Leseverstehen Lösung

DSH Wintersemester 2015/16
Leseverstehen
Prüfungsnummer:
Blatt 1
Lesen Sie den Text bitte zuerst komplett durch. Bearbeiten Sie dann die Aufgaben.
Empfohlene Lesezeit: 15 Minuten
Empfohlene Bearbeitungszeit: 45 Minuten
Gesamtpunktzahl: 150 Punkte
Name:
Musterlösung____________________________________
Nummer:
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Worterklärungen:
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Neurobiologie: Neurobiologie beschäftigt sich mit dem genauen Aufbau des Nervensystems
(Zeile 6)
neuronale Vernetzung: Struktur des Nervensystems von Menschen und Tieren (Zeile 13)
Autonomie: Unabhängigkeit (Zeile 41)
Herdentier: Tier, das in einer Gruppe lebt (Zeile 49)
Der Mensch denkt, plant und arbeitet
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Vor ein paar Jahren glaubte man noch, dass die Faulheit genetisch festgelegt sei. Dann aber
hat sich gezeigt, dass der Mensch nicht viel mehr Gene hat als ein Wurm. Die These, dass also
alle Informationen im Erbgut festgelegt sind, ließ sich daher nicht belegen. Von Genen lässt
sich also nicht auf komplexe Merkmale oder gar Verhaltensmuster schließen.
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Weder Faulheit noch Fleiß sind genetisch festgelegt. Das weiß die Neurobiologie heute sicher.
Die meisten Menschen hingegen denken immer noch, alles liege an den Genen. Denn noch vor
etwa zehn Jahren wurde eine wissenschaftliche Arbeit veröffentlicht, in der behauptet wurde,
das Gen für Faulheit gefunden zu haben. Das könnte eine Entschuldigung dafür sein, dass man
sich nicht anstrengen muss. Aber so leicht ist es in Wirklichkeit nicht.
In unserem Gehirn ist ganz zu Beginn des Lebens sehr viel mehr vorhanden, als später
gebraucht wird, sowohl an Zellen als auch an Vernetzungen. Das, was sich als sinnvolle
neuronale Vernetzung erweist, weil es in der Praxis nutzbar ist, bleibt erhalten, der Rest
verschwindet wieder.
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Vor der Geburt werden zum Beispiel jene Vernetzungen gebildet, die für die Regulierung des
eigenen Körpers gebraucht werden. Das heißt, das Hirn lernt schon vor der Geburt, wie es sich
anhand der aus dem eigenen Körper kommenden Signalmuster strukturieren muss. Wir
Menschen sind schon zum Zeitpunkt der Geburt alle verschieden und damit einzigartig. Wir
haben alle unterschiedliche Eigenschaften: Es gibt ängstliche und weniger ängstliche
Menschen, faule und fleißige. Diese unterschiedlichen Menschen machen dann im Laufe ihres
Lebens ganz unterschiedliche Erfahrungen.
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Prüfungsnummer:
Blatt 2
Sobald ein Kind geboren ist, macht es Erfahrungen in der Familie, in die es hineingeboren
wird. Aufgrund dieser Erfahrungen verfestigen sich bestimmte Netzwerkstrukturen im Gehirn.
Ein Beispiel: Wenn in einer Familie Arbeit immer nur als lästige Pflicht erfahren wird,
verinnerlicht auch das Kind, dass Arbeit nichts Gutes ist. Schon die Schule wird dann als
lästige Pflicht empfunden und entsprechend hoch sind die Lernwiderstände.
Ein Kind, das schon früh lernt, dass Arbeit lästig ist, wird vielleicht faul. Aber es muss nicht
unbedingt den Rest seines Lebens von Faulheit geplagt werden, denn unser Gehirn kann sich
verändern. Der Mensch kann umlernen. Aber dazu müssen wir eine neue, eine positive
Erfahrung mit dem machen, was wir Arbeit nennen.
Wir wünschen uns, dass Arbeit Freude machen soll. Trotzdem wollen wir wenig arbeiten, weil
wir mit Arbeit in erster Linie den Zwang zum Geldverdienen verbinden. Das bedeutet, dass wir
unsere Arbeitskraft auf einem Markt verkaufen müssen. Dieses heute gängige Verständnis von
Arbeit hat sich mit der Entstehung der großen Fabriken im 19. Jahrhundert herausgebildet.
Lohnarbeit war eine Notwendigkeit, sich den Lebensunterhalt zu sichern. Daraus entwickelte
sich das Bestreben, bloß nicht zu viel für den Lohn zu arbeiten.
Wir wissen aber auch, dass Arbeit mehrere Zwecke hat: Sie dient nicht nur der Sicherung des
Einkommens: Der Mensch, der in Gemeinschaften lebt, braucht immer etwas, das ihn mit
diesen Gemeinschaften verbindet, da wir Menschen soziale Wesen sind. Auf der einen Seite
möchten wir also mit anderen Menschen verbunden sein, auf der anderen Seite möchten wir
aber auch in Freiheit und Autonomie leben. Das sind die zwei menschlichen Grundbedürfnisse.
Und diese beiden gegensätzlichen Bedürfnisse lassen sich am besten durch Arbeit stillen.
Indem ein Mensch arbeitet, kann er sich selbst und anderen zeigen, dass er ein autonomes
Wesen ist und dass er auf seinem Gebiet immer besser wird. Gleichzeitig ist dieser Mensch
durch seine Arbeit auch mit den anderen Menschen verbunden.
Daher werden die meisten Menschen auch unglücklich, wenn sie nicht arbeiten, auch wenn sie
erst einmal froh sind, nicht mehr arbeiten zu müssen. Nach einiger Zeit merken die Menschen
jedoch, dass ihnen etwas fehlt, wenn sie nicht mehr arbeiten. Wir Menschen sind keine
Herdentiere, wir leben nicht im Ameisenstaat, sondern in individualisierten Gemeinschaften.
Anders als im Ameisenstaat bringen hier Einzelne immer neue Ideen hervor, die jeder andere,
wenn er sie für sinnvoll erachtet, nachahmen und übernehmen kann. Nur durch Arbeit gelingt
es den Menschen in unseren individualisierten Gemeinschaften Autonomie und Verbundenheit
zu erleben. Man könnte also sagen, dass uns Arbeit erst zum Menschen macht.
Wir Menschen definieren uns durch unsere Arbeit. Wir wollen bei der Arbeit Probleme lösen,
dazu gehören, gestalten, beitragen und permanent lernen. Wenn wir das nicht können, werden
wir unglücklich.
Daher muss es eine neue Definition von Arbeit geben. Es lassen sich schon zwei große Trends
beobachten: einmal die Automatisierung, die unangenehme, zeitaufwendige und stupide
Arbeiten immer mehr den Robotern überlässt. Das sind genau die Arbeiten, bei denen man
hofft, dass die Zeit schnell vergeht - Fließbandarbeit zum Beispiel. Roboter befreien uns
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Leseverstehen
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Prüfungsnummer:
Blatt 3
zunehmend von diesen Tätigkeiten, die wir Arbeit nennen, aber für das Hirn gar keine gute
Arbeit sind. Der zweite Trend ist, dass es die jungen Menschen einfach nicht mehr hinnehmen,
dass sie ein Leben lang einen schlechten Job machen müssen, nur um Geld zu verdienen. Es
ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Arbeit Freude machen muss. Für die jungen, gut
ausgebildeten Menschen ist Arbeit etwas anderes als das, was wir früher unter Lohnarbeit
verstanden haben.
(4636 Zeichen), nach: FAZ vom 31.12.2015 Hirnforscher Hüther im Gespräch „Erst die Arbeit macht uns zu Menschen“
Fragen und Aufgaben zum Leseverständnis
1.
Bitte finden Sie passende Synonyme für die unterstrichenen Satzteile. Ergänzen Sie die
Sätze.
(15 Punkte)
a) „Vor ein paar Jahren glaubte man noch, dass die Faulheit genetisch festgelegt sei“.
(Zeile 2)
(5 Punkte)
Vor ein paar Jahren glaubte man noch,
dass die Faulheit angeboren sei.
b)„Wenn in einer Familie Arbeit immer nur als lästige Pflicht erfahren wird, verinnerlicht
auch das Kind, dass Arbeit nichts Gutes ist.“ (Zeilen 24-25)
(5 Punkte)
Wenn Arbeit in einer Familie immer nur als etwas gesehen wird, dass
man tun muss aber was keinen Spaß macht
verinnerlicht auch das Kind, dass Arbeit nichts Gutes ist.
,
c) „Dieses heute gängige Verständnis von Arbeit hat sich mit der Entstehung der großen
Fabriken im 19. Jahrhundert herausgebildet.“ (Zeilen 34-35)
(5 Punkte)
Dieses heute übliche Verständnis von Arbeit
hat sich mit der Entstehung der großen Fabriken im 19. Jahrhundert herausgebildet
.
Beantworten Sie bitte nach dem Text, aber mit Ihren eigenen Worten, die folgenden
Fragen. Bitte schreiben Sie vollständige Sätze.
2. Welche verschiedene Zwecke hat Arbeit?
(30 Punkte)
Neben Sicherung des Einkommens hat Arbeit auch noch andere
Zwecke: Auf der einen Seite möchten wir mit anderen Menschen
verbunden sein, auf der anderen Seite möchten wir in Freiheit und
Autonomie leben. Das sind die zwei menschlichen Grundbedürfnisse.
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Leseverstehen
Prüfungsnummer:
Blatt 4
Und diese beiden gegensätzlichen Bedürfnisse lassen sich am besten
durch Arbeit stillen. (Zeilen 37 – 42)
3. Welche zwei großen Trends lassen sich heute bei der Definition von Arbeit beobachten?
(20 Punkte)
Es lassen sich schon zwei große Trends beobachten: einmal die
Automatisierung, die unangenehme, zeitaufwendige und stupide
Arbeiten immer mehr den Robotern überlässt…. Roboter befreien
uns zunehmend von diesen Tätigkeiten, die wir Arbeit nennen,
aber für das Hirn gar keine gute Arbeit sind. Der zweite Trend ist,
dass es die jungen Menschen einfach nicht mehr hinnehmen, dass
sie ein Leben lang einen schlechten Job machen müssen, nur um
Geld zu verdienen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die
Arbeit Freude machen muss (Zeilen 57 – 64)
4. Formulieren Sie jeweils eine Überschrift für die Abschnitte:
(20 Punkte)
Zeilen 6 – 10:
Sind Faulheit oder Fleiß genetisch festgelegt?
_________________________________________
Zeilen 31 –36: Historisches Verständnis der Arbeit
_________________________________________
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Leseverstehen
Prüfungsnummer:
Blatt 5
5. Worauf bezieht sich: „..alles …“? („Die meisten Menschen hingegen denken immer
noch, alles liege an den Genen.“ Zeile 7)
(5 Punkte)
Faulheit und Fleiß / komplexe Merkmale oder gar Verhaltensmuster
_________________________________________
6. Formulieren Sie einen passenden Schluss, der kurz die wichtigsten Punkte im Text
zusammenfasst.
(60 Punkte)
-
weder Faulheit noch Fleiß sind genetisch festgelegt
ein Kind macht Erfahrungen in seinen Beziehungswelten
Menschen möchten mit anderen verbunden sein und möchten
in Freiheit und Autonomie leben
diese zwei menschlichen Grundbedürfnisse lassen sich am
besten durch Arbeit stillen
Arbeit macht uns erst zum Menschen
für junge Leute ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Arbeit
Freude machen muss