchen am meisten Pflege. «Es ist wie beim Menschen», erklärt Ruedi Kohler, «wo die Erziehung in der Jugend wichtig ist.» Die jungen Obstbäume werden beim Aufbauschnitt jährlich geformt, bis sie BETRIEBSSPIEGEL Der Betrieb der Familie Kohler in Schinznach-Dorf (www.kohlerweine.ch) umfasst 24 ha landwirtschaftliches Nutzland, davon 16 ha Ackerkulturen, 6,5 ha Wiesen und 1,5 ha Rebfläche. Ökofläche: 26 %. Produktionsweise: IP-Suisse, Agrofutura, Hochstamm Suisse. Auf dem Betrieb stehen 425 Hochstammbäume. Der Grossteil der Früchte wird in Form von Edelbränden verwertet. Im Stall sind 40 Mastochsen. Arbeitskräfte: Betriebsleiterehepaar, Sohn, Helfer für die Weinlese. zehn- bis fünfzehnjährig sind. Sie haben dann einen Mitteltrieb und vier gleichmässig verteilte Leitäste, die nicht alle auf der gleichen Höhe angewachsen sind. Den Pflegeschnitt brauchen die Bäume später dann nicht mehr jährlich. Kohlers schneiden pro Jahr etwa einen Drittel bis die Hälfte der älteren Bäume. Sie benutzen dazu eine elektrische Astschere mit Akkubetrieb. Da diese Schere auf einer Stange montiert ist, braucht man kaum mehr auf den Baum zu steigen. Vom Boden aus kann man ohnehin besser beurteilen, wo geschnitten werden muss. Deshalb lohnt sich für sie die Investition von rund 3500 Franken in die Schere und von durchschnittlich 170 Franken pro Jahr in Ersatzteile wie Akku und Schneidwerkzeug. Wurzeln und Äste im Gleichgewicht Beim Pflegeschnitt geht es darum, Wasserschosse zu entfernen, die Krone auszulichten und die Äste zu einem ausladenden Wachstum zu veranlassen. Man darf nicht zu viel schneiden, damit Wurzel- und Astwerk im Gleichgewicht bleiben. Andernfalls wuchert die Krone, weil die Wurzeln zu viel Saft in die Äste liefern. Wenn dicke Äste zurückgeschnitten werden müssen, z. B., weil sie ab- gebrochen sind, behandelt Ruedi Kohler die Schnittstelle, damit der Baum nicht zu faulen beginnt. Grössere Schnittwunden sind oft der älteren Bäume Tod, besonders wenn Regenwasser schlecht abtropfen kann. Hydraulikschüttler erleichtert die Ernte Auch bei der Ernte steigen Kohlers kaum mehr auf die Bäume. Der grösste Teil der Früchte wird geschüttelt. PFLANZSCHNITT ➍ ➊ ➍ ➋ ➍ ➋ ➌ ➊ Mitteltrieb ➋ Leitast ➌ Konkurrenztrieb ➍ Konkurrenzauge ➎ Zugast ➍ ➋ ➎ Wo nicht bereits in der Baumschule geschehen, Konkurrenztrieb entfernen. Alle drei oder vier Leitäste auf nach aussen gerichtete, starke Augen auf ungefähr gleiche Höhe anschneiden. Das nächstfolgende, nach innen gerichtete Auge (Konkurrenzauge) muss ausgebrochen werden. Den Mitteltrieb so anschneiden, dass er mit den Leit- ästen zusammen eine stumpfe Pyramide bildet. Die Öschbergkrone ist die verbreitetste Baumform. Daneben sind die Rundkrone ohne Fruchtäste und die Baumspindel weitere gebräuchliche Möglichkeiten. Die Schnitttechnik lernt man am besten in einem Baumpflegekurs, wie sie die Obstbauzentralen anbieten. Einen Hinweis finden Sie auf S. 10 dieser Ausgabe. (Quelle: Ueli Henauer, BBZ Arenenberg) Die Greifzange des Hydraulikschüttlers fasst unterhalb der Krone bis zu 40 cm dicke Stämme und schüttelt den ganzen Baum. Bei grösseren Bäumen werden die Leitäste geschüttelt. Die Früchte fallen auf eine Spezialplane, auf ein leichtes Vlies, das zusammen mit dem stehenden Gras den Aufprall der Früchte stark dämpft, sodass nebst Kernobst und Kirschen zum Brennen auch Tafelzwetschgen geschüttelt werden können. Die Blätter, Stiele und anderes werden anschliessend mit dem «Rupfi», einem kleinen Förderband aus fingerdicken, nah beieinanderliegenden und gegenläufig drehenden Rollen, wirksam von den Früchten getrennt. Bis zur Anschaffung des Schüttlers vor einigen Jahren wurden die Früchte mit zirka 80 cm langen Stangen heruntergeschüttelt, die aus einem Rohrstück in der Form eines Fleischhakens gebogen waren. Zu den Pflegemassnahmen gemäss IP-Suisse-Richtlinien wie Schnitt und Düngung kam vor einigen Jahren auch ein zurückhaltender Pflanzenschutz. Seither sind die Obsterträge von Jahr zu Jahr viel ausgeglichener als früher. Eine Austriebspritzung führen Kohlers nach Bedarf und deshalb nicht jedes Jahr durch. Sie spritzen wenn nötig gegen Schorf, Mehltau und (vor allem die Kirschbäume) gegen Monillia und gegen den Wurm. Der Hochstamm-Obstbau ist heute vom Steinachhof nicht mehr wegzudenken. «Aber vom Obstbau allein könnten wir nicht leben», sagt Ruedi Kohler. «Ich bin froh, dass wir mehrere Betriebszweige haben, die einander gut ergänzen!» ■ Kohlers verarbeiten einen Grossteil des Hochstammobsts zu Edelbränden. Ruedi und Dora Kohler vor einem Teil ihres Angebots im Hofladen. LANDFREUND · 11/2007 55
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