Der Weg von einem Erholungsgebiet für wenige hin zu einem qualitätsvollen Freiraum der Nachbarschaft Carola Hesse Den öffentlich zugänglichen Freiraum Schmelz kenne und nutze ich persönlich seit etwa 11 Jahren. Da ich Anrainerin der Schmelz bin, stellt sie für mich auch den wichtigsten fußläufig erreichbaren Freiraum dar. In meiner Rolle als regelmäßige private Nutzerin, aber auch als am Ende des Studiums angelangte Landschaftsplanerin und Landschaftsarchitektin, sind mir Veränderungen auf der Schmelz, wie beispielsweise der Bau des Wohnheims, die zunehmende Flächenversiegelung innerhalb der Kleingartenanlage und die weitere zeitliche Einschränkung der Zugänglichkeit ihrer Gangwege für die Öffentlichkeit in den letzten Jahren nicht entgangen. Vor gut einem Jahr nahm ich daher diese Veränderungen zum Ausgangspunkt für meine Masterarbeit an der Universität für Bodenkultur Wien. Darin geht es vor allem um die Frage, welche Qualitäten die Freiräume der Straßen und Wege im Bereich der Schmelz aufweisen, welche Handlungsfreiräume für NutzerInnen vorliegen und welche Ansprüche diese an den Freiraum Schmelz haben. Die Masterarbeit bildet die Grundlage für den hier vorliegenden Beitrag. Durch ihn soll ein kurzer 8 berblick darüber Ü geben, womit ich mich beschäftige und zu welchen Erkenntnissen ich bisher gekommen bin. Als Freiraum ist die Schmelz von überregionaler Bedeutung – wenn wir an das Universitätssportzentrum, die ASKÖ-Sportanlage oder auch das Schutzhaus denken. In erster Linie aber ist Fehlender Zebrastreifen über die Gablenzgasse die Schmelz für die zumeist (Quelle: HESSE 2015) in Wohnungen lebenden AnrainerInnen von wesentlicher einen Anreisefußweg von 5 bis 15 Minuten. Gerade Bedeutung. für sie – die AnrainerInnen und NachbarInnen des Viele von ihnen verfügen einerseits nicht über einen Grätzels – stellt die Schmelz also einen sehr wicheigenen Garten oder Balkon, welche beide, wenn tigen fußläufig erreichbaren Freiraum dar. auch räumlich begrenzt, einen Aufenthalt im FreiIn diesem Zusammenhang wurde zuerst unteren, Gärtnern, Sonnenbaden etc. oder schlichtsucht, wie einfach und sicher die Schmelz zu Fuß weg die geringfügige Erweiterung der eigenen über die Stutterheimstraße, die Oeverseestraße, vier Wände ermöglichen würden. Andererseits gibt den Straßenzug „Auf der Schmelz“/Possingergasse es in der Umgebung der Schmelz nicht allzu viele und die Gablenzgasse erreicht werden kann. Dabei öffentliche Freiräume, die ein wenig Ruhe vor zeigte sich, dass besonders die beiden hochrander Alltagshektik und dem Verkehrslärm bieten, gigen Straßen – Gablenzgasse und die Straße in denen vor einem etwas grüneren Hintergrund „Auf der Schmelz“ – eine starke Barrierewirkung Spazierengehen oder Joggen möglich ist, oder aufweisen. Dies resultiert einerseits aus der erhöhten auch Kinder Gelegenheit finden, im Freien relativ Fahrgeschwindigkeit der Kraftfahrzeuge (50 km/h), sicher zu spielen. Kostenfreie Freiraumangebote dem hohen KFZ-Aufkommen, einer unzureichenden für Jugendliche sind sogar noch rarer. Anzahl von Zebrastreifen und zum Teil auch aus unFUSS- UND RADVERKEHR IM BEREICH zureichend breiten oder abschnittsweise fehlenden DER SCHMELZ bzw. nur einseitig vorhandenen Gehsteigen. Wie wichtig die Schmelz für AnrainerInnen und die Bevölkerung in der Nachbarschaft ist zeigte eine Die Stutterheimstraße und Oeverseestraße hingeNutzerInnenbefragung, die ich im Rahmen der gen sind als Tempo-30-Zonen ausgewiesen und Masterarbeit durchführte. Sie ergab u.a., dass 93 generell weniger stark befahren. Doch auch hier liegt von 106 befragten Personen zu Fuß auf die Schmelz abschnittweise und punktuell Handlungsbedarf vor. kommen. 56 von ihnen haben einen Anreisefußweg In der Landschafts- und Freiraumplanung wird von maximal fünf Gehminuten und 15 von ihnen ein Straßenfreiraum nicht allein als Verkehrsfläche v erstanden, auf der einzig und allein ein Weg von A nach B zurückgelegt werden kann. Gerade für FußgängerInnen eines jeweiligen Grätzels ist er vielmehr Weg und Ort zugleich: Vielleicht trifft man ein bekanntes Gesicht und bleibt für ein kurzes Gespräch stehen oder eine schwere Einkaufstasche muss kurz abgestellt werden. Besonders für Kinder sind die Gehsteige vor der Haustür wichtig, da sie sich von dort aus Schritt für Schritt ihr Wohnumfeld erschließen. In welchem Umfang der Straßenfreiraum aber zum alltagstauglichen Ort für seine NutzerInnen werden kann, ist u.a. davon abhängig, wie breit und sicher die Gehsteige sind, inwiefern Verkehrslärm eine Unterhaltung problemlos möglich macht und ob es unter Umständen sogar eine schattige Sitzbank gibt, auf der man sich besonders an heißen Sommertagen kurz niederlassen oder seine Einkaufstasche abstellen kann. Die anteilsmäßige Flächenverteilung im Straßenfreiraum für Autofahren, Parken, Zufußgehen und Radfahren hat bei allen vier, die Schmelz umrahmenden Straßen, gezeigt, dass der KFZ-Verkehr bevorzugt wird. Aufgrund der derzeitigen Ausstattung und Gestaltung sowie aufgrund der hohen KFZ-Mengen im Bereich der Gablenzgasse und der Straße „Auf der Schmelz“ können diese Straßenfreiräume ihre zweite Funktion, Ort zu sein, kaum entfalten. Für FußgängerInnen, welche über die Schmelz beispielsweise ihre Wege abkürzen möchten, aber auch generell für gute Verbindungen und Wahlmöglichkeiten im Quartier, ist es wichtig, dass eine gewisse Durchlässigkeit vorliegt. Hierunter