Ausgabe 4-2015 - Missionsschwestern Münster

MÜNSTER
MISSIONSSCHWESTERN
von der Unbefleckten Empfängnis der Mutter Gottes
Die Beilage Ihrer Ordensgemeinschaft im Missionsmagazin kontinente • 4-2015
Wem die Zukunft gehört
Die Zukunft gehört den Glaubenden,
nicht den Ungläubigen und Zweiflern.
Die Zukunft gehört den Mutigen,
die stark hoffen und handeln,
nicht den Kleinmütigen und Unentschlossenen.
Die Zukunft gehört den Liebenden,
nicht den Hassenden.
Die Sendung der Kirche in die Welt,
die weit davon entfernt ist, beendet zu sein,
geht neuen Bewährungen und neuen Zielen entgegen.
Dom Helder Camara (1909-1999).
und Recife und es werden Erinnerungen wach, nicht nur an den
großen Bischof, sondern auch an
unsere Schwestern, die als Missionarinnen von hier auszogen und
die sich von der Not der Menschen in den Slums anrühren ließen und dort oft Übermenschliches leisteten.
4-2015 • MISSIONSSCHWESTERN VON DER UNBEFLECKTEN EMPFÄNGNIS DER MUTTER GOTTES • I
Fotos: Schwester Johanna, SMIC; KNA-Bild
Die Rosen sind nicht nur Idylle, sondern auch Zeichen dafür, dass Gott seine
Schöpfung immer wieder neu erstehen läßt. Wenn auch Pfingsten längst
vorbei ist, haben wir doch Anlass genug zu der Bitte: Sende aus deinen Geist
und das Antlitz der Erde wird neu.
Papst Pius XII., von dem diese
Worte stammen, stand in der finstersten Zeit, die Deutschland und
Europa erlebt haben, an der Spitze der Kirche und bekam die volle
Wucht des Bösen zu spüren. Seine Worte jedoch sind wie für heute gesprochen.
Papst Franziskus rückt die Sendung der Kirche neu ins Bewusstsein. Er sagt: Geht an die Ränder
der Gesellschaft, dort ist euer
Platz, bei den Ausgegrenzten und
Verlassenen. Heute sind es die
vielen namenlosen Christen, die
besonders in Asien und der islamischen Welt wie nie zuvor dem
Hass und der Verfolgung ausgesetzt sind.
Über die Nachricht, dass Dom
Helder Camara in das Verzeichnis
der Seligen der Katholischen Kirche aufgenommen wird, freuen
sich besonders unsere Schwestern der Salvadorprovinz in Brasilien. Er war Erzbischof von Olinda
BRASILIEN
SCHWESTER MAGNA UNGRUND
„Bin ich müde? Nein!“
Als ein exemplarisches Beispiel möchten wir Schwester Magna Ungrund vorstellen. Sie war
ein ausgeprägtes Original und hatte daher viel Humor. Nie wurde sie müde sich von der Not
der Armen berühren zu lassen, immer waren es die Menschen an den Rändern die sie aufsuchte, wie Papst Franziskus es heute fordert. Sie hatte eine schier unerschöpfliche Arbeitskraft und war mit großem Erfindungsreichtum ausgestattet. In ihrem Bericht, den wir hier
auszugsweise benutzen, scheut sie das „Ich“ und gebraucht statt dessen das unpersönliche
„man“. Ihren Seelenführer, der sie nicht zu den Missionsschwestern gehen lassen wollte, die
er eine Abenteurergesellschaft am Amazonas nannte, die noch in den Kinderschuhen stecke,
bedachte sie mit einem ironischen Seitenhieb. Lassen wir sie selber sprechen:
Unter dieses Bild hat Schwester Magna etwa im
Jahr 1976 selbst geschrieben: „Ich komme gerade
von Pedreiras. Bin ich müde? Nein!“
Fotos: SMIC
Die Schülerinnen sträubten sich zunächst in der
Favela zu unterrichten. Auch die Eltern protestierten. Schwester Magna konnte sie alle überzeugen.
Die Schwester mit älteren Schülerinnen des
Kollegs Vera Cruz. Diese halfen Schwester Magna
beim Unterricht in der Grundschule in der Favela.
