Liegeboxen einstreuen mit recyceltem Sand

Stallbau
Liegeboxen einstreuen
mit recyceltem Sand
Frank Cordes aus Reeßum bei Bremen streut die Liegeboxen seines Kuhstalls mit Sand ein.
Mit einem speziellen Sandwäscher gewinnt er 90 % der Einstreu aus der Gülle zurück.
W
ohlig streckt sich die Kuh in
dem von der Sonne angewärmten Sand aus. Nein, das Tier ist
nicht im Sommerurlaub am Strand. Die
Kuh scheint sich aber in der 15 cm dicken Sandschicht in der Liegebox trotzdem sehr wohlzufühlen. „Als wir den
Stall im Jahr 2012 gebaut haben, stieg
der Strohpreis auf 180 € pro Tonne an.
Wir hätten ohne Häckseln nur für das
Stroh als Einstreu im Jahr 70 000 € be-
zahlt“, berichtet Frank Cordes, der den
Betrieb mit seinem Partner Hans Hermann Tietjen sowie 17 Mitarbeitern
führt.
Die hohen Strohkosten waren einer
der wichtigsten Gründe, warum sich die
beiden für Sand als Boxeneinstreu entschieden haben. Dazu kam der erwartete hohe Kuhkomfort: Wie Cordes von
anderen Betrieben gehört hatte, soll
Sand nicht nur als Liegematerial gut
sein, sodass die Kühe länger in den Liegeboxen verbleiben und am Ende mehr
Milch geben. Auch soll das anorganische Material die Zahl der Euterentzündungen senken.
Allerdings hat Sand auch einen entscheidenden Nachteil: Es ist schwerer
als Gülle und lagert sich in Kanälen und
vor allem im Güllelager ab. Die Kosten
für das Absaugen und Ausbringen auf
dem Acker können im ungünstigen Fall
Die Liegeboxen sind mit Sand eingestreut. Der Schieber befördert das Sand-Gülle-Gemisch in den Querkanal.
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die niedrigeren Einstreukosten schnell
wieder auffressen.
Sand wird recycelt:Daher haben sich
Tietjen und Cordes für ein Recycling-System entschieden, mit der sie einen Großteil des Sandes zurückgewinnen. Damit sparen sie bei Zukauf von
neuem Material erheblich Geld ein und
haben auch keine Ausgaben für die gesonderte Sandausbringung.
Das gesamte Stallkonzept einschließlich der angeschlossenen Biogasanlage
zur Vergärung der Gülle ist auf diese
Rückgewinnung des Sandes ausgelegt.
Den Stall für 600 Kühe haben die Landwirte im Jahr 2013 fertiggestellt und bezogen. Er ist 176,5 m lang und in der
Mitte aus Brandschutzgründen noch
einmal geteilt. Rechts und links von
dem Futtergang sind je zwei Liegeboxenreihen eingerichtet, zwischen denen
jeweils ein planbefestigter, 4,50 m breiter Laufgang liegt.
Die Gülle wird zusammen mit dem
aus den Boxen herausgetretenen Sand
per Faltschieber einmal pro Stunde in
den Querkanal zwischen den beiden
Stallhälften transportiert. Ein Sensor
erfasst den herankommenden Gülleschieber, worauf sich die Güllepumpe
im Querkanal einschaltet. Sie pumpt
die Gülle durch ein Kunststoffrohr
mit 60 cm Durchmesser in eine zweigeteilte Vorgrube mit knapp 100 m3 Vo­
lumen.
Auch das Spülwasser aus dem Melkstand kommt hierein. Denn im Melkstand findet sich ebenfalls Sand wieder,
sodass der Sand zum Behälterboden
und dem Rohrstück absinkt. Hier
wird er mit Leitungswasser aus einem Brunnen gespült.
Die sandfreie Gülle wird einschließlich der Organik aus der Gülle
von da zu einem dahinter installierten Trommelsieb geleitet. Im Trommelsieb wird die Gülle separiert. Die
dicke Phase wird zur Biogasanlage
bzw. zum Güllelager weitergeleitet,
während die dünne Gülle als Prozesswasser zur Verdünnung der Rohgülle
in der Vorgrube und dem Spülen des
Sandes im Sandwäscher sowie der
Trommel im Trommelsieb wieder verwendet wird. Die Spülwassermenge
ist regulierbar, je nach TS-Gehalt und
Menge der einströmenden Gülle.
Am Tag benötigt Cordes zurzeit
rund 12 m3 Wasser. Statt dem Wasser
lässt sich auch die dünne Gülle nach
dem Trommelsieb verwenden, sodass
die Sandwäscheranlage keine zusätzlichen Flüssigkeitsmengen benötigt.
