lite - IDC Klaassen

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DAS LIFESTYLE & TECHNIK MAGAZIN
Well Done
AVID Ingenium
lite 06/15
Testurteil
1,0
Oberklasse
www.lite-magazin.de
Test 06/2015
Well Done
AVID Ingenium
Sieht gut aus und klingt noch besser: Das Trio aus AVID Ingenium, Denon DL103 und
Oehlbach XXL Phono PreAmp Ultra konnte klanglich wie optisch auf ganzer Linie überzeugen.
Wissen Sie, was die Figuren Captain Kirk, Harvey
Specter aus „Suits“, Dr. House, Jack Harper aus
„Oblivion“ und Hank Moody aus „Californication“
gemeinsam haben? Sie alle hören Musik von Schallplatte. Wir haben uns dem angeschlossen und uns
ausführlich mit dem Kleinsten aus dem AVID-Produktprogramm, dem Ingenium, beschäftigt.
Plattenspieler sind seit einigen Jahren wieder in aller Munde. Kein Wunder, dass kaum ein Kino- oder
Serienheld ohne ein entsprechendes Modell auskommt. Besonders guten Geschmack beweist Hank
Moody aus der preisgekrönten Showtime-Serie „Californication“. Der hat nämlich einen AVID Volvere
– sozusagen das Standard Modell des britischen
Herstellers. Wir begnügen uns mit dem kleinen Ingenium, der im Paket mit dem beliebten Pro-Ject 9cc
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Tonarm insbesondere für (Wieder-)Einsteiger in die
analoge Klangwiedergabe interessant sein dürfte.
Der Hersteller
Es ist gerade einmal drei Monate her, dass eine
Handvoll ausgewählter HiFi-Publikationen – darunter
natürlich auch das lite-Magazin – die Ehre hatten,
einmal hinter die Kulissen von AVID schauen zu
dürfen und sich auf den Weg ins englische Huntingdon machten. Dabei erläuterte Conrad Mas, der
sympathische Gründer des Kimboltoner Unternehmens, uns die Geschichte seiner Firma – angefangen beim Entwurf des ersten Prototypen bis zum
heutigen Tage. Nachhaltig beeindruckt hat mich dabei insbesondere der Aufwand, den der Brite seit
Beginn der Achtziger Jahre betrieben hat, um die
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besten Plattenspieler ihrer Preisklasse zu bauen.
Gegründet wurde die Firma AVID, deren Name übrigens ein Akronym ist und ausgeschrieben „A Very
Interesting Design“ bedeutet, aber erst 1995, als
die Schallplattenverkäufe und die der entsprechenden Abspielgeräte gerade an ihrem Tiefpunkt angelangt waren. Trotzdem hat es Conrad mit seinen
Plattenspielern zu weltweiter Bekanntheit gebracht.
Der berühmteste Besitzer eines AVID-Plattenspielers
ist wohl das russische Staatsoberhaupt Wladimir
Putin. Der hört – natürlich standesgemäß – mit dem
größten Modell, dem Actus Reference.
Ein besonders
interessantes Design
Der Ingenium hingegen ist das Einsteigermodell, das
durch den Ruf nach einer günstigeren Alternative
zum (ohne Tonarm) gut 2.000 Euro kostenden AVID
Diva geboren wurde. Die AVID-Designphilosophie
wurde also eingedampft und auf das Wesentliche
reduziert, essenzielle Vorgaben und Komponenten
wurden aber selbstredend beibehalten. Dabei herausgekommen ist ein Plattenspieler, der in seiner
Preisklasse wohl einzigartig aufwändig ist und mit
den allermeisten vergleichbar teuren „Brettspielern“
nur wenig zu tun hat. Das Chassis des (wie alle
anderen Produkte des Herstellers) komplett in der
hauseigenen Werkstatt im Firmensitz in Kimbolton
gefertigten Plattenspielers besteht aus einem Tförmigen Teil aus Aluminium, das als Basis dient
und alle weiteren Bauteile trägt. Der Längsbalken
nimmt Lager sowie Tonarm auf, der Querbalken hingegen dient ausschließlich dem sicheren Stand des
kleinen AVID. Dank seiner simplen Geometrie ist der
Ingenium als einziges Modell der gesamten Produktpalette auf Wunsch auch als Version für 10- oder
12-Zoll-Tonarme und sogar für zwei Arme lieferbar.
