Seite 24 · 22. November 2015 · Sonntags-Zeitung GEMEINDEREPORT Auf gute Nachbarschaft Die Thomaskirchengemeinde in Wiesbaden steht mitten im Wohngebiet und setzt auf gutes Miteinander • Von Theresa Röser Die Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden wird in der Thomaskirchengemeinde in Wiesbaden großgeschrieben. Die gemeinsame Kinder- und Jugendarbeit liegt in den Händen des Gemeindepädagogen – seit fast 40 Jahren. Und das, obwohl die Kirche erst kürzlich ihr 50. Bestehen feierte. THOMASGEMEINDE WIESBADEN R Der Gemeindepädagoge ist bis heute geblieben Seit mehr als 40 Jahren gibt es einen ökumenischen Kindergarten mit der katholischen Nachbargemeinde. »Das ist ein großartiges Projekt«, findet Neumann. Getragen wird die Einrichtung von einem Verein. Achim Hoock ist der Vorsitzende und auch Gemeindepädagoge in der Thomaskirchengemeinde. »Er ist eine Institution«, sagt der Pfarrer über seinen Mitarbeiter. 1978 machte Hoock sein Anerkennungsjahr nach dem Studium in der Thomasgemeinde. »Danach dachte ich, ich bleibe fünf bis sechs Jahre«, sagt er und lacht. »Und jetzt bin ich immer noch da.« Die Kinder- und Jugendarbeit ist ein Schwerpunkt. »Die Arbeit mit jungen Menschen ist immer auch Beziehungsarbeit und ein Stück Lebensbegleitung«, sagt der ■ Thomaskirchengemeinde Wiesbaden Pfarrer Klaus Neumann Richard-Wagner-Straße 88 65193 Wiesbaden Telefon 06 11/ 52 35 46 www.thomasgemeinde.de DREI FRAGEN AN ... ... Pfarrer Klaus Neumann, Thomaskirchengemeinde Wiesbaden: Fotos: Thomaskirchengemeinde Wiesbaden (2); Theresa Röser (1) und 300 Meter liegen zwischen dem Gemeindehaus der Thomaskirchengemeinde und dem Gelände des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden. Die Kirche steht mitten im Wohngebiet im Norden der Stadt. Mehrfamilienhäuser, Reihenhäuser und große Villen verteilen sich über die Straßen. »Wir haben hier eine sehr gemischte Struktur«, sagt Pfarrer Klaus Neumann. »Das zeigt sich in der Zusammensetzung unserer Gemeinde.« Zu den rund 1700 Mitgliedern gehören auch Menschen aus den Behinderteneinrichtungen und Altenheimen des Evangelischen Vereins für Innere Mission, die sich im Gebiet befinden. Einmal im Monat feiert Neumann dort Gottesdienst. Die gute Zusammenarbeit mit den Nachbarn ist dem Pfarrer wichtig. Kinder- und Jugendarbeit, Gemeindefahrten, Konfirmandenunterricht und viele Gottesdienste finden mit der benachbarten Versöhnungsgemeinde statt. Die beiden evangelischen Gemeinden trennt ein Stück des Wiesbadener Kurparks. Dort feiern die Pfarrer an Christi Himmelfahrt gemeinsam Open-Air-Gottesdienst. ? Was wünschen Sie sich für Ihre Gemeinde? Möglichst unbehelligt von den Irrungen und Wirrungen von Kirchenleitung und Kirchenverwaltung zu bleiben. Und Einsicht, dass die Gemeinde der eigentliche Ort der Kirche ist. Denn Kirche gibt es evangelisch nur als Gemeinde. Was würden Sie spontan mit einer 20 000-Euro-Spende anfangen? ? Die Protestanten der Thomaskirchengemeinde feiern gerne zusammen mit ihren Nachbarn (großes Bild oben). Kinder- und Jugendarbeit ist einer ihrer Schwerpunkte (Bild links). Pfarrer Klaus Neumann und Gemeindepädagoge Achim Hoock (Bild rechts, von links) wollen die Gemeinde weiterentwickeln. Pfarrer. »Das entspricht meinem Bild von Gemeinde.« Mit dem Kollegen aus der Versöhnungskirchengemeinde betreut er bis zu 60 Konfirmanden in einem Jahrgang. 