Ergeben sich aus Doppeltauschabreden auch eigene Ansprüche des Verkehrsunternehmens (Frachtführer/Spediteur) auf Rückgabe von Paletten gegen den Empfänger? I. Einführung 1. Allgemeines Mein Vorredner (Leu) nimmt in seinem Vortrag und in seiner Dissertation „Rechtsfragen des Palettentausches“ solche Ansprüche an. Er gibt eine umfassende Darstellung dieses Rechtsgebietes mit weitgehend übereinstimmenden Auffassungen von uns. Was jedoch die eingangs gestellte Frage angeht, erscheinen m.E. einige kritische Anmerkungen zur Auffassung von Leu angebracht. Hier sollen nicht die Fälle untersucht werden, in denen der Empfänger selbst der Auftraggeber des Verkehrsunternehmens ist oder das Verkehrsunternehmen aus abgetretenem Recht des Versenders gegen den Empfänger vorgeht. Es geht vielmehr um mögliche eigene Ansprüche des Verkehrsunternehmens gegen den Empfänger aus der jeweils auf der Transportebene getroffenen Doppeltauschabrede. 2. Hauptformen der Palettentauschabreden Ich gehe im Folgenden von Palettentauschverträgen/-abreden in der Mehrzahl aus. Dies erscheint mir angebracht wegen der Unterschiede der einzelnen Tauschabreden, so dass diese teilweise unterschiedlich zu bewerten sind. Es handelt sich dabei um Geschäftsbesorgungsverträge als Zusatzleistung zu Fracht- oder Speditionsleistungen mit unterschiedlicher Ausgestaltung (Berger in MüKo BGB 6. Aufl. Rdnr. 15 zu § 607). 2 Die wichtigsten Abreden sind der „Doppeltausch“, der „Palettentausch mit Rückführungsverpflichtung“, der „Einfache Palettentausch“ und der „Palettentausch mit Übernahme des Tauschrisikos“. Beim Doppeltausch übernimmt das Verkehrsunternehmen palettiertes Gut und hat dem Verlader, d.h. demjenigen, von dem es das palettierte Gut übernimmt, aus seinem Bestand die gleiche Anzahl Paletten gleicher Art und Güte zu übergeben. Der Doppeltausch unterscheidet sich von den anderen „Tauschformen“ dadurch, dass das Verkehrsunternehmen eigene Paletten einzusetzen hat. Der Ausgleich des seinem Auftraggeber gewährten Palettendarlehens soll in der Form erfolgen, dass der Empfänger dem anliefernden Verkehrsunternehmen entsprechende Paletten zurückgibt und dadurch nicht nur seine eigene Palettenschuld gegenüber dem Lieferanten, sondern auch dessen Palettenschuld gegenüber dem Verkehrsunternehmen tilgen soll (vgl. Knorre DVZ-Palettenhandbuch 2. Aufl. S. 78 und 88ff). 3. Rechtsverhältnis des Verkehrsunternehmens zum Empfänger In der Bewertung des Rechtsverhältnisses der Verkehrsunternehmen zum Empfänger liegen die wesentlichen Unterschiede der Auffassungen von Leu und mir. Übereinstimmend gehen wir davon aus, dass das Verkehrsunternehmen nicht Eigentümer der beladenen Paletten wird, die es zur Beförderung übernimmt. Diese Paletten bilden mit dem Gut, mit dem sie häufig durch Folien oder andere Befestigungsmittel fest verbunden sind, eine Einheit, die so wie übernommen vom Verkehrsunternehmen an den Empfänger auszuliefern ist (Leu S. 42, Knorre DVZ-Palettenhandbuch 3. Aufl. S 79 ff). Die Paletten, die der Empfänger mit der Ware erhält, sind auf der Lieferebene als Leistung des Lieferanten anzusehen. Das Lieferverhältnis zum Empfänger bleibt davon unberührt, welche Tauschform der