Konzeptwandel erleichtert Lehren und Lernen Dreimal im Jahr treffen sich Lehrende, die am Hochschuldidaktik-Department der MINT-Fächer beteiligt sind. Sie berichten von Erfahrungen mit neuen Lehr-Lern-Methoden und externe Referentinnen und Referenten stellen ihre fachdidaktischen Erfahrungen vor. Zuletzt sprachen Dr. Barbara Hank von der HAW München und Prof. Dr. Peter Riegler von der Ostfalia-Hochschule Wolfenbüttel an der TH Nürnberg über das Vorkommen von so genannten Präkonzepten bei Studierenden und Lehrenden. Ihre Botschaft lautet: Präkonzepte prägen jeden Lernprozess. Diese zu identifizieren, hilft Erkenntnisbarrieren zu überwinden. S o genannte Präkonzepte sind eine besondere Form von Alltagsvorstellungen, nämlich Konzepte, die Lernende zu einem Phänomen besitzen, bevor sie dieses überprüft und gegebenenfalls in Richtung eines fachwissenschaftlich korrekten Konzepts verändert haben. Sie kommen fast überall dort vor, wo Menschen auf neue Phänomene treffen, für die sie eine persönliche Erklärung benötigen, ohne dabei das wissenschaftliche Konzept zu kennen. Präkonzepte stellen also eine besondere Form von Hypothese dar, die jedoch vom Betroffenen nicht mehr als Vermutung, sondern vielmehr als schlüssiges und vermeintlich richtiges Konzept angesehen wird. Sie können zu tief greifenden Lernschwierigkeiten führen. Geht die Sonne wirklich unter? Ein einfaches Beispiel eines solchen Fehlkonzeptes stellt die Aussage „Die Sonne geht unter!“ dar. Während hier die Alltagsbeobachtung der Himmelskörper genau diesen Schluss provoziert, wird dieses Präkonzept spätestens in der Schule überwunden und durch die Idee „Die Erde dreht sich.“ ersetzt. Nur durch dieses neue Verständnis ist eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Fra- OHM-Journal WS 2015|2016 gen der Astronomie möglich, auch wenn sprachlich weiterhin das Präkonzept den Alltag dominiert. Das betrifft auch die Lehre an Hochschulen und Universitäten: Prüfungen Studierender enthalten manchmal Fehler, die zeigen, dass grundlegende Annahmen des Faches nicht verstanden wurden. Dr. Barbara Hank beschäftigte sich in ihrer Promotion mit Fehlkonzepten. Diese, so sagt sie, finden sich letztlich in allen Fachbereichen und sind durch ihren Alltagsbezug schwer veränderbar. Beim Austauschtreffen Anfang Mai 2015 führte Dr. Hank Lehrende in die Thematik ein; Beim Folgetreffen Ende Juni zeigte Prof. Dr. Peter Riegler, dass auch Lehrende mitunter Präkonzepte entwickeln, mit denen sie ihre Lehre gestalten (s. Bild). Diese sind dabei nicht fachlicher Natur, sondern beziehen sich auf die Wirksamkeit der eigenen Lehre und die Verständnisfähigkeit Studierender. Gute Lehre fördert Konzeptwandel Credo beider Vorträge war, dass gute Lehre solche Präkonzepte hinterfragen und gegebenenfalls überwinden sollte. Hier setzt die Idee des Konzeptwandels an. Mit dem Einsatz spezialisierter Lehr-Lern-Methoden werden Studierende über kognitive Konflikte für eigene Präkonzepte sensibilisiert und erarbeiten sich daraufhin sinnvollere Wissenschaftskonzepte. Lehrende unterstützen die Studierenden bei diesem Prozess. Peer Instruction oder Tutorials zum Umgang mit Fehlkonzepten beispielsweise in der Elektrotechnik sind nur zwei mögliche Methoden, die genau auf diesen Konzeptwandel als Lerneffekt zielen. Entscheidend ist also, die Präkonzepte der eigenen Studierendengruppe zu kennen, da nur dann „Stolpersteinen“ und „Schwellenthemen“ angemessen begegnet werden kann. So kann Lehre inhaltlich und methodisch an der Zielgruppe orientiert werden. Foto: Jane Fleischer Einblicke in das HD MINT-Austauschtreffen Mahner: „Fehlkonzepte sind hartnäckig“, weiß Prof. Dr. Peter Riegler von der Ostfalia-Hochschule Wolfenbüttel. i HD MINT, das Hochschuldidaktik-Department der MINT-Fächer, ist ein Verbund von sechs bayerischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften, dem Zentrum für Hochschuldidaktik und dem Bayerischen Staats-institut für Hochschulforschung und Hochschulplanung. Interdisziplinäre Teams aus fachwissenschaftlichen und pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterstützen an den Hochschulen den Einsatz verständnisorientierter Lehr-LernMethoden von der Beratung bis zur Konzeption, Umsetzung und Evaluation. HD MINT ist ein seit 2012 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Angebot aus dem „Qualitätspakt Lehre“. www. th-nuernberg.de/hdmint Jane Fleischer, Dr. Barbara Meißner 37
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