Durchbruch in der kardiovaskulären Prävention – aber nicht ohne

EDITORIAL
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SGLT2-Inhibitoren
Durchbruch in der kardiovaskulären
Prävention – aber nicht ohne
Nebenwirkungen
Marc Y. Donath
Universitätsspital Basel
Für die Diabetestherapie ist vor wenigen Monaten eine
kommen kann. Der Mechanismus dahinter ist wahr-
neue Medikamentenkategorie zugelassen worden, die
scheinlich bedingt durch ebendiesen Mangel an Insu-
SGLT2-Inhibitoren. Erste klinische Erfahrungen und
lin, der sich jedoch nicht bemerkbar macht, weil die Glu-
neueste Studien zeigen ihr grosses Potential, den Blut-
kose aufgrund der Glukosurie nicht stark oder gar nicht
zucker zu senken. Mit der EMPA-REG-OUTCOME-Stu-
ansteigt. Hinzu kommt, dass SGLT2-Inhibitoren wegen
die [1] wurde auf eindrückliche Weise gezeigt, wie diese
der Blockade der Glukoseaufnahme auch in den Alpha-
Medikamentenklasse in der Sekundärprävention die
zellen Glukagon erhöhen, was die Ketoazidose präzi-
kardiovaskulären Ereignisse und Mortalität signifi-
pitieren kann. Mitnehmen sollte man, dass man bei Ver-
kant reduzieren kann. Dieses neue Wirkungsprinzip
dacht auf einen absoluten Insulinmangel – wie es bei
birgt aber gewisse Nebenwirkungen, die in dieser Aus-
Patienten mit Typ-1-Diabetes oder nach langjährigem
gabe in zwei Artikeln illustriert werden.
Typ-2-Diabetes der Fall sein kann – einen SGLT2-Inhibtor
Mit den SGLT2-Inhibitoren ist eine Substanzklasse auf
nicht ohne eine Insulintherapie geben soll bzw. dass in
dem Markt, die zum ersten Mal weder die Insulinpro-
diesen Fällen ein SGLT2-Hemmer kontraindiziert ist.
duktion noch die Insulinwirkung beeinflusst; sie
verursachen eine Glukosurie. Die Normalisierung
des Blutzuckers erfolgt somit nicht mehr wie mit
anderen Therapien aufgrund einer Zunahme der
Marc Y. Donath
Glukoseaufnahme durch das Gewebe. Dadurch kommt
Wie so häufig in der Medizin: Je effizienter ein Medi-
es möglicherweise zu weniger glukotoxischen Effekten
kament ist, desto mehr Nebenwirkungen sind vorhan-
im Gewebe, was vielleicht unter anderem den kardio-
den. Dies scheint sich bei den SGLT2-Inhibitoren, die
vaskulären Benefit erklärt. Als weitere Konsequenz der
einen ausgeprägten kardiovaskulären Benefit sowie
Glukosurie kommt es zu einer gewissen Gewichtsab-
eine gute Blutzuckersenkung, aber gleichzeitig gewisse
nahme, da bis zu 100 g Glukose pro Tag über den Urin
unerwünschte Nebenwirkungen aufweisen, zu bestäti-
ausgeschieden werden können. Weiter kommt es zu
gen. Es bleibt dem behandelnden Arzt, den Nutzen ge-
einer osmotischen Diurese, was wahrscheinlich die
gen das Risiko abzuwägen; dies wird im Moment in der
Senkung des Blutdrucks erklärt. Neben diesen eher po-
Diabetestherapie noch erschwert, da die Topline-Resul-
sitiven Wirkungen kann es zu zwei Nebenwirkungen
tate der LEADER®-Study am 4. März 2016 veröffentlicht
kommen, die dem behandelnden Arzt unbedingt ver-
wurden, mit dem erfreulichen Bericht, dass auch Lira-
traut sein sollten: genitale Infektionen und diabetische
glutid das kardiovaskuläre Risiko zu senken scheint [2].
Ketoazidose.
Es ist zu erwarten, dass der Praktiker nun immer bessere
Im Übersichtsartikel von Peter Wiesli et al. wird de-
Medikamente im Arsenal haben wird und die entspre-
tailliert und praxisrelevant erklärt, wie mit den relativ
chend gut kennen soll, damit er die richtigen Prioritäten
häufigen Nebenwirkungen Genital- und Harnweg-
setzen kann. Die zwei erwähnten Beiträge in der aktu-
infektionen umzugehen ist.
ellen Ausgabe tragen sicher dazu bei.
Anhand eines eindrücklichen Fallberichts wird von
Corinne Furrer et al. auf die diabetische Ketoazidose
Korrespondenz:
Prof. Dr. med.
aufmerksam gemacht. Der beschriebene Fall ist sehr
Marc Y. Donath
typisch in dem Sinne, dass er nach dem Absetzen von
Universitätsspital Basel
einem Basisinsulin aufgetreten ist. Was man von die-
Petersgraben 4
CH-4031 Basel
marc.donath[at]usb.ch
Mit den SGLT2-Inhibitoren ist eine Substanzklasse auf dem Markt, die weder die Insulinproduktion noch die Insulinwirkung beeinflusst.
Disclosure statement
Consultant für alle Diabetes-Firmen.
Literatur
1
sem Fall mitnehmen kann ist, dass es bei Verdacht auf
schweren Insulinmangel zur diabetischen Ketoazidose
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM
2016;16(16):361
2
Zinman B, Wanner C, Lachin JM, Fitchett D, Bluhmki E, Hantel S,
et al. EMPA-REG OUTCOME Investigators. Empagliflozin, Cardiovascular Outcomes, and Mortality in Type 2 Diabetes. N Engl J Med.
2015 Nov 26;373(22):2117–28.
http://www.novonordisk.com/bin/getPDF.1991879.pdf