Der Weg von einem Erholungsgebiet für wenige hin zu einem

Der Weg von einem
Erholungsgebiet für
wenige hin zu einem
qualitätsvollen Freiraum
der Nachbarschaft
Carola Hesse
Den öffentlich zugänglichen Freiraum
Schmelz kenne und nutze ich persönlich
seit etwa 11 Jahren. Da ich Anrainerin der
Schmelz bin, stellt sie für mich auch den
wichtigsten fußläufig erreichbaren Freiraum dar. In meiner Rolle als regelmäßige
private Nutzerin, aber auch als am Ende
des Studiums angelangte Landschaftsplanerin und Landschaftsarchitektin, sind
mir Veränderungen auf der Schmelz, wie
beispielsweise der Bau des Wohnheims,
die zunehmende Flächenversiegelung
innerhalb der Kleingartenanlage und
die weitere zeitliche Einschränkung der
Zugänglichkeit ihrer Gangwege für die
Öffentlichkeit in den letzten Jahren nicht
entgangen. Vor gut einem Jahr nahm
ich daher diese Veränderungen zum
Ausgangspunkt für meine Masterarbeit an der Universität für Bodenkultur
Wien. Darin geht es vor allem um die
Frage, welche Qualitäten die Freiräume
der ­Straßen und Wege im Bereich der
Schmelz aufweisen, welche Handlungsfreiräume für NutzerInnen vorliegen und
welche Ansprüche diese an den Freiraum
Schmelz haben. Die Masterarbeit bildet
die Grundlage für den hier vorliegenden Beitrag. Durch ihn soll ein kurzer
8
­ berblick darüber
Ü
geben, womit ich mich
beschäftige und zu welchen Erkenntnissen ich
bisher gekommen bin.
Als Freiraum ist die Schmelz
von überregionaler Bedeutung – wenn wir an das
Universitätssportzentrum,
die ASKÖ-Sportanlage oder
auch das Schutzhaus denken. In erster Linie aber ist
Fehlender Zebrastreifen über die Gablenzgasse
die Schmelz für die zumeist
(Quelle: HESSE 2015)
in Wohnungen lebenden AnrainerInnen von wesentlicher
­einen Anreisefußweg von 5 bis 15 Minuten. Gerade
Bedeutung.
für sie – die AnrainerInnen und NachbarInnen des
Viele von ihnen verfügen einerseits nicht über einen
Grätzels – stellt die Schmelz also einen sehr wicheigenen Garten oder Balkon, welche beide, wenn
tigen fußläufig erreichbaren Freiraum dar.
auch räumlich begrenzt, einen Aufenthalt im FreiIn diesem Zusammenhang wurde zuerst unteren, Gärtnern, Sonnenbaden etc. oder schlichtsucht, wie einfach und sicher die Schmelz zu Fuß
weg die geringfügige Erweiterung der eigenen
über die Stutterheimstraße, die Oeverseestraße,
vier Wände ermöglichen würden. Andererseits gibt
den Straßenzug „Auf der Schmelz“/Possingergasse
es in der Umgebung der Schmelz nicht allzu viele­
und die Gablenzgasse erreicht werden kann. Dabei
­öffentliche Freiräume, die ein wenig Ruhe vor
zeigte sich, dass besonders die beiden hochrander Alltagshektik und dem Verkehrslärm bieten,
gigen Straßen – Gablenzgasse und die Straße
in denen vor einem etwas grüneren Hintergrund
„Auf der Schmelz“ – eine starke Barrierewirkung
Spazierengehen oder Joggen möglich ist, oder
aufweisen. Dies resultiert einerseits aus der erhöhten
auch Kinder Gelegenheit finden, im Freien relativ
Fahrgeschwindigkeit der Kraftfahrzeuge (50 km/h),
sicher zu spielen. Kostenfreie Freiraumangebote
dem hohen KFZ-Aufkommen, einer unzureichenden
für Jugendliche sind sogar noch rarer.
Anzahl von Zebrastreifen und zum Teil auch aus unFUSS- UND RADVERKEHR IM BEREICH
zureichend breiten oder abschnittsweise fehlenden
DER SCHMELZ
bzw. nur einseitig vorhandenen Gehsteigen.
Wie wichtig die Schmelz für AnrainerInnen und die
Bevölkerung in der Nachbarschaft ist zeigte eine
Die Stutterheimstraße und Oeverseestraße hingeNutzerInnenbefragung, die ich im Rahmen der
gen sind als Tempo-30-Zonen ausgewiesen und
Master­arbeit durchführte. Sie ergab u.a., dass 93
generell weniger stark befahren. Doch auch hier liegt
von 106 befragten Personen zu Fuß auf die Schmelz
abschnittweise und punktuell Handlungsbedarf vor.
kommen. 56 von ihnen haben einen Anreisefußweg
In der Landschafts- und Freiraumplanung wird
von maximal fünf Gehminuten und 15 von ihnen
ein Straßenfreiraum nicht allein als Verkehrsfläche
v­ erstanden, auf der einzig und allein ein Weg
von ­A nach B zurückgelegt werden kann. Gerade
für FußgängerInnen eines jeweiligen Grätzels ist er
vielmehr Weg und Ort zugleich: Vielleicht trifft man
ein bekanntes Gesicht und bleibt für ein kurzes Gespräch stehen oder eine schwere Einkaufstasche
muss kurz abgestellt werden. Besonders für Kinder
sind die Gehsteige vor der Haustür wichtig, da sie
sich von dort aus Schritt für Schritt ihr Wohnumfeld erschließen. In welchem Umfang der Straßenfreiraum aber zum alltagstauglichen Ort für seine
NutzerInnen werden kann, ist u.a. davon abhängig,
wie breit und sicher die Gehsteige sind, inwiefern
Verkehrslärm eine Unterhaltung problemlos möglich macht und ob es unter Umständen sogar eine
schattige Sitzbank gibt, auf der man sich besonders
an heißen Sommertagen kurz niederlassen oder
­seine Einkaufstasche abstellen kann.
Die anteilsmäßige Flächenverteilung im Straßenfreiraum für Autofahren, Parken, Zufußgehen und Radfahren hat bei allen vier, die Schmelz umrahmenden
Straßen, gezeigt, dass der KFZ-Verkehr bevorzugt
wird. Aufgrund der derzeitigen Ausstattung und Gestaltung sowie aufgrund der hohen KFZ-Mengen
im Bereich der Gablenzgasse und der Straße „Auf
der Schmelz“ können diese Straßenfreiräume ihre
­zweite Funktion, Ort zu sein, kaum entfalten.
