NZ, 12.01.2016 - BTL

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Nürnberger Zeitung
20.677
12/01/2016
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Neues Konzept: Ich schmeiß1 deine Party und du wirbst für mich
Bier, Spirituosen, Tabak und Werbebotschaft gratis: Statt sich mit einem
Stand vor die Uni zu stellen, setzen Unternehmen auf "Guerilla-Marketing"
VON USCHI ASSFALG
"Kein Einziger." Das Konzept von
"partygerilla" und seinen Kunden
in erster Linie Getränke-, Spirituosen- und Zigarettenhersteller
scheint aufgegangen zu sein. "Wir stellen dem Gastgeber einen Kasten Bier
hin, und damit sieht es aus, als würde
er dieses Bier seinen Gästen empfehlen", erläutert Häfner. "Das hat eine
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Produkt- und Firmenwerbung hat in
den Unis längst Einzug gehalten. Die
Studierenden empfinden es mittlerweile als selbstverständlich, auf dem
Campus umworben zu werden und
alles Mögliche gratis abstauben zu
können. Wer hier erfolgreich für Neues
werben will, muss deshalb andere
Methoden wählen
beispielsweise
Guerilla-Marketing.
Johannes Hubel
er studiert in
Nürnberg Elektro- und Gebäudetechnik
und seine drei Mitbewohner
wollten zum Ende des Semesters eine
Party steigen lassen. Wie immer hätten die Gäste ihre Speisen und Getränke selbst mitbringen müssen, gäbe es
nicht inzwischen Firmen, die als SponsorenWG-Partys mit Getränken, Spirituosen sowie Tabakwaren versorgen
und Guerilla-Marketing oder, um
genau zu sein, "partyguerilla".
Dahinter verbirgt sich ein von Patrick Häfner und Maximilian Hauck entwickeltes Geschäftsmodell, das Unternehmen und Studenten auf unkonventionelle Weise zusammenbringt: Die
einen liefern unentgeltlich Naturalien
und die anderen konsumieren sie und
wirken als Werbeträger dafür.
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Zielgruppe klar definiert
Damit sichergestellt ist, dass nicht
Hinz und Kunz gesponsert werden,
müssen sich die Studierenden online
mit ihrer Party bewerben: Wer feiert
wo mit wem und unter welchem Motto. Mindestens 40 Leute müssen eingeladen und die Bewerbungsschreiben
kreativ sein. "Wir haben einen langen
Text zum Thema ,Alles ist möglich
verfasst", erzählt Hubel. Bis zu 140
Gäste hätten sich in ihrer 125 Quadrat-
meter großen WG-Wohnung gedrängt, wo ein Profi-DJ auflegte. Und
alle seien begeistert gewesenvon dem
guten Bier das beste, was sie je
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getrunkenhätten und von den tollen
neuenEnergy-Drinks. "Freiwillig hätte ich die nicht probiert, aber jetzt finde ich sie so gut, dass ich sie wieder
trinke", sagt Hubel.
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Voll des Lobes
Voll des Lobes ist der Studierende
auch über die örtliche Organisatorin
von "partyguerilla", Madeleine Jainz.
Sie habe unter anderem beim Verladen der Getränke mit Hand angelegt,
sich mit den Gästen unterhalten und
dafür gesorgt, dass die Flaschen und
Dosen ansprechend präsentiert worden seien. Die Bilder, die Jainz bei den
Feiern schießt, halten alle für normale
Partyfotos. Tatsächlich aber sind sie
für die zahlenden Konzerne bestimmt.
Und niemand hat die doch recht
augenfällige Werbung im privaten
Umfeld bemängelt oder gar als störend empfunden? "Nein", sagt Hubel.
"Kein Einziger."
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ganz andere psychologische Wirkung,
als ein Promotionstand vor der Uni."
Die Vertrauensbasis sorge dafür, dass
die Werbebotschaft ankomme.
Experten sprechen von "Empfehlungsmarketing", wenn Kommilitonen und Freunde als Türöffner fungieren, um mit der Werbebotschaft, dem
neuen Produkt, den potenziellen Kunden zu erreichen eine der neuesten
Formen der Werbung, die unter dem
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Begriff "Guerilla-Marketing"zusammengefasst werden.
hohe Kaufkraft bekannt sind, Hochschulen aber einmal gut verdienende
Akademiker heranzüchten, die als
Meinungsbildner, Trendsetter und
Multiplikatoren auftreten.
Die Guerilla-Marketing-Strategie
ist vor allem für kleinere und mittlere
Unternehmen interessant, die ein neues Marktsegment erobern wollen.
Aber auch große Konzerne bedienen
sich ihrer. Guerilleros kennen ihre
potenziellen Kunden sehr genau.
Spektakuläre Werbemethoden sind
nicht ihr Ding. Sie setzen auf eher
weniger aufsehenerregende Aktionen
und auf Mundpropaganda, wie eben
jene tolle Fete bei Hubel und seinen
drei WG-Mitbewohnern, wo die Gäste
unter anderem für neue Getränke
begeistert werden konnten.
Steigende Verkaufszahlen
Klassische Werbemaßnahmen wirken zum Teil weniger effizient, stellen
die Unternehmen fest und setzen auf
ungewöhnliche Wege des Marketings.
Ausgestattet mit einem geringen Werbebudget hat beispielsweise die Brauerei WürzburgerHofbräu durch "partyguerilla" ihr neues Sternla-Bier
bekanntgemacht und dessen Verkaufszahlen schnell nach oben gefahren, ist
von ProduktmanagerMatthias Klingbeil zu erfahren.
In Nürnberg und Erlangen veranstaltet "partyguerilla" nach eigenen
Angaben pro Jahr zirka 50 WG-Feiern mit durchschnittlich je 75 Gästen.
2013 in München gestartet, ist das
Unternehmen inzwischen in 39 deutschen, vier österreichischen (unter
anderem in Wien und Graz) sowie
acht Schweizer Städten (beispielsweise in Genf und St. Gallen) vertreten
und kann laut Häfner bis jetzt 150 000
direkte und durch Mundpropaganda
zusätzliche 630 000 indirekte Kontakte verbuchen.
Die Geschäftsidee sei entstanden
aus der eigenen Erfahrung heraus,
dass Studenten gerne feiern und dass
sie immer zu wenig Geld dafür hätten,
verrät Häfner, der als Student selbst
Partys organisierte. "Warum also
nicht Firmen um Spenden in Form
von Getränken bitten?" Das sei ein
Handel mit zwei Gewinnern. Die Studierenden schonten ihr Budget und
die Marken würden prominent platziert
und das für einen Wareneinsatz im Wert von 300 bis 600 Euro pro
Party. Die Rolle seines Unternehmens
bestehe darin, für die Firmen ein Kanal in eine junge Zielgruppe
ein
wichtiger Absatzmarkt zu sein.
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Erst arm, später konsumfreudig
Aus Vermarktungssicht sind Unis
ein Traum. Wo sonst findet sich eine
nach Fachbereichen so ausdifferenzierte zukünftige Konsumentenzielgruppe. "Zukünftig" deshalb, weil
Studierende nicht unbedingt für eine
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