"Die DZ PRIVATBANK ist im Verbund angekommen" (Börsen

Banken und Finanzen
4 Börsen-Zeitung Nr. 140
Sonnabend, 25. Juli 2015
IM INTERVIEW: STEFAN SCHWAB
„Die DZ Privatbank ist im Verbund angekommen“
Der Vorstandsvorsitzende über das Wachstum der Bank und die Redimensi0nierung der Auslandsstandorte – und über die Chancen von 1899 Hoffenheim
Börsen-Zeitung, 25.7.2015
Herr Dr. Schwab, in Luxemburg
gibt es immer weniger Banken.
Mitte der neunziger Jahre waren
es 220, im Juni dieses Jahres 144,
rund ein Drittel weniger. Wann
tritt die DZ Privatbank den Rückzug an?
Wir haben nicht vor, den Rückzug
aus Luxemburg anzutreten, sondern
bekennen uns zu diesem Standort
ebenso wie zur Schweiz und zu Singapur. Wir sprechen hier von den
drei größten Private-Banking-Plätzen der Welt. Sie haben Recht, dass
der hiesige Bankenplatz in Bewegung ist, wobei es übrigens auch Zugänge gibt, in jüngerer Zeit vor allem von chinesischen Banken. Aber
die DZ Privatbank verfolgt eine Vorwärtsstrategie, die wir nach wie vor
für richtig halten und konsequent
umsetzen, unabhängig davon, ob andere Banken einzelne Aktivitäten an
einem Standort aufgeben oder sich
völlig zurückziehen.
Sie könnten Ihr Geschäft auch aus
Deutschland oder der Schweiz
heraus betreiben. Was spricht für
Luxemburg?
Eine Reihe von Gründen. Wir haben
hier einen im Vergleich zu Frankfurt
recht ergiebigen Arbeitsmarkt, die
Beschäftigten sind qualifiziert, und
zugleich gibt es teilweise beträchtliche Kostenvorteile, insbesondere
was Backoffice-Funktionen angeht.
Die Schweiz hatte gegenüber Luxemburg schon früher deutliche komparative Kostennachteile in der Größenordnung von 10 bis 20 %. Durch
die Freigabe des Franken-Kurses im
Januar sind locker noch einmal 10
Prozentpunkte dazugekommen. Eine große Rolle spielt auch die Regulatorik.
Wird die nicht zumindest in der
europäischen Bankenunion vereinheitlicht?
In Luxemburg müssen die Regeln genauso umgesetzt werden wie in
Deutschland. Dennoch gibt es in der
Aufsichtspraxis nach wie vor nationale Unterschiede. In einem Land mit
380 000 Beschäftigten sind die Wege
kürzer, auch die Wege zu den Behörden. Wenn ich dem Präsidenten der
luxemburgischen
Bankenaufsicht
ein Anliegen vortragen möchte, habe ich gute Chancen, innerhalb von
maximal zwei Wochen einen Termin
zu bekommen. Gerade auch im Bereich der Fondsdienstleistungen ist
die Flexibilität der Behörden extrem
wichtig.
Nennen Sie bitte mal ein Beispiel,
wie sich das konkret im Tagesgeschäft auswirkt.
Die DZ Privatbank ist heute der größte deutsche Fondsdienstleister im
Großherzogtum. Als Dienstleister
machen wir alles von der Fondskonzeption über das Zulassungsverfahren bis hin zu Reporting und Controlling. Da kommt es im Interesse unserer Kunden, also der kleinen und großen Fondshäuser, nicht zuletzt auf
das Tempo an. Und obwohl Luxemburg ein „heimeliger“ Platz ist, bietet
es die im Wettbewerb mitentscheidende Schnelligkeit und ist auch deshalb nicht von ungefähr weltweit
der zweitgrößte Fondsstandort nach
den USA.
Im Private Banking haben Sie
aber in Luxemburg und sicher
auch in der Schweiz angesichts
der zunehmenden steuerlichen
Transparenz eine sinkende Kundenfrequenz.
Die Kundenfrequenz ist rückläufig,
in der Tat. Das ist teilweise ein erwünschtes Resultat unserer geschäftspolitischen Entscheidungen.