Für FußgängerInnen, welche über die Schmelz
beispielsweise ihre Wege abkürzen möchten, aber
auch generell für gute Verbindungen und Wahlmöglichkeiten im Quartier, ist es wichtig, dass eine gewisse Durchlässigkeit vorliegt. Hierunter ist zu verstehen, dass, um möglichst schnell und unkompliziert
zu Fuß von A nach B zu kommen, eine ausreichende
Anzahl an frei zugänglichen Wegen vorliegen muss,
bei denen auch leicht erkannt werden kann, welche
potentiellen Routen tatsächlich zum Ziel führen.
Die Untersuchung der Schmelz hat zu diesem Punkt
ergeben, dass zwar nach außen hin, also in das umliegende Stadtgebiet, eine gewisse Durchlässigkeit
Die permanent öffentlichen Zugänge der Schmelz
(Quelle: HESSE 2015 verändert nach STADT WIEN VIENNA GIS 2015)
vorliegt, nach innen hin jedoch nicht. Dies wird dadurch hervorgerufen, dass die Schmelz nur über drei
permanent öffentlich zugängliche Wegachsen mit
sechs Zugängen erschlossen ist. Da die Gangwege
der Kleingartenanlage nur für fünf Monate pro Jahr
zwischen 9 und 19 Uhr und dann auch nur bei guter
Wetterlage von allen genutzt werden können, und
zudem die anderen großflächigen Nutzungen auf
der Schmelz, wie das Universitätssportzentrum, das
ASKÖ-Gelände und das Bundesrealgymnasium gar
nicht öffentlich begangen werden können, werden
längere bis lange Wege für FußgängerInnen aber
auch für RadfahrerInnen generiert.
Mit der seit 2012 geltenden neuen Parkraumbewirtschaftung im Bezirk hat sich die Stellplatzsituation in
den die Schmelz umrahmenden Straßenfreiräumen
verbessert. Insbesondere entlang der Oeverseestraße und Stutterheimstraße sind die dortigen Längsparkstreifen heute nicht mehr voll belegt. Gerade
hier würden sich leichter Maßnahmen zur qualitativen Aufwertung des Straßenfreiraums vornehmen lassen.
Beispiele für Handlungsbedarf im Bereich
Fuß- und Radverkehr:
•V
erbesserung der Ausstattung und Gestaltung
der Straßenfreiräume im Umgebungsbereich
der Schmelz mit einem Fokus auf Fuß- und
Radverkehr (betrifft Verkehrsanlagen, Zonierungen, Vegetation und Bereiche die einem
potentiellen Aufenthalt dienen können)
• Erhöhung der generellen Durchlässigkeit für
den Fußverkehr durch die Schmelz (betrifft
Universitätssportszentrum, ASKÖ-Anlage
und insbesondere die Kleingartenanlage)
• Erhöhung der Durchlässigkeit der Umgebung
der Schmelz für den Radverkehr (betrifft Verkehrsanlagen, Radfahren gegen die Einbahn)
9
DIE SCHMELZ ALS ERHOLUNGSGEBIET UND
„GRÜNE LUNGE“:
In Beschreibungen wird die Schmelz häufig als
wichtiges Erholungsgebiet und grüne Lunge
bezeichnet. Daher wurde untersucht, wer tatsächlich von diesem Erholungsgebiet Gebrauch
machen kann. Hier hat sich beispielsweise gezeigt, dass die Zugänglichkeit sämtlicher Flächen
auf der Schmelz – mit Ausnahme der drei permanent öffentlichen Wegachsen – durch unterschiedlichste Faktoren reglementiert wird. Ohne
an dieser Stelle auf baulich hergestellte Grenzen
wie Zäune eingehen zu wollen, sind es in erster
Linie anfallende Kosten, die eine Nutzung ermöglichen oder verhindern. Weitere Faktoren sind
u.a. Zeiten (Jahres- oder Tageszeiten) oder auch
­Bildungsstand und Bildungsfortschritt.
Daten von Statistik Austria 1 folgend wies der
­15. Bezirk 2011 im stadtweiten Bezirke-Vergleich
den geringsten durchschnittlichen Jahresbezug
pro ArbeitnehmerIn auf (lohnsteurpflichtige Einkommen von Frauen und Männern). Eine höhere
Schulbildung hat nur etwa ein Drittel der Bevölkerung im Bezirk und der AusländerInnenanteil ist
höher als in allen andern Bezirken Wiens 2. Wird
dies nun in Zusammenhang mit den Reglementierungen auf der Schmelz gebracht, stellt sich
heraus, dass gerade für diese BewohnerInnen
des Bezirks eine Nutzung der Erholungsflächen
auf der Schmelz nur erschwert möglich ist oder
gar nicht in Frage kommt.
Auch die Bezeichnung der Schmelz als „grüne
Lunge“ wurde näher beleuchtet: Im Vorlagenbericht des Flächenwidmungsplans 7829 wurde
ausdrücklich empfohlen, dass es den „Charakter
und Ausmaß des Grünraums auf der Schmelz
unbedingt zu erhalten gilt“. Im Vergleich zum
dicht bebauten Stadtgebiet kann die Schmelz
zwar gewiss noch als „grüne Lunge“ bezeichnet
­werden, doch geht auf Grundlage einer qualitativen
10
auf den Parzellen. Großbäume sind generell
nicht erlaubt und durch die Herstellung
von gebundenen Wegedecken, Terrassen,
größerer Häuser und Nebengebäude
oder Pools nimmt der Grünflächenanteil
sukzessive ab. So mancheR KleingärtnerIn
hat sich auf der Schmelz den Traum vom
„Wohnen im Grünen“ bereits erfüllt. Dass
Stark versiegelte Kleingartenparzelle mit zwei-geschossigem damit ebenso negative Auswirkungen
Kleingartenwohnhaus (Quelle: HESSE 2014)
einhergehen, konnte auch durch eine Resolution des Bezirks im November 2013,
­Untersuchung von 62 Kleingartenparzellen die
in der sich dieser gegen die genannte Entwicklung
Entwicklung in der Kleingartenanlage in eine doch
aussprach, gegenüber den KleingärtnerInnen nicht
etwas andere Richtung als die im Vorlagenbericht
ausreichend verdeutlicht werden. Was aber sind
empfohlene.
