Klausuren für das 2. Examen A 133 Aktenauszug Schultze ./. Klemm

Klausuren für das 2. Examen
A 133 Aktenauszug
Schultze ./. Klemm
29.06.2015 Christoph Brede
Anwaltskanzlei
Heinz-Jürgen Pichler
Tel.: 02365/981330-0
Fax: 02365/981330-2
18.06.2015
Anwaltskanzlei Heinz-Jürgen Pichler, Gladbecker Str. 32a, 45768 Marl
Vermerk:
Es erscheint Frau Kerstin Schultze, wohnhaft Tannenweg 16, 45772 Marl. Sie bittet um Beratung in der folgenden Sache:
Frau Schultze ist die Mutter und nach Ehescheidung alleinige Sorgeberechtigte des Kindes
Marina Schultze, geb. 11.12.2003. Der Großvater des Kindes, Georg Schultze, Arenbergstr. 31,
45770 Marl, habe seiner Enkeltochter zu Weihnachten 2014 auf deren Wunsch hin das Geld
für einen Goldhamster geschenkt, den diese sich mit Billigung ihrer Mutter in der Tierhandlung eines Herrn Norbert Klemm in 45770 Marl, Rheinische Straße 43, ausgesucht habe. Leider sei das Tier nach drei Tagen verendet. Es habe am Morgen tot im Käfig gelegen. Die Tierhandlung habe Marina und der Mutter dann am 29.12.2014 eine angeblich weniger empfindliche und als „robust“ angepriesene weiße „Schmuseratte“ empfohlen und übergeben.
Dieses Tier sei wenig agil gewesen und habe am 06.01.2015 seltsame Hautentzündungen am
Schwanz und an den Beinen gezeigt und aus der Nase geblutet. Der Tierarzt Dr. Manz habe
dem Tier noch am selben Tage den Schwanz teilweise amputiert. Bei der Übergabe der Ratte
an die Helferin des Tierarztes, Frau Marianne Endruschat, habe die Ratte Marina und die Helferin in den Finger gebissen. Marina sei in den Ringfinger der rechten Hand gebissen worden.
Schon am Nachmittag des 06.01.2015 sei die Bissverletzung entzündet gewesen, sodass Frau
Schultze Marina bei dem Hausarzt Dr. Wolfgang Rogalski, Trogemannstr. 71, 45772 Marl,
vorgestellt habe. Dieser habe die Bisswunde versorgt. Am 14.01.2015 habe Marina den Arm
kaum bewegen können und an hohem Fieber gelitten. Sie sei deshalb als Notfall in die Kinderklinik des Krankenhauses Bergmannsheil in Gelsenkirchen-Buer eingeliefert worden und
dort drei Tage verblieben. Dabei sei die Wunde an der Hand operativ behandelt und Marina
sodann mit einer Unterarmschiene entlassen worden. Weitere Wundrevisionen seien am
23.01. und am 27.02.2015 durchgeführt worden. Mittlerweile sie die Verletzung abgeheilt, es
sei jedoch eine unansehnliche Narbe am Finger verblieben.
Das Krankenhaus habe wegen der unklaren Krankheitsursache eine Laboruntersuchung
durchführen lassen mit dem Ergebnis, dass Marina an Kuhpocken gelitten habe. Dazu legt
Frau Schultze einen Arztbericht und Fotos der verletzten Hand vor. Bei den Kuhpocken handele es sich nach einem Merkblatt des Landesinstituts für Gesundheit und Arbeit des Landes
NRW um eine hauptsächlich bei wild lebenden Nagetieren verbreitete Virusinfektion, die
aber auch auf Haustiere und auf Menschen übertragbar sei.
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Die Ratte sei wegen weiterer Hautausschläge am 09.01.2015 erneut dem Tierarzt vorgestellt
worden und in der tierärztlichen Praxis noch vor der empfohlenen Einschläferung verendet.
