Interview mit Lousia Michels

Interview mit Louisa Michels
(Interview geführt von Celine Nellen)
ASA Programm: Lernen – Erleben – Bewegen
Louisa Michels (21) aus der Deutschsprachigen Gemeinschaft durfte 2015 mit dem ASA
Basisprogramm an einem Projekt in Togo mitwirken. In einem Skype Interview Ende
November erzählte sie uns von ihren Erfahrungen dort.
Gefällt es dir dort wo du bist?
Mir gefällt es sehr gut. Also es ist zwar eine ganz andere Welt, in der ich hier gelandet bin. Man
musste sich schon darauf einstellen, aber jetzt im Moment- so nach den zwei Monaten – bin ich
wirklich ganz gut reingekommen, habe mich gut eingelebt und es klappt wirklich super gut. Also,
es gefällt mir sehr gut.
Du warst Studentin an der Autonomen Hochschule der DG, hier in Eupen?
Genau.
Welches Studium hast du denn absolviert?
Ich habe mein Studium als Grundschullehrerin dieses Jahr beendet. Also auf Lehramt primar.
Wie bist du an das ASA Programm gekommen?
Also es ist einfach bei uns in der Autonomen Hochschule vorgestellt worden und ich habe mir
gedacht, ich schau mir das einmal an, da ich sowieso nach dem Studium verreisen wollte und es
hat mich sofort interessiert.
Ich habe mich dann beworben. Das war sehr viel Arbeit. Ich bin dann angenommen worden im
Februar und dann war alles gebongt. Also dann ging es los.
Was hast du alles für deine Bewerbung machen müssen?
Also die Bewerbung ist über Internet gelaufen, d.h. man hat Formulare geschickt bekommen, die
man ausfüllen musste. Und ja, das waren ganz verschiedene Fragen. Ich kann auch nicht mehr
genau sagen, was es war, denn es ist mittlerweile schon ein Jahr her. Aber, es waren Fragen wie,
„Warum man sich dafür interessiert“, „Welche Motivation man hat“, „Was man selbst dazu
beitragen kann“ oder „Warum man genau der Richtige dafür ist“. Und dann musste man auch
Papiere zusammensuchen, das war eher schwierig. Das waren ganz offizielle Papiere, die man
haben muss um überhaupt verreisen zu können und das war eigentlich schon viel Arbeit. Also
daran habe ich wochenlang gesessen, aber schlussendlich hat es dann ja geklappt.
Also es geht dann wahrscheinlich um Dokumente wie ein Visum und dergleichen, di e du
brauchtest?
Ja, ganz genau. Das war dann auch ziemlich viel Arbeit. Viel, viel hin und her.
Aber es hat ja schlussendlich geklappt. Mit welchen Teilprogramm bist du denn
weggefahren?
Also ich bin mit ASA Basis gefahren und mein Projekt heißt „Lesen, sprechen, Theater spielen“.
Also ist es ein Projekt in einer Schule?
Genau
Kannst du mir etwas mehr zum Projekt erzählen?
Es ist eigentlich so geplant, dass das Projekt nicht in der Schule ist. Die Association heißt „Lire“
bzw. „Lire pour s“instruire, réussier et s“emanciper “ und es geht eigentlich darum, dass man die
Kinder ausserhalb der Schule dazu bringt öfter zu lesen.
Also es soll Kinder dazu motivieren auch außerhalb der Schule zu lesen?
Genau. Es generell das Problem hier [in Togo, Anm. C.N.], dass Kinder keine Möglichkeiten haben
zu lesen. Zu Hause gibt es gar keine Bücher bei Ihnen und die Eltern lesen nicht mit den Kindern.
Die meisten Kinder – und das ist noch das größte Problem – können überhaupt nicht lesen. Auch
nicht im 6. Schuljahr, da das Schulsystem ziemlich schlecht ist. Das heißt wir nehmen uns dann die
Kinder aus den Schulen heraus oder gehen in die Schulen mit unseren Büchern und versuchen
dann wirklich Aktivitäten mir ihnen auszuführen, sodass sie merken, dass Lesen nicht einfach nur
lesen ist, sondern dass man wirklich auch spiele machen kann, dass man auch wirklich viel durch
das Lesen erreichen kann. Das ist dann so ein bisschen unser Ziel. Das ist auf jeden Fall sehr
interessant.