Der Chef selbst hält davon aber eigentlich nichts,
denn die Nachteile, die ein längerer Arm mit sich
bringt, überwiegen die Vorteile bei Weitem, darum
beschränkt er sich bei seinen anderen Drehern auf
die Vorbereitung für 9-Zoll-Arme.
lite 06/15
Testurteil
1,0
Oberklasse
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Modell:
Avid Ingenium
Plattenspieler
Preis:
2.000,00 Euro (inkl.
hier genutztem Tonarm)
Garantie:
Ausführungen:
2 Jahre
schwarz
Vertrieb:
IDC Klaassen, Lünen
Tel.: 0231/9 86 02 85
www.idc-klaassen.com
Ausführung
Abmessungen
(HBT):
Gewicht:
Tonarm
(optional):
Tonabnehmer
(optional):
370 x 130 x 305mm
5,9 Kg
Pro-Ject 9cc
Denon DL103
Besonderheiten
- innovatives Motorkonzept
- hervorragende Verarbeitung
- futuristisches Design
Bewertung
Klang (60%):
Praxis (20%):
Ausstattung (20%):
Gesamtnote:
Klasse:
Preis-/Leistung
Auf diesen Füßen aus klebrigem Sorbothane steht der AVID
Ingenium perfekt vom Untergrund entkoppelt. Damit er dennoch
verschiebbar bleibt, sind Filzgleiter in den Dämpfern integriert.
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1,0
1,0
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1,0
Oberklasse
hervorragend
Aus dem größeren Diva ist das Tellerlager entliehen,
bei dem es sich um ein sogenanntes invertiertes Lager handelt. Eine ausgeklügelte Konstruktion, die genau
anders herum funktioniert, als man es von klassischen
Plattenspielern gewohnt ist: Der konische Lagerdorn aus
Stahl ist, nach oben aufragend, fest mit dem Chassis
verbunden und nimmt an seiner abgeflachten Spitze eine
kleine Kugel aus Wolframkarbid, einem extrem harten
Metall, auf. Darauf liegt der äußere Teil des Lagers, der
seinerseits fest mit dem Subteller verbunden ist. Durch
die konische Form des Lagers und die kleine Kugel, die in
einen Lagerspiegel aus Saphir greift und sämtliche vertikalen Kräfte aufnimmt, ist das Lager nahezu verschleißfrei
und besonders geräuscharm. Daher kommt es sogar fast
ohne Schmierung aus. Es ist lediglich ein dünner Ölfilm
vonnöten, der automatisch aus einem kleinen Reservoir
über dem Lagerspiegel gespeist wird.
Komplett ausgelagert ist der ebenfalls selbst gefertigte
Motor. Er steht hinter dem Chassis in einer schweren
Motordose, die durch einen Gummiring vom Untergrund
entkoppelt ist und den Innenteller über einen klassischen
runden Silikon-Riemen antreibt. Ist der Plattenteller aufgelegt, verschwinden Motor und Riemen vollständig darunter und sind nicht mehr sichtbar. Verstecken müsste
man die feine Mechanik allerdings nicht!
Die Drehzahl wird dem kräftigen Synchronmotor von der
Netzfrequenz vorgegeben, ein separates Netzteil gibt es
nämlich nicht. Das stört aber nicht weiter, denn schließlich ist die Netzfrequenz europaweit einheitlich festgelegt.
Zum Einschalten ist an der Zuleitung ein kleiner Schalter
montiert, bei dessen Betätigung der Teller innerhalb gut
einer Sekunde auf Nenndrehzahl beschleunigt bzw. zum
Stillstand abgebremst wird. Wer Singles oder Audiophile45er-Platten hören möchte, der muss am Motorpulley
den Riemen umlegen.