„In kurzem Postulat und einem Jahr Noviziat
ließen Schwestern, die den heiligen Eifer und
die erste Liebe der Stifter noch bewahrt hatten
(sie steckten ja noch in den Kinderschuhen),
die neu in Brasilien Angekommenen den
wahren Ordensgeist erleben. Ein froher Idealismus machte alle Opfer, die Tropenhitze,
Unkenntnis der portugiesischen Sprache,
fremdes Brauchtum (die ganze Lebensweise
schien oft auf den Kopf gestellt), ja sogar Hunger und Entbehrung des Notwendigsten
leicht. Mit heiliger Freude sah man der einfachen Profession entgegen. „Magnificat“ sang
die Seele. Nach drei Jahren versprach man
Treue auf ewig, und drinnen in der Seele erwachte ein leises Ahnen von der Nähe eines
eifersüchtigen Gottes, der rücksichtslos alles
über Bord wirft, wo er allein zu herrschen beabsichtigt. Das frohe Magnificat verwandelt
sich in ein stilles „Suscipe Domine“. Die Liebe
wird geläutert und gestärkt in rastlosem
Schaffen in der Schule, im Internat,- in Handarbeit- und Paramentenwerkstatt und als Leiterin junger Menschen, die sich auch dem
Herrn weihen wollen. Nicht selten werden die
Nächte zum Tage gemacht, um allen Verpflichtungen gerecht zu werden. So vergehen
die ersten sieben Jahre. Im Miterleben der Liturgie; insbesondere des Opfers der heiligen
Messe sucht man vom Altar her die Kraft zu
holen für jeden neuen Tag.“
Nach siebenjährigem Studienaufenthalt in
Deutschland kehrte Schwester Magna 1938
nach Brasilien zurück. Sie promovierte bei Peter
Wust in Münster mit einem Thema über Hildegard von Bingen, hörte Theologie bei Professor
Schmaus und übersetzte sein Buch „Vom Wesen des Christentums“ ins Portugiesische.
II • MISSIONSSCHWESTERN VON DER UNBEFLECKTEN EMPFÄNGNIS DER MUTTER GOTTES • 4-2015
Die Obern gedachten, sie für die Lehrtätigkeit
ausbilden zu lassen, doch ihre wahre Berufung fand sie in der Fürsorge für die Armen in
den Randgebieten.
Sie lehrte an der Lehrerinnenbildungsanstalt
und der höheren Mädchenschule, zunächst in
Salvador de Bahia, dann wurde sie nach Santarem gerufen, weil dort ein Mädchengymnasium eröffnet werden sollte. Lassen wir sie
weiter selbst erzählen:
„Mit Anerkennung des Gymnasiums begann
der Unterricht in Religion, Latein und Mathematik. Die Nächte waren da, um die Verwaltungsbücher zu ordnen und zum Nähen für arme Schülerinnen aus dem Innern des Landes.
In Recife übernahm man dann im Jahr 1948
den Unterricht in Latein und Philosophie am
Morgen, und nachmittags ging es hinaus zum
Zuchthaus oder in die Vorstädte auf Suche
nach Seelen.
Das Abenteuer der Liebe begann
20000 Menschen in Nova Descoberta, dem
ärmsten und weit entfernten Stadtviertel, entbehrten jeder sozialen Hilfe. Einen Raum, wo
man die Armen hätte versammeln können,
gab es nicht. Die private Betreuung war überaus schwer, weil man die Lehmhügel und Abhänge oft auf allen vieren erklettern musste;
um zu den Mocambos (Lehmhütten) der Armen zu kommen. Dort wohnen sie, die Ärmsten, zusammengepfercht in kleinen Räumen.
Auch das Notwendigste zum Leben entbehren sie. Und wenn man hineingesehen hat in
dieses Elend, muss sich eine heilige Unruhe
der Seele bemächtigen, und das Abenteuer
der Liebe hat begonnen. Zunächst wurde ein
geräumiger Saal geplant, der sowohl für die so-
20 Jahre in der Favela Nova Descoberta
In der großen Überschwemmung im vergangenen Jahr bot unser Heim 28 Familien Obdach und Verpflegung. Etwa 200 Personen
verbrachten drei Monate die Tage der größten
Not bei uns. Alles fehlte ihnen, aber mit erfinderischer Liebe fertigten wir allmählich vieles
an, was ihnen zum Leben nötig war. Recht
abenteuerlich ist es oft zugegangen, wenn
man selbst tagelang mit einem Großgrundbesitzer durch Gestrüpp, über Hügel und Abhänge eilte, um Baustellen ausfindig zu machen für die Armen, die alles verloren hatten.
Heldenhaft haben alle gekämpft um die Erhaltung oder Neuerrichtung ihres kleinen Heims
aus Lehm. Jeden Tag kamen sie in Gruppen
zusammen, in aller Frühe, um die Baustellen
zu nivellieren. Ein Arbeiter errichtete dann
das Holzgerüst, und es dauerte nicht lange,
bis das Dach mit Ziegeln bedeckt war. Dom
Helder Camara hatte eine Institution geschaffen, die das Material lieferte. So haben wir mit
Hilfe der Frauen des Zentrums in kurzer Zeit
etwa 15 Mocambos errichten können. Immer
haben wir uns ihnen gleichgemacht und sorgten am Morgen für Kaffee und Brot und am
Mittag für die Bohnensuppe. Wer möchte bezweifeln, dass es etwas Schöneres gibt als diesen liebenden Dienst am Bruder in Christus.