Wie hast du dieses Projekt gefunden?
Also bei der Bewerbung musstest du drei Programme aus ganz, ganz vielen auswählen. Man konnte
zuerst das Land wählen, wo man hin möchte. Und dann wurde dir vorgestellt, welche Projekte es in
diesem Land gibt. Und dann sollte man sich natürlich (bei der Projektwahl) auch nach seinem
Studium richten. Das habe ich dann auch gemacht und bin natürlich auch fündig geworden. Dieses
Projekt ist jedoch nicht das erste Projekt, das ich mir ausgewählt hatte. Also ich hatte mich
eigentlich als erstes für das Projekt Samia entschieden, bei dem man beim Aufbau eines
Kindergartens und einer Schule mithilft. Aber schlussendlich wird einem dann eines der drei
ausgewählten Programme zugeteilt und mir ist dann dieses Projekt zugeteilt worden, welches
eigentlich auch perfekt zu meinem Studium passt.
Hast du denn auch an den beiden Vorbereitungsseminaren teilgenommen?
Am ersten Seminar, in Berlin, habe ich teilgenommen. Da war ich dabei. Bei dem zweiten war ich
leider ziemlich krank, da hatte ich eine ansteckende Krankheit und konnte leider nicht teilnehmen.
Durch das ärztliche Attest war das kein Problem. Und jetzt nach dem Projekt, wenn ich wieder
zuhause bin, werde ich im Februar am dritten Seminar teilnehmen und dann geht das auch alles
gut.
Und was habt ihr so gesehen in dem ersten Seminar?
Also das war ganz verschieden. Man hat nicht über sein Projekt selber gesprochen, sondern es ging
eher um allgemeine Themen wie Feminismus, Gender, über Rassismus. Also es waren generelle
Themen, die in Workshops bearbeitet wurden.
Wie lange warst du jetzt insgesamt dort?
Also ich bin Ende September gefahren, bzw. ich bin am 13. September geflogen und am 15.
Dezember komme ich zurück. Das heißt, es ist ein Projekt von drei Monaten.
Dann wärst du auch rechtzeitig zurück im Januar? Denn das war eine Sorge deiner
Mitschüler, denen ich das Projekt vorgestellt habe, u.a. wegen der Jobsuche.
Ja, das macht sich ganz gut für mich. Da im Januar wieder die Schule beginnt. Für mich passt das
ganz gut, da noch recht viele Stellenangebote für mich da waren. Da braucht man sich keine
Sorgen zu machen.
Du bist ja gerade in Togo. Nimmst du an einem Projekt in der Hauptstadt teil oder findet
das Projekt eher in einem Dorf außerhalb statt?
Nein, ich bin nicht in der Hauptstadt, aber in der Nähe der Hauptstadt. Es ist auch eine große
Stadt, in der ich bin. Es ist keine Stadt wie bei uns, aber es ist trotzdem hier eine große Stadt mit ich glaube - 100 000 Einwohnern. Aber gut, man würde es trotzdem aus unserer Sichtweise nicht
als Stadt betrachten, es ist eher schon dorfmäßig, aber ziemlich groß.
Und wie wurdest du dort untergebracht?
Es war so: der Präsident der Assoziation, bei der ich arbeite, hat mich in der ersten Woche hier bei
sich zuhause aufgenommen, weil er ein Zimmer für Freiwillige hat. Und dann nach einer Woche,
konnte man sich eine Familie hier in der Gegend anschauen und dort auch wohnen. Aber ich habe
mich schlussendlich dazu entschieden, hier bei dem Präsidenten wohnen zu bleiben, weil es mir
sehr gut gefällt und ich mich hier sehr wohl fühle bei der Familie. Man kann schlussendlich auch
alleine in eine Wohnung ziehen, aber ich finde es eigentlich am schönsten bei einer einheimischen
Familie zu wohnen, weil man richtig die Kultur mitbekommt und die vielen einzelnen Sachen des
Alltags miterlebt, wie die Afrikaner selbst.
So bekommt man also auch ein bisschen Feeling mit der Kultur?
Ja, das habe ich mir auch gedacht.
Und was gefällt dir im Moment am meisten/besten?