diese Auswirkungen im Klartext? Ein Beispiel:
Die Kleingartenanlage ist nicht für ganzjähriges
Bereits in den Leitlinien des 15. Bezirks 3 von
2001, aber auch in einem abgeschlossenen
Wohnen gewidmet. Der maximale Ausbaugrad
Agenda-Prozess im Bezirk wurde herausgear­
für Kleingartenhäuser beträgt daher hier gemäß
beitet, dass in Teilen des 15. Bezirks eine quaWiener Kleingartengesetz 35 m2, wobei das Gelitative und quantitative Unterversorgung der
setz hier grundsätzlich von einer MindestparzelBevölkerung mit Grünflächen vorliegt und dieslengröße von 250 m2 ausgeht und im Falle kleibezüglich weitere Verbesserungen anzustreben
nerer Parzellen den Richtwert nicht reduziert. Eine
sind. Neben dem Auer-Welsbach-Park im südliweitere gesetzliche Regelung erfährt die Kleinchen Bezirksteil, zählt die Schmelz zu den zwei
gartenanlage über eine textliche Bestimmung im
größten Grünflächen des Bezirks. Wiewohl nur
Flächenwidmungsplan, gemäß welcher der Anein geringer Teil der Schmelz öffentlich zugänglich
teil an bebauter Fläche einer Kleingartenparzelle
ist, so hat sie doch insgesamt eine Bedeutung in
maximal 20 % betragen darf. Die Untersuchung
Bezug auf die Vielfalt von Arten und Ökosystemen
vor Ort ergab, dass rund 90 % der 62 erhobenen
im Bezirk, aber vor allem auch in klimatischer
Kleingartenparzellen auf der Schmelz eine kleineHinsicht, wovon wiederum alle NutzerInnen und
re Grundfläche als 250 m2 aufweisen und sich
­AnrainerInnen der Schmelz profitieren können:
trotz der gesetzlichen Vorgaben eine Entwicklung
Nicht zuletzt gemäß dem IPCC (Intergovernhin zu ganzjährigem Wohnen feststellen lässt. Die
mental Panel on Climate Change) 2014 sind
Folge sind eine zunehmende Versiegelung der
der menschliche Einfluss auf das Klimasystem
Flächen und, im Rückschluss, eine Abnahme des
der Erde und die Erwärmung des Klimasystems
Grünflächenanteils.
wissen­schaftlicher Konsens 4. Ebenso einig ist
man sich darüber, dass eine Änderung des KliDa das Wiener Baumschutzgesetz für Obstgehölze
mas nicht mehr aufzuhalten ist, sondern maximal
allgemein, aber in Kleingartenanlagen generell gar
die Auswirkungen gemindert werden können 5.
nicht zur Anwendung kommt, finden sich gerade
Dass eine Anpassung an den Klimawandel auch
nach Neubautätigkeiten immer weniger Gehölze
in der wachsenden Stadt Wien eine Notwendigkeit ist, kann beispielsweise im jüngst veröffentlichten „Fachkonzept Grün- und Freiraum“ des
Wiener Stadtentwicklungsplans 2025 nachgelesen ­werden. Dass eben u.a. Straßenfreiräume,
öffentliche Parks und private Gärten neben ihrem
sozialen, ästhetischen sowie ernährungsrelevanten Wert eine wesentliche Bedeutung als ­„Lunge“
der Stadt und für ihre Bevölkerung haben können,
wird im ebenfalls vor kurzem erschienen Boden­
atlas 6 der Heinrich Böll Stiftung auf den Punkt
gebracht: Regenwasser kann auf versiegelten ­Flächen – im Gegensatz zu unversiegelten
­Flächen – nicht versickern. Gebäude und z.B. geteerte Flächen absorbieren Sonneneinstrahlung,
und Fahrzeuge, Heizungen und Klima­anlagen etc.
erzeugen zusätzliche Wärme. Dadurch kommt es
zur Ausbildung von Wärmeinseln in der Stadt.
Dass bedeutet, dass es aufgrund dieser Einwirkfaktoren tagsüber zwischen ein und vier Grad und
nachts teilweise sogar zehn bis fünfzehn Grad
wärmer sein kann als in der Umgebung. Durch
Vegetation hingegen wird Luft abgekühlt, Schatten
geboten und die Luftqualität verbessert.
Nimmt also die Versiegelung der Grünflächen
auf der Schmelz weiter zu, dann werden alle
­NutzerInnen und AnrainerInnen auf die ein oder
andere Weise von den Auswirkungen betroffen
sein. Bei einem Spaziergang durch die Kleingartenanlage lässt sich beispielsweise schon
heute beobachten, dass Klimaanlagen mehr und
mehr zur Grundausstattung neuer Häuser gehören, Dach- und Fassadenbegrünungen hingegen
nicht. Bei einem Spaziergang auf den drei Hauptwegeachsen oder auf den vorhandenen Gehsteigen der Gablenzgasse, Stutterheim­straße, Oeverseestraße und Possingergasse/“Auf der Schmelz“
fällt besonders an heißen ­Sommertagen auf, das
eine Beschattung der Wege nur abschnittsweise
oder punktuell vorliegt. Eine Dachbegrünung liegt
in nur einem Fall vor – dem neu errichteten Wohnheim beim ASKÖ-Gelände.
Beispiele für Handlungsbedarf im Bereich
Erholungsgebiet und „grüne Lunge“:
• Erhöhung der kostenfreien Zugänglichkeit
von Flächen auf der Schmelz
• Qualitative Aufwertung der drei öffentlichen
Wegachsen (betrifft u.a. Flächen „für alle“ mit
Möglichkeiten für Spiel und Sport, Raum für
Jugendliche, Abstandsgrünflächen, Ruhe­
bereiche, Hundezone)
• Fortschreitende Flächenversiegelung und
Abnahme des Grünflächenanteils im Bereich
der Kleingartenanlage unterbinden (betrifft
u.a. Sicherung der derzeitigen Widmung,
Kontrollen hinsichtlich der Einhaltung gesetzlicher Regelungen – vor Ort – seitens der
Baupolizei, neue Überlegungen hinsichtlich
Kleingartenanlagen im Wiener Baumschutzgesetz, Ausgleichsmaßnahmen, Grünraummonitoring)
• Allgemeine Erhöhung des Vegetationsbestandes im Bereich der Schmelz und den
angrenzenden Straßenfreiräumen
• Sinnvoller Einsatz versickerungsfähiger
Bodenbeläge
• Schaffen von Flächen, die von interessierten
garten- und balkonlosen AnrainerInnen der
Schmelz für den Anbau von Obst, Gemüse
etc. genutzt werden können – beispielsweise
nach dem Konzept „Essbare Stadt“
ZUM ABSCHLUSS
Seit ihrer Zeit als Exerzier- und Paradeplatz hat
sich die für die Öffentlichkeit nutzbare Fläche der
Schmelz Schritt für Schritt verändert und verkleinert.
Die Forderung der Bevölkerung nach einem Park,
Rasenflächen und Platz zum Spielen für Kinder
ist keine, die erst in den letzten Jahren aufgekommen ist. Vielmehr ist sie nach über hundert Jahren
noch immer nicht verklungen. Insbesondere vor
dem Hintergrund des Klimawandels und unter
Berücksichtigung der Dauer, die beispielsweise
ein Baum benötigt, um eine gute Schattenwirkung zu entfalten, erhält diese Forderung heute
noch ein ganz anderes Gewicht.
Für mehr Lebensqualität im Quartier bedarf es entsprechend qualitätsvoller Grün- und Freiräume im
unmittelbaren Wohnumfeld, die vor allem zu Fuß
und mit dem Rad bequem sowie sicher erreicht
werden können und die für alle BewohnerInnen
gleichermaßen zugänglich sind. Die Aufgabe einer
vorausschauenden Freiraumplanung ist dabei,
die alltäglichen Ansprüche und Bedürfnisse der
NutzerInnen mitzudenken und rechtzeitig erforderliche Maßnahmen anzuregen.
Auf der Schmelz liegt Handlungsbedarf auf ganz
unterschiedlichen Ebenen vor; im Rahmen dieses
Beitrages wurde diesbezüglich ein überblicksmäßiger Einblick gegeben. Den Handlungsbedarf aber nicht nur wahrzunehmen, sondern sich
ihm in Form entsprechender Maßnahmen auch
anzunehmen, ist spätestens ab diesem Punkt
Aufgabe der Politik und der entsprechenden EntscheidungsträgerInnen. Der Verein FRISCH steht
dabei gerne als Partner zu Verfügung.
Quellen:
1 vgl.: https://www.wien.gv.at/statistik/arbeitsmarkt/tabellen/
einkommen-gesamt-bez.html
2 vgl.: Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien - Bezirksportraits
2013, S. 305
3 vgl.: Rudolfsheim-Fünfhaus – Leitlinien für die Bezirksentwicklung 2001, S. 35
4 siehe: http://www.ipcc.ch/
5 siehe: http://www.bmlfuw.gv.at/umwelt/klimaschutz.html
6 vgl.: http://www.boell.de/de/2015/01/05/bodenatlas-datenund-fakten-ueber-acker-land-und-erde, S. 46
11
Der Weg zur sanften
und flexiblen
Raumgestaltung
Angelika Wolf
Wie soll ein geeigneter Freiraum für alle
SchmelznutzerInnen aussehen? Wie soll
der Raum beschaffen sein und was soll
er bieten? In den letzten zwei Jahren
habe ich mich als Schmelznutzerin und
als Kultur- und Sozialanthropologin mit
diesen Fragen auseinandergesetzt.
Die Stadt und auch der Bedarf an Grünraum
wachsen. Immer mehr Menschen aus den verschiedensten Bezirken nutzen den Grünraum
Schmelz als Erholungsort und für sportliche
Aktivitäten. Deshalb ist es unser Anliegen, den
geringen Anteil an öffentlich zugängigen Flächen
erheblich zu erweitern und auch mittels der
Gestaltung von multifunktionalen Flächen mehr
Raum mit verbesserter Aufenthaltsqualität für alle
zu schaffen. FRISCH ist ein einzigartiges Projekt,
das eine neue Richtung einschlägt: wir möchten
zusätzlich zu diesen Zielen auch neue Wege bei
der BürgerInnenbeteiligung gehen und den Gestaltungsprozess sowie die Umsetzung begleiten.
Um eine qualitativ hochwertige Gestaltung zu
ermöglichen ist es sinnvoll, historische und gegenwärtige Nutzungsformen aufzugreifen und
sie gemeinsam mit den AnwohnerInnen und
NutzerInnen der Schmelz weiterzuentwickeln.
Dies gewährleistet, dass der Raum sanft und
seinem Wachstum entsprechend gestaltet wird.
Besonderer Fokus soll dabei auf die Bedürfnisse
aller Altersgruppen unter besonderer Beachtung
12
genderspezifischer Aspekte und benachteiligter
Bevölkerungsgruppen gelegt werden. Auf jeden
Fall soll verhindert werden, dass unpassende
Nutzungskonzepte übergestülpt werden, die
mitunter dazu führen, dass Einrichtungen auf
den Flächen wenig genutzt werden oder nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen verwendbar sind.
Um die knappen Grün- und Erholungsflächen
multifunktional verwendbar zu machen, ist es
wichtig, Nutzungsüberschneidungen und Synergien zu identifizieren. In neueren Konzepten
etwa werden deshalb Spielplätze renaturiert.
Naturnahe Wiesen können so Spiel-, Liege- ,
Kräuter- oder Schmetterlingwiesen sein und somit von Tieren und von Menschen aller Altersgruppen gleichzeitig genutzt werden.
Ein weiteres Argument, die Grünflächen der
Schmelz zu erhalten und zu verbessern, sind
die ökologischen Aspekte: Begrünte Flächen
werden im Hinblick auf den Klimawandel immer
wichtiger, sie dienen als Katalysator in dicht bebauten Gegenden, schaffen angenehmes Klima
und reinigen die Luft. Die Schmelz stellt einen
wichtigen Grünraum inmitten der Stadt dar,
­welcher nicht weiter ausgebaut und nicht weiter
versiegelt werden darf!
Auch in der Umgebung der Schmelz soll die
­Lebensqualität erheblich gesteigert werden.
­Pufferzonen und die Verkehrsberuhigung der
stark befahrenen Straßen rund um die Schmelz
sind unumgänglich. Der Weg auf die Schmelz
muss für FußgängerInnen und RadfahrerInnen
sicherer1 und attraktiver gestaltet werden. Dazu
bieten sich verschiedene Maßnahmen an: Spielstraßen und Begegnungszonen an den verkehrsarmen Straßen, Ausbau des Radnetzes und
Verbreiterung sowie Begrünung der Fußwege. An
Weidenhütte von Mädchen gebaut.
(Isle of Wight, Foto Angelika Wolf)
den verkehrsreichen Straßen sollen Maßnahmen
wie Busspur, Tempo 30, Schwellen und zahlreiche
Überquerungsmöglichkeiten gesetzt werden.
Die Erholungszonen und die Verbesserung der
Freiflächenqualität sollen somit auch nach außen
diffundieren, um die Aufenthaltsqualität im Umfeld
zu verbessern und durch Lärm- und Schadstoff­
reduktion die Lebensqualität im 15. und 16. Bezirk
zu erhöhen.
AUFENTHALTSFORMEN AUF DER SCHMELZ
Spazierengehen, Laufen und Walken
Sich schnell oder langsam bewegen, mit dem
Kind spazieren gehen, Fahrradfahren lernen,
Gedanken ordnen, frische Luft schnappen, die
Sonne genießen oder mit dem Hund Gassi ge-
Mensch und Tier
Was gibt es noch zu sehen? Sind Sie schon einmal dem Schmelzfuchs begegnet, der auf dem
Gelände der USI wohnt? Oder haben Sie schon
einmal den Schmelzhonig gekostet und die verschiedenen Vogelarten und das Gezwitscher im
Frühling erlebt? Die Schmelz ist nicht nur Raum
für Menschen, sondern stellt auch einen wichtigen
Lebensraum für Wildtiere und Pflanzen dar, der
geschützt und durch naturnahe Gestaltung der
Flächen erweitert werden soll. Sträucher und
Bäume, die als Lebensraum und als Nahrung
etwa für Vögel, Schmetterlinge und Insekten
dienen, sollen gezielt angelegt werden.