Wenn die physischen Kräfte einmal versagten, so holte man sich für den anderen Tag
wieder neuen Mut vom Altar her vom Opfermahl des Herrn.“
Zwanzig Jahre arbeitete Schwester Magna so
in der Favela Nova Descoberta, immer zog es
sie an den Rand, dahin wo die Elendesten lebten. Mit der Zeit wuchs ein Caritaszentrum heran für Frauen und Mütter, die hier in der Gesundheitsfürsorge, in Näh- und Zuschneidekursen Notwendiges lernen konnten. Besonders werdende Mütter erfuhren hier Fürsorge
und Hilfe. Auch einige Nähmaschinen
konnten die Frauen benutzen um für sich
und ihre Familien Kleidung zu fertigen.
Vom Altar holte sie sich die Kraft
Ein zweites Caritaszentrum „Unserer Lieben Frau der Heimsuchung“ konnte sie am
Rande von Nova Descoberta mit Hilfe von
Misereor und Spendern aus der Heimat einschließlich einer Kapelle einrichten, aber
alles wollte erbeten und erbettelt werden.
Sie richtete eine Grundschule mit Frühstück ein, die schließlich von 500 bis 600
Kindern besucht wurde und die 200 bis 300
werdenden Müttern im Jahr Hilfe und
Schutz bot.
Sie wusste ihre Schülerinnen zu begeistern,
viele halfen ihr und unterstützten sie bei
dem Unterricht in der Schule. Das Caritaszentrum stand nun auf stabileren Füßen.
Vom Altar holte sie sich die Kraft für dieses
aufreibende Leben, sie sagt selbst dazu:
Von hier ausgehend trägt man Christus in
die Welt hinaus, mit dem Magnificat auf
den Lippen sind auch wir „wie eine Prozession, die vorübergeht mit Christus im Herzen. So singt das Lied vom Eucharistischen
Weltkongress. Jedes mal, wenn der Erzbischof von Olinda und Recife Dom Helder
Camara auf diesen Gedanken hinweist,
reißt er die begeisterte Menge mit sich fort.“
Diese Säcke warten auf den Lastwagen. Eine
Familie half bei der Gabenvorbereitung.
Die Menschen in Nova Descoberta erwarten
sehnsüchtig die Verteilung der Gaben.
Auch mit 80 Jahren keine Ruhe
Sie kam nach Sao Christovao zum dortigen
Waisenhaus, damit sie dort ruhigere Tage
hätte. Sie war da schon mehr als achtzig
Jahre alt. Schwester Magna aber kannte keine Ruhe, sie entdeckte Pedreira, ein armes,
verlassenes Fischerdorf am Strand. Zunächst ging sie nur sonntags hin, um in der
Seelsorge zu helfen. Es dauerte aber nicht
lange, so machte sie täglich den stundenlangen Weg dorthin. Solange sie noch einen
Funken Kraft hatte, trieb es sie zu den Armen und Notleidenden am Rande. Wieder
begann sie die nötigsten Dinge zu organisieren, Nahrung und Kleidung, und vor allem
gab sie diesen Menschen die Gewissheit,
dass sie nicht vergessen sind. Bei ihrem aufreibenden und arbeitsreichen Leben erreichte sie ein hohes Alter: Als sie starb, war
sie 85 Jahre alt.
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ziale Betreuung wie auch für den Gottesdienst
zugerichtet sein musste. Sobald am Mittag die
Arbeit auf dem Lehrpult endete, ging es in Eile
auf Bettelgänge zu bekannten Reichen, um
den Arbeitslohn für die Handwerker zu erbitten. Auf großen Lastwagen kommt man zu
Steinbrüchen und Sanddünen. Ziegelsteinprozessionen werden gehalten, und nicht selten
legte man Hand an als Arbeiter inmitten der
Arbeiter. Es vergingen einige Jahre, bis das
schöne Kirchlein fertig war.“
Schwester Magna war ständig umringt von
Kindern. Hier in Nova Descoberta.
Es ist kurz vor Weihnachten. Diese Menschen sind
schon ganz früh vor der Gabenverteilung gekommen, weil sie Hunger haben.