Wir wollen ja in unsere Zielgrößen
hineinwachsen: mindestens 250 000
Euro, lieber noch 500 000 Euro liquides Geldvermögen pro Kunde. Das
impliziert, dass wir Kunden mit deutlich kleineren Anlagebeträgen, die
vor vielen Jahren in großer Zahl
nach Luxemburg gekommen waren,
bewusst ziehen lassen und ihnen die
Betreuung durch eine deutsche
Volks- oder Raiffeisenbank empfehlen.
Ist nicht das Steuerthema der
Hauptgrund für die abnehmende
Kundenfrequenz?
Der automatische steuerliche Informationsaustausch
ist
praktisch
schon Realität und Steuertransparenz daher gewährleistet. Dieses
Thema ist durch. Vor allem sinkt die
Kundenfrequenz hier bei uns in Luxemburg, weil wir mit mittlerweile
neun Standorten in Deutschland –
die jüngsten haben wir in Berlin und
Leipzig eröffnet – zunehmend dort
hingehen, wo die Kunden sind. Wir
haben eine verbundfokussierte Strategie und treten immer gemeinsam
mit den Volks- und Raiffeisenbanken vor Ort auf. Wir akquirieren nie
Kunden an den Primärbanken vorbei.
Ist der Aufbau von Niederlassungen damit abgeschlossen?
Der Raum Weser-Ems ist noch ein
weißer Fleck auf unserer Landkarte,
den wir analysieren. Man muss aber
nicht immer gleich an eine Niederlas-
überhaupt immer stärker gefragt,
nicht nur von großen Volksbanken.
Wie sieht Ihre Gesamtbilanz für
die DZ Privatbank fünf Jahre nach
dem Neustart aus?
Die DZ Privatbank ist als Kompetenzcenter und Lösungsanbieter der genossenschaftlichen Finanzgruppe im
Private Banking etabliert. Wir haben
nach eher bescheidenen Anfängen
mit drei Niederlassungen und der Beschränkung auf Vermögensverwaltung und -beratung heute alle Pfeile
im Köcher: Stiftungsberatung, eigene Stiftungslösungen, Nachhaltigkeitsfonds, Family Office oder Nachfolgeplanung für Unternehmer, um
nur einige Beispiele zu nennen. Die
ZUR PERSON
Akquisiteur
ski – Wo Stefan Schwab zu Hause
ist und für welchen Fußballverein
sein Herz schlägt, darüber gibt es
spätestens dann keinen Zweifel
mehr, wenn man das Büro des Vorstandsvorsitzenden der DZ Privatbank in Luxemburg betreten hat.
Da findet sich zum Beispiel ein acht
Jahre altes Stück Rasen aus dem
Dietmar-Hopp-Stadion, in dem die
TSG 1899 Hoffenheim in der Saison 2006/07 den Aufstieg in die
Zweite Bundesliga schaffte, ein
Schuh des einstigen „Weltklasse“Stürmers Vedad Ibiševic und ein sicher auch irgendwie bedeutungsschwangerer Fußball, dem freilich
im Lauf der Zeit die Luft ausgegangen ist.
Der 55-jährige Schwab ist zweifellos eingefleischter Fan der
Kraichgauer, doch dürften die Insignien des fußballerischen Aufstiegs in seinem Fall auch ein wenig mit Kundenpflege zu tun haben. Dietmar Hopp, Mitbegründer
von SAP und Mäzen von 1899 Hoffenheim, hatte vor einigen Jahren
in einem Interview offenbart, dass
fast sein ganzes Vermögen bei der
Volksbank Kraichgau und der DZ
Privatbank liege. Schwab war viele
Jahre Chef der Volksbank Wiesloch, die mit den Nachbargenossen
aus Sinsheim zur Volksbank Kraichgau fusionierte. An der Spitze der
von der DZ Bank (70 %), der
WGZ Bank (19 %) und genossenschaftlichen Primärbanken (11 %)
sung denken, die mit acht bis zehn
Leuten schon einige 100 Mill. Euro
bewegen sollte. Es kann sich auch
mal wie in Leipzig um ein Büro handeln.
Wie viele der gut 1 000 genossenschaftlichen Primärbanken arbeiten mit Ihnen zusammen?
Zurzeit sind es rund 490. Damit liegen wir leicht über Plan. Aber die Anzahl ist nicht entscheidend, sondern
die Intensität der Zusammenarbeit.
Wir wollen ja den Markt bearbeiten.
Das bedeutet, wir besprechen mit unseren Partnerbanken sehr konkret,
„Auch unter Ertragsgesichtspunkten sollten wir uns in naher
Zukunft auf 20 Mrd.
Euro zubewegen. Das
dauert leider ein bisschen länger, als es
der Business Case
ursprünglich vorsah.“
wie viele Kunden wir gemeinsam gewinnen und welches Volumen wir
generieren wollen.
Sind unter Ihren Partnern auch
die großen Volksbanken?
Selbstverständlich. Wir arbeiten selektiv zusammen, zum Beispiel in
der Vermögensverwaltung. Gerade
für große Volksbanken kann es interessant sein, Private-Banking-Produkte unter ihrem Namen anzubieten,
bei denen wir uns im Hintergrund
um das Assetmanagement kümmern
oder andere Unterstützung leisten.
Solche White-Label-Modelle sind
Stefan Schwab
getragenen DZ Privatbank steht
der Diplom-Kaufmann, dessen Berufsweg 1987 noch während der
Promotion bei der BHF-Bank begann, seit 2010. Zur genossenschaftlichen Familie gehört er seit
1994. Seinerzeit hatte er bei der damaligen SGZ-Bank angefangen.
Über seine Position als Vorstandsvorsitzender hinaus versteht
sich Schwab ein Stück weit auch
als „erster Akquisiteur“ des Hauses
und ist dafür etwa 100 000 km pro
Jahr in der ganzen Republik unterwegs, um die gut 1 000 Volks- und
Raiffeisenbanken abzuklappern. In
Luxemburg ist er Mitglied des
Board of Directors der Bankenvereinigung ABBL, auch um die Verbundenheit mit dem Finanzplatz zum
Ausdruck zu bringen.
(Börsen-Zeitung, 25.7.2015)
Kombination von regionaler Nähe
und der vom Vertrauen in den Ortsbanker getragenen Kundenbeziehung einerseits mit der DZ Privatbank als Kompetenzträger im Private Banking andererseits, dieser gemeinsame Auftritt funktioniert. Wir
gewinnen immer mehr Kunden
durch Weiterempfehlung.
Schön und gut. Trotzdem liegt bei
Ihnen einiges im Argen.
Wie kommen Sie darauf?
Die DZ Privatbank durchläuft ein
Restrukturierungsprogramm. Im
Geschäftsbericht beklagt Ihr Aufsichtsrat eine nicht den Erwartungen entsprechende Ertragslage.
Die Rede ist von einer notwendigen Optimierung der Konzernstruktur und von Veränderungen
des Geschäftsmodells. Da gab es
offenbar Handlungsbedarf.
Es gab durchaus Handlungsbedarf,
und wir haben gehandelt – mit Erfolg. Das kommt in unseren Halbjahreszahlen zum Ausdruck. Wir liegen
mit den Erträgen nicht nur oberhalb
der Vorjahreswerte, sondern auch
über unserem Budget, und zwar um
gut 15 %. Gleichzeitig haben wir die
Kosten im Griff, sie sind stabil – abgesehen von einem Einmaleffekt, den
niemand auf der Rechnung haben
konnte: der Aufwertung des Schweizer Franken.
Hauptgrund für die zumindest
2014 unbefriedigende Ertragslage
ist der Margendruck im Private
Banking?
Die Margen im Private Banking erodieren. Es gab einmal Zeiten mit 0,2
bis 0,25 % Zinsmarge. Heute sind keine 0,08 % mehr zu realisieren. Die
Provisionsmarge steht ebenfalls unter Druck. Die Not mancher Banken
ist anscheinend so groß, dass sie versuchen, Kunden zum Beispiel mit
einjähriger Freistellung von Provisionen zum Bleiben zu bewegen.
Die Marge liegt in der Gegend
von 0,7 %?
So etwa. Aktuell können Sie von 0,7
bis 0,8 % Gesamtmarge ausgehen.
Wie viel will die DZ Privatbank in
diesem Jahr verdienen?
Wir streben ein Ergebnis vor Steuern
von etwa 60 Mill. Euro an, nach
rund 55 Mill. Euro im Vorjahr. Der
Ausblick ist ungeachtet dieser geplanten Steigerung verhalten. Denn
die Phase der Niedrig- und Negativzinsen dauert an, wir legen Kundengelder bei der EZB und bei der
Schweizer Nationalbank mit Negativzinsen an, stellen unseren Kunden
aber keine Negativzinsen in Euro in
Rechnung. Das heißt, wir legen
drauf.
Zurück zum Handlungsbedarf:
Wie haben Sie gegengesteuert?
Wir haben unsere Auslandsstandorte im Private Banking redimensioniert, wesentliche Teile der Administration und der Produktionsbereiche
in Luxemburg konzentriert, vertriebsnahe Leistungen in Deutschland angesiedelt sowie gemietete Flächen optimiert und reduziert. Über
lange Zeit hatten wir viele Bereiche
doppelt vorgehalten, unsere Gesellschaften in der Schweiz und in Luxemburg waren ja Schwestern. Diesen Dualismus muss man im heutigen Umfeld kritisch überprüfen und
entsprechende Konsequenzen ziehen, also Aktivitäten bündeln, beispielsweise um wettbewerbsfähigere
Losgrößen im Portfoliomanagement
zu erreichen.
Redimensionierung heißt Personalabbau?
Ja, auch. An den Auslandsstandorten haben wir im Private Banking 40
bis 50 Mitarbeiter abgebaut, auch
auf Basis von Betriebsvereinbarungen, die sozialverträgliche Trennungen ermöglichen. In der Schweiz hatten wir Ende vorigen Jahres insgesamt 205 Beschäftigte, jetzt bewegen wir uns in Richtung 170. Doch
obgleich wir zusätzliche Verlagerungen und weiteres Outsourcing prüfen, ändert dieser Umbau nichts an
unserem grundsätzlichen Bekenntnis zum Standort Schweiz. „Swissness“ ist von vielen Kunden gefragt,
nicht nur weil sie zumindest einen
Teil ihres Vermögens außerhalb des
Euroraums anlegen wollen. Die
Schweiz bietet nun mal eine besondere Atmosphäre.
Wie viele Beschäftigte sind es in
der Gesamtbank?
In der Gruppe liegen wir mit etwas
mehr als 1 000 Mitarbeitern leicht
unter dem Vorjahresstand.
Demnach haben Sie in anderen
Bereichen aufgebaut?
Wir wachsen in Deutschland und
werden dort weiter einstellen. Von
unseren 330 Beschäftigten im Private Banking arbeitet heute ein gutes
Drittel in Deutschland. Auch im Bereich Fondsdienstleistungen expandieren wir, hier schaffen wir in Luxemburg neue Arbeitsplätze. Wichtig ist, dass wir mit den erwähnten
gut 1 000 Leuten ein deutlich größeres Volumen bewegen als im Vorjahr, wir haben also die Effizienz steigern können.
Wie hoch ist das Volumen im Private Banking?
Zur Jahresmitte lagen wir bei knapp
16 Mrd. Euro, das bedeutet einen Zuwachs von 1,6 Mrd. Euro innerhalb
von sechs Monaten.
Zu dem vermutlich auch Wertsteigerungen beigetragen haben.
Sicher. Aber mehr als 60 % des Zuwachses sind Nettoneugeld, der Rest
ist Performance. Zu dem Plus von
1,6 Mrd. Euro haben alle unsere
Standorte beigetragen, auch jede einzelne deutsche Niederlassung ist auf
Wachstumskurs. Unser Geschäftsmodell ist folglich zukunfts- und wettbewerbsfähig. Bei den Fondsdienstleistungen haben wir die Assets under
Custody seit Ende 2014 von 86 Mrd.
Euro auf jetzt 98 Mrd. Euro ausweiten können. Unser größter und deutlich wachsender Kunde hier in Luxemburg ist nach wie vor Union Investment. Auch die betreuten Drittfonds wie zum Beispiel Ethenea,
Flossbach von Storch, BPM und Arabesque verzeichnen europaweit signifikante Vertriebserfolge. Die Qualität unserer Leistungen spricht sich
offenbar herum.
Im Private Banking bleiben Sie
mit den 16 Mrd. Euro weit hinter
Ihren eigenen Ansprüchen zurück. Sie wollten 30 Mrd. Euro einschließlich der von den Volksund Raiffeisenbanken selbst betreuten Gelder bis Ende 2016 erreichen. Davon sind Sie weit weg.
Und das auf 200 Mrd. Euro veranschlagte Potenzial bei vermögenden Privatkunden Ihrer Finanzgruppe ist nur zum geringsten
Teil erschlossen.
Zunächst: Unser Geschäftsmodell bewährt sich. Die DZ Privatbank ist
nach anfänglicher Skepsis eindeutig
im Verbund angekommen, gewinnt
„Die DZ Privatbank
ist heute der größte
deutsche Fondsdienstleister im
Großherzogtum.“
attraktive Kunden und generiert so
für die Gruppe Mehrwert. Zugleich
haben wir die Produktivität enorm
gesteigert. Wenn ein Kundenberater
früher im Schnitt 60 Mill. Euro betreut hat, liegen wir heute bei 90
Mill. Euro. Nicht zuletzt machen wir
unseren Kunden Freude: Fast alle
Mandate im Private Banking liegen
Stand Ende Mai deutlich im Plus.
Das heißt, wir sind insgesamt auf einem guten Weg.
Aber Sie tun sich schwer, das Potenzial der vermögenden Kunden
zu heben.
Assets von 16 Mrd. Euro entsprechen gewiss nicht unseren Ambitionen. Vor dem Hintergrund einer
durchschnittlichen Vertriebsleistung
von 2 Mrd. Euro pro Jahr – 10 Mrd.
Euro in fünf Jahren – sehen wir darin dennoch eine mehr als respektable Größe. Auch unter Ertragsgesichtspunkten sollten wir uns in naher Zukunft auf 20 Mrd. Euro zubewegen.
Das dauert leider ein bisschen länger, als es der Business Case ursprünglich vorsah. Aber manchmal
muss man seine Erwartungen veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Wir leben heute in einer komplett anderen Welt als vor fünf Jahren.
Sie sprechen vom steuerlichen Informationsaustausch?
Nicht nur, sondern von der Regulatorik insgesamt und vom Zinsumfeld
oder auch von den geopolitischen
Entwicklungen. Aber richtig ist zweifellos, dass die Steuerdiskussion in
der Schweiz und in Luxemburg zu einem so nicht absehbaren Abschmelzungsprozess geführt hat.
Wie viel Vermögen ist denn dadurch repatriiert worden?
Ich kann dazu nicht mit belastbaren
Zahlen dienen. Branchenweit geht
es sicher um etliche Milliarden. Wie
Sie wissen, hat dadurch die eine
oder andere Bank auch hier am Platz
ihr Geschäftsmodell aufgeben müssen. Diese Abflüsse addieren sich ja
zu den durchschnittlich 8 bis 10 %
der Bestände, die Banken im Private
Banking ohnehin Jahr für Jahr ersetzen müssen.
Das ist die natürliche Fluktuation
von Kundengeldern?
So können Sie es nennen. Diese Volumina gehen zum Beispiel durch Erbfälle, Umzüge ins Ausland oder einen Wechsel der Bankverbindung
verloren, oder die Gelder werden
einfach verkonsumiert oder investiert. Diese Abgänge muss die Bank
erst einmal wieder aufholen, bevor
sie an Zuwächse denken kann.
Ist das für Auslandsbanken in Luxemburg und in der Schweiz auf
Dauer nicht aussichtslos?
Es ist aussichtsreich, wenn die Bank
auf ihrem Heimatmarkt über ein
Netzwerk verfügt. Ohne Netzwerk
wird sie allerdings kaum noch Neugeschäft machen. Daran wird deutlich, wie strategisch richtig und wichtig und auch wie vorausschauend es
für die genossenschaftliche Finanzgruppe war, vor fünf, sechs Jahren
die Marktinitiative Private Banking
zu starten und in Deutschland ein
Netz von Vertriebsniederlassungen
aufzubauen. Ohne diese Initiative
müsste sich der Verbund heute in
der Tat fragen, ob wir jemals die kri-
tische Masse im Private Banking erreichen können.