Mittlerweile hat sich wegen der Verletzung der Tierarzthelferin die Berufsgenossenschaft
für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege in Hamburg bei Frau Schultze gemeldet und mit
Schreiben vom 12.06.2015 Ansprüche aus übergegangenem Recht in Höhe von 5.686,21 €
aus Tierhalterhaftung geltend gemacht. Das Anspruchsschreiben legt Frau Schultze vor. Sie
macht sich Sorgen, weil eine Haftpflichtversicherung nicht besteht und Marina nicht über
Einkommen und Vermögen verfügt.
Die Berufsgenossenschaft habe wegen der auf die Bissverletzung folgenden Erkrankung der
Arzthelferin Ermittlungen angestellt. Laut Bericht des Chemischen Landes- und Staatlichen
Veterinäruntersuchungsamtes vom 28.01.2015 sei die verendete Ratte an Kuhpocken erkrankt gewesen. Bei der Helferin sei der gleiche Virenstamm festgestellt worden.
Frau Schultze möchte wissen, ob ihrer Tochter Marina wegen der erheblichen Folgen des
Rattenbisses Schadensersatzansprüche zustehen und wie sie sich gegenüber der Berufsgenossenschaft verhalten soll. Marina sei recht mitgenommen und wolle seit dem Vorfall von
Tieren nichts mehr wissen. Dafür müsse es doch Schmerzensgeld geben.
Die Mutter meint, dass dem Tierhändler die Erkrankung der verkauften Ratte hätte auffallen
müssen, zumal der zuerst verkaufte Hamster ohne erkennbaren Grund nach kurzer Zeit verendet sei. Offenbar stimme mit der Tierhandlung etwas nicht. Frau Schultze hat sich deshalb
an den seinerzeit eingeschalteten Amtstierarzt gewandt und legt dessen Antwortschreiben
vor.
Sie legt weiterhin ein Schreiben des Haftpflichtversicherers des Tierhändlers vor. Dieser hat
den Schadensfall seiner Versicherung angezeigt, nachdem er davon erfahren hatte. Dem
Schreiben zufolge hat der Tierhändler die infizierte Ratte von einem Züchter in Paderborn
gekauft. Nach Auskunft des Tierhändlers ist der Züchter mittlerweile insolvent. Dessen Haftpflichtversicherer hat es abgelehnt, ihm den Kaufpreis für die auf Empfehlung des Amtstierarztes getöteten Tiere zu ersetzen. Eine Kopie des betreffenden Schreibens hat der Tierhändler Frau Schultze überlassen.
Mit Frau Schultze wurde vereinbart, dass ich die Angelegenheit begutachte und ihr schriftlich
mitteile, wie weiter verfahren werden sollte.
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A 133
Bergmannsheil und Kinderklinik Buer GmbH
Schernerweg 4
45894 Gelsenkirchen
Tel: (02 09) 59 02-0
Fax: (02 09) 59 02-591
E-mail: [email protected]
Betr: Marina Schultze, geb. 11.12.2003
Sehr geehrter Herr Kollege,
die Mutter stellte Marina am 14.01.2015 notfallmäßig in der Klinik vor. Marina klagte
über Schwellungen am rechten Arm (Lymphknoten) und erhöhte Temperatur. Laut Angaben der Mutter ist Marina am 06.01.2015 von einer als Haustier gehaltenen Ratte
gebissen worden, die Hautveränderungen zeigte und aus der Nase blutete. Das Tier
soll mittlerweile verendet sein. Am 4. Finger der rechten Hand zeigte sich ein Exanthem, das operativ revidiert wurde. Am 17.01.2015 konnte Marina mit sterilem
Kompressenverband und dorsaler Unterarmgipsschiene auf den 4. Finger entlassen
werden. Weitere Wundrevisionen wurden am 23.01. und 27.02.2015 notwendig. Die
Laboruntersuchung ergab eine Infektion mit Kuhpockenviren. Operationsberichte sind
beigefügt.
Gelsenkirchen, 27.02.2015
Kuttner, Oberarzt
Facharzt für Chirurgie
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A 133
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A 133
A 133
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bGW
Berufsgenossenschaft
für Gesundheitsdienst
und Wohlfahrtspflege
Hauptverwaltung – Postfach 760224 – 22052 Hamburg
Frau
Kerstin Schultze
Tannenweg 16
45772 Marl
Hamburg, 12.06.15
Unfallsache Marianne Endruschat v. 06.01.2015
Sehr geehrte Frau Schultze,
die Mitarbeiterin Endruschat ist am 06.01.2015 in der Tierarztpraxis Dr. Manz durch eine von
Ihnen bzw. Ihrer Tochter Marina gehaltene Ratte gebissen worden. Laut Bericht des Chemischen Landes- und Staatlichen Veterinäruntersuchungsamtes vom 28.01.2015 war die verendete Ratte an Kuhpocken erkrankt. Bei der Helferin ist der gleiche Virenstamm festgestellt worden. Den Bericht fügen wir zur Ihrer Unterrichtung bei.
Die medizinische Versorgung der Betroffenen hat die BGW als zuständige Berufsgenossenschaft übernommen. Die gesetzliche Tierhalterhaftung setzt kein Verschulden des Tierhalters
voraus. Hieraus ergibt sich ein Schadensersatzanspruch, der in Höhe der berufsgenossenschaftlichen Leistungen auf uns übergeht (§ 116 SGB X).
Wir bitten Sie, die auf dem beiliegenden Blatt 2 erbetenen Angaben zu machen, auch wenn Sie
sich für den Unfall nicht für verantwortlich halten. Die uns entstandenen Aufwendungen in
Höhe von 5.686,21 € entnehmen Sie bitte der Abrechnung Blatt 3. Sollten Sie keine Haftpflichtversicherung als Tierhalter haben, nennen Sie uns bitte die entsprechenden Daten Ihrer allgemeinen Haftpflichtversicherung. Durch diese können auch Schäden von Kleintieren abgedeckt
sein.
Wenn Sie keinen Versicherungsschutz haben, melden wir hiermit unseren Ersatzanspruch vorsorglich bei Ihnen an.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
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A 133
Der Landrat
Kreis Recklinghausen
Der Vestische Kreis
Kreis Recklinghausen – 45655 Recklinghausen
39-Veterinärwesen und
Lebensmittelüberwachung
28.01.2015
Frau
Kerstin Schultze
Tannenweg 16
45772 Marl
Betreff: Ihre Anfrage vom 19.01.2015
Sehr geehrte Frau Schultze,
Ihre Anfrage möchte ich wie folgt beantworten:
Zum Zeitpunkt der Kontrolle der Tierhandlung Klemm am 26.01.2015 befanden sich dort
keine Hamster. Die noch vorhandenen Heimtierratten (3), Mäuse und Degus ließ der Inhaber
auf unsere Empfehlung euthanasieren. Laut Befund des Staatlichen Veterinäramtes Münster
gab es keine Hinweise auf eine Kuhpockeninfektion.
Weitere Fälle von Kuhpockeninfektionen sind im Dezember 2014/Januar 2015 nicht bekannt
geworden. Nach hiesigen Informationen zeigen die meisten Nagetiere nach einer Infektion
keine Symptome. Heimtierratten können allerdings erkranken.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Schwall, Amtl. Tierarzt
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A 133
Die Continentale
Versicherung AG
Die Continentale - Grabengasse 32 - 81739 München
18.05.2015
Frau
Kerstin Schultze
Tannenweg 16
45772 Marl
Betr: Schadensfall vom 06.01.2015
Sehr geehrte Frau Schultze,
unser Versicherungsnehmer Norbert Klemm, Rheinische Straße 43, 45770 Marl, hat
uns als Haftpflichtversicherer Ihr Schreiben vom 04.05.2015 zur Beantwortung übergeben. Eine Verantwortlichkeit unseres Versicherungsnehmers für den bedauerlichen
Schadensfall vermögen wir leider nicht zu erkennen.
Unser Versicherungsnehmer hat die an Sie verkaufte Heimtierratte am 27.12.2014 von
der Züchterin Dietrich Gaidanek GmbH, Augsburger Weg 44, 33102 Paderborn, bezogen. Nach seinen Angaben ist es bei dem Abverkauf der von dort bezogenen Tiere bis
zu Ihrer Schadensmeldung nie zu Problemen gekommen. Das gilt auch für die von ihm
angebotenen Hamster. Auffällige Tiere werden von den übrigen abgesondert und in
Quarantäne genommen. Das war hier nicht erforderlich. Für diese Angaben stehen die
Zoo-Fachverkäuferinnen Britta Hempel und Petra Mayer als Zeuginnen zur Verfügung.
Beide Damen arbeiten bereits seit Jahren in der Tierhandlung unseres Versicherungsnehmers.
Mit freundlichen Grüßen
Cappis
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A 133
Westfälische Versicherungskasse
VVaG
Die Westfälische, Salzstr. 88, 48157 Münster
22.04.2015
Zoohandlung
Norbert Klemm
Rheinische Straße 43
45770 Marl
Betr: Ihre Schadensmeldung vom 08.04.2015
Sehr geehrter Herr Klemm,
als Haftpflichtversicherer der Dietrich Gaidanek GmbH, Augsburger Weg 44, 33102
Paderborn, möchten wir Ihnen Folgendes mitteilen:
Bedauerlicherweise hat das Amtsgericht Paderborn über das Vermögen unserer Versicherungsnehmerin mit Beschluss vom 17.02.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum
Insolvenzverwalter ist Herr Rechtsanwalt Max von der Ronkel, Deipenweg 3, 33104
Paderborn, bestellt worden. Weitere Korrespondenz bitten wir deshalb an den Insolvenzverwalter zu richten.
Wir weisen jedoch darauf hin, dass unsere Versicherungsnehmerin für die geltend gemachten Schäden nicht in Anspruch genommen werden kann. Sie hat nach Auskunft
des früheren Geschäftsführers ihren Zuchtbetrieb ordnungsgemäß geführt. Die Tiere
wurden artgerecht gehalten. Für die Erkrankung einzelner Tiere bestanden keinerlei
Anhaltspunkte. Wir bedauern, Ihnen keine günstigere Mitteilung machen zu können.
Mit freundlichen Grüßen
(Edel)
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A 133
Bearbeitervermerk:
Die Angelegenheit ist zu begutachten. Anschließend ist ein Schreiben an die Mandantin
betreffend das weitere Vorgehen zu entwerfen. Soweit Anlagen nicht mitgeteilt werden, ist
davon auszugehen, dass sie den vorgetragenen Inhalt haben.
§ 116 SGB X1 lautet auszugsweise wie folgt:
(1) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens
geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über, soweit dieser aufgrund
des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu
leistende Schadensersatz beziehen.
…
(3) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch ein mitwirkendes Verschulden oder eine
mitwirkende Verantwortlichkeit des Geschädigten begrenzt, geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe von dem nach Absatz 1 bei unbegrenzter Haftung übergehenden Ersatzanspruch der Anteil über, welcher dem Vomhundertsatz entspricht, für den der
Schädiger ersatzpflichtig ist. Dies gilt auch, wenn der Ersatzanspruch durch Gesetz der Höhe
nach begrenzt ist. Der Anspruchsübergang ist ausgeschlossen, soweit der Geschädigte oder
seine Hinterbliebenen dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches
werden.
§ 110 VVG lautet wie folgt:
Ist über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der
Dritte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers verlangen.
–––––
1
Abgedruckt bei Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl. 2015, vor § 249 Rn. 112.