Übersicht 1: Der Aufbau des Sandwäschers
Einlauf zum
Zyklon
Getriebemotor
Hydrozyklon
Gülle-Sand-Gemisch
reine Gülle
gewaschener Sand
Spülwasser
Gewaschener Sand
Behälter mit
Rührwerk
Auslauf
sandfreier
Gülle
Grafik: Bendig
Frank Cordes begutachtet den frisch
herausgewaschenen Sand.
Der Sandwäscher (Fabrikat SR1600
von Opicon/Dänemark) saugt ca.
8 m3 Gülle pro Stunde aus der Vorgrube an. Die Fördermenge ist durch
die Steuerung vorgegeben und vom
TS-Gehalt der Rohgülle abhängig.
Die Gülle mit dem Sand gelangt zunächst in den Hydrozyklon oben am
Sandwäscher. Hier findet bereits eine
erste Trennung von Gülle und Sand
statt, in dem der Sand nach unten
sinkt, während sandfreie Gülle oben
abfließt. Der Zyklon sorgt für eine
kreisförmige Bewegung der Gülle.
Der Sand gelangt durch den Konus
zusammen mit einem Teil der Gülle
in den darunter liegenden Behälter.
In diesem arbeitet ein senkrecht
stehendes Rührwerk, das mit langen,
leicht gebogenen Rührarmen ausgerüstet ist und mit ca. 1 bis 2 Umdrehungen pro Minute langsam rotiert.
Dessen Aufgabe ist es, das organische
Material und den Sand durch sanftes
Umrühren voneinander zu trennen,
Spülwasser
Fotos: Neumann
So funktioniert der Sandwäscher
Kontrolpanel
In dem Behälter dreht sich ein Rührwerk, das das Absinken des Sandes
beschleunigen soll. Der Sand wird per Schnecke ausgetragen.
den die Kühe an den Klauen oder am
Euter hereintragen.
Dünngülle zum Spülen: Von der Vor-
grube aus geht es in den Sandwäscher
(siehe Kasten). Dieser ist frostfrei in einem Gebäude untergebracht. Die Gülleleitungen werden regelmäßig mit
dünner Gülle durchgespült. Auch
strömt dünne Gülle in die Vorgrube, wo
sie per Rührwerk unter die dicke, sandhaltige Gülle aus dem Stall gemischt
wird. Die Dünnphase zum Spülen
stammt aus dem Trommelsieb, das nach
der Sandwäsche installiert ist und die
gereinigte Gülle separiert. „Wir haben
es zunächst ohne Trommelsieb probiert.
Aber der Sandwäscher hat mit Gülle
über 8 % TS Probleme, weil der Sand darin nicht absinken kann“, erklärt Cortop agrar 7/2015
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des. Wenn in dem offenen Stall bei bestimmten Wetterlagen der Wind fegt,
trocknet die Gülle ab und lässt den
TS-Gehalt auf über 8 % ansteigen. Auch
ist Sand in den Kanälen und der Vorgrube zurückgeblieben.
Die gereinigte, aufgedickte Gülle, die
das Trommelsieb verlässt, gelangt zunächst in eine darunter liegende Grube.
Von dort wird sie in Richtung Biogasanlage abgesaugt.
Der Querkanal
zwischen den
Stallteilen. Von
hier geht das
Gülle-SandGemisch zunächst
in die Vorgrube.
Biogasanlage vergärt Gülle: D
ie Bio-
Im Trommelsieb
wird die Gülle
separiert. Die
feste Phase wird
zur Biogasanlage
oder zum
Güllelager
weitergeleitet,
während die
dünne Gülle als
Prozess- oder
Spülwasser dient.
Fotos: Neumann
gasanlage mit einer Leistung von
550 Kilowatt (kW), die nur mit Gülle
und Futterresten versorgt wird, besteht
aus drei jeweils 18 m hohen Fermentern,
die je ein Volumen von 200 m3 haben.
Die Gülle wird von oben eingefüllt und
in zwölf Tagen bei ca. 55 °C vergoren.
Das dabei erzeugte Biogas sammelt sich
oben im Behälter und wird abgesaugt.
Dadurch, dass die Gülle sehr frisch eingefüllt wird, ist die Gasausbeute deutlich höher als laut Literaturwerten zu
erwarten wäre, hat Landwirt Cordes
festgestellt.
Das untere Ende jedes Fermenters ist
trichterförmig. Der Auslass für die vergorene Gülle befindet sich knapp da­
rüber. In dem Trichter lagert sich der
Sand ab, den der Sandwäscher nicht herausgereinigt hat. Dreimal am Tag wird
der Trichter geleert, in dem sich automatisch gesteuert ein Pneumatikschieber öffnet. Er drückt die Sandreste aus
dem Trichter über den natürlichen
Druck in ein 1 m3 großes Druckgefäß.