Lieferant mit dem eingesetzten Verkehrsunternehmen vereinbart hat. 3 II. Rechtliche Ansatzpunkte für einen Anspruch des Verkehrsunternehmens gegen den Empfänger 1. Vertrag zu Gunsten Dritter Leu stützt in seiner Dissertation (S. 88) seine Auffassung bezüglich Ansprüchen des Verkehrsunternehmens gegen den Empfänger darauf, dass der BGH (Urteil vom 22.09.1983 – VII ZR 47/83 = BGHZ 88, 232 ff) anerkannt habe, dass es bei bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungen im Drei-Personen-Verhältnis in Abweichung zu üblichen Zwei-Personen-Konstellationen Besonderheiten auf Grund der beteiligten Interessen geben könne. Bei Verträgen zu Gunsten Dritter könne es daher unter bestimmten Umständen, z.B. aus wirtschaftlichen Gründen geboten sein, die Zweckrichtung einer Zuwendung als drittbezogen zu betrachten (BGH Urteil vom 24.03.1972 – VII ZR 207/70 = BGHZ 58, 188). a) Frachtvertrag Dass der Frachtvertrag ein Vertrag zu Gunsten Dritter, des Empfängers, ist, wird allgemein anerkannt (vgl. BGH Urteil vom 14.6.2007 – I ZR50/05, TranspR 2007, 425; Gottwald in MüKo BGB 6. Aufl. Rdnr. 66 ff zu § 328) b) Speditionsvertrag Der Speditionsvertrag ist in der Regel kein Vertrag zu Gunsten Dritter, kann aber Schutzwirkungen zu Gunsten des Empfängers haben (vgl. Gottwald in MüKo a.a.O. Rdnr. 68) c) Doppeltausch Sind Doppeltauschabreden auf der Transportebene zwischen Auftraggeber und Verkehrsunternehmen Verträge zu Gunsten Dritter, hier des Empfängers? Palettentauschabreden werden als Nebenabreden zu Fracht- oder Speditionsverträgen getroffen (h.A., so auch Leu S. 33, Koller TranspR Rz. 56 zu § 407, Berger MüKo BGB Rdnr. 15 zu § 607). Nach § 421 HGB stehen dem Empfänger Rechte gegen den Frachtführer zu. Bezüglich des Palettentausches fehlt es an gesetzlichen Regelungen insgesamt. Die Frachtführer haben einzelne Sendungsstücke bestehend aus Gut und Paletten, in der Regel fest miteinander verbunden, abzuliefern. 4 Der Empfänger hat damit einen Anspruch auf Ablieferung der kompletten Sendungen in den in § 421 HGB genannten Fällen, also auch auf Ablieferung der Paletten, auf denen sich die Ware befindet. Mit der Ablieferung der Sendung – Ware auf Paletten verpackt – an den Empfänger ist der Frachtvertrag erfüllt. Für die erhaltenen Paletten hat der Empfänger, der häufig gar nicht weiß, welche Tauschform auf der Transportebene vereinbart wurde, andere Paletten gleicher Art und Güte (§ 607 Abs. 1 Satz 1 BGB) dem Lieferanten zurückzugeben. Für diese Rückgabepflicht ist es – wie bereits erwähnt - ohne Bedeutung, welche Tauschform der Lieferant mit dem Verkehrsunternehmen vereinbart hat. Es ist daher nicht erkennbar, warum der Empfänger aus der jeweils zusätzlich getroffenen Palettentauschabrede, die den etwaigen Einsatz eigener Paletten (Doppeltausch) und das Verhalten der Verkehrsunternehmen bezüglich der vom Empfänger an der Entladestelle erhaltenen Paletten regeln soll, weitere eigene Rechte gegen den Frachtführer erhalten sollte. Dafür besteht weder eine praktische noch eine rechtliche Notwendigkeit. Daher sind die Palettentauschabreden als selbstständige Nebenabreden zu Fracht- oder Speditionsverträgen nicht als Verträge zu Gunsten des