Weichenstellung für die Abfallströme in Nordrhein-Westfalen Weichenstellung für die Abfallströme in Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen hat sich zum Ziel gesetzt, die Kreislaufwirtschaft und die Abfallpolitik weiter zu entwickeln. Dabei soll die ökologische Abfallwirtschaft durch abfallarme Produktion, durch verstärkte Wiederverwendung, Recycling und sonstige Verwertung sowie eine entstehungsortnahe Beseitigung auch ein wichtiger Teil der Umweltwirtschafts- und Klimaschutzstrategie [5] werden. Im Dezember 2015 wurde das parlamentarische Beteiligungsverfahren für den ökologischen Abfallwirtschaftsplan, Teilplan Siedlungsabfälle, abgeschlossen. Im Folgenden wird eine Übersicht über die Siedlungsabfallwirtschaft in NRW gegeben und es werden die wesentlichen Inhalte des neuen Abfallwirtschaftsplans dargestellt. Siedlungsabfälle in Nordrhein-Westfalen – Mengen, Zusammensetzung und Entwicklungen Nordrhein-Westfalen ist mit etwa 17,6 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste und mit einer Fläche von etwa 34.000 km2 das viertgrößte Bundesland. Nach den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg ist es mit 515 Einwohnern pro km2 das am dichtesten besiedelte Bundesland. Die Bevölkerungsdichte ist regional sehr unterschiedlich. Sie bewegt sich zwischen etwa 3.000 Einwohnern pro km2 (Stadt Herne) und etwa 120 Einwohnern pro km2 (Kreis Höxter). Wie in anderen Bundesländern nimmt die Anzahl der Privathaushalte mit Tendenz zu kleineren Haushaltsgrößen und einem wachsenden Singleanteil zu. Seit 1995 veröffentlicht das Umweltministerium jährlich die Abfallbilanz für Siedlungsabfälle. Dadurch ist es heute möglich, langfristige Entwicklungen nachzuzeichnen. Gegenstand der Bilanzen sind alle Abfälle, die den 54 öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern in NRW überlassen werden, sowie die durch die dualen Systeme erfassten Verpackungen (LVP, PPK, Glas). Im Jahr 2013 sind in NRW insgesamt etwa 12,4 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle angefallen. Haus- und Sperrmüll sowie hausmüllähnliche Gewerbeabfälle und getrennt erfasste Wertstoffe – Bio-, Grünabfälle, PPK, LVP, Glas u.a. – machen jeweils etwa ein Drittel dieser Menge aus. Außerdem sind den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern etwa 3,6 Millionen Tonnen Gewerbeabfälle sowie etwa 0,7 Millionen Tonnen Abfälle aus Abfallbehandlungsanlagen, vor allem Rostaschen aus Haushaltsabfallverbrennungsanlagen, überlassen worden. Infrastrukturabfälle haben mit etwa 0,2 Millionen Tonnen einen Anteil von knapp 2 Prozent an der Siedlungsabfallmenge. 81 Abfallströme | Märkte Gudrun Both und Vera Reppold Gudrun Both, Vera Reppold Tabelle 1: Abfälle, die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern 2013 überlassen wurden Menge Mio. t Abfallart Abfallströme | Märkte Haushaltsabfälle spezifische Menge kg/E Anteil % 8,1 46265,0 Hausmüll 179 39,0 Spermüll 34 7,0 schadstoffhaltige Abfälle Bio- und Grünabfälle, PPK, Glas, LVP und sonstige werthaltige Abfälle Gewerbeabfälle 1 0,2 24854,0 3,629,0 Abfälle aus Abfallbehandlungsanlagen0,7 Siedlungsabfallmenge insgesamt 6,0 12,4 Quelle: Abfallbilanz Nordrhein-Westfalen für Siedlungsabfälle 2013 Seit 1995 hat die Siedlungsabfallmenge – ohne Abfälle aus Abfallbehandlungsanlagen – um 6,3 Millionen Tonnen bzw. 35 Prozent abgenommen. Mit etwa 6 Millionen Tonnen bzw. 64 Prozent ist der stärkste Rückgang bei den Abfällen aus gewerblichen Herkunftsbereichen – inkl. hausmüllähnliche