ist zu verstehen, dass, um möglichst schnell und unkompliziert zu Fuß von A nach B zu kommen, eine ausreichende Anzahl an frei zugänglichen Wegen vorliegen muss, bei denen auch leicht erkannt werden kann, welche potentiellen Routen tatsächlich zum Ziel führen. Die Untersuchung der Schmelz hat zu diesem Punkt ergeben, dass zwar nach außen hin, also in das umliegende Stadtgebiet, eine gewisse Durchlässigkeit Die permanent öffentlichen Zugänge der Schmelz (Quelle: HESSE 2015 verändert nach STADT WIEN VIENNA GIS 2015) vorliegt, nach innen hin jedoch nicht. Dies wird dadurch hervorgerufen, dass die Schmelz nur über drei permanent öffentlich zugängliche Wegachsen mit sechs Zugängen erschlossen ist. Da die Gangwege der Kleingartenanlage nur für fünf Monate pro Jahr zwischen 9 und 19 Uhr und dann auch nur bei guter Wetterlage von allen genutzt werden können, und zudem die anderen großflächigen Nutzungen auf der Schmelz, wie das Universitätssportzentrum, das ASKÖ-Gelände und das Bundesrealgymnasium gar nicht öffentlich begangen werden können, werden längere bis lange Wege für FußgängerInnen aber auch für RadfahrerInnen generiert. Mit der seit 2012 geltenden neuen Parkraumbewirtschaftung im Bezirk hat sich die Stellplatzsituation in den die Schmelz umrahmenden Straßenfreiräumen verbessert. Insbesondere entlang der Oeverseestraße und Stutterheimstraße sind die dortigen Längsparkstreifen heute nicht mehr voll belegt. Gerade hier würden sich leichter Maßnahmen zur qualitativen Aufwertung des Straßenfreiraums vornehmen lassen. Beispiele für Handlungsbedarf im Bereich Fuß- und Radverkehr: •V erbesserung der Ausstattung und Gestaltung der Straßenfreiräume im Umgebungsbereich der Schmelz mit einem Fokus auf Fuß- und Radverkehr (betrifft Verkehrsanlagen, Zonierungen, Vegetation und Bereiche die einem potentiellen Aufenthalt dienen können) • Erhöhung der generellen Durchlässigkeit für den Fußverkehr durch die Schmelz (betrifft Universitätssportszentrum, ASKÖ-Anlage und insbesondere die Kleingartenanlage) • Erhöhung der Durchlässigkeit der Umgebung der Schmelz für den Radverkehr (betrifft Verkehrsanlagen, Radfahren gegen die Einbahn) 9 DIE SCHMELZ ALS ERHOLUNGSGEBIET UND „GRÜNE LUNGE“: In Beschreibungen wird die Schmelz häufig als wichtiges Erholungsgebiet und grüne Lunge bezeichnet. Daher wurde untersucht, wer tatsächlich von diesem Erholungsgebiet Gebrauch machen kann. Hier hat sich beispielsweise gezeigt, dass die Zugänglichkeit sämtlicher Flächen auf der Schmelz – mit Ausnahme der drei permanent öffentlichen Wegachsen – durch unterschiedlichste Faktoren reglementiert wird. Ohne an dieser Stelle auf baulich hergestellte Grenzen wie Zäune eingehen zu wollen, sind es in erster Linie anfallende Kosten, die eine Nutzung ermöglichen oder verhindern. Weitere Faktoren sind u.a. Zeiten (Jahres- oder Tageszeiten) oder auch Bildungsstand und Bildungsfortschritt. Daten von Statistik Austria 1 folgend wies der 15. Bezirk 2011 im stadtweiten Bezirke-Vergleich den geringsten durchschnittlichen Jahresbezug pro ArbeitnehmerIn auf (lohnsteurpflichtige Einkommen von Frauen und Männern). Eine höhere Schulbildung hat nur etwa ein Drittel der Bevölkerung im Bezirk und der AusländerInnenanteil ist höher als in allen andern Bezirken Wiens 2. Wird dies nun in Zusammenhang mit den Reglementierungen auf der Schmelz gebracht, stellt sich heraus, dass gerade für diese BewohnerInnen des Bezirks eine Nutzung der Erholungsflächen auf der Schmelz nur erschwert möglich ist oder gar nicht in Frage kommt. Auch die Bezeichnung der Schmelz als „grüne Lunge“ wurde näher beleuchtet: Im Vorlagenbericht des Flächenwidmungsplans 7829 wurde ausdrücklich empfohlen, dass es den „Charakter und Ausmaß des Grünraums auf der Schmelz unbedingt zu erhalten gilt“. Im Vergleich zum dicht bebauten Stadtgebiet kann die Schmelz zwar gewiss noch als „grüne Lunge“ bezeichnet werden, doch geht auf Grundlage einer qualitativen 10 auf den Parzellen. Großbäume sind generell nicht erlaubt und durch die Herstellung von gebundenen Wegedecken, Terrassen, größerer Häuser und Nebengebäude oder Pools nimmt der Grünflächenanteil sukzessive ab. So mancheR KleingärtnerIn hat sich auf der Schmelz den Traum vom „Wohnen im Grünen“ bereits erfüllt. Dass Stark versiegelte Kleingartenparzelle mit zwei-geschossigem damit ebenso negative Auswirkungen Kleingartenwohnhaus (Quelle: HESSE 2014) einhergehen, konnte auch durch eine Resolution des Bezirks im November 2013, Untersuchung von 62 Kleingartenparzellen die in der sich dieser gegen die genannte Entwicklung Entwicklung in der Kleingartenanlage in eine doch aussprach, gegenüber den KleingärtnerInnen nicht etwas andere Richtung als die im Vorlagenbericht ausreichend verdeutlicht werden. Was aber sind empfohlene. diese Auswirkungen im Klartext? Ein Beispiel: Die Kleingartenanlage ist nicht für ganzjähriges Bereits in den Leitlinien des 15. Bezirks 3 von 2001, aber auch in einem abgeschlossenen Wohnen gewidmet. Der maximale Ausbaugrad Agenda-Prozess im Bezirk wurde herausgear für Kleingartenhäuser beträgt daher hier gemäß beitet, dass in Teilen des 15. Bezirks eine quaWiener Kleingartengesetz 35 m2, wobei das Gelitative und quantitative Unterversorgung der setz hier grundsätzlich von einer MindestparzelBevölkerung mit Grünflächen vorliegt und dieslengröße von 250 m2 ausgeht und im Falle kleibezüglich weitere Verbesserungen