Ohje, was gefällt mir am meisten … Also ich muss zugeben, dass ich nicht gedacht hätte, dass mir
das Land so gut gefallen würde – also Togo an sich. Ich hätte eigentlich eher ein anderes Land in
Afrika gewählt, aber schlussendlich ist es ja Togo geworden. Und es ist eigentlich ein
wunderschönes Land; die Natur ist traumhaft. Aber an sich gefällt mir eigentlich am besten, mal
etwas ganz anderes zu sehen als bei uns: die Kultur kennenzulernen, mit den Leuten zu kochen,
selber mit der Hand zu waschen. Einfach mal zu sehen, was es für eine andere Welt gibt. Es ist
wirklich etwas ganz anderes hier zu leben als bei uns. Also hier ist wirklich das Schöne daran, dass
man wirklich die Kultur mitbekommt oder mal etwas ganz anderes erlebt als bei uns zuhause. Ganz
andere Erfahrungen macht als bei uns zuhause. Das ist wirklich das schönste daran.
Welcher Moment hat dich denn besonders beeindruckt oder schockiert?
Es gibt nicht nur schöne Erfahrungen hier. Es gibt, wie gesagt, auch viele sehr unschöne
Erfahrungen. Zum Beispiel ist es in Afrika noch immer der Fall, dass die Kinder noch extrem in der
Schule geschlagen werden, was für mich psychisch kaum zu ertragen ist. Ich ertrage es echt kaum
zu sehen, wie die Kinder dort geschlagen werden. Letzte Woche, zum Beispiel, war ich in einer
Grundschule und habe mit den Kindern eine Aktivität durchgeführt. Alles war super und dann ist
der Lehrer hereingekommen und hat gesehen, dass ein Kind ein wenig unaufmerksam war und hat
das Kind aufgestellt, sich einen Holzschläger genommen und das Kind das 15 Mal geschlagen. Also
das sind Momente, die mir gar nicht gut gefallen hier und an denen ich denke „Oh Gott ich bin froh
wenn ich wieder zuhause bin“, damit ich mir so etwas nicht mit anschauen muss, nicht wie die
Kinder hier leiden.
Aber andererseits gibt es dann auch Momente, die ich wieder ganz schön finde, wenn man mit den
Einheimischen zusammensitzt. Zum Beispiel haben wir hier letzte Woche einen Geburtstag gefeiert,
was hier ganz anders ist als bei uns. Wir haben draußen gesessen, haben zusammen gekocht,
haben gemeinsam erzählt, getanzt,… Solche Momente finde ich wiederum ganz toll. Also wie
gesagt, es gibt Höhen und auch ganz schreckliche Tiefen hier.
Wie wird man denn im Voraus auf solche schockierenden Situationen vorbereitet?
An sich gar nicht. Als ich hier angekommen bin, hat man mir im Voraus schon gesagt: „OK, du
musst wissen, dass unsere Erziehung ganz anders ist als bei euch und das wir die Kinder schlagen.“
Man riet mir auch, dass man auf keinen Fall irgendwelche Reaktionen zeigen soll. Da dachte ich mir
im ersten Moment, dass das vielleicht in seltenen Fällen passiert, aber die Kinder werden wirklich
täglich sehr oft geschlagen.
Man darf also eigentlich keine Reaktion zeigen, so wie mir das von vorneherein gesagt wurde. Aber
ich komme halt überhaupt nicht damit klar und sehe auch nicht ein, weshalb ich keine Reaktion
zeigen darf. Ich habe auch mittlerweile mit den Lehrern darüber diskutiert, dass ich das nicht
einsehen würde und sobald sie es vor meinen Augen machen würden, würde ich auch ehrlich
gesagt nicht mehr mit ihnen zusammenarbeiten wollen. Aber schlussendlich werden wir nicht auf
so eine Reaktion vorbereitet. Aber gut, die vom Projekt, bzw. die von ASA, können so etwas auch
nicht erahnen.
Hast du denn erfolgreich mit Lehrern diskutieren können?
Nein, generell gar nicht. Also manche Lehrer sind eigentlich respektvoll gegenüber uns Weißen,
aber andere wiederum bezeichnen uns auch als „Weiß“, sprechen uns auch nicht mit dem Namen
an, sondern sagen „Der Weiße hat dies und das gesagt“. Manche Lehrer akzeptieren es. Zum
Beispiel heute war es auch wieder so, dass ein Lehrer die Kinder schlagen wollte. Da habe ich
gesagt „Nein“, er dürfe die Kinder vor meinen Augen auf gar keinen Fall schlagen, da ich gerade
eine Aktivität mit den Kindern machen würde und er sich raushalten soll. Dieser Lehrer hat es
beispielsweise akzeptiert, aber andere Lehrer interessiert es wiederum nicht was ich sage. Ich bin
ja auch noch ein kleines Mädchen in ihren Augen, die hier nichts zu sagen hat.