(Zu)schauen
Erstes Sonnenbad auf den Steinhofgründen
(Wien, Foto Angelika Wolf)
hen sind einige von vielen Gründen, die Schmelz
aufzusuchen. Besonders das Spazieren entlang
der Gärten ist attraktiv. Man kann die Bepflanzungen bewundern und leicht ins Gespräch
kommen über Pflanzen, Obst und Allfälliges. Um
die spazierbaren Meter und die Interaktion mit
den GärtnerInnen zu erhöhen ist es sinnvoll, die
Öffnungszeiten der Wege zwischen den Gärten
zu verlängern und verbindliche Öffnungszeiten
(auch bei Schlechtwetter) zu schaffen. Soziale
Kontrolle ist die beste Einbruchsprävention!
Leider ist es derzeit nicht möglich, innerhalb
der Schmelz eine zusammenhängende Runde
gehen oder laufen zu können. Man muss auf
die stark befahrenen Straßen ausweichen oder
sich zwischen den Wegen hin und her bewegen.­
Ein geschlossener Lauf- und Bewegungsparcours für LäuferInnen und WalkerInnen mit unterschiedlichen Bodenbelägen würde eine erhebliche Verbesserung bringen. Die Vielfalt der
Bodenbeschaffenheit (leichte Anhöhen, Sand,
Kies oder erdiger Boden) können den Aufenthalt
haptisch spannender und abwechslungsreicher
gestalten.
Angedacht ist dafür unter Anderem die Öffnung
der �Schmelzhöhe“ 2 auf dem ASKÖ Gelände, die
zwischen den beiden Fußballfeldern über einen
Hügel mit Wiesen und an den Volleyballfeldern
vorbei auf den Hauptweg zurückführt. Die nordische Laufbahn am Rande des USI-Gländes liegt
leider hinter Zäunen und findet im Vergleich zu den
Gehwegen nur wenig Verwendung. Schön wäre
es, auch ihn einbeziehen zu können.
Die sportlichen Aktivitäten der Sportvereine ziehen
Schaulustige an. Am Wochenende kann man den
Fußball- und Hockeyspielern zusehen und dabei
etwas essen und trinken. Das Beachvolleyballfeld im
hinteren Teil der ASKÖ vermittelt eine Art Urlaubsflair
mit aufgeschüttetem Sand. Das Potential dieses
Platzes soll besser für ZuschauerInnen und MitspielerInnen genutzt werden. Leider sind nur im
Sommer bei Feriensportevents alle Tore der Schule,
des USI- und des ASKÖ Geländes geöffnet. Dann
aber tummeln sich dort zahlreiche ZuschauerInnen
und SportlerInnen und das Gelände lebt im wahrsten Sinne des Wortes auf!
Seit einiger Zeit gibt es auch einen Kleingarten
am Hauptweg, der gut einsehbar ist und als
großer Gemüsegarten genutzt wird. Dort beobachtete ich schon öfter Eltern mit Kindern und
PenionistInnen, welche sich miteinander über die
verschiedensten Gemüsesorten unterhielten. Die
Interaktion und das Wissen über Bepflanzungen
kann durch Schaugärten ausgebaut werden.
Man könnte auch einen jährlichen Wettbewerb
bezüglich ­Nutzgärten und naturnaher Gärten
­andenken.
13
Eine weitere Möglichkeit des Zuschauens und
Mitwirkens bieten kulturelle Aktionen. Ausstellungen, Straßentheater oder eine Bücherbox
regen zum Schauen und Verweilen ein.
Garteln auf der Schmelz
Seit jeher dienten die Kleingärten der Versorgung
der Stadtgesellschaft mit Obst und Gemüse. In
schwierigen Zeiten wurden etwa Obstsackerln
an die „Stadtkinder“ verschenkt. Hier gibt es
meiner Meinung nach Ansatzpunkte, Projekte
in abgewandelter Form wiederzubeleben. Gemeinsames Ernten und Verarbeiten von Obst
oder Gemüse könnten in Betracht gezogen
werden.
Der Wunsch nach „Community Gardening“
macht auch vor der Schmelz nicht halt. Dazu
sollen öffentlich zugängige Flächen und Gärten
zur Verfügung gestellt werden. „Gemeinsames
Garteln“ sorgt für Lernen, Wissensaustausch
und Miteinander in Kontakt kommen, und für frisches Obst und Gemüse.
Des Weiteren kann die Schmelz als Naschgarten
dienen, bestückt mit Himbeeren, Stachelbeeren,
Ribiseln, Dirndln oder Obstbäumen wie Kirschen,
Marillen und Äpfeln, damit auch Stadtkinder
erleben können, wie frisches Obst gedeiht und
schmeckt.
Sonne tanken
Wenn die ersten Sonnenstrahlen hervorkommen,
sieht man, wie sich zahlreiche Personen ausgestreckt auf einer Parkbank räkeln, um ein Sonnenbad zu genießen. Hierfür wären Liegeflächen
(Wiesen) und Liegebänke oder -stühle nötig (wie
etwa im Donaupark). Es wäre auch möglich, Liegemöglichkeiten mit einem Künstler oder einer
Künstlerin selbst zu gestalten.
14
Naturnahe, multifunktionale und offene Spielfläche
(Zürich, Foto Angelika Wolf)
Tai Chi und Yoga
Immer wieder trifft man auf Personen, die auf
den kleinen Rasenflächen etwa beim neuen
­ASKÖ-Gebäude ihre Übungen absolvieren. Dafür
muss mehr Raum geschaffen werden. Auch im
Hinblick auf die geringe Quadratmeteranzahl der
für Frauen nutzbaren (Sport )Außenflächen ist es
von zentraler Bedeutung, diese in die konzeptionelle Planung vorrangig mit einzubeziehen.
Diese Flächen sollen begrünt, geschützt, relativ
ruhig und eventuell mit duftenden Sträuchern
oder einer Wasserquelle umgeben sein.
Spielen für alle Altersgruppen
Ein großes Anliegen ist mir die Verbesserung des
Spielplatzes! Zugang und Nutzungsmöglichkeiten
für alle Altersstufen müssen gewährleistet sein.
Beispiele hierfür könnten Naturspielplätze mit
Materialien sein, die zum Selbergestalten anregen.