Die DZ Privatbank betreibt nicht
nur das Private Banking. Sie erwähnten schon die Fondsdienstleistungen. Wie läuft es jenseits
des Geschäfts mit vermögenden
Privatkunden?
Dass wir kein Monoliner sind, sondern neben dem Private Banking
noch zwei andere Geschäftsfelder haben, die gutes Geld verdienen, ist im
Vergleich zu vielen Wettbewerbern
einer unserer entscheidenden Vorteile.
Dadurch können Sie das Private
Banking quersubventionieren.
Von „Quersubventionierung“ würde
ich nicht sprechen. Aber man kommt
besser mit einem Umfeld zurecht, in
dem die Bäume nicht in den Himmel
wachsen. Zu Ihrer Frage nach den
anderen Geschäftsbereichen: Über
das Wachstum bei den Fondsdienstleistungen sprachen wir ja schon. Dazu ist noch zu erwähnen, dass wir
über ein eigenes Brokerage verfügen. Fonds, die wir „under Custody“
haben, wickeln ihre Wertpapierkäufe und -verkäufe in hohem Maße
über uns ab. Deshalb werden wir in
diesem Jahr aufgrund volatiler Märkte und starker Handelsaktivitäten
ein deutlich über Vorjahr liegendes
Handelsergebnis erwirtschaften.
Fehlt noch das Kreditgeschäft.
Im Währungskreditgeschäft, das
sich insgesamt zwischen 6 und 6,5
Mrd. Euro bewegt, sind wir gemeinsam mit den Volks- und Raiffeisenbanken mittlerweile der größte Anbieter von Währungsfinanzierungen
in Schweizer Franken für Privatkunden in Deutschland. Im Währungsgeschäft für Firmenkunden expandieren wir zusammen mit der DZ Bank
und der WGZ Bank. Das Kleinteilige
machen wir von Luxemburg aus, die
großen Tickets übernehmen Frankfurt oder Düsseldorf. Und schließlich wachsen wir auch bei Unternehmerkrediten. Unternehmer, die als
Privatperson ein Wertpapierdepot
bei uns haben, nehmen gerne Rah-
„Die Not mancher
Banken ist anscheinend so groß,
dass sie versuchen,
Kunden zum Beispiel
mit einjähriger Freistellung von Provisionen zum Bleiben
zu bewegen.“
menkredite in Anspruch, um flexibel
auf Opportunitäten reagieren zu können. Dafür bieten wir entsprechende
Lombardlinien an.
Zum Schluss noch ein anderes
Thema: Man kann Sie regelmäßig
im Stadion in Sinsheim antreffen.
Was trauen Sie 1899 Hoffenheim
für die neue Bundesligasaison zu?
Ich habe erst dieser Tage den Chef
getroffen . . .
Sie sprechen von Dietmar Hopp?
Viele sagen anerkennend und wertschätzend „Chef“ zu ihm. Wir sprachen über die aktuellen Transfers,
und Herr Hopp ist überzeugt, dass
wir Leistungsträger verpflichtet haben, die darauf brennen, etwas zu bewegen, und die durchaus die Abgänge eines Firmino, eines Beck, eines
Salihovic oder eines Modeste kompensieren können. Vielleicht bedarf
es meines Erachtens noch einzelner
Verstärkungen – das wird der Saisonstart zeigen. Aber die Frage ist doch,
ob man von den gut 40 Mill. Euro,
die der FC Liverpool angeblich für
Firmino gezahlt hat, gleich wieder
30 Mill. Euro für drei Diven ausgibt,
oder ob man lieber in mannschaftsdienliche Spieler investiert, die ein
Team bilden. Ich bin für Letzteres.
Ziel ist die Europa League?
Ich denke, dass wir an den „Big Six“
– Bayern, Mönchengladbach, Dortmund, Leverkusen, Wolfsburg und
Schalke – dranbleiben und vielleicht
eine Überraschung schaffen können.
Das Potenzial ist auf jeden Fall vorhanden.
Das Interview führte
Bernd Wittkowski.