Empfängers zu werten, und zwar unabhängig davon, ob der Hauptvertrag ein Frachtvertrag und damit ein Vertrag zu Gunsten Dritter ist. 2. Unentgeltlichkeit der Zuwendung an den Empfänger und berechtigtes Kompensationsinteresse des Verkehrsunternehmens a) Entscheidung des BGH vom 22.9.1983 – VII ZR 47/83 In einer anderen Entscheidung vom 22.9.1983 – VII ZR 47/83 , BGHZ 88, 232ff, auf die sich Leu ebenfalls stützt, hatte der BGH Direktansprüche des Leistenden gegen den Zuwendungsempfänger in analoger Anwendung der §§ 816, 822 BGB bejaht, weil es im Deckungsverhältnis am Rechtsgrund fehlte und im Valutaverhältnis die Leistung unentgeltlich erfolgte. In den vom BGH entschiedenen Fällen erhielt der in Anspruch Genommene jeweils unmittelbar die vom Anspruchsteller erbrachte und zurückgeforderte Leistung, eine Zahlung. 5 b) Konstellation beim Doppeltausch aa) Leistung und Rechtsgrund Beim Doppeltausch gewährt das Verkehrsunternehmen – wie bereits erwähnt – durch Abgabe eigener Paletten an der Beladestelle seinem Auftraggeber ein Palettendarlehen. Zugleich übernimmt das Verkehrsunternehmen andere beladene Paletten und liefert diese später zusammen mit dem Gut beim Empfänger ab. Der Empfänger erhält also nicht die Paletten, die das Verkehrsunternehmen an der Beladestelle abgegeben hat, sondern andere Paletten seines Lieferanten. Der Auftraggeber erhält die Paletten des Verkehrsunternehmens an der Beladestelle mit Rechtsgrund aus der Palettentauschabrede. Der Empfänger erhält mit Rechtsgrund zusammen mit dem Gut die Paletten seines Lieferanten, des Auftraggebers des Verkehrsunternehmens, aus der Lieferabrede. Diese Konstellation steht einer Leistungskondiktion des Verkehrsunternehmens gegen den Empfänger entgegen. Eine Eingriffskondiktion gegen den Empfänger kommt wegen des Rechtsgrunds aus der Lieferabrede ebenfalls nicht in Betracht. Die Gewährung eines Palettendarlehens vom Lieferanten an den Empfänger ist Grundlage für den Erwerb des Eigentums an den erhaltenen Paletten durch den Letzteren (vgl. OLG Celle Urteil vom 22.10.1993 – 2 U 159/92, TranspR 1994, 247ff). bb) Unentgeltlichkeit Leu geht davon aus, dass dem Empfänger die Paletten aus ökonomischen Gründen zur Transportvereinfachung „temporär unentgeltlich“ überlassen werden, er diese also nicht dauerhaft behalten dürfe, was auch richtig ist. Die Unentgeltlichkeit kann sich hier, wenn sie überhaupt vorliegt, nur auf einen Verzicht auf ein Entgelt für die Darlehensgewährung beziehen (§ 607 Abs. 1 Satz 1 1. Verpflichtung BGB) und nicht auf die Paletten selbst, die der Empfänger zurückzugeben hat (§ 607 Abs. 1 Satz 1 2. Verpflichtung BGB). Vielfach wird im Übrigen das Entgelt für die temporäre Überlassung der Paletten im Preis des Gutes bereits einkalkuliert sein. 6 In dem vom BGH entschiedenen Fall bezog sich die Unentgeltlichkeit auf das zugewendete Geld, also auf die Substanz der Zuwendung. Daher sind diese Gedanken nicht auf den „Doppeltausch“ anwendbar, bei dem der Empfänger verpflichtet ist, die vom Lieferanten mit dem Gut erhaltenen Paletten zurückzugeben. cc) Berechtigtes Kompensationsinteresse Entgegen der Auffassung von Leu besteht beim Doppeltausch bezüglich der an