Vorgegebenes, Geräte zur „Monobenutzung“
für Kinder eines bestimmten Alters oder Geschlechts, welche lediglich zum Konsumieren
einladen, sollen hintangehalten werden. Vielmehr sollen Materialien und Angebote, die zum
Selberbauen und -gestalten anregen, wie Holz,
Sand, Erde, Luft, Wasser, Stein und Metall verfügbar sein. Der neue Spielraum soll gemeinsam
mit den AkteurInnen der Schmelz entwickelt
werden und die Kreativität, das Selbster­leben
und selbstverantwortliches Handeln altersübergreifend gefördert werden. Damit bieten
wir ­Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und
PensionistInnen einen Raum zur Selbstverwirklichung und zur aktiven Teilhabe an. Durch gemeinsames Tun eingebunden sein heißt für mich
auch, soziale Verantwortung zu übernehmen,
meinsame Erleben, was in der heutigen Gesellschaft und im Alltag oftmals zu kurz kommt. Ich
denke dabei etwa an ein gemeinsames Bauen
oder daran einen Hindernisparcours zu bewältigen, wo vielleicht auch einmal die Kinder ihre
­Eltern stützen. Des Weiteren würde ich mir auf
der neu zu gestaltenden Piazza eine Sitz-, Ruheund Plantschzone für alle Generationen wünschen.
Schaukeln, Hängematten und ­Rutschen für alle!
Tai Chi auf engstem Raum
(Schmelz, Foto Angelika Wolf)
sich in Beziehungen zu erproben und sich selber
zu erleben. Das ermöglicht, eigene Ressourcen
zu entwickeln und zu erkennen, welche für den
weiteren Lebensweg von Bedeutung sind.
Die Identifikation mit dem eigenen Lebensumfeld kann somit erheblich gefördert werden. Sie
kann die eigene Lebensqualität und die soziale
Sicherheit stärken, das Verantwortungsgefühl für
das Umfeld und für die Mitmenschen erhöhen und
letztlich auch Beschädigungen, Vandalismus
und Gewalt gegen Dinge und Menschen minimieren und verhindern.
Die Abschottung und Trennung des Spielplatzes
durch Zäune soll aufgehoben werden. Auch älteren
Personen soll die Möglichkeit gegeben werden,
am bunten Treiben teilzuhaben. Es könnten etwa
Spielsachen gemeinsam mit Eltern, Omas und
Opas genutzt werden. Dies fördert auch das ge-
Um dieses Konzept der generationenübergreifenden Mehrfachnutzung umzusetzen, benötigt
es die Öffnung der ungenutzten Grünflächen, die
derzeitig nicht zugängig sind oder die nur einer
einzelnen speziellen Nutzung zugeführt werden.
Die Stadt wird enger, wir müssen mit den freien
Flächen haushalten und sie multifunktional nutzen.
Auf der Schmelz soll es Flächen geben für Bewegungszonen, Bewegungsparcours, Veranstaltungs­
flächen, Bereiche für künstlerische Aktivitäten,
Lesezonen, Yoga- und Ruhezonen, Aufenthaltsbereiche für Jugendliche, geschützte Bereiche
für Mädchen (z.B. Pavillions, Weidehäuschen),
Spielbereiche für Jung und Alt, Sitzgruppen
für Gesellschaftsspiele und zum Lernen sowie
­„Community Gardening“, Naschgarten und vieles
mehr. Dabei soll in der Art der Gestaltung, der
Bepflanzung und der Materialverwendung die
Vielfalt Vorrang haben.
Die Umgestaltung der Schmelz kann so zu einem
internationalen Vorzeigeprojekt werden und vor
allem die Lebensqualität für alle im 15., 16. und
den umliegenden Bezirken erhöhen.
1 Der angrenzende 15. und 16. Bezirk gehören zu jenen mit
den höchsten FußgängerInnenunfällen in Wien (AK 2015)
2 … die nach Berichten von älteren SchmelznutzerInnen früher
Freiraum fürs
Älterwerden auf der
Schmelz
Inge Palusinski
Wenn ich die Augen schließe, sehe ich wie
sich die schmalen, eintönigen Durchgangswege der Schmelz in grüne Zonen der Begegnung verwandeln. Ich träume davon, dass
diese Zone auf einen Platz zulaufen, der Zentrum und Herzstück für die Menschen auf der
Schmelz ist.
In meiner zweiten Lebenshälfte angelangt,
wünsche ich mir eine offene Schmelz mit
möglichst vielen unterschiedliche NutzerInnen
und Menschen die
SOLIDARISCH
WERTSCHÄTZEND UND
UNTERSTÜTZEND
sind, mich teilhaben lassen an ihrer lebendigen
Vielfalt und sozialen Kommunikation.
Ich möchte eine offene, grüne Schmelz, die
meine – sich im Alter stetig – verändernden
Bedürfnisse berücksichtigt, mir Lebensqualität­ und Freude bietet. Altern soll – aus meiner
Sicht – ein interaktiver Prozess sein, der nicht
nur in den eigenen vier Wänden, sondern auch
im ö
­ ffentlichen Raum seinen Platz findet.
Ich möchte mein Bedürfnis nach Ruhe, Kommunikation oder Bewegung teilen mit anderen,
die mitten in der Stadt leben und trotzdem auf
Grünraum nicht verzichten wollen.
frei zugängig war
15
Wege durch die Schmelz
Joachim Kräftner
Wer die Schmelz durchwandert, der bewegt sich
zumeist auf den Wegen, die das Areal in Form
strenger Achsen durchziehen.
Ähnlich dem Raster in gründerzeitlichen Stadt­
vierteln, mit ihrer vielfach an funktionalen Aspekten­­ orientierten schachbrettartigen Gestaltung,
ermöglichen diese Wegestrukturen eigentlich
schnelle Durchquerungen des bebauten Gebietes.
Gleichzeitig aber erschliessen Sie die einzelnen
Felder zwischen diesen Wegachsen.
Auf der Schmelz stellen zwei Hauptachsen die
Fortführung von Johnstraße (aus dem Süden
kommend) und der Guntherstrasse (von Osten
kommend) dar. Stadträumlich betrachtet mündet
somit die Hauptachse des Schloß Schönbrunn
über die mit einer breiten Baumallee gestalteten
Die aktuelle Gestaltung der Wege im Schmelzareal
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Schloßallee und die Johnstraße mitten in die
Schmelz – dem ehemaligen Parade- und
­Exerzierplatz.
Entlang dieser Hauptachsen sind eine Reihe von
Funktionen erreichbar: Studentenwohnheim,
Sportflächen, Spielplätze und Kleingärten. Das
macht die Wege attraktiv: als schnelle Durchquerungsmöglichkeite etwa für RadfahrerInnen,
als Laufroute für Sportbegeisterte, oder als Treffpunkt für Eltern mit ihren Kleinkindern – hier ist
„immer etwas los“. Die großzügige Breite (vor
allem der Nord-Süd-Hauptachse) nimmt dieser
Wegeverbindung den Charakter einer Straße –
sie wirkt mehr als Platzraum.
Nebenwege, die von diesen Hauptachsen ab­
zweigen, erschließen weitere Sport- und Spiel­
flächen, das Schutzhaus, oder durchqueren
die Kleingartenanlage. Die im Vergleich zu den
Hauptachsen schmälere Wegebreite vermittelt
sofort eine ruhigere, fast schon private Atmosphäre, mit ruhigen
Sitzecken oder liebevoll arrangierten
Eingangsbereichen
zu dem einen oder
anderen Kleingarten.