Gewerbeabfälle – zu verzeichnen. Die Mengen an hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen, die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen werden, haben im Zeitraum von 1995 bis 2013 um etwa 1,12 Millionen Tonnen von 1,43 Millionen Tonnen auf 0,31 Millionen Tonnen abgenommen. Siedlungsabfallmenge Mio. Tonnen 20 18 16 14 18,88 18,56 17,87 18,04 17,89 17,38 17,26 16,32 15,98 15,51 14,58 14,53 13,96 13,38 18,01 12 12,93 12,79 12,75 11,72 10 8 6 4 2 0 Bild 1: Quelle: 82 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 19 19 19 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 * Für die Jahre 1995 bis 2002 nicht erhoben. ** Inklusive hausmüllähnliche Gewerbeabfälle. Abfälle aus Abfallbehandlungsanlagen* Gewerbeabfälle ** Wertstoffe, getrennt erfasst Haushaltsabfall und Sperrmüll Entwicklung der Siedlungsabfallmengen 1995 bis 2013 Abfallbilanz Nordrhein-Westfalen für Siedlungsabfälle 2013 Infrastrukturabfälle Weichenstellung für die Abfallströme in Nordrhein-Westfalen Die Menge der Abfälle, die überwiegend aus Haushalten stammen (Haushaltsabfälle), ist im Zeitraum 1995 bis 2013 weitgehend konstant geblieben. Sie bewegt sich in einer Größenordnung von durchschnittlich 8,4 Millionen Tonnen pro Jahr. Haushaltsabfallmenge Mio. Tonnen 9 8 2 8,3 8,2 9 8,4 8 8,3 8 8,5 0 8,6 8 8,3 5 8,4 3 8,3 0 8,4 8 8,3 4 8,4 0 8,5 6 8,3 7 8,3 9 8,1 1 8,3 8 8,2 8 7 6 5 4 3 2 1 0 95 996 997 998 999 000 001 002 003 004 005 006 007 008 009 010 011 012 013 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 19 Bild 2: Schadstoffhaltige Abfälle Papier, Pappe, Kartonagen PPK Sonstige Wertstoffe Bio- und Grünabfälle Leichtverpackungen (LVP) Sperrmüll Glas Haushaltsabfall Entwicklung der Haushaltsabfallmengen 1995 – 2013 Quelle: Abfallbilanz Nordrhein-Westfalen für Siedlungsabfälle 2013 Während bei den getrennt erfassten werthaltigen Abfällen eine deutliche Steigerung zu beobachten ist, nimmt die Haushaltsabfallmenge kontinuierlich ab. Die Menge der getrennt erfassten werthaltigen Abfälle hat seit dem Jahr 1995 um etwa 1,25 Millionen Tonnen bzw. 40 Prozent zugenommen. Pro Kopf der Bevölkerung ist das eine Zunahme um 74 Kilogramm. Bei den Haushaltsabfallmengen dagegen ist im selben Zeitraum ein Rückgang um etwa 1,2 Millionen Tonnen bzw. 27 Prozent zu verzeichnen. Dies entspricht einer Menge von 68 Kilogramm je Einwohner. Im Jahr 2013 wurde mit etwa 4,4 Millionen Tonnen etwas mehr als die Hälfte der Haushaltsabfälle getrennt erfasst und überwiegend stofflich verwertet. Dies entspricht einer getrennt erfassten Menge von durchschnittlich 253 Kilogramm pro Kopf der 83 Abfallströme | Märkte Unterbrochen wurde dieser rückläufige Trend lediglich im Jahr 2005. In diesem Jahr, in dem das Ablagerungsverbot für biologisch abbaubare Abfälle in Kraft trat, wurden den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern mit etwa 0,13 Millionen Tonnen 20 Prozent mehr hausmüllähnliche Gewerbeabfälle überlassen als im Vorjahr. Seither setzt sich die Abnahme jedoch weiter fort. Gudrun Both, Vera Reppold Abfallströme | Märkte Bevölkerung. Nahezu die Hälfte der getrennt erfassten Menge entfällt auf Bio- und Grünabfälle. Insgesamt sind 1,9 Millionen Tonnen Bio- und Grünabfälle einer Verwertung zugeführt worden. Pro Kopf der Bevölkerung ergibt dies einen Durchschnittswert von 107 Kilogramm. Bei Papier, Pappe und Kartonagen (PPK) sind im Durchschnitt 72 Kilogramm pro Einwohner getrennt erfasst worden. Diese Fraktion hat mit etwa 1,3 Millionen Tonnen einen