4-2015 • MISSIONSSCHWESTERN VON DER UNBEFLECKTEN EMPFÄNGNIS DER MUTTER GOTTES • III
NAMIBIA
Von Schwestern,
Kobras und Trüffel
Aus dem Brief von Schwester Angela Plassmann,
den sie im Mai aus Gobabis geschrieben hat.
Und wieder haben wir einen Monat gut zu Ende gebracht. Es tat
gut, mal einen Gang zurückzuschalten und alles ein bisschen ruhiger anzugehen.
Dieser Monat hält noch einige
Überraschungen bereit. Morgen
kommt Schwester Livramento,
anschließend geht es nach Aminuis, um vor Ort zu sehen, wie es
den beiden deutschen Schwestern geht. Schwester Jutta geht
immer gebeugter, lässt sich aber
nicht unterkriegen. Ende des Monats feiert Schwester Ansgardis
ihr 60-jähriges Ordensjubiläum.
Wir Deutschen machen, was wir
können, und das ist doch noch einiges. Schwester Erika ist froh,
wenn sie nun bald als Provinzoberin abgelöst wird. Am meisten
Arbeit hat sie mit den Papieren,
die vom Generalat kommen. Und
dann kommen die enormen Entfernungen dazu, wenn sie die Stationen besucht. Sie ist schließlich
auch schon über 60 Jahre alt.
Hund Tasha im Glück
Einmal gab es eine Aufregung.
Wir hatten eine Schlangenspur
am Haus entdeckt. Es sah nach einer großen Schlange aus, weil die
Spur wellenförmig verlief. Als ich
nachmittags in der Tür vom Bügelzimmer stand, sauste plötzlich
Tasha, der Hund, wie ein Blitz los,
stürzte sich auf eine Kobra und
griff sie an. Eine Kobra!!! Alles Zurückrufen half nicht, bis jemand
auf die Idee kam, mit dem Schuh
nach ihr zu werfen: Da ließ sie von
der Schlange ab. Sie wäre die Unterlegene gewesen, denn einen
Biss hätte sie nicht überstanden.
Die Kobra verschwand in einem
großen Oleanderbusch, sie wurde
dort noch von einigen Jungens gesichtet, die aber bei ihrem Versuch, sie zu killen, keinen Erfolg
hatten. Echte Namibianer geben
keine Ruhe, aber in diesem Fall
war nun nichts zu machen.
Am Morgen sah ich die Spur, die
ins Feld führte. Hoffentlich ist sie
Wenn Prüfungsarbeiten geschrieben werden müssen, hat Schwester Angela
(links) immer gut mit Schülern zu tun , die Kopf-und Magenschmerzen haben.
auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Ich musste an die
beiden Jungens denken, die vor
einiger Zeit durch den Biss einer
Kobra starben. An Schlangen werde ich mich nie gewöhnen.
Trüffel gesucht
Nun ist die Trüffelzeit. Durch den
späten Regen können sie noch
wachsen. Wir haben leider noch
niemanden, der uns welche verkauft. Schwester Bernadette hat
schon mal in Gobabis aufgepasst,
aber ehe sie jemanden trifft, sind
schon alle ausverkauft. Ich gehe
jeden Tag ins Feld, habe aber nicht
den Blick dafür. Da sind die Kinder besser, aber die sind ja in Ferien. Die Trüffel gibt es nur in unse-
Neue Provinzleitung in Namibia
Die Delegierten des Provinzkapitels in Namibia (Foto unten) haben Schwester
Klara Oaes (links auf dem Bild rechts) in Keetmanshoop zur neuen Provinzoberin gewählt. Zum neuen Leitungsteam gehören außerdem Schwester
Beatrix Mokwena und Schwester Cecilia Negandjo (rechts), die einige Jahre
in Deutschland gelebt hat.
rer Gegend. Die Schwestern aus
dem Süden freuen sich, wenn wir
ihnen davon mitgeben können.
Aber noch warten wir. Dafür werde ich mich ja bald an Erdbeeren
erfreuen können.
Ich wünsche Euch allen viel Gutes
und Gottes Segen. Bis demnächst!
Eure Schwester Angela
IMPRESSUM
Magazin-Beilage der Missionsschwestern von der Unbefleckten
Empfängnis der Mutter Gottes
Redaktion: Schwester Andrea
Lübberdink SMIC,
Bäckergasse 14, 48143 Münster,
Tel. (02 51) 41 85 80.
Verlag: Kontinente-Missionsverlag GmbH,
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Jahresbezugspreis: 12,90 Euro.
Bestellungen und Zahlungen:
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Objekt 35
IV • MISSIONSSCHWESTERN VON DER UNBEFLECKTEN EMPFÄNGNIS DER MUTTER GOTTES • 4-2015
Fotos: SMIC
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