Für die Qualität des
Freiraumes Schmelz
erscheinen
diese
unte rsc hi e dl i c he n
räumlichen, gestalterischen und funktionellen Qualitäten der
Wegeachsen wichtig:
Sie sind mehr als nur
eine schnelle Durchquerungsmöglichkeit
des Gebietes, sie sind ebenso auch nutzbarer
und bespielbarer Raum, der Möglichkeiten des
Austauschens bietet, soziale Kontakte ermöglicht, oder stille Rückzugsbereiche und Nischen
zum Verstecken.
Gestalterische Ansätze und Eingriffe in diesen
Räumen sollen die Funktionen und Nutzungsmöglichkeiten unterstützen oder ermöglichen
und gleichzeitig möglichst viel nutzbaren Raum
bzw. Fläche bereitstellen.
Die Hauptachsen sollen als solche erkennbar und
erlebbar sein, ihre Bedeutung im Wegenetz der
Schmelz soll deutlich ablesbar sein.
Aktuell schwächen die vorhandenen Strukturen
und Gestaltungen diese Prinzipien. Vielfach hat
eine „Verlandschaftlichung“ der Wege dazu geführt, dass die nutzbare Fläche weniger geworden
ist. Strauchgruppen, Heckenpflanzungen, Restflächen (zumeist als nicht nutzbare Rasenflächen)
lassen das stringente, orthogonale ­Wegeraster
nicht mehr erkennen. Dort, wo die Breite und
­Linearität der Hauptachsen durch Baumreihen
oder Alleen verstärkt und unterstrichen werden
könnte, lassen uneinheitliche Bepflanzungen oder
Möblierungen ein unscharfes Bild entstehen. Dort,
wo Baumreihen Schatten bieten könnten und
einen qualitätsvollen Freiraum entstehen lassen
würden, führt eine über die gesamte Straßen­breite
asphaltierte, baumlose Fläche (mit beidseitigen
Gehsteigen!) in den Freiraum Schmelz hinein
­(Verlängerung Guntherstraße).
GESTALTUNGSMÖGLICHKEITEN
Es bedarf also weiterer Überlegungen, wie die
­Wegachsen – als wichtiger nutzbarer Raum – gestaltet werden können, zeitgemäß, modern und
an den Ansprüchen der Schmelz-NutzerInnen
orientiert.
Brüßlgasse
ACHSE A – Hauptachse
Guntherstraße
• Richtung: Norden > Thaliastraße/Ottakringerstraße
• Süden > Schloss Schönbrunn
• Nutzungen entlang der Wegachse: Wohnbau,
Sportflächen, Kleingärten, Spielplatz
• Überlegungen zu zukünftigen Nutzungen:
Anbindung an weiterführende Wegachse
Richtung Schloss Schönbrunn
• Ausarbeitung eines urbaneren Charakters,
lautere Aktivitäten
• Promenade mit Baumpflanzungen
(Einzelbäume, Allee, Karree)
• Spielmöglichkeiten (generationenübergreifend)
Sitzbereiche
Achse B – Nebenweg
Richtung Johnstraße
Schemaskizze Wegeachsen in der Schmelz
Die Landschaftsplanung und -architektur hat hierfür ein Repertoire an Werkzeugen zur Verfügung.
Mit Vegetation, also Bäumen, Baumreihen oder
Gehölzgruppen, können Räume gestaltet werden,
die räumliche Orientierung oder z.B. Schatten an
heißen Sommertagen bieten. Gleichzeitig sind
Gehölze wichtige und unverzichtbare Elemente
für die Ökologie der Stadt (und der Schmelz):
Sie sind Lebensraum für Tiere, kühlen die Umgebungsluft durch Verdunstung und machen den
Wechsel der Jahreszeiten für die in der Stadt
­lebenden Menschen erlebbar.
Die Gestaltung der Oberflächen mit ökologisch
nachhaltigen Materialien und Baustoffen trägt zur
Entsiegelung bei und lässt Regenwasser ­versickern
(z.B. Kiesflächen, wassergebundene Decken).
Einheitliches bzw. abgestimmtes, hochwertiges
Stadtmobliar sorgt im Stadtteil für Identität, ist
robust und pflegeleicht (Sitzbänke, Beleuchtung,
Spielmobiliar).
Überlegungen zur Gestaltung der Wegeflächen
bzw. der Wegquerschnitte zeigen, dass hier vielfältige und gut nutzbare Räume mit viel Potential
möglich sind.
• Richtung: Norden > Kasernengebäude
Nutzungen entlang der Wegachse: Kleingärten,
Schutzhaus
• Überlegungen zu zukünftigen Nutzungen:
Anbindung an weiterführende Wegachse Richtung
Burjanplatz/Stadthalle
• ruhigere Aktivitäten
• wo möglich Baumpflanzungen
(Einzelbäume, Allee, Karree)
• vielfältig „nutz-/essbare“ gemischte
Heckenpflanzung
• Sitzbereiche mit Aufenthaltsqualität
Achse C – Hauptachse
• Richtung: Osten > MQ/Innenstadt
• Nutzungen entlang der Wegeachse:
Sportflächen, Kleingärten
• Überlegungen zu zukünftigen Nutzungen:
im Abschnitt z.T. C2/C3 Öffnung der Zäune
• Piazza (Abschnitt C2)
• Mensagastgarten (Abschnitt C3)
• ruhigere Aktivitäten
• wo möglich Baumpflanzungen
(in Kadern oder Reihen)
• Sitzbereiche mit Aufenthaltsqualität
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ASPEKTE BEI DER MATERIALWAHL
QUALITÄTEN VON BAUMPFLANZUNGEN
Ökologie: ökologisch unbedenkliche
Baustoffe ­(Entsiegelung, Versickerung),
wasser- und luftdurchlässige, teilweise
begrünte Flächenbefestigungen
Vorschläge für die Betonung der Wegachsen durch Baumpflanzungen in Reihen, versetzt oder im
Karree (abhängig von Wegbreite)
Durch das Freimachen der Wegachsen (Entfernung von Strauchunterwuchs), wird zusätzlich nutzbarer Raum gewonnen. In diesem können neue Bäume gepflanzt werden: gestalterische Betonung
der Wegachsen, Beschattung, langlebige Gehölzelemente. Baumpflanzungen können als Einzelbäume, in Reihen oder Alleen vorgenommen werden.