Anteil von 29 Prozent. Papier, Pappe, Kartonagen (PPK) 1.266.614 t 29 % Leichtverpackungen (LVP) 542.161 t 12 % 369.480 t Glas 9% 194.149 t Holz 5% Sonstige Wertstoffe 61.420 t 1 % 25.220 t Metalle 0,6 % Bekleidungen, Textilien 18.878 t 0,4 % Bio- und Grünabfälle 1.888.175 t 43 % Bild 3: Zusammensetzung der getrennt erfassten Abfälle 2013 Quelle: Abfallbilanz Nordrhein-Westfalen für Siedlungsabfälle 2013 Mit 72 Prozent machen Bio- und Grünabfälle sowie Papier, Pappe und Kartonagen den größten Teil der Wertstoffmenge aus. Zur Förderung des Recyclings gibt das Kreislaufwirtschaftsgesetz vor, dass • Bioabfälle sowie Papier-, Metall-, Kunststoff- und Glasabfälle seit dem 1. Januar 2015 getrennt zu sammeln sind und dass • die Vorbereitung zur Wiederverwendung und das Recycling von Siedlungsabfällen spätestens ab dem 1. Januar 2020 mindestens 65 Gewichtsprozente insgesamt betragen sollen. Ökologischer Abfallwirtschaftsplan für Siedlungsabfälle Der Abfallwirtschaftsplan für Siedlungsabfälle (Planungszeitraum 2014 bis 2024/2025) gibt deutliche Impulse für eine noch intensivere Nutzung von Siedlungsabfällen als Rohstoffquelle und als Energielieferant. Er dient der Umsetzung der 5-stufigen Abfallhierarchie und enthält anspruchsvolle Vorgaben zur Abfallvermeidung, zur Wiederverwendung und zum Recycling. Insbesondere bei der getrennten Erfassung und Verwertung von Bio- und Grünabfällen bestehen noch relevante Potenziale. 84 Weichenstellung für die Abfallströme in Nordrhein-Westfalen In Nordrhein-Westfalen werden bereits seit vielen Jahren Projekte und Aktivitäten auf dem Gebiet der Abfallvermeidung und Wiederverwendung erfolgreich praktiziert. Diese sollen intensiviert und weiterentwickelt werden. Darüber hinaus sollen neue zukunftsorientierte Strategien zur Förderung der Abfallvermeidung und Wiederverwendung entwickelt werden. Sonstiges 103 Broschüren 177 Tausch- und Verschenkbörse 135 Sperrmüllbörse 68 Pressearbeit 299 Computerrückgabe 80 vor Ort-Beratungen 288 Bild 4: Veranstaltungen 205 Abfallvermeidungsmaßnahmen der Kommunen – Anzahl der Nennungen Quelle: Entwurf des Abfallwirtschaftsplans für Siedlungsabfälle NRW 11/2015 Eine Bestandsaufnahme für Nordrhein-Westfalen hat gezeigt, dass Abfall vermeidende Maßnahmen und Abfallberatung bereits in der überwiegenden Anzahl der Kommunen in unterschiedlichem Umfang stattfinden (Bild 4). Abfallvermeidung wird dabei vor allem durch Sensibilisierungs- und Informationsmaßnahmen im Bereich der Abfallberatung kommuniziert. Darüber hinaus sind vielfach weitergehende Angebote, wie Tausch- und Verschenkbörsen vorhanden. Zur Intensivierung und Weiterentwicklung der Abfallvermeidung enthält der Abfallwirtschaftsplan konkrete Handlungsempfehlungen. Auswahl an Handlungsempfehlungen zur Abfallvermeidung aus dem Entwurf des Abfallwirtschaftsplans für Siedlungsabfälle NRW: • Förderung der Wiederverwendung/Mehrfachnutzung z.B. Tausch-/Verschenkbörsen, Sperrmüllbörsen, Computerrückgabe • Unterstützung von Reparaturnetzwerken z.B. Secondhand-, Sozialkaufhäuser, Vernetzung von Aufbereitungsinitiativen mit Recyclinghöfen, Repair-Cafés • Nachhaltige, Ressourcen schonende Konzepte in Schulen • Abfallvermeidung bei der Gestaltung von Veranstaltungen in öffentlichen Einrichtungen – z.B. Mehrweggeschirr, Spülmobile 85 Abfallströme | Märkte Abfallvermeidung Gudrun Both, Vera Reppold • Kommunale Abfallvermeidungskonzepte/-pläne – Integration in kommunale Abfallwirtschaftskonzepte Abfallströme | Märkte • Abfallvermeidungskampagnen/Öffentlichkeitsarbeit – Informationsmaterial, Veranstaltungen, Pilotprojekt • Berücksichtigung des Aspekts der Abfallvermeidung bei der Vergabe von Aufträgen/Beschaffung – Tariftreue- und Vergabegesetz NRW Die nordrhein-westfälische Landesregierung fördert die Arbeit der Verbraucherzentrale NRW. Deren Beratungsangebot umfasst unter anderem folgende Maßnahmen: • vor-Ort-Beratung zu allen Fragen der Abfallvermeidung und –trennung, • schulische und außerschulische Bildungsangebote, • öffentlichkeitswirksame Aktionen, • Unterstützung von Angeboten zur Weiter- und Wiederverwendung, • Marktüberwachung durch Marktuntersuchungen, Anbieterbefragungen, juristische Prüfungen und Verfolgung von Fällen, die sich aus der Abfallberatung für Bürger ergeben, • Pressearbeit zu allen Themen rund um das Thema Abfall sowie die • Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung. Beispiel: Lebensmittelverschwendung Gegen die Verschwendung von Lebensmitteln hat das nordrhein-westfälische Umweltund Verbraucherschutzministerium verschiedene Maßnahmen initiiert. Unter anderem: • Runder Tisch Neue Wertschätzung für Lebensmittel seit 2010 [3], • Partner im deutschsprachigen Netzwerk zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen [6], • Unterrichtsmodul Wertschätzung und Verschwendung von Lebensmitteln [1], • Wettbewerb mit VZ NRW und Ecosign mit studentischen Arbeiten [4], • Forschungs- und Praxisprojekt zu Lebensmittelverlusten in Bäckereien [2], • Forschungs- und Praxisprojekt: Lebensmittelabfalldaten für mehr Nachhaltigkeit in der Ernährungsindustrie (ZNU, Uni Witten-Herdecke), • MehrWert NRW – Initiative für nachhaltigen Konsum, Lebensmittelverschwendung wird ein Baustein des Projektes sein. Die vom Ministerium beauftragte und 2012 veröffentlichte Studie Verringerung von Lebensmittelabfällen – Identifikation von Ursachen und Handlungsoptionen in NordrheinWestfalen hat verschiedene Handlungsfelder zur Verringerung von Lebensmittelabfällen aufgezeigt: Lebensmittelabfälle entstehen aus den verschiedensten Gründen und in allen Gliedern der Kette, wobei die Anforderungen der Verbraucherinnen und 86 Verbraucher sowie des Handels den Rahmen hierfür geben. Mindestens 16 Prozent der pro Jahr in NRW angebauten Lebensmittel erreichen nicht die Verbraucherinnen und Verbraucher. Als wesentliche Treiber für Lebensmittelabfälle wurden ein gesättigter Markt und die Forderung nach permanenter Frische, Vielfalt und Verfügbarkeit identifiziert. Gleichzeitig wird das Mindesthaltbarkeitsdatum über seine ursprüngliche Funktion als Garant für einwandfreie Produkteigenschaften bei richtiger Lagerung hinaus von Unternehmen immer häufiger als Instrument zur Mengensteuerung und als Marketinginstrument eingesetzt. Eine wesentliche Herausforderung besteht daher in der Entwicklung einer neuen Wertschätzung für Produkte und für Nahrungsmittel, um so die Lebensmittelverschwendung deutlich zu reduzieren. Ziel ist ein nachhaltiges Konsumverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher, vom Einkauf über Auswahl der Produkte, Transport und Mobilität, Zubereitung, Lagerung im Haushalt, bis hin zu den Lebensgewohnheiten. In den vergangenen Jahren betrafen die Aktivitäten zur Abfallvermeidung vor allem Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierungsmaßnahmen. Zukünftig sollen Maßnahmen zur Verbesserung der Nutzungsintensität oder Wiederverwendung (Re-Use) stärker in den Fokus gerückt werden. Mittlerweile gibt es in den nordrhein-westfälischen Kommunen