Dieses ist aus Sicherheitsgründen zwischen den Fermentern und der Vorgrube des Sandwäschers geschaltet, damit der Behälter bei defektem Schieber
nicht leerlaufen kann. Der Druck der
18 m hohen Flüssigkeitssäule reißt Sand
usw. mit.
Aus dem Druckbehälter fließt die
Gülle mit dem restlichen Sand zurück
in die Vorgrube vor dem Sandwäscher
und wird dort wieder mit der Gülle aus
dem Stall vermischt.
Inzwischen hat sich das System eingespielt. Cordes kann rund 90 % des
Sandes wiederverwerten: 80 bis 85 %
holt der Sandwäscher aus der Gülle, 5
bis 10 % die Biogasanlage. „Nur der ganz
feine Sand, der sich weder im Sandwäscher noch in der Biogasanlage ablagert,
bleibt in der Schwebe und wird am
Ende mit dem Gärrest ausgebracht“, berichtet Cordes. Ansonsten gibt es mit
dem System an keiner Stelle die Möglichkeit, dass sich Sand ablagert.
Den gereinigten Sand lässt er rund
vier Wochen lagern, damit sich der Rest
an dem organischen Material zersetzt
Kuhstall
Melkstand
WaschwasserPumpsystem
Sandwäscher
Sand in
Liegeboxen
Entmistungsanlage
Trommelsieb
Sand in
Liegeboxen
Spülwasser
Rückspülung
Vorgrube mit
Rührwerk
Separierte
sandfreie Gülle
Die Gülleleitungen werden immer wieder gespült, um Sandablagerungen herauszuschwemmen.
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Separiertes
Prozesswasser
Lagerbehälter/
Biogasanlage
Grafik: Bendig/Driemer
Übersicht 2: So funktioniert die Sandwäsche im Milchhof Reeßum
Blick auf den
Sandwäscher:
Oben ist der
Zyklon, darunter
der Behälter mit
dem Rührwerk.
Nicht überall
liegen die Kühe
auf Sand: In der
Kranken- und
Abkalbebucht ist
Stroh eingestreut.
hat. Dann wird er wieder eingestreut.
Für die Menge Sand, die ausgespült
wird und die er daher neu dazu kaufen
muss, bezahlt er jetzt 11 € pro Tonne.
„Wir nehmen hochwertigen Sand, der
ansonsten in die Betonindustrie geht“,
betont der Landwirt. Dieser ist gesiebt
und gewaschen. Wichtig ist, dass er
nicht zu fein ist, weil er sich sonst nicht
aus der Gülle herausreinigen lässt. Aber
er darf auch keine Steine enthalten, die
z. B. im Sandwäscher oder in den Pumpen für Störungen sorgen würden.
Höherer Verschleiß: Am Tag streut
Cordes rund 3 t Sand ein, also 6 kg pro
Liegebox. Da er davon nur 10 % neu
dazu kauft, zahlt er für den Einstreu-Sand für 488 Liegeboxen 3,30 €
pro Tag.
Allerdings ist der recycelte Sand auch
nicht kostenlos. Sandwäscher und
Trommelsieb, einschließlich Gruben,
Pumpen und Leitungen, kosteten rund
110 000 €. Dazukommen Strom- und
Wasserkosten. Auch ist der Verschleiß
an den Bauteilen höher, die mit der
sandhaltigen Gülle in Berührung kommen, wie z.B. die Faltschieber im Stall.
„Für mich zählt aber das Gesamtergebnis, wie z. B. der höhere Kuhkomfort
bei den Kühen“, macht Cordes deutlich.
Dazu gehört:
• Im Monat hat er nur noch ein bis zwei
Euterentzündungen, die Zellzahl liegt
bei unter 130 000 im Tank.
• Die Milchleistung liegt laut Milchkontrolle trotz vieler Färsen bei knapp
10 000  Liter.
• Seiner Beobachtung nach liegen die
Kühe deutlich länger in den Boxen als
im alten Stall mit Stroheinstreu.
• Keine Kuh hat dicke Gelenke oder andere Auffälligkeiten.
• Die Rutschfestigkeit in den Laufgängen ist deutlich besser, der Sand wirkt
hier wie bei Glatteis abstumpfend.
Hinrich Neumann
Schnell gelesen
• Frank Cordes streut Sand
in die Liegeboxen.
• Ein Sandwäscher reinigt 80 %
des Sandes aus der Gülle
heraus, in der Biogasanlage
setzen sich weitere 10 % ab.
• Das kosten nur 3,30 € pro Tag
für die Einstreu der knapp
500 Liegeboxen.