Predigt 10. Januar 2016 Chrischona-Gemeinde Rüti ZH Falkenstrasse 1, 8630 Rüti ZH BITTE ABSTAND! Lukas 17,11-19 Bitte Abstand! Ist dir das auch schon einmal im Alltag begegnet, die Aufforderung „Bitte Abstand!“? Wo war das? Bitte Abstand, das praktizieren wir auch selber im Alltag. Wo zum Beispiel? Beim Einkauf legen wir einen Warentrenner aufs Kassenband: Wir trennen zwischen Mein und Dein, damit wir nicht für fremde Waren bezahlen. Im Strassenverkehr ist das Halten von genug Abstand entscheidend, um die Kollisionsgefahr zu verringern. Bitte Abstand! Wo begegnet uns das im eben gehörten Bibeltext? Bitte Abstand: Ausgrenzung zum Ersten! Wir lesen von zehn Aussätzigen, denen Jesus im Grenzgebiet von Galiläa und Samaria begegnet ist. Allerdings war es eine Begegnung von Ferne. Aussätzige wurden aus der Gesellschaft ausgegrenzt. Das heisst, dass sie ihre Familien, ihren Wohnort verlassen mussten. Sie durften ein Dorf oder eine Stadt nicht mehr betreten. Wenn Menschen ihnen zu nahe kamen, mussten sie mit lautem Rufen auf sich und die Gefahr durch ihre Krankheit aufmerksam machen. Es ging bei der Krankheit auch nicht lediglich um die Gefahr, sich anzustecken. Aussätzige Menschen waren unrein. Wenn ein Gesunder sie berührt hätte, wäre er auch unrein geworden – Ansteckung hin oder her. Darum wurden die Aussätzigen rigoros ausgegrenzt. Oft wurden ihnen sogar Gebiete zugewiesen, wo sie sich aufhalten konnten. Die Gesunden wussten um diese Gebiete und konnten einen weiten Bogen um sie herum machen. Hier lesen wir von zehn Aussätzigen. Diese Ausgegrenzten haben sich in ihrem Elend zusammengerauft, um nicht ganz allein zu sein. Mit ein paar anderen Leidesgenossen bist du immer noch besser dran, als wenn du ganz alleine bist. Bitte Abstand! Aussätzige erlebten das tagtäglich als schmerzliche Tatsache. Und nun kommt Jesus vorbei. Offensichtlich wissen diese Aussätzigen, wer Jesus ist. Sie gehören zwar zu den Ausgestossenen, aber die Nachricht von Jesus hat sie irgendwie doch erreicht. 1 Und nun rufen sie laut. Sie machen Jesus auf sich aufmerksam. Sie wollen ihn nicht warnen, sie rufen ihn um Hilfe: Jesus, Meister, hab Mitleid mit uns! Lass uns nicht als Ausgegrenzte weiterleben. Du hast doch schon andere Wunder getan. Habe Mitleid mit uns, damit wir nicht mehr auf Abstand unser Dasein fristen müssen. Wir sind es leid, Abstand halten zu müssen. Gebrandmarkt zu sein. Jesus, Meister, hab Mitleid mit uns! Und Jesus? Wir haben es gehört: Er lässt sich bitten. Er bleibt zwar rein äusserlich auf Distanz, aber er heilt diese Ausgegrenzten, diese Fernstehenden. Für Jesus gibt es keinen Abstand, den er nicht überwinden könnte und nicht überwinden möchte. Für Jesus gibt es keine Unberührbaren. Darum ruft er ihnen zu: Geht und zeigt euch den Priestern! Was für uns vielleicht komisch klingt, war für die Aussätzigen sofort klar: Nur ein Priester konnte sie wieder für rein erklären. Nur durch eine priesterliche ReinErklärung konnten sie wieder in die Dorfund Familiengemeinschaft aufgenommen werden. Wenn Jesus sie also zu den Priestern schickt, dann verheisst er ihnen Heilung. Sie würden wieder rein sein. Der nötige Abstand, der schmerzliche und verletzende Abstand würde aufgehoben werden. Und so machen sich diese Aussätzigen auf den Weg – vermutlich nach Jerusalem zum Tempel. Und unterwegs erleben sie das Wunderbare: Sie spüren und sehen es an ihren Körpern: Sie sind wieder gesund! Die Priester würden ihre Ausgrenzung aufheben. Das ewige „Bitte Abstand!