Das minimalistische Chassis des Ingenium besteht aus lediglich
zwei Teilen, die aus massivem Aluminium gefertigt sind. Diese
besonders stabile und resonanzarme Bauweise ist elementarer
Bestandteil der AVID-Designphilosophie.
Mit abgenommenen Plattenteller kommt die ganze Schönheit
der handwerklich absolut perfekt gearbeiteten Klang-Maschine
voll zur Geltung.
Ein weiterer großer Vorteil dieser Lagerkonstruktion
ist die schnelle Ableitung aller bei der Abtastung
der Schallplatte auftretenden Vibrationen in das
Chassis. Von dort aus finden sie dann ihren Weg
in einen der drei Füße aus Sorbothane, die durch
ihre gummiartige Konsistenz sämtliche anfallenden
Schwingungen umgehend in Wärme umsetzen. Gegen
intensiven Trittschall hilft so eine Art Dämpfung natürlich nicht. Und trotzdem ist der Ingenium dafür
deutlich weniger anfällig als die meisten echten
Subchassis-Plattenspieler.
Britisch-Österreichische
Zusammenarbeit
Der Subteller aus Aluminium ist fest mit dem äußeren Teil des
aufwändigen Lagers verbunden. Dadurch besteht eine spielfreie
Verbindung zwischen Tonarm und Plattendorn, so dass jede
Relativbewegung zwischen beiden Komponenten vollkommen
ausgeschlossen ist.
lite
Standardmäßig wird der Ingenium mit dem tausendfach
bewährten, österreichischen Carbon-Tonarm 9cc der Firma Pro-Ject ausgeliefert. Ausgesucht hat Conrad den
Arm, der ohnehin einen exzellenten Ruf genießt, da er
am besten zur AVID-Philosophie passt. Das Tonarmrohr
ist nämlich einteilig und komplett aus besonders stabilem
Kohlefasergewebe gefertigt. Dadurch werden Vibrationen
schnell vom Tonabnehmer abgeleitet und gelangen auf
dem oben schon beschrieben Weg an das dämpfende
Ziel, wo sie letztlich beseitigt werden. Außerdem ist der
Tonarm als mittelschweres Exemplar mit besonders vielen Tonabnehmern kompatibel, so dass man weitgehend
freie Hand bei der Abtasterwahl hat. Nur zu groß sollte
der Korpus nicht werden, denn im Headshell geht es
recht beengt zu.
Wir entschieden uns für das Denon DL103. Ein Tonabnehmer, der ursprünglich für Rundfunk- und Studioanwendungen entwickelt wurde und seit über 50 Jahren
gebaut wird. Es gibt wohl kaum einen Tonabnehmer, der
beliebter ist und so eine große Fangemeinde um sich
scharen konnte wie der Denon-Klassiker.
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In der Praxis
Auch wenn der Aufbau des Ingenium recht einfach und
durch die bebilderte Anleitung selbst für Laien durchaus
durchführbar ist, kann ich Ihnen dennoch nur raten, die
Aufstellung dem Händler zu überlassen. Der hat nämlich
mehr Erfahrung als ein Hobby-Hörer haben kann und
weiß meist ziemlich genau, was er tut. Spätestens, wenn
es an das Montieren und Justieren des empfindlichen
Tonabnehmers geht, kann man viel falsch machen.
Ist der Zusammenbau erledigt, braucht es noch eine geeignete Standfläche. Der AVID Ingenium begnügt sich dabei mit einer ebenen Fläche, die waagerecht ausgerichtet
ist. Das können ein HiFi-Rack, ein kleiner Tisch oder ein
Wandhalter sein. Große klangliche Unterschiede konnte
ich bei der Aufstellung unter verschiedenen Bedingungen
nicht feststellen. Für die Verstärkung wird ein mal mehr
der kleine Oehlbach XXL Phono PreAmp Ultra verpflichtet, der mich schon im Einzeltest mit seiner Performance
enorm beeindruckt hat.