der Beladestelle vom Empfänger abgegebenen Paletten auch kein Anspruch gegen den Empfänger aus einem wirtschaftlichen Kompensationsinteresse. Bei dieser Tauschform soll der Ausgleich des vom Verkehrsunternehmen seinem Auftraggeber gewährten Sachdarlehens zur Vereinfachung des Ablaufs durch den Empfänger für den Auftraggeber erfolgen. Richtig ist, dass dies in der Praxis teilweise nicht geschieht und dass Verkehrsunternehmen gelegentlich zur Durchsetzung ihrer Ansprüche gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen, was aber an der Rechtslage nichts ändert. Erfüllt der Empfänger seine Verpflichtung aus der Abrede auf der Lieferebene und gibt er den Verkehrsunternehmen den erhaltenen Paletten entsprechende Tauschpaletten zurück, ist der Anspruch des Verkehrsunternehmens aus dem gewährten Palettendarlehen erfüllt. Erfüllt er sie nicht, besteht der Anspruch des Verkehrsunternehmens gegen den Absender weiter und muss von diesem erfüllt werden. Den Verkehrsunternehmen droht mithin entgegen der Auffassung von Leu keine Vermögenseinbuße, wenn der Empfänger keine Tauschpaletten herausgibt. Es ist auch nicht ersichtlich, warum sich ein Verkehrsunternehmen beim Doppeltausch auf eine Regelung einlassen sollte, dass es hinsichtlich der Rückgabe der von ihm an der Beladestelle abgegebenen Paletten allein auf Ansprüche gegen den ihm oftmals unbekannten Empfänger angewiesen sein sollte. Anders könnte es dann sein, wenn das Verkehrsunternehmen für die Übernahme eines solchen Risikos ein angemessenes Entgelt erhielte, was aber in der Praxis nicht vorkommt. Es müsste dann die Abrede eines 7 Palettentausches mit Übernahme des Tauschrisikos getroffen werden, die grundsätzlich nur als Individualabrede wirksam ist und die Zahlung eines angemessenen Entgelts für das übernommene Risiko verlangt. Dementsprechend ist auch der Arbeitskreis – bestehend aus Vertretern des Speditions-, des Transportgewerbes und des Handels, in dem die Musterbedingungen „Kölner Palettentausch“ erarbeitet wurden, davon ausgegangen, dass beim Doppeltausch der Auftraggeber bei Nichttausch durch den Empfänger zum Ausgleich des an der Beladestelle erhaltenen Palettendarlehens verpflichtet bleibt (vgl. Ziff. II 3b). Abgedruckt ist dieses Regelwerk z.B. im DVZ-Palettenhandbuch S. 102ff). Beim Doppeltausch, wie er heute richtigerweise verstanden wird, trägt also der Auftraggeber und nicht das Verkehrsunternehmen das Tauschrisiko. Im Übrigen ist es fraglich, ob ein Anspruch gegen den ihm häufig unbekannten Empfänger, der zunächst einmal seine Rückgabepflicht nicht erfüllt hat, für das Verkehrsunternehmen wertvoller wäre als ein Anspruch gegen seinen Auftraggeber, dem es im Regelfall nur dann ein Palettendarlehen gewährt, wenn es davon ausgehen kann, dass dieses auch zurückgeführt wird. III. Ergebnis Nach allem besteht auch kein Bedürfnis dafür, den Verkehrsunternehmen, angelehnt an die Ausnahmerechtsprechung des BGH zu verschiedenen Fallkonstellationen zum Vertrag zu Gunsten Dritter und zu unentgeltlichen Leistungen aus „Gerechtigkeitsgründen“, einen Kondiktionsanspruch gegen den Empfänger zu gewähren. RA J. Knorre, Andörfer Rechtsanwälte, Köln
© Copyright 2025 ExpyDoc