zahlreiche Tausch- und Verschenkmärkte sowie Sperrmüllbörsen und Computerrückgabemöglichkeiten. Ein flächendeckendes, vernetztes Angebot an Wiederverwendungsaktivitäten existiert aber bisher nicht. Aufbauend auf den bislang umgesetzten Maßnahmen zur Abfallvermeidung ist beabsichtigt, zukunftsorientierte Strategien zur Abfallvermeidung und Wiederverwendung zu entwickeln. Getrennte Erfassung und Verwertung von Bio- und Grünabfällen Seit dem 1. Januar 2015 müssen Bioabfälle, Papier-, Metall-, Kunststoff- und Glasabfälle entsprechend den Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes getrennt gesammelt werden. Insbesondere bei der getrennten Erfassung und Verwertung von Bio- und Grünabfällen bestehen noch relevante Potenziale. Entsprechend liegt auf der Intensivierung der getrennten Erfassung von Bioabfällen und deren Verwertung ein besonderer Fokus des Abfallwirtschaftsplanes. Es werden ambitionierte Zielwerte für Bio- und Grünabfälle auf Ebene der kreisfreien Städte und Kreise vorgegeben. Diese sollen vor allem den Kommunen, die bisher geringere Mengen erfassen, als Maßstab für die anzustrebende Steigerung dienen und sie zu intensivierenden Maßnahmen motivieren. Dabei wird davon ausgegangen, dass eine Erfassung auch von Nahrungs- und Küchenabfällen erfolgt. Die Verteilung der Mengen auf die verschiedenen Systeme, wie die Biotonne und die Systeme zur getrennten Grünabfallerfassung, bleibt den Kommunen überlassen. Bei den Zielwerten wurde eine Differenzierung nach der Siedlungsstruktur über die Bevölkerungsdichte in vier Cluster vorgenommen. Dadurch werden die unterschiedlichen strukturellen Gegebenheiten in den Gebietskörperschaften berücksichtigt, die sich sowohl auf das Potenzial vor allem der Grünabfälle als auch auf die Umsetzung der getrennten Erfassung auswirken. 87 Abfallströme | Märkte Weichenstellung für die Abfallströme in Nordrhein-Westfalen Gudrun Both, Vera Reppold Cluster Mittelwert 2010 Leitwert 2016 Zielwert 2021 kg/E*a kg/E*akg/E*a ≤ 500 E/km² 135 150180 > 500 - 1.000 E/km²122 130 160 > 1.000 - 2.000 E/km²96 110 140 Abfallströme | Märkte > 2.000 E/km² 53 7090 Tabelle 2: Leit- und Zielwerte für die getrennte Erfassung von Biound Grünabfällen Quelle: Entwurf des Abfallwirtschaftsplans für Siedlungsabfälle NRW 11/2015 Zur Erreichung einer ökologischen Abfallwirtschaft wird ein Landes-Zielwert von 150 kg Bio- und Grünabfällen pro Einwohner und Jahr angestrebt. Wie die vorhandenen Potenziale vor Ort erschlossen werden, entscheiden die Kommunen in eigener Zuständigkeit. Vor diesem Hintergrund sind die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gehalten, im Rahmen der Fortschreibung ihrer Abfallwirtschaftskonzepte, Maßnahmen zur Einführung bzw. Intensivierung der getrennten Erfassung von Bio- und Grünabfällen zu prüfen und darzustellen sowie auf deren Umsetzung durch die für das Einsammeln und Befördern zuständigen kreisangehörigen Städte und Gemeinden hinzuwirken. Für die existierenden und geplanten Maßnahmen bzw. Angebote für eine getrennte Erfassung und Verwertung von Bio- und Grünabfällen sind die Entscheidungskriterien u.a. hinsichtlich der Sammelsysteme darzustellen. Zur Unterstützung der Kommunen bei der Umsetzung enthält der Abfallwirtschaftsplan eine Reihe von Handlungsempfehlungen, die Erfassungssysteme, Satzungs- und Gebührenregelungen, Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit sowie die Verwertung von Bio- und Grünabfällen betreffen. Hierbei sind insbesondere im Hinblick auf den