Der exzellente Pro-Ject 9cc Carbon-Tonarm passt von seinem
technischen wie optischen Design perfekt zum AVID.
jetzt bin ich echt beeindruckt. Also gleich die nächste
Platte aufgelegt: Einen Klassiker, die zweite Dire Straits,
letztes Stück „Follow Me Home“, mit den brandenden
Wellen zu Beginn. Es it mir fast etwas peinlich, das zuzugeben; aber zum ersten Mal habe ich so richtig gehört,
wie die Wellen von rechts nach links durch den Hörraum
schwappen. Das hatte ich sonst nie so wahrgenommen.
Was tun also? Nächste Platte auflegen natürlich. Diesmal mit Frauenstimme. Eine kleine Herausforderung für
jeden Plattenspieler. Katie Meluas „Cannes Heat“-Cover
„On The Road Again“. Einen der wenigen Songs, die ich
eigentlich mit jedem Gerät einmal höre. Die Tendenz
bleibt bestehen, ein voller und runder Klang und wieder
diese beeindruckende Räumlichkeit. Zum ersten Mal fällt
mir aber auch eine Kleinigkeit auf, die ich schon besser
gehört habe, die Auflösung der hohen Stimme nämlich,
da geht mehr. Ob das am taufrischen Tonabnehmer
oder am Plattenspieler lag, vermag ich allerdings nicht
zu sagen.
Wie auch immer, spielfertig kostet die Kombi unter 2.000
Euro und dafür ist das Gebotene immer noch ganz großes Kino! Und, das ist neu, ich habe nach dem einen
Stück nicht Schluss gemacht, sondern anschließend die
ganze Platte durchgehört, so viel Freude macht der quirlige kleine Ingenium. Mindestens genau so beeindruckt
haben mich, ein Mal mehr, die „American Recordings“
von Johnny Cash. Erstaunlicherweise gefiel mir die Wiedergabe der im Laufe der Aufnahmen immer brüchiger werdenden Stimme dabei nämlich ausgezeichnet gut.
Aber Mister Cash sang halt auch einige Oktaven tiefer als
Fräulein Melua. Vielleicht macht das hier schon den Unterschied. Ich könnte jetzt ewig noch so weiter schreiben,
denn ich habe wirklich selten so viel Freude an einem
Testgerät gehabt wie an dem AVID Ingenium und daher
auch besonders viel gehört – aber ich möchte Sie, liebe
Leser, nicht langweilen. Stattdessen möchte ich Ihnen ans
Herz legen, sich den AVID-Einsteiger einmal selbst „live“
anzuhören.
Fazit
Der kräftige Synchron-Motor wird samt seiner soliden Behausung
komplett in Kimbolton gefertigt. Von Hand versteht sich.
Vor lauter Neugierde habe ich dann wahllos die erstbeste
Platte aufgelegt, die mir in die Hände fiel und war erstmal baff. „Crossroads Guitar Festival 2013“ habe ich in
den letzten Wochen öfter gehört, als ich zählen könnte,
doch die Performance des kleinen Ingenium hat mich
jetzt doch regelrecht umgehauen. Er entwickelt einen
derart knackigen und straffen Bass, wie ich es von einem Plattenspieler mit vergleichsweise leichtem Holzteller
nicht erwartet hätte. Und das obwohl es heißt, der ProJect würde mit dem DL103 nicht harmonieren. Stimmt
nicht, kann ich ihnen sagen!
Dann diese Räumlichkeit. Sänger und Instrumente stehen
wie festgenagelt an ihrem Platz und zwar scharf umrissen
und stimmig, als hätten sie nie etwas anderes getan. Bis
Test 06/2015 • www.lite-magazin.de • Irrtürmer vorbehalten.
Was passiert, wenn die Leidenschaft an feinem Maschinenbau und höchste Anforderung an den Klang
aufeinander trifft? Dann entsteht ein Plattenspieler
wie der AVID Ingenium. Mit pfiffigen Detaillösungen,
einem durchdachten Gesamtkonzept, einwandfreier
Fertigungsqualität und hervorragendem Klang. Um
es kurz zu machen: Ich behaupte, für den aufgerufenen Preis des kleinen AVID Ingenium ist es
mindestens fast unmöglich, etwas Besseres zu bekommen!
Test & Text: Jonas Bednarz
Fotos: www.lite-magazin.de
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