“ würde für sie keine Gültigkeit mehr haben. Das Leben in Gemeinschaft wird wieder möglich. Darum: Nichts wie los zum Priester. Damit die Ausgrenzung ein Ende hat. Bitte Abstand: Ausgrenzung zum Zweiten! Die Ausgrenzung ist vorbei – jedenfalls für die Aussätzigen, denn sie wurden geheilt. Aber was geschieht nun weiter? Einer der Geheilten kehrt um. Bevor er die Priester aufsucht, macht er rechtsumkehrt und geht zurück zu Jesus. Kultisch gesehen ist er immer noch unrein. Doch er lässt diesen leiden Abstand fahren und wirft sich Jesus dankend vor die Füsse. Und Jesus? Er sieht nicht den faktisch noch Unreinen, weil ihm der priesterliche Segen noch fehlt. Er sieht nicht einfach das Defizit im Menschen. Er sieht den Menschen. Er sieht sein Herz. Er sieht das dankbare und aufrichtige Herz. Aber dann Jesus offenbart selber einen tiefen inneren Schmerz: Derjenige, der vor ihm niedergefallen ist, ist ein Samariter. Kein Jude. Ein von den Juden Verachteter, Gemiedener. Einer, der in Jerusalem ja gar nicht zum Tempel darf, weil extra Warnschilder aufgestellt wurden, damit ja kein Unbefugter dem Tempel zu nahe kommt. So einer ist zurückgekommen, um ihm zu danken. 2 Und die anderen? Die Juden? Wo sind die anderen, für die Jesus den Abstand überbrückt hat? Wo sind die anderen, für die Jesus den Zugang zur Gemeinschaft wieder möglich gemacht hat? Sie bleiben auf Distanz. Sie halten Abstand. Jesus hat getan, was sie wollten, worum sie ihn gebeten haben. Mehr wollen sie nicht. Mehr brauchen sie nicht. Sie grenzen nun ihrerseits Jesus förmlich aus ihrem Leben aus. „Danke Jesus, dass du das getan hast, aber nun brauche ich dich nicht mehr, ich lebe mein Leben nach eigener Regie zu Ende.“ Die Ausgegrenzten, denen Jesus die Rückkehr in die Gemeinschaft möglich gemacht hat, grenzen nun ihrerseits Jesus aus. Sie wollen nun nichts mehr von Jesus wissen. Sie brauchen ihn nicht mehr. Die Worte von Jesus offenbaren etwas vom Schmerz, den er empfindet. Vom Schmerz, den er fühlt, wenn Menschen ihm deutlich machen: Bitte Abstand! Warum tut Jesus diese Rückweisung so weh? Ist er auf Anerkennung der Menschen aus? Man könnte es hier fast meinen. Doch wenn man den Text aufmerksam zu Ende liest, zeigt sich der wahre Grund für den Schmerz, die Trauer und Enttäuschung, die Jesus empfindet. Es geht ihm eben nicht um Anerkennung. Es geht ihm um etwas anderes. Ohne Abstand: Rettung für den Ausgegrenzten! Vor Jesu Füssen liegt der Samariter. Streng genommen hätte Jesus ihn wegweisen müssen. Er war noch nicht von einem Priester für rein erklärt. Doch dieser Mann hat etwas erkannt: Jesus steht über jedem jüdischen Priester. Jesus ist der Priester schlechthin. Jesus ist derjenige, der es möglich macht, dass er nicht mehr weiterhin auf Abstand bleiben muss. Darum kommt er Jesus ganz nahe – eigentlich viel zu nahe. Er kommt mit lautem Dank. Und er kommt mit grosser Ehrerbietung. Das Niederwerfen bedeutete im Orient: Ich begebe mich ganz in deine Hand. Du bist Herr über mich! Und Jesus lässt das zu. Der Gottessohn, der Heilige lässt es zu, dass derjenige ihm ganz nahe kommt, für den in Jerusalem Warnschilder aufgestellt wurden. Warnschilder die sagten: Tritt dem Tempel nicht zu nahe – du gehörst nicht zu den Erwählten! Jesus, der Gottessohn, umgibt sich nicht mit Warnschildern, er lässt die Menschen zu sich kommen – ganz nah. Auch dich! Egal wie deine Geschichte oder deine aktuelle Situation aussieht. Jesus freut sich, wenn du seine Nähe suchst. Und dann sagt er diesem Samariter das Wunderbare: „Steh auf, und geh. Dein Glaube hat dich gerettet. Jesus spricht nicht von Heilung, er spricht von Rettung. Geheilt wurden alle: Die Fernstehenden, die Undankbaren, alle haben das Mitleid von Jesus erfahren und wurden geheilt. Gerettet wurde nur einer. Gerettet heisst: Nicht nur in die menschliche Gemeinschaft aufgenommen, sondern aufgenommen in die göttliche Gemeinschaft. Frieden, Versöhnung mit Gott. 3 Eine Gemeinschaft, die das menschliche Leben überdauert und in Ewigkeit besteht. Rettung. Das sagt Jesus diesem Ausgegrenzten zu. Warum? Weil der Mann nicht auf Abstand blieb, sondern die Nähe von Jesus suchte. Und wie tat er es? Mit lautem Dank und mit grosser Ehrerbietung. Hier finden wir den Grund für den Schmerz, die Enttäuschung und die Traurigkeit, die Jesus empfand: Die neun liessen es sich genügen, geheilt worden zu sein. Dann grenzten sie Jesus ihrerseits aus und machten deutlich: Bitte Abstand! Sie waren ja geheilt. Doch Jesus möchte ihnen mehr geben als Heilung. Er hätte es ihnen so gern allen zugesprochen: Dein Glaube hat dich gerettet! Aber er kann es nicht tun, weil sie ihn auf Abstand halten. Sie bleiben ihm fern. Sie kommen ihm nicht nahe – Jesus kann ihnen nicht nahe kommen, dabei hätte er ihnen Rettung und ewigen Frieden schenken wollen. Darum wurde Jesus tieftraurig und enttäuscht. Bitte Abstand! Auch dir stellt sich die Frage: Wo behältst du Jesus auf Abstand? Wo trennst du zwischen Mein und Dein? Wenn du Jesus ganz nahe heranlässt, dann erhöht sich nicht die Kollisionsgefahr, sondern die Chance, dass du seine Hilfe und seine Liebe hautnah erlebst! Wie kannst du die Nähe von Jesus suchen und finden? Beim Samariter begann es damit, dass er umkehrte zu Jesus. Dass er ihm laut dankte und vor ihm auf die Knie ging. Wo wir Jesus Ehre bringen, führt das nicht zu Distanz, wie das vielleicht bei uns Menschen sein könnte! Wo wir Jesus Ehre bringen, führt das zu Nähe! Es führt zu seiner heilsamen und rettenden Nähe. Bitte Abstand! Zu keinem Menschen, der Hilfe sucht, sagt Jesus diese Worte. Bitte Abstand! Zu keinem Bereich in deinem Leben sagt Jesus: „Bring das in Ordnung und dann komm wieder.“ Jesus hat den zweifach Unreinen seine Nähe erfahren lassen. Der Mann hörte die Worte: Dein Glaube hat dich gerettet. Diese Worte möchte auch dir Jesus immer wieder neu zusprechen, da wo du Not und Schwierigkeit erlebst. In der Nähe zu Jesus (und nur darin!) erlebst du Hilfe, Rettung und Heilung! Vielleicht denkst du in der kommenden Woche daran, wenn du den Trenner zwischen „Mein und Dein“ aufs Kassenband legst. Jesus will alles Trennende wegnehmen. Seine Nähe heilt. Im Strassenverkehr müssen wir Abstand halten, um die Kollisionsgefahr zu verringern. Bei Jesus ist es andersrum: Nähe zu ihm erhöht nicht die Kollisionsgefahr. Nähe zu ihm rettet und heilt. Bitte Abstand? – Wie beantwortest du in der kommenden Woche diese Frage? Amen. Martin Stettler Tel.: 055 241 16 35 E-Mail: [email protected] www.chrischona-rueti.ch 4
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