28 Jungen und Mädchen kommen in diesem Jahr aus der Thomasgemeinde. »Viele von ihnen sind in unserer Gemeindearbeit groß geworden«, sagt Neumann. Freizeiten, Kinderbibeltage, Kindergottesdienste oder Vater-Kind-Wochenenden gehören zu den Angeboten. Aus den Abenteuerwochenenden mit Lagerfeuer, Stockbrot und Wandern entstanden auch die Väterabende. Rund 90 Ehrenamtliche engagieren sich in der Gemeinde, die 1963 gegründet wurde. Ein Jahr später entstand die Kirche. Zu dem Ensemble des Architekten Rainer Schell gehören das Pfarrhaus, die Kirche und der Laubengang. Vor 15 Jahren baute die Gemeinde auf dem Gelände das neue Gemeindehaus. Das Kirchengelände wird gerne als Abkürzung durch das Wohngebiet genutzt. Schüler, Familien oder Spaziergänger laufen durch den offenen Innenhof. Eine Gemeindesekretärin, eine Kirchenmusikerin und ein Hausmeister und Gärtner gehören zum Personal. Die Küsterdienste im Gottesdienst übernimmt der Kirchenvorstand. »Jeder trägt ein, wann er Zeit und Lust hat«, sagt Neumann. Das Konzept geht auf. »99 Prozent der Sonntage funktionieren.« Neben Kinder- und Jugendarbeit habe die Gemeinde weitere Schwerpunkte, sagt Neumann. »Das eine ist die Nachbarschaft und das andere die Behindertenseelsorge.« Die Gemeindefahrt entstand aus Ideen zum Luther-Jahr An Erntedank feiert die Gemeinde ihr Gemeindefest. »Es ist gleichzeitig auch das Herbstfest der Behindertenseelsorge«, sagt Hoock. »Wir feiern mit der Gemeinde, aber auch mit der Nachbarschaft.« »Gemeindetheologisch zu arbeiten ist mir wichtig«, sagt Neu- mann. Seit mehr als 15 Jahren gibt es zwei Gesprächsgruppen, die sich mit Fragen rund um die Bibel beschäftigen. »Ich kann mir gut vorstellen, das weiter auszubauen.« Aus der Arbeit zum Reformationsjubiläum entstand eine Gemeindefahrt nach Wittenberg. »Es ist toll, dass die Gemeinde solche Ideen annimmt.« Entwickeln will der Pfarrer auch die kirchenmusikalische Arbeit. Mit einem Arbeitskreis gestaltet die Gemeinde Kammerkonzerte und andere Veranstaltungen in den Gottesdiensten. »Wir können nicht so tun, als wären wir eine große Innenstadtgemeinde«, sagt Neumann. »Aber wir können Nischenangebote verbessern.« Ein Bläser-Gottesdienst an der Waldkapelle, Weihnachtsgottesdienste mit dem Kinderchor oder die Waldweihnacht am vierten Advent gehören zu den besonderen Veranstaltungen in den kommenden Monaten. In den Anfangsjahren habe die Gemeinde zwar mehr als viermal so viele Mitglieder gehabt. Doch Ich würde je eine Hälfte an das Mutter-Kind-Haus und in die Stiftung der Thomasgemeinde geben. ? Welche Person wären Sie gerne für einen Tag? Ich bin gerne ich selbst, aber wenn, möchte ich Student in Luthers Wohngemeinschaft im Augustinerkloster in Wittenberg in den Anfangsjahren der Reformation sein. für Neumann hat sich die Gemeindearbeit trotz sinkender Mitgliederzahlen nicht verändert. »Beim Jubiläum der Gemeinde vor vier Jahren habe ich mich gefragt, ob es die Gemeinde auch in 50 Jahren noch gibt«, sagt er. »Ich denke aber ja.« Doch die Bevölkerung verändere sich. Es sei wichtig, als Gemeinde eigenständig zu bleiben und gute Angebote zu machen. »Wenn die Arbeit irgendwann nicht mehr sinnvoll erscheint, dann müssen wir neu diskutieren.«
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