anzustreben nerer Parzellen den Richtwert nicht reduziert. Eine sind. Neben dem Auer-Welsbach-Park im südliweitere gesetzliche Regelung erfährt die Kleinchen Bezirksteil, zählt die Schmelz zu den zwei gartenanlage über eine textliche Bestimmung im größten Grünflächen des Bezirks. Wiewohl nur Flächenwidmungsplan, gemäß welcher der Anein geringer Teil der Schmelz öffentlich zugänglich teil an bebauter Fläche einer Kleingartenparzelle ist, so hat sie doch insgesamt eine Bedeutung in maximal 20 % betragen darf. Die Untersuchung Bezug auf die Vielfalt von Arten und Ökosystemen vor Ort ergab, dass rund 90 % der 62 erhobenen im Bezirk, aber vor allem auch in klimatischer Kleingartenparzellen auf der Schmelz eine kleineHinsicht, wovon wiederum alle NutzerInnen und re Grundfläche als 250 m2 aufweisen und sich AnrainerInnen der Schmelz profitieren können: trotz der gesetzlichen Vorgaben eine Entwicklung Nicht zuletzt gemäß dem IPCC (Intergovernhin zu ganzjährigem Wohnen feststellen lässt. Die mental Panel on Climate Change) 2014 sind Folge sind eine zunehmende Versiegelung der der menschliche Einfluss auf das Klimasystem Flächen und, im Rückschluss, eine Abnahme des der Erde und die Erwärmung des Klimasystems Grünflächenanteils. wissenschaftlicher Konsens 4. Ebenso einig ist man sich darüber, dass eine Änderung des KliDa das Wiener Baumschutzgesetz für Obstgehölze mas nicht mehr aufzuhalten ist, sondern maximal allgemein, aber in Kleingartenanlagen generell gar die Auswirkungen gemindert werden können 5. nicht zur Anwendung kommt, finden sich gerade Dass eine Anpassung an den Klimawandel auch nach Neubautätigkeiten immer weniger Gehölze in der wachsenden Stadt Wien eine Notwendigkeit ist, kann beispielsweise im jüngst veröffentlichten „Fachkonzept Grün- und Freiraum“ des Wiener Stadtentwicklungsplans 2025 nachgelesen werden. Dass eben u.a. Straßenfreiräume, öffentliche Parks und private Gärten neben ihrem sozialen, ästhetischen sowie ernährungsrelevanten Wert eine wesentliche Bedeutung als „Lunge“ der Stadt und für ihre Bevölkerung haben können, wird im ebenfalls vor kurzem erschienen Boden atlas 6 der Heinrich Böll Stiftung auf den Punkt gebracht: Regenwasser kann auf versiegelten Flächen – im Gegensatz zu unversiegelten Flächen – nicht versickern. Gebäude und z.B. geteerte Flächen absorbieren Sonneneinstrahlung, und Fahrzeuge, Heizungen und Klimaanlagen etc. erzeugen zusätzliche Wärme. Dadurch kommt es zur Ausbildung von Wärmeinseln in der Stadt. Dass bedeutet, dass es aufgrund dieser Einwirkfaktoren tagsüber zwischen ein und vier Grad und nachts teilweise sogar zehn bis fünfzehn Grad wärmer sein kann als in der Umgebung. Durch Vegetation hingegen wird Luft abgekühlt, Schatten geboten und die Luftqualität verbessert. Nimmt also die Versiegelung der Grünflächen auf der Schmelz weiter zu, dann werden alle NutzerInnen und AnrainerInnen auf die ein oder andere Weise von den Auswirkungen betroffen sein. Bei einem Spaziergang durch die Kleingartenanlage lässt sich beispielsweise schon heute beobachten, dass Klimaanlagen mehr und mehr zur Grundausstattung neuer Häuser gehören, Dach- und Fassadenbegrünungen hingegen nicht. Bei einem Spaziergang auf den drei Hauptwegeachsen oder auf den vorhandenen Gehsteigen der Gablenzgasse, Stutterheimstraße, Oeverseestraße und Possingergasse/“Auf der Schmelz“ fällt besonders an heißen Sommertagen auf, das eine Beschattung der Wege nur abschnittsweise oder punktuell vorliegt. Eine Dachbegrünung liegt in nur einem Fall vor – dem neu errichteten Wohnheim beim ASKÖ-Gelände. Beispiele für Handlungsbedarf im Bereich Erholungsgebiet und „grüne Lunge“: • Erhöhung der kostenfreien Zugänglichkeit von Flächen auf der Schmelz • Qualitative Aufwertung der drei öffentlichen Wegachsen (betrifft u.a. Flächen „für alle“ mit Möglichkeiten für Spiel und Sport, Raum für Jugendliche, Abstandsgrünflächen, Ruhe bereiche, Hundezone) • Fortschreitende Flächenversiegelung und Abnahme des Grünflächenanteils im Bereich der Kleingartenanlage unterbinden (betrifft u.a. Sicherung der derzeitigen Widmung, Kontrollen hinsichtlich der Einhaltung gesetzlicher Regelungen – vor Ort – seitens der Baupolizei, neue Überlegungen hinsichtlich Kleingartenanlagen im Wiener Baumschutzgesetz, Ausgleichsmaßnahmen, Grünraummonitoring) • Allgemeine Erhöhung des Vegetationsbestandes im Bereich der Schmelz und den angrenzenden Straßenfreiräumen • Sinnvoller Einsatz versickerungsfähiger Bodenbeläge • Schaffen von Flächen, die von interessierten garten- und balkonlosen AnrainerInnen der Schmelz für den Anbau von Obst, Gemüse etc. genutzt werden können – beispielsweise nach dem Konzept „Essbare Stadt“ ZUM ABSCHLUSS Seit ihrer Zeit als Exerzier- und Paradeplatz hat sich die für die Öffentlichkeit nutzbare Fläche der Schmelz Schritt für Schritt verändert und verkleinert. Die Forderung der Bevölkerung nach einem Park, Rasenflächen und Platz zum Spielen für Kinder ist keine, die erst in den letzten Jahren aufgekommen ist. Vielmehr ist sie nach über hundert Jahren noch immer nicht verklungen. Insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels und unter Berücksichtigung der Dauer, die beispielsweise ein Baum benötigt, um eine gute Schattenwirkung zu entfalten, erhält diese Forderung heute noch ein ganz anderes Gewicht. Für mehr Lebensqualität im Quartier bedarf es entsprechend qualitätsvoller Grün- und Freiräume im unmittelbaren Wohnumfeld, die vor allem zu Fuß und mit dem Rad bequem sowie sicher erreicht werden können und die für alle BewohnerInnen gleichermaßen zugänglich sind. Die Aufgabe einer vorausschauenden Freiraumplanung ist dabei, die alltäglichen Ansprüche und Bedürfnisse der NutzerInnen mitzudenken und rechtzeitig erforderliche Maßnahmen anzuregen. Auf der Schmelz liegt Handlungsbedarf auf ganz unterschiedlichen Ebenen vor; im Rahmen dieses Beitrages wurde diesbezüglich ein überblicksmäßiger Einblick gegeben. Den Handlungsbedarf aber nicht nur wahrzunehmen, sondern sich ihm in Form entsprechender Maßnahmen auch anzunehmen, ist spätestens ab diesem Punkt Aufgabe der Politik und der entsprechenden EntscheidungsträgerInnen. Der Verein FRISCH steht dabei gerne als Partner zu Verfügung. Quellen: 1 vgl.: https://www.wien.gv.at/statistik/arbeitsmarkt/tabellen/ einkommen-gesamt-bez.html 2 vgl.: Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien - Bezirksportraits 2013, S. 305 3 vgl.: Rudolfsheim-Fünfhaus – Leitlinien für die Bezirksentwicklung 2001, S. 35 4 siehe: http://www.ipcc.ch/ 5 siehe: http://www.bmlfuw.gv.at/umwelt/klimaschutz.html 6 vgl.: http://www.boell.de/de/2015/01/05/bodenatlas-datenund-fakten-ueber-acker-land-und-erde, S. 46 11 Der Weg zur sanften und flexiblen Raumgestaltung Angelika Wolf Wie soll ein geeigneter Freiraum für alle SchmelznutzerInnen aussehen? Wie soll der Raum beschaffen sein und was soll er bieten? In den letzten zwei Jahren habe ich mich als Schmelznutzerin und als Kultur- und Sozialanthropologin mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Die Stadt und auch der Bedarf an Grünraum wachsen. Immer mehr Menschen aus den verschiedensten Bezirken nutzen den Grünraum Schmelz als Erholungsort und für sportliche Aktivitäten. Deshalb ist es unser Anliegen, den geringen Anteil an öffentlich zugängigen Flächen erheblich zu erweitern und auch mittels der Gestaltung von multifunktionalen Flächen mehr Raum mit verbesserter Aufenthaltsqualität für alle zu schaffen. FRISCH ist ein einzigartiges Projekt, das eine neue Richtung einschlägt: wir möchten zusätzlich zu diesen Zielen auch neue Wege bei der BürgerInnenbeteiligung gehen und den Gestaltungsprozess sowie die Umsetzung begleiten. Um eine qualitativ hochwertige Gestaltung zu ermöglichen ist es sinnvoll, historische und gegenwärtige Nutzungsformen aufzugreifen und sie gemeinsam mit den AnwohnerInnen und NutzerInnen der Schmelz weiterzuentwickeln. Dies gewährleistet, dass der Raum sanft und seinem Wachstum entsprechend gestaltet wird. Besonderer Fokus soll dabei auf die Bedürfnisse aller Altersgruppen unter besonderer Beachtung 12 genderspezifischer Aspekte und benachteiligter Bevölkerungsgruppen gelegt werden. Auf jeden Fall soll verhindert werden, dass unpassende Nutzungskonzepte übergestülpt werden, die mitunter dazu führen, dass Einrichtungen auf den Flächen wenig genutzt werden oder nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen verwendbar sind. Um die knappen Grün- und Erholungsflächen multifunktional verwendbar zu machen, ist es wichtig, Nutzungsüberschneidungen und Synergien zu identifizieren. In neueren Konzepten etwa werden deshalb Spielplätze renaturiert. Naturnahe Wiesen können so Spiel-, Liege- , Kräuter- oder Schmetterlingwiesen sein und somit von Tieren und von Menschen aller Altersgruppen gleichzeitig genutzt werden. Ein weiteres Argument, die Grünflächen der Schmelz zu erhalten und zu verbessern, sind die ökologischen Aspekte: Begrünte Flächen werden im Hinblick auf den Klimawandel immer wichtiger, sie dienen als Katalysator in dicht bebauten Gegenden, schaffen angenehmes Klima und reinigen die Luft. Die Schmelz stellt einen wichtigen Grünraum inmitten der Stadt dar, welcher nicht weiter ausgebaut und nicht weiter versiegelt werden darf! Auch in der Umgebung der Schmelz soll die Lebensqualität erheblich gesteigert werden. Pufferzonen und die Verkehrsberuhigung der stark befahrenen Straßen rund um die Schmelz sind unumgänglich. Der Weg auf die Schmelz muss für FußgängerInnen und RadfahrerInnen sicherer1 und attraktiver gestaltet werden. Dazu bieten sich verschiedene Maßnahmen an: Spielstraßen und Begegnungszonen an den verkehrsarmen Straßen, Ausbau des Radnetzes und Verbreiterung sowie Begrünung der Fußwege. An Weidenhütte von Mädchen gebaut. (Isle of Wight, Foto Angelika Wolf) den verkehrsreichen Straßen sollen Maßnahmen wie Busspur, Tempo 30, Schwellen und zahlreiche Überquerungsmöglichkeiten gesetzt werden. Die Erholungszonen und die Verbesserung der Freiflächenqualität sollen somit auch nach außen diffundieren, um die Aufenthaltsqualität im Umfeld zu verbessern und durch Lärm- und Schadstoff reduktion die Lebensqualität im 15. und 16. Bezirk zu erhöhen. AUFENTHALTSFORMEN AUF DER SCHMELZ Spazierengehen, Laufen und Walken Sich schnell oder langsam bewegen, mit dem Kind spazieren gehen, Fahrradfahren lernen, Gedanken ordnen, frische Luft schnappen, die Sonne genießen oder mit dem Hund Gassi ge- Mensch und Tier Was gibt es noch zu sehen? Sind Sie schon einmal dem Schmelzfuchs begegnet, der auf dem Gelände der USI wohnt? Oder haben Sie schon einmal den Schmelzhonig gekostet und die verschiedenen Vogelarten und das Gezwitscher im Frühling erlebt? Die Schmelz ist nicht nur Raum für Menschen, sondern stellt auch einen wichtigen Lebensraum für Wildtiere und Pflanzen dar, der geschützt und durch naturnahe Gestaltung der Flächen erweitert werden soll. Sträucher und Bäume, die als Lebensraum und als Nahrung etwa für Vögel, Schmetterlinge und Insekten dienen, sollen gezielt angelegt werden. (Zu)schauen Erstes Sonnenbad auf den Steinhofgründen (Wien, Foto Angelika Wolf) hen sind einige von vielen Gründen, die Schmelz aufzusuchen. Besonders das Spazieren entlang der Gärten ist attraktiv. Man kann die Bepflanzungen bewundern und leicht ins Gespräch kommen über Pflanzen, Obst und Allfälliges. Um die spazierbaren Meter und die Interaktion mit den GärtnerInnen zu erhöhen ist es sinnvoll, die Öffnungszeiten der Wege zwischen den Gärten zu verlängern und verbindliche Öffnungszeiten (auch bei Schlechtwetter) zu schaffen. Soziale Kontrolle ist die beste Einbruchsprävention! Leider ist es derzeit nicht möglich, innerhalb der Schmelz eine zusammenhängende Runde gehen oder laufen zu können. Man muss auf die stark befahrenen Straßen ausweichen oder sich zwischen den Wegen hin und her bewegen. Ein geschlossener Lauf- und Bewegungsparcours für LäuferInnen und WalkerInnen mit unterschiedlichen Bodenbelägen würde eine erhebliche Verbesserung bringen. Die Vielfalt der Bodenbeschaffenheit (leichte Anhöhen, Sand, Kies oder erdiger Boden) können den Aufenthalt haptisch spannender und abwechslungsreicher gestalten. Angedacht ist dafür unter Anderem die Öffnung der �Schmelzhöhe“ 2 auf dem ASKÖ Gelände, die zwischen den beiden Fußballfeldern über einen Hügel mit Wiesen und an den Volleyballfeldern vorbei auf den Hauptweg zurückführt. Die nordische Laufbahn am Rande des USI-Gländes liegt leider hinter Zäunen und findet im Vergleich zu den Gehwegen nur wenig Verwendung. Schön wäre es, auch ihn einbeziehen zu können. Die sportlichen Aktivitäten der Sportvereine ziehen Schaulustige an. Am Wochenende kann man den Fußball- und Hockeyspielern zusehen und dabei etwas essen und trinken. Das Beachvolleyballfeld im hinteren Teil der ASKÖ vermittelt eine Art Urlaubsflair mit aufgeschüttetem Sand. Das Potential dieses Platzes soll besser für ZuschauerInnen und MitspielerInnen genutzt werden. Leider sind nur im Sommer bei Feriensportevents alle Tore der Schule, des USI- und des ASKÖ Geländes geöffnet. Dann aber tummeln sich dort zahlreiche ZuschauerInnen und SportlerInnen und das Gelände lebt im wahrsten Sinne des Wortes auf! Seit einiger Zeit gibt es auch einen Kleingarten am Hauptweg, der gut einsehbar ist und als großer Gemüsegarten genutzt wird. Dort beobachtete ich schon öfter Eltern mit Kindern und PenionistInnen, welche sich miteinander über die verschiedensten Gemüsesorten unterhielten. Die Interaktion und das Wissen über Bepflanzungen kann durch Schaugärten ausgebaut werden. Man könnte auch einen jährlichen Wettbewerb bezüglich Nutzgärten und naturnaher Gärten andenken. 13 Eine weitere Möglichkeit des Zuschauens und Mitwirkens bieten kulturelle Aktionen. Ausstellungen, Straßentheater oder eine Bücherbox regen zum Schauen und Verweilen ein. Garteln auf der Schmelz Seit jeher dienten die Kleingärten der Versorgung der Stadtgesellschaft mit Obst und Gemüse. In schwierigen Zeiten wurden etwa Obstsackerln an die „Stadtkinder“ verschenkt. Hier gibt es meiner Meinung nach Ansatzpunkte, Projekte in abgewandelter Form wiederzubeleben. Gemeinsames Ernten und Verarbeiten von Obst oder Gemüse könnten in Betracht gezogen werden. Der Wunsch nach „Community Gardening“ macht auch vor der Schmelz nicht halt. Dazu sollen öffentlich zugängige Flächen und Gärten zur Verfügung gestellt werden. „Gemeinsames Garteln“ sorgt für Lernen, Wissensaustausch und Miteinander in Kontakt kommen, und für frisches Obst und Gemüse. Des Weiteren kann die Schmelz als Naschgarten dienen, bestückt mit Himbeeren, Stachelbeeren, Ribiseln, Dirndln oder Obstbäumen wie Kirschen, Marillen und Äpfeln, damit auch Stadtkinder erleben können, wie frisches Obst gedeiht und schmeckt. Sonne tanken Wenn die ersten Sonnenstrahlen hervorkommen, sieht man, wie sich zahlreiche Personen ausgestreckt auf einer Parkbank räkeln, um ein Sonnenbad zu genießen. Hierfür wären Liegeflächen (Wiesen) und Liegebänke oder -stühle nötig (wie etwa im Donaupark). Es wäre auch möglich, Liegemöglichkeiten mit einem Künstler oder einer Künstlerin selbst zu gestalten. 14 Naturnahe, multifunktionale und offene Spielfläche (Zürich, Foto Angelika Wolf) Tai Chi und Yoga Immer wieder trifft man auf Personen, die auf den kleinen Rasenflächen etwa beim neuen ASKÖ-Gebäude ihre Übungen absolvieren. Dafür muss mehr Raum geschaffen werden. Auch im Hinblick auf die geringe Quadratmeteranzahl der für Frauen nutzbaren (Sport )Außenflächen ist es von zentraler Bedeutung, diese in die konzeptionelle Planung vorrangig mit einzubeziehen. Diese Flächen sollen begrünt, geschützt, relativ ruhig und eventuell mit duftenden Sträuchern oder einer Wasserquelle umgeben sein. Spielen für alle Altersgruppen Ein großes Anliegen ist mir die Verbesserung des Spielplatzes! Zugang und Nutzungsmöglichkeiten für alle Altersstufen müssen gewährleistet sein. Beispiele hierfür könnten Naturspielplätze mit Materialien sein, die zum Selbergestalten anregen. Vorgegebenes, Geräte zur „Monobenutzung“ für Kinder eines bestimmten Alters oder Geschlechts, welche lediglich zum Konsumieren einladen, sollen hintangehalten werden. Vielmehr sollen Materialien und Angebote, die zum Selberbauen und -gestalten anregen, wie Holz, Sand, Erde, Luft, Wasser, Stein und Metall verfügbar sein. Der neue Spielraum soll gemeinsam mit den AkteurInnen der Schmelz entwickelt werden und die Kreativität, das Selbsterleben und selbstverantwortliches Handeln altersübergreifend gefördert werden. Damit bieten wir Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und PensionistInnen einen Raum zur Selbstverwirklichung und zur aktiven Teilhabe an. Durch gemeinsames Tun eingebunden sein heißt für mich auch, soziale Verantwortung zu übernehmen, meinsame Erleben, was in der heutigen Gesellschaft und im Alltag oftmals zu kurz kommt. Ich denke dabei etwa an ein gemeinsames Bauen oder daran einen Hindernisparcours zu bewältigen, wo vielleicht auch einmal die Kinder ihre Eltern stützen. Des Weiteren würde ich mir auf der neu zu gestaltenden Piazza eine Sitz-, Ruheund Plantschzone für alle Generationen wünschen. Schaukeln, Hängematten und Rutschen für alle! Tai Chi auf engstem Raum (Schmelz, Foto Angelika Wolf) sich in Beziehungen zu erproben und sich selber zu erleben. Das ermöglicht, eigene Ressourcen zu entwickeln und zu erkennen, welche für den weiteren Lebensweg von Bedeutung sind. Die Identifikation mit dem eigenen Lebensumfeld kann somit erheblich gefördert werden. Sie kann die eigene Lebensqualität und die soziale Sicherheit stärken, das Verantwortungsgefühl für das Umfeld und für die Mitmenschen erhöhen und letztlich auch Beschädigungen, Vandalismus und Gewalt gegen Dinge und Menschen minimieren und verhindern. Die Abschottung und Trennung des Spielplatzes durch Zäune soll aufgehoben werden. Auch älteren Personen soll die Möglichkeit gegeben werden, am bunten Treiben teilzuhaben. Es könnten etwa Spielsachen gemeinsam mit Eltern, Omas und Opas genutzt werden. Dies fördert auch das ge- Um dieses Konzept der generationenübergreifenden Mehrfachnutzung umzusetzen, benötigt es die Öffnung der ungenutzten Grünflächen, die derzeitig nicht zugängig sind oder die nur einer einzelnen speziellen Nutzung zugeführt werden. Die Stadt wird enger, wir müssen mit den freien Flächen haushalten und sie multifunktional nutzen. Auf der Schmelz soll es Flächen geben für Bewegungszonen, Bewegungsparcours, Veranstaltungs flächen, Bereiche für künstlerische Aktivitäten, Lesezonen, Yoga- und Ruhezonen, Aufenthaltsbereiche für Jugendliche, geschützte Bereiche für Mädchen (z.B. Pavillions, Weidehäuschen), Spielbereiche für Jung und Alt, Sitzgruppen für Gesellschaftsspiele und zum Lernen sowie „Community Gardening“, Naschgarten und vieles mehr. Dabei soll in der Art der Gestaltung, der Bepflanzung und der Materialverwendung die Vielfalt Vorrang haben. Die Umgestaltung der Schmelz kann so zu einem internationalen Vorzeigeprojekt werden und vor allem die Lebensqualität für alle im 15., 16. und den umliegenden Bezirken erhöhen. 1 Der angrenzende 15. und 16. Bezirk gehören zu jenen mit den höchsten FußgängerInnenunfällen in Wien (AK 2015) 2 … die nach Berichten von älteren SchmelznutzerInnen früher Freiraum fürs Älterwerden auf der Schmelz Inge Palusinski Wenn ich die Augen schließe, sehe ich wie sich die schmalen, eintönigen Durchgangswege der Schmelz in grüne Zonen der Begegnung verwandeln. Ich träume davon, dass diese Zone auf einen Platz zulaufen, der Zentrum und Herzstück für die Menschen auf der Schmelz ist. In meiner zweiten Lebenshälfte angelangt, wünsche ich mir eine offene Schmelz mit möglichst vielen unterschiedliche NutzerInnen und Menschen die SOLIDARISCH WERTSCHÄTZEND UND UNTERSTÜTZEND sind, mich teilhaben lassen an ihrer lebendigen Vielfalt und sozialen Kommunikation. Ich möchte eine offene, grüne Schmelz, die meine – sich im Alter stetig – verändernden Bedürfnisse berücksichtigt, mir Lebensqualität und Freude bietet. Altern soll – aus meiner Sicht – ein interaktiver Prozess sein, der nicht nur in den eigenen vier Wänden, sondern auch im ö ffentlichen Raum seinen Platz findet. Ich möchte mein Bedürfnis nach Ruhe, Kommunikation oder Bewegung teilen mit anderen, die mitten in der Stadt leben und trotzdem auf Grünraum nicht verzichten wollen. frei zugängig war 15 Wege durch die Schmelz Joachim Kräftner Wer die Schmelz durchwandert, der bewegt sich zumeist auf den Wegen, die das Areal in Form strenger Achsen durchziehen. Ähnlich dem Raster in gründerzeitlichen Stadt vierteln, mit ihrer vielfach an funktionalen Aspekten orientierten schachbrettartigen Gestaltung, ermöglichen diese Wegestrukturen eigentlich schnelle Durchquerungen des bebauten Gebietes. Gleichzeitig aber erschliessen Sie die einzelnen Felder zwischen diesen Wegachsen. Auf der Schmelz stellen zwei Hauptachsen die Fortführung von Johnstraße (aus dem Süden kommend) und der Guntherstrasse (von Osten kommend) dar. Stadträumlich betrachtet mündet somit die Hauptachse des Schloß Schönbrunn über die mit einer breiten Baumallee gestalteten Die aktuelle Gestaltung der Wege im Schmelzareal 16 Schloßallee und die Johnstraße mitten in die Schmelz – dem ehemaligen Parade- und Exerzierplatz. Entlang dieser Hauptachsen sind eine Reihe von Funktionen erreichbar: Studentenwohnheim, Sportflächen, Spielplätze und Kleingärten. Das macht die Wege attraktiv: als schnelle Durchquerungsmöglichkeite etwa für RadfahrerInnen, als Laufroute für Sportbegeisterte, oder als Treffpunkt für Eltern mit ihren Kleinkindern – hier ist „immer etwas los“. Die großzügige Breite (vor allem der Nord-Süd-Hauptachse) nimmt dieser Wegeverbindung den Charakter einer Straße – sie wirkt mehr als Platzraum. Nebenwege, die von diesen Hauptachsen ab zweigen, erschließen weitere Sport- und Spiel flächen, das Schutzhaus, oder durchqueren die Kleingartenanlage. Die im Vergleich zu den Hauptachsen schmälere Wegebreite vermittelt sofort eine ruhigere, fast schon private Atmosphäre, mit ruhigen Sitzecken oder liebevoll arrangierten Eingangsbereichen zu dem einen oder anderen Kleingarten. Für die Qualität des Freiraumes Schmelz erscheinen diese unte rsc hi e dl i c he n räumlichen, gestalterischen und funktionellen Qualitäten der Wegeachsen wichtig: Sie sind mehr als nur eine schnelle Durchquerungsmöglichkeit des Gebietes, sie sind ebenso auch nutzbarer und bespielbarer Raum, der Möglichkeiten des Austauschens bietet, soziale Kontakte ermöglicht, oder stille Rückzugsbereiche und Nischen zum Verstecken. Gestalterische Ansätze und Eingriffe in diesen Räumen sollen die Funktionen und Nutzungsmöglichkeiten unterstützen oder ermöglichen und gleichzeitig möglichst viel nutzbaren Raum bzw. Fläche bereitstellen. Die Hauptachsen sollen als solche erkennbar und erlebbar sein, ihre Bedeutung im Wegenetz der Schmelz soll deutlich ablesbar sein. Aktuell schwächen die vorhandenen Strukturen und Gestaltungen diese Prinzipien. Vielfach hat eine „Verlandschaftlichung“ der Wege dazu geführt, dass die nutzbare Fläche weniger geworden ist. Strauchgruppen, Heckenpflanzungen, Restflächen (zumeist als nicht nutzbare Rasenflächen) lassen das stringente, orthogonale Wegeraster nicht mehr erkennen. Dort, wo die Breite und Linearität der Hauptachsen durch Baumreihen oder Alleen verstärkt und unterstrichen werden könnte, lassen uneinheitliche Bepflanzungen oder Möblierungen ein unscharfes Bild entstehen. Dort, wo Baumreihen Schatten bieten könnten und einen qualitätsvollen Freiraum entstehen lassen würden, führt eine über die gesamte Straßenbreite asphaltierte, baumlose Fläche (mit beidseitigen Gehsteigen!) in den Freiraum Schmelz hinein (Verlängerung Guntherstraße). GESTALTUNGSMÖGLICHKEITEN Es bedarf also weiterer Überlegungen, wie die Wegachsen – als wichtiger nutzbarer Raum – gestaltet werden können, zeitgemäß, modern und an den Ansprüchen der Schmelz-NutzerInnen orientiert. Brüßlgasse ACHSE A – Hauptachse Guntherstraße • Richtung: Norden > Thaliastraße/Ottakringerstraße • Süden > Schloss Schönbrunn • Nutzungen entlang der Wegachse: Wohnbau, Sportflächen, Kleingärten, Spielplatz • Überlegungen zu zukünftigen Nutzungen: Anbindung an weiterführende Wegachse Richtung Schloss Schönbrunn • Ausarbeitung eines urbaneren Charakters, lautere Aktivitäten • Promenade mit Baumpflanzungen (Einzelbäume, Allee, Karree) • Spielmöglichkeiten (generationenübergreifend) Sitzbereiche Achse B – Nebenweg Richtung Johnstraße Schemaskizze Wegeachsen in der Schmelz Die Landschaftsplanung und -architektur hat hierfür ein Repertoire an Werkzeugen zur Verfügung. Mit Vegetation, also Bäumen, Baumreihen oder Gehölzgruppen, können Räume gestaltet werden, die räumliche Orientierung oder z.B. Schatten an heißen Sommertagen bieten. Gleichzeitig sind Gehölze wichtige und unverzichtbare Elemente für die Ökologie der Stadt (und der Schmelz): Sie sind Lebensraum für Tiere, kühlen die Umgebungsluft durch Verdunstung und machen den Wechsel der Jahreszeiten für die in der Stadt lebenden Menschen erlebbar. Die Gestaltung der Oberflächen mit ökologisch nachhaltigen Materialien und Baustoffen trägt zur Entsiegelung bei und lässt Regenwasser versickern (z.B. Kiesflächen, wassergebundene Decken). Einheitliches bzw. abgestimmtes, hochwertiges Stadtmobliar sorgt im Stadtteil für Identität, ist robust und pflegeleicht (Sitzbänke, Beleuchtung, Spielmobiliar). Überlegungen zur Gestaltung der Wegeflächen bzw. der Wegquerschnitte zeigen, dass hier vielfältige und gut nutzbare Räume mit viel Potential möglich sind. • Richtung: Norden > Kasernengebäude Nutzungen entlang der Wegachse: Kleingärten, Schutzhaus • Überlegungen zu zukünftigen Nutzungen: Anbindung an weiterführende Wegachse Richtung Burjanplatz/Stadthalle • ruhigere Aktivitäten • wo möglich Baumpflanzungen (Einzelbäume, Allee, Karree) • vielfältig „nutz-/essbare“ gemischte Heckenpflanzung • Sitzbereiche mit Aufenthaltsqualität Achse C – Hauptachse • Richtung: Osten > MQ/Innenstadt • Nutzungen entlang der Wegeachse: Sportflächen, Kleingärten • Überlegungen zu zukünftigen Nutzungen: im Abschnitt z.T. C2/C3 Öffnung der Zäune • Piazza (Abschnitt C2) • Mensagastgarten (Abschnitt C3) • ruhigere Aktivitäten • wo möglich Baumpflanzungen (in Kadern oder Reihen) • Sitzbereiche mit Aufenthaltsqualität 17 ASPEKTE BEI DER MATERIALWAHL QUALITÄTEN VON BAUMPFLANZUNGEN Ökologie: ökologisch unbedenkliche Baustoffe (Entsiegelung, Versickerung), wasser- und luftdurchlässige, teilweise begrünte Flächenbefestigungen Vorschläge für die Betonung der Wegachsen durch Baumpflanzungen in Reihen, versetzt oder im Karree (abhängig von Wegbreite) Durch das Freimachen der Wegachsen (Entfernung von Strauchunterwuchs), wird zusätzlich nutzbarer Raum gewonnen. In diesem können neue Bäume gepflanzt werden: gestalterische Betonung der Wegachsen, Beschattung, langlebige Gehölzelemente. Baumpflanzungen können als Einzelbäume, in Reihen oder Alleen vorgenommen werden. Ästhetik: atmosphäregebende Materialwahl (einheitliches Design, „Ausstattungskatalog Schmelz“, Wiedererkennungswert) Sozial: Außenmöbel im Eigenbau (unter Anleitung von Fachkräften), Pflanzbeete zur Bewirtschaftung (Pflanzen als Gemeinschaftsbildner) Vegetation, Bestand Baumkarrees, Achse A 18 Baumallee, Achse A, C Allee mit versetzten Reihen, Baumreihe, Achse A, C Achse A, B, C ACHSE B – GESTALTUNGSIDEEN WEGEFLÄCHEN Problem: wenig nutzbare Fläche, „Verlandschaftlichung‟ der Wegeflächen Vorschläge: Freie Blickachsen, lineares Design der Wegeführung, Einsichtigkeit, Flächen für unterschiedliche Nutzungen öffnen Kleingärten Kleingärten Begegnungszone bzw. Faire Zone (FußgängerInnen und Rad nicht getrennt geführt) mit abwechselnd linearen Pflanzbeeten und Sitzbereichen, Vergrößerung der begehbaren Fläche Weg Weg Kleingärten Kleingärten ACHSE C – GESTALTUNGSIDEEN WEGEFLÄCHEN Bestandssituation Vorschlag FußgängerInnen Fahrbahn Begegnungszone bzw. Faire Zone (FußgängerInnen, Rad gemeinsam geführt) Begegnungszone (Fahrbahnbreite 3,6m) FußgängerInnen ACHSE C – GESTALTUNGSIDEEN Gestaltungsideen: Aufweitung des nutzbaren Wegquerschnittes Problem: wenig nutzbare Fläche < Sportplatz Kleingarten > ACHSE A – GESTALTUNGSIDEEN Problem: kein stringentes Design, fehlende Atmosphäre < Sportplatz Sportplatz > < Sportplatz Kleingarten > Erweiterung der nutzbaren Fläche, Begegnungszone, Sitzstufen, Sitzbereiche, „Ausblickspunkte“ Richtung Sportplatz, Aufastung des Bestands, Baumpflanzungen Gestaltungsideen: Aufweitung durch Baumpflanzungen und attraktive Aufenthaltsbereiche < Sportplatz Begegnungszone, Sitzbereiche, offene Fläche für unterschiedliche Aktivitäten, Baumreihen oder Baumkarree 19 ACHSE B – GESTALTUNGSIDEEN WEGEFLÄCHEN Problem: wenig nutzbare Fläche < Kleingarten Gestaltungsideen: Aufweitung des nutzbaren Wegquerschnittes Kleingarten > < Kleingarten Kleingarten > Sitzbereiche, Baumreihe ACHSE C – GESTALTUNGSIDEEN WEGEFLÄCHEN < Kleingarten Kleingarten > < Kleingarten Kleingarten > < Kleingarten Kleingarten > Begegnungszone, Pflanzbeete für Urban Gardening, Sitzbereiche < Kleingarten Kleingarten > < Kleingarten Kleingarten > < Kleingarten Begegnungszone, Heckenpflanzungen als Sichtschutz, Baumreihen 20 Kleingarten > Die Schmelz – ein Raum für alle? Elisabeth Eder Frauen in Heim und am Herd, Männer draußen in der Öffentlichkeit: seit dem Beginn der Industrialisierung haben sich die Gegensatzpaare öffentlich=männlich und privat=weiblich heraus gebildet. Auch heute noch sind Frauen und andere Gruppen im öffentlichen Raum an den Rand gedrängt oder verspüren zuweilen Angst. Aber auch Männer fühlen sich nicht so sicher, wie sie meist auftreten. Studien ergeben zwar immer wieder, dass Frauen zu Hause mehr Gefahr durch Gewalt droht als in der Öffentlichkeit, trotzdem bewegen sich Frauen noch immer ganz anders als Männer im öffentlichen Raum. Ihre Lebensrealitäten sind durchschnittlich zu einem größeren Teil als die von Männern mit Hausarbeit, Kindererziehung, etc. verplant, ihre Wege im Alltag sind anders oder werden auf andere Art zurückgelegt (z.B. stärkere Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln). Räumen ist somit Geschlecht eingeschrieben, ihre Nutzung verläuft anhand von Normen und unausgesprochenen Regeln. Wie lässt sich das ändern, was ist „gendersensible Raumplanung“ und was hat das alles mit der Schmelz zu tun? Auch die Stadt- und Raumplanung war lange diesem Gegensatz von öffentlichem und privatem Raum verhaftet, übersah aber bei der klaren Trennung in Arbeits- und Erholungsräume die Personen, die mit Hausarbeit und Kindererziehung befasst sind zu berücksichtigen. Längst wurde umgedacht, und unterschiedliche Lebensrealitäten werden bei Bauvorhaben meist berücksichtigt. Hier sollten wir uns aber auch fragen, ob dieses Anpassen an den gedachten Alltag von Frauen (die ja auch, wie alle Gruppen, über keine einheitlichen Bedürfnisse und Lebenswelten verfügen) diesen aber wieder zementiert und fortführt, ungleiche Verhältnisse noch befördert. Öffentliche Räume sind immer auch sozialen Auseinandersetzungen und laufendem Wandel unterworfen. Wir wollen die Schmelz zu einem „Ort für alle“ machen und uns dabei Gedanken über marginalisierte Gruppen machen: Frauen, Personen mit Migrationshintergrund, Personen mit nicht-weißer Hautfarbe, Personen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen, Personen, die sich nicht den gängigen Normen von Geschlecht oder sexueller Orientierung unterwerfen wollen. All diese, und noch mehr die Personen, die zu mehr als nur einer der genannten Gruppen gehören oder von anderen diesen zugeordnet werden, sind im Alltag mit Vorurteilen, Ungleichbehandlung oder räumlichen Barrieren konfrontiert. Neben einem Weggehen von abgesperrtem „Raum für Wenige“ wollen wir uns auch mit diesen Fragen auseinandersetzen und uns den neuen Möglichkeiten der gemeinsamen Raumnutzung widmen. Weiterführende Literatur Becker, Ruth (2004): Raum: Feministische Kritik an Stadt und Raum. In: Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. Wiesbaden: 652-664. Ernst, Waltraud (2007): Möglichkeiten (in) der Stadt. Überlegungen zur Öffentlichkeit und Privatheit geschlechtlicher Raumordnungen. In: Feministisches Kollektiv (Hg.). Street Harassment. Machtprozesse und Raumproduktionen, Mandelbaum, Wien: 75–92. Wastl-Walter, Doris (2010): Gender Geographien. Geschlecht und Raum als soziale Konstruktionen. Franz Steiner Verlag, Stuttgart. 21
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