Ästhetik: atmosphäregebende Materialwahl
(einheitliches Design, „Ausstattungskatalog
Schmelz“, ­Wiedererkennungswert)
Sozial: Außenmöbel im Eigenbau (unter
Anleitung von Fachkräften), Pflanzbeete
zur Bewirtschaftung (Pflanzen als Gemeinschaftsbildner)
Vegetation, Bestand
Baumkarrees, Achse A
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Baumallee, Achse A, C
Allee mit versetzten Reihen, Baumreihe, Achse A, C
Achse A, B, C
ACHSE B – GESTALTUNGSIDEEN WEGEFLÄCHEN
Problem: wenig nutzbare Fläche, „Verlandschaftlichung‟ der Wegeflächen
Vorschläge: Freie Blickachsen, lineares Design der Wegeführung, Einsichtigkeit, Flächen für unterschiedliche Nutzungen öffnen
Kleingärten
Kleingärten
Begegnungszone bzw. Faire Zone
(FußgängerInnen und Rad nicht
getrennt geführt) mit abwechselnd
linearen Pflanz­beeten und Sitzbereichen,
Vergrößerung der begehbaren Fläche
Weg
Weg
Kleingärten
Kleingärten
ACHSE C – GESTALTUNGSIDEEN WEGEFLÄCHEN
Bestandssituation
Vorschlag
FußgängerInnen
Fahrbahn
Begegnungszone bzw. Faire Zone
(FußgängerInnen, Rad gemeinsam
geführt)
Begegnungszone
(Fahrbahnbreite 3,6m)
FußgängerInnen
ACHSE C – GESTALTUNGSIDEEN
Gestaltungsideen: Aufweitung des nutzbaren Wegquerschnittes
Problem: wenig nutzbare Fläche
< Sportplatz
Kleingarten >
ACHSE A – GESTALTUNGSIDEEN
Problem: kein stringentes Design, fehlende Atmosphäre
< Sportplatz
Sportplatz >
< Sportplatz
Kleingarten >
Erweiterung der nutzbaren
Fläche, Begegnungszone,
Sitzstufen, Sitzbereiche, „Ausblickspunkte“ Richtung Sportplatz, Aufastung des Bestands,
Baumpflanzungen
Gestaltungsideen: Aufweitung durch Baumpflanzungen und attraktive
Aufenthaltsbereiche
< Sportplatz
Begegnungszone, Sitzbereiche, offene Fläche
für unterschiedliche
Aktivitäten, Baumreihen
oder Baumkarree
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ACHSE B – GESTALTUNGSIDEEN WEGEFLÄCHEN
Problem: wenig nutzbare Fläche
< Kleingarten
Gestaltungsideen: Aufweitung des nutzbaren Wegquerschnittes
Kleingarten >
< Kleingarten
Kleingarten >
Sitzbereiche, Baumreihe
ACHSE C – GESTALTUNGSIDEEN WEGEFLÄCHEN
< Kleingarten
Kleingarten >
< Kleingarten
Kleingarten >
< Kleingarten
Kleingarten >
Begegnungszone, Pflanzbeete für Urban Gardening, Sitzbereiche
< Kleingarten
Kleingarten >
< Kleingarten
Kleingarten >
< Kleingarten
Begegnungszone, Heckenpflanzungen als Sichtschutz, Baumreihen
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Kleingarten >
Die Schmelz – ein Raum
für alle?
Elisabeth Eder
Frauen in Heim und am Herd, Männer draußen
in der Öffentlichkeit: seit dem Beginn der Industrialisierung haben sich die Gegensatzpaare
­öffentlich=männlich und privat=weiblich heraus­
gebildet. Auch heute noch sind Frauen und andere Gruppen im öffentlichen Raum an den Rand
gedrängt oder verspüren zuweilen Angst. Aber
auch Männer fühlen sich nicht so sicher, wie sie
meist auftreten. Studien ergeben zwar immer
wieder, dass Frauen zu Hause mehr Gefahr durch
Gewalt droht als in der Öffentlichkeit, trotzdem
bewegen sich Frauen noch immer ganz anders
als Männer im öffentlichen Raum. Ihre Lebensrealitäten sind durchschnittlich zu einem größeren
Teil als die von Männern mit Hausarbeit, Kindererziehung, etc. verplant, ihre Wege im Alltag sind
anders oder werden auf andere Art zurückgelegt
(z.B. stärkere Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln). ­Räumen ist somit Geschlecht eingeschrieben, ihre Nutzung verläuft anhand von Normen und unausgesprochenen Regeln. Wie lässt
sich das ändern, was ist „gendersensible Raumplanung“ und was hat das alles mit der Schmelz
zu tun? Auch die Stadt- und Raumplanung war
lange diesem Gegensatz von öffentlichem und
privatem Raum verhaftet, übersah aber bei der
klaren Trennung in Arbeits- und Erholungsräume
die Personen, die mit Hausarbeit und Kindererziehung befasst sind zu berücksichtigen. Längst
wurde umgedacht, und unterschiedliche Lebensrealitäten werden bei Bauvorhaben meist berücksichtigt. Hier sollten wir uns aber auch fragen, ob
dieses Anpassen an den gedachten Alltag von
Frauen (die ja auch, wie alle Gruppen, über keine
einheitlichen Bedürfnisse und Lebenswelten verfügen) diesen aber wieder zementiert und fortführt,
ungleiche Verhältnisse noch befördert. Öffentliche
Räume sind immer auch sozialen Auseinandersetzungen und laufendem Wandel unterworfen.
Wir wollen die Schmelz zu einem „Ort für alle“
machen und uns dabei Gedanken über marginalisierte Gruppen machen: Frauen, Personen mit
Migrationshintergrund, Personen mit nicht-weißer
Hautfarbe, Personen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen, Personen, die sich nicht
den gängigen Normen von Geschlecht oder sexueller Orientierung unterwerfen wollen. All diese,
und noch mehr die Personen, die zu mehr als
nur einer der genannten Gruppen gehören oder
von anderen diesen zugeordnet werden, sind im
Alltag mit Vorurteilen, Ungleichbehandlung oder
räumlichen Barrieren konfrontiert. Neben einem
Weggehen von abgesperrtem „Raum für Wenige“
wollen wir uns auch mit diesen Fragen auseinandersetzen und uns den neuen Möglichkeiten der
gemeinsamen Raumnutzung widmen.
Weiterführende Literatur
Becker, Ruth (2004): Raum: Feministische Kritik an
Stadt und Raum. In: Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hg.):
Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung.
Theorie, Methoden, Empirie.
Wiesbaden: 652-664.
Ernst, Waltraud (2007): Möglichkeiten (in) der Stadt.
Überlegungen zur Öffentlichkeit und Privatheit
geschlechtlicher Raumordnungen.
In: Feministisches Kollektiv (Hg.).
Street Harassment. Machtprozesse und Raumproduktionen,
Mandelbaum, Wien: 75–92.
Wastl-Walter, Doris (2010): Gender Geographien.
Geschlecht und Raum als soziale Konstruktionen.
Franz Steiner Verlag, Stuttgart.
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