Krieg und Frieden - Forum Friedenspsychologie

Teil I
Grundlagen
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Ger e c h t i gkei t u nd Ge r e c ht i g ke i t s p s y c ho log i e
Jürgen Maes und Manfred Schmitt
Krieg und Frieden haben offensichtlich viel mit Gerechtigkeit zu tun. Ob in Predigt, pazifistischem Appell, politischem Pamphlet, pädagogischer Prioritätenliste
oder päpstlicher Enzyklika: Gerechtigkeit und Frieden tauchen häufig als Wortpaar auf, und viele würden den Satz unterschreiben, dass das eine ohne das andere nicht möglich sei. Aber auch Kriege sind häufig damit gerechtfertigt worden,
dass sie „gerecht“ seien. In diesem Kapitel wird Gerechtigkeit aus dem Blickwinkel
empirisch-sozialwissenschaftlicher Forschung betrachtet. Wir stellen ausgewählte
Konzepte und Befunde der psychologischen Gerechtigkeitsforschung vor, die
illustrieren, welche Bedeutung Gerechtigkeit für das Zusammenleben hat, welche
unterschiedlichen Vorstellungen Menschen über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit haben und welche Folgen dies haben kann.
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Gerechtigkeit als Motiv
Gerechtigkeit ist ein wesentliches Motiv menschlichen Handelns. Diese Behauptung
hat Alltagsplausibilität. Heftige Gefühle von Ärger und Empörung, die Menschen
nach erlittener oder empfundener Ungerechtigkeit zeigen (Montada, 1992), sprechen ebenso dafür wie vielfältige Formen von Rachehandlungen und Rachephantasien, die Menschen sehr langfristig umtreiben können, weil es sie drängt, erlittenes
Unrecht auszugleichen und zu bestrafen (Maes, 1994; Miller, 2001). Auch politische
Parteien bauen intuitiv auf das menschliche Gerechtigkeitsbedürfnis, wenn sie in
Wahlprogrammen Ungerechtigkeit beklagen und mehr Gerechtigkeit versprechen.
Politische Bewegungen sind vom Ruf nach Gerechtigkeit getragen, Revolutionen und
Umstürze immer das Resultat gravierenden Ungerechtigkeitserlebens.
Eigeninteresse als Motiv
In den Sozialwissenschaften dagegen war es lange Zeit nicht üblich, Gerechtigkeit als
ein fundamentales Motiv zu betrachten. Stattdessen dominierten Ansätze, die aus
den Wirtschaftswissenschaften entlehnt worden waren und menschliches Verhalten
nach dem Vorbild des „homo oeconomicus“ (Homans, 1961) modellierten. Diese
Ansätze gehen davon aus, dass Eigeninteresse das zentrale menschliche Motiv sei. In
komplexen Entscheidungssituationen, so sagen die Rationalwahl-Theorien („rational
choice”) voraus, werden Menschen immer diejenige Handlungsalternative wählen,
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Grundlagen
die ihnen den größten Nutzen bringt. Rationalwahl-Erklärungen sind in der Vergangenheit auf eine immer größere Palette von Verhaltensbereichen angewendet worden, von politischem Verhalten, Kriminalität und Gesundheitsverhalten bis hin zu
Familienentwicklung und Arbeitsmigration (Kals, 1999).
Erklärungsschwäche. Dabei ist völlig offen, was als Eigeninteresse anzusehen ist, das
Spektrum umfasst u.a. die Steigerung und Bewahrung von Einkommen, Vermögen,
Macht, Rechten, sozialem Status, Privilegien, sozialer Sicherheit, Selbstachtung,
sozialer Identität (Montada, 1998). Genau in dieser Breite liegt aber auch die Schwierigkeit solcher Modelle: Nehmen wir als Beispiel die Person, die mit dem Spendenaufruf einer karitativen Aktion konfrontiert wird und sich weigert zu spenden. Ein
klares Ergebnis für „Rationalwahl“, denn die Person schafft es so, ihr Vermögen zu
sichern und Verluste zu minimieren. Ist die Person aber bereit, sogar große Summen
für die karitative Aktion zu spenden, kann auch dies mühelos als Rationalwahl interpretiert werden. Die Person will demonstrieren, dass sie ein großzügiger und sozial
eingestellter Mensch ist und schafft es mit der Spende, ein positives Selbstbild aufzubauen oder aufrechtzuerhalten. Mit „rationaler Wahl“ lässt sich im Prinzip jedes
Verhalten erklären; eine Theorie aber, die – zudem post hoc – alles erklärt, erklärt
letztendlich überhaupt nichts mehr.
Gerechtigkeit als Ziel. Die Akzeptanz von Eigeninteresse als wesentlichem Motiv war
so groß, dass selbst frühe Gerechtigkeitstheorien Gerechtigkeit nicht als Ziel an sich,
sondern nur als geeignetes Mittel zur Erreichung anderer Ziele betrachteten. Die
Equity-Theorie (Walster et al., 1978) geht z.B. davon aus, dass Individuen im sozialen Austausch eine Proportionalität von Kosten und Nutzen beider Beteiligten anstreben, weil dies eine rationale Wahl zur Maximierung persönlichen Nutzens darstellt. Demgegenüber haben insbesondere der amerikanische Sozialpsychologe
Melvin Lerner und der Trierer Psychologe Leo Montada Gerechtigkeit als eigenständiges Motiv herausgearbeitet, das nicht nur Mittel zum Zweck, sondern Ziel in sich
und ein moralischer Imperativ (Montada, 2002) ist.
Lerners Gerechtigkeitsmotivtheorie
Lerner und Mitarbeiter haben in zahlreichen Experimenten seit den 1960er Jahren
(im Überblick: Lerner, 1980) gezeigt, wie die Suche nach Gerechtigkeit zum entscheidenden Motiv vielfältiger Verhaltensweisen werden kann.
Motiventwicklung. Die Gerechtigkeitsmotivation entsteht nach Lerner (1977) in
jener Entwicklungsphase, in der sich das Kind zunehmend weg vom Lustprinzip und
hin zum Realitätsprinzip orientiert. In Lerners metaphorischer Konstruktion verpflichtet sich das heranwachsende Kind in einem „persönