Liebe Schwestern, liebe Brüder, kennen Sie Pilatus? Ja, ich meine

Karfreitag 2016
Prozessen nach römischen Recht war auch der Prozess gegen
einen gewissen Jesus aus Nazareth.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Der Ablauf des Prozesses verlief nach Standard, also der
kennen Sie Pilatus? Ja, ich meine den Pontius Pilatus?
Muss ein wichtiger Mann gewesen sein, dass er sogar in
unserem Glaubensbekenntnis erwähnt wird. Es werden nur
drei Persönlichkeiten im Glaubensbekenntnis namentlich
genannt: Jesus, Maria und Pontius Pilatus.
Was muss das wohl für ein Typ gewesen sein, dass ihn die
Christen in allen Jahrhunderten kennen gelernt haben...
Klärung der Zuständigkeit. Nazareth ist in Galiläa, also wird
der Fall an Herodes weiter geleitet. Herodes hatte im Gegensatz zu Pilatus schon viel über Jesus gehört und erhoffte sich
von ihm ein spektakuläres Wunder.
Jesus aber sprach kein Wort mit Herodes. Mit so einem
Angeklagten war kein Prozess zu machen. Vermutlich hatte
Herodes auch gar keine Lust Jesus zu verurteilen, denn auch
Es gibt einen Jesus-Film, der charakterisiert diesen
Herodes war ein Jude. Eigene Landsleute mit einer faden-
Statthalter der Römer im damaligen Palästina in den Jahren
scheinigen Anklage ohne taugliche Beweise nach römischem
26 bis 36 n.Chr. ziemlich realistisch.
Recht zu verurteilen, nein, dieses Geschäft war dem Herodes
Dass sich dieser Statthalter so lange in einer der unruhigsten
zu schmutzig, zumal er sich bei den Juden immer beliebt
Provinzen des römischen Reiches halten konnte, lässt
machen wollte. Also geht der Fall Jesus von Nazareth wieder
vermuten, dass er sehr hart vor allem gegen Aufständische
zurück an Pilatus, in dessen Bezirk die Gefangennahme war.
durchgegriffen hatte. Öffentliche Kreuzigungen von Unruhe-
In den frühen Morgenstunden des Karfreitags wird Pilatus
stiftern zur Abschreckung waren an der Tagesordnung.
wieder genötigt, den Prozess zu machen. Dieser zeitliche
Unter der Vielzahl von wahrscheinlich eher kurzen
Druck ist eigentlich nur für Schwerstverbrecher angezeigt
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oder für solche, die sehr populär waren und ein Volksauf-
diesem störrischen und aufständischen Volk.
stand zu befürchten war. Den Verlauf des Prozesses im
Vermutlich erhoffte sich Pilatus irgendwann eine Beförde-
Prätorium kennen wir aus der Bibel.
rung in eine friedliche und wohlhabende Provinz für seinen
Das Verhör des Pilatus war so eindeutig, dass für ihn der
politischen Lebensabend. Da war die verkappte Drohung der
Juden ein verdammt raffinierter Schachzug, ja ein Dilemma.
Freispruch klar war. Jetzt zieht die führende Klasse der
Juden einen Joker: Jesus lässt sich als der König der Juden
Verurteilt er Jesus nicht, hat er eine rufschädigende Anzeige
feiern. Ein raffiniertes Machtspielchen also, das dem Pilatus
in Rom zu befürchten, weil er nicht für Ordnung im Land
seine Autorität im Land in Gefahr bringen sollte. Welche Art
sorgt.
von „König“ Jesus war, das klärt Pilatus auch ziemlich
Gibt er nach und verurteilt er Jesus, dann richtet er gegen
zügig. Keine Gefahr für die römische Vorherrschaft, also
römisches Gesetz und kann auch in Rom angezählt werden.
Freispruch.
Kurzfristig ist es für ihn die vorteilhaftere Option, Jesus zu
verurteilen und dann irgendwie Ruhe zu haben.
Und jetzt kommt die letzte Karte der Judenführer:
„Dann bist du kein Freund des Kaisers...“
Aber diese Rechnung ging bekanntlich nicht auf. Nach drei
Für einen Karrieremenschen, wie es Pilatus war, ist das eine
Jahren war er weg vom Fenster schreiben die Chronisten. Er
empfindliche Drohung. Wer weiß, was diese Juden ihm in
wurde nicht befördert und verschwand in der Bedeutungs-
Rom noch alles anhängen würden, womöglich erfundene
losigkeit bzw. im Reich der Legenden, die ihn mit allerlei
Geschichten wie die von diesem Jesus.
Strafen Gottes in Verbindung brachte.
Einen Statthalter nach Judäa zu schicken, das war bestimmt
keine besondere Auszeichnung. Gab ja nur Drecksarbeit mit
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Aber warum erzähle ich ihnen die Pilatus-Geschichte so
ausführlich? Was haben wir mit Pontius Pilatus zu tun?
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Ich fürchte, wir haben womöglich so manches mit der
Pilatus ist derjenige, der uns am deutlichsten zeigt was es
Mentalität dieses Statthalters am Hut.
bedeutet, einen Menschen zu verurteilen, ein Vorurteil zu
Auch wir laufen in der Sache Jesu ständig Gefahr,
haben, Menschen nach unserer Interessenlage zu behandeln
berechnend zu werden.
ohne Rücksicht darauf, was es für den Verurteilten bedeutet.
 Was bringt es mir, wenn ich Zeit und Kraft für Jesus
„Urteilt nicht, damit ihr nicht verurteilt werdet“, sagt uns
Jesus sehr eindringlich.
und seine Kirche investiere?
Gott bewahre uns vor einem Denken und Handeln im Stil
 Wie viel kann ich von meinen finanziellen
des Pontius Pilatus.
Möglichkeiten für kirchliche Zwecke geben ohne
dabei meinen eigenen Wohlstand zu riskieren?
 Zu welchen Leuten empfiehlt es sich freundlich und
zuvorkommend zu sein, weil ich sie irgendwann für
etwas gebrauchen könnte?
Das sind nur drei Fragen, aber es sind eindeutig „PilatusFragen“, die uns immer vor ein Dilemma stellen.
Wenn wir diese Fragen so beantworten wie Pilatus seine
richterliche Entscheidung über Jesus getroffen hat, dann sind
wir kaum einen Deut besser als dieser Typ, der sich mitschuldig an Leid und Tod Jesu gemacht hat.
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