Wie viele Freiwillige sind denn dort?
Also bei ASA ist es ja immer so, dass man einen Tandempartner bei fast allen Projekten hat. Und
ich habe einen Tandempartner aus Berlin, der mit mir zusammenarbeitet. Also wir wohnen jetzt
nicht zusammen, er wohnt alleine in einer Wohnung und nicht in einer Familie. Aber wir sehen uns
dann morgens immer in der Schule und arbeiten zusammen, diskutieren immer ein bisschen
darüber was wir machen und wie es war. Und es klappt mit ihm ganz gut. Morgen [am Tag nach
dem Interview im November, Anm. C.N.] gehe ich jetzt auch mit ihm auf Reisen. Also das ist
eigentlich eine gute Unterstützung so ein Tandempartner. Das macht auch ganz viel Spaß, da man
auch jemanden anders kennengelernt hat und das ist ganz schön.
Was würdest du Schülern sagen, die zweifeln, ob sie wegfahren sollen oder nicht?
Zu Beginn war ich auch sehr skeptisch und dachte, dass ich das niemals schaffen würde. Weil ich
noch so jung bin, noch nie verreist bin und auch nicht von meiner Familie und meinem Freund weg
wollte, aber schlussendlich würde ich es jedem empfehlen. Also es ist eine Erfahrung, die man
nicht nochmal im Leben machen kann. Ich denke, dass ich auch ganz verändert zurückkommen
werde und ich habe auch sehr die Reiselust bekommen. Ich denke, dass wird jetzt nicht die letzte
Reise gewesen sein.
Ich werde auch noch einmal nach Togo zurückkommen. Nicht speziell zu diesem Projekt, sondern
ich habe mich jetzt auch für ein Waisenhaus interessiert, dass hier in der Nähe ist und für das ich
mich gerne engagieren würde. Also ich würd es jedem weiterempfehlen, auf jeden Fall. Es ist eine
tolle Erfahrung, die man niemals wieder machen wird.
Kannst du mir noch etwas mehr zu dem Waisenhaus erzählen?
Also das ist ein ganz junges Mädchen aus Italien, die letztes Jahr dort ein Waisenhaus aufgebaut
hat. Ganz alleine, mittendrin, wo es nichts gab, hat sie es aufgebaut. Mittlerweile hat sie das
Waisenhaus fertig, steht alles und hat sie schon die ersten Kinder da. Ich habe das ganz zufällig
entdeckt, als in diesem Ort etwas besichtigte und sie dann kennenlernte. Und jetzt gehe ich immer
zwei Mal die Woche zu ihr und mache mit den Kindern Hausaufgaben, weil sie selbst als Italienerin
noch nicht perfekt Französisch kann. Daher habe ich gesagt, dass ich ihr auf jeden Fall helfen kann.
Und habe mich dann auch entschieden: Wenn ich wieder zurück in Belgien bin, werde ich kleine
Abende, zum Beispiel mit afrikanischem Essen, anbieten, um auf jeden Fall schon mal für sie Geld
zu sammeln. Und in den nächsten Jahren werde ich auf jeden Fall nochmal als Freiwillige für sie
nach Togo zurückkehren und ihr helfen, damit sie ein wenig Unterstützung hat.
Das ist dann ja genau das, was das ASA Programm bezwecken möchte.
Ja genau. Also man lernt auch wirklich viele und interessante Leute kennen. Hier in Togo sind auch
sehr viele andere Freiwillige, auch in anderen Projekten und es ist echt interessant die ganzen
Leute kennenzulernen. Und natürlich auch die Einheimischen und die einheimische Kultur
kennenzulernen.
Vielen Dank für das Interview. Ich hoffe, dass dich die nächsten Wochen noch sehr
bereichern und dass auch danach alles klappt. Dass du deiner italienischen Freundin
helfen und kannst und vielleicht nochmal zurückgehen kannst.