Ressourcen- und Klimaschutz die Kaskadennutzung (Vergärung + Rotte) sowie eine energetische Verwertung von Teilströmen als Handlungsoptionen hervorzuheben. Regionale Entsorgungsautarkie Für die behandlungsbedürftigen Siedlungsabfälle, die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen werden, besteht in NRW Entsorgungssicherheit. Angesichts dieser Ausgangssituation wird mit dem Abfallwirtschaftsplan vorrangig das Ziel einer regionalen Entsorgungsautarkie verfolgt. Siedlungsabfälle, die in Nordrhein-Westfalen anfallen, sind im Land selbst – Grundsatz der Autarkie – und möglichst in der Nähe ihres Entstehungsortes – Grundsatz der Nähe – zu entsorgen. Dadurch sollen die Funktionsfähigkeit der überwiegend in kommunaler Hand befindlichen Entsorgungsinfrastruktur und die Entsorgungssicherheit für behandlungsbedürftige Siedlungsabfälle langfristig gesichert werden. Zur Umsetzung einer regionalen Entsorgungsautarkie werden drei Entsorgungsregionen ausgewiesen. Dies ist ein Kompromiss zwischen der verbindlichen Zuweisung zu einer bestimmten Abfallentsorgungsanlage und dem freien Wettbewerb. 88 Weichenstellung für die Abfallströme in Nordrhein-Westfalen Regierungsbezirk Detmold Abfallströme | Märkte Regierungsbezirk Münster Regierungsbezirk Düsseldorf Regierungsbezirk Arnsberg Entsorgungsregionen Region I Region II Region III Entsorgungsanlagen Haushaltsabfallverbrennungsanlage Mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlage Bild 5: Regierungsbezirk Köln 1 Bottrop 2 Gelsenkirchen 3 Herne 4 Oberhausen 5 Mühlheim an der Ruhr 6 Solingen 7 Remscheid 8 Leverkusen 9 Mönchengladbach * ohne Stadt Aachen ** Oberbergischer und Rheinisch-Bergischer Kreis Zuschnitt der Entsorgungsregionen Kartengrundlage: GfK, Geomarketing Quelle: Entwurf des Abfallwirtschaftsplans für Siedlungsabfälle NRW 11/2015 Mit der Bildung der Entsorgungsregionen ist die Aufforderung an die kreisfreien Städte und Kreise verbunden, innerhalb eines bestimmten Zeitraums Kooperationen auf freiwilliger Basis einzugehen oder die Beteiligung an einem Zweckverband zu prüfen. Kooperationen auf freiwilliger Basis sollen eindeutig Vorrang vor einer Zuweisung zu einer bestimmten Entsorgungsregion haben. Im Jahr 2013 waren insgesamt etwa 4,8 Millionen Tonnen behandlungsbedürftige Siedlungsabfälle zu entsorgen. Bis zum Jahr 2025 – Prognosehorizont des Abfallwirtschaftsplans – ist mit einem weiteren Rückgang der behandlungsbedürftigen Siedlungsabfälle auf etwa 4,42 Millionen Tonnen zu rechnen. Etwa 93 Prozent dieser Menge machen Haus- und Sperrmüll sowie hausmüllähnliche Gewerbeabfälle aus. Bei den in Haushaltsabfallverbrennungsanlagen zu entsorgenden behandlungsbedürftigen Siedlungsabfällen ist gemäß Prognose bis zum Jahr 2025 mit einem Rückgang auf etwa 3,76 Millionen Tonnen pro Jahr zu rechnen. 89 Gudrun Both, Vera Reppold Behandlungsbedürftige Abfälle 1,04 Aufbereitungsund Sortieranlagen 0,09 0,61 Abfallströme | Märkte 4,42 Haushaltsabfallverbrennungsanlagen Kraftwerke 3,11 0,03 stoffliche Verwertung 0,13 0,34 Haushaltsabfallverbrennung Kraftwerke Zementwerke 3,76 0,47 Deponie 0,23 0,06 Mechanischbiologische Behandlungsanlagen 0,03 0,10 0,03 Alle Angaben in Mio. Tonnen Bild 6: Prognose der Menge und Entsorgungswege behandlungsbedürftiger Siedlungsabfälle in Nordrhein-Westfalen 2025 Quelle: Entwurf des Abfallwirtschaftsplans für Siedlungsabfälle NRW 11/2015 Durchsatz Mio. Tonnen 7 6 5 1,6 2,0 2,3 2,6 2,3 2,2 2,2 2,3 2,3 4,1 3,8 3,8 3,4 3,5 3,8 3,8 3,5 3,4 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 4 3 2 1 0 Andere Herkunftsbereiche Direkt von öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern angeliefert Bild 7: Durchsatz der Haushaltsabfallverbrennungsanlagen in Nordrhein-Westfalen von 2005 bis 2013 Die direkten Anlieferungen der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger an die Haushaltsabfallverbrennungsanlagen in NRW haben im Zeitraum von 2005 bis 2013 von etwa 4,1 Millionen Tonnen auf 3,4 Millionen Tonnen abgenommen. Durch intensivere 90 Weichenstellung für die Abfallströme in Nordrhein-Westfalen In den nordrhein-westfälischen Haushaltsabfallverbrennungsanlagen sind Kapazitäten in Höhe von insgesamt etwa 6,1 Millionen t/a vorhanden. Davon werden etwa 2,3 Millionen t/a für die Entsorgung von Abfällen, die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen werden, zukünftig nicht mehr erforderlich sein. Kapazitäten, die für die Siedlungsabfallentsorgung nicht benötigt werden, können für behandlungsbedürftige Abfälle, die in nordrhein-westfälischen Gewerbebetrieben anfallen, genutzt werden. Ähnlich wie bei den Siedlungsabfällen muss jedoch auch bei vergleichbaren Gewerbeabfällen davon ausgegangen werden, dass sich die Mengen, die zukünftig thermisch zu behandeln sein werden, u.a. im Zuge der Umsetzung der 5-stufigen Abfallhierarchie und aufgrund der Getrennthaltungspflichten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes verringern werden. Vor diesem Hintergrund wird das Erfordernis gesehen, die Kapazitäten der Haushaltsabfallverbrennungsanlagen mittel- bis langfristig an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Die Betreiber der Haushaltsabfallverbrennungsanlagen in Nordrhein-Westfalen sind gehalten, entsprechende Anpassungen ihrer jeweiligen Kapazitäten zu prüfen und die gegebenenfalls erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. Der Import von Siedlungsabfällen aus dem Ausland stellt keine langfristig tragfähige Lösung zum Umgang mit Kapazitäten dar, die für die Behandlung von Abfällen, die den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen werden, nicht mehr benötigt werden. Als mögliche Übergangslösung werden Abfallimporte nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Diese könnten sich insbesondere mit Blick auf Mitgliedstaaten der Europäischen Union als sinnvoll erweisen, die ihre Abfälle noch in erheblichem Umfang klimaschädlich deponieren. Eine maßgebliche Voraussetzung wäre jedoch, dass es in diesen Staaten nachweisliche Bestrebungen gibt, eigene Entsorgungsinfrastrukturen innerhalb eines klar definierten Zeitraums aufzubauen. Dies darf durch Abfallimporte nicht unterlaufen werden. Quellen [1]http://www.evb-online.de/schule_materialien_wertschaetzung_uebersicht.php [2] https://www.fh-muenster.de/isun/lebensmittelabfall-projekte.php [3]https://www.umwelt.nrw.de/verbraucherschutz-ernaehrung/konsum-und-wertschaetzungvon-lebensmitteln/ [4]https://www.youtube.com/watch?v=5Lgp00CuDcc&list=UUDZ9sZBagqifm3KyYYfCJNQ [5] Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen: Internetportale www.umweltwirtschaft.nrw.de und www.klimaschutz.nrw.de [6]www.essens-wert.net 91 Abfallströme | Märkte Abschöpfung von stofflich verwertbaren Abfällen wird sich dieser Trend weiter fortsetzen. Gegenwärtig machen Abfälle, die von öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern direkt an Haushaltsabfallverbrennungsanlagen angeliefert werden, etwa 60 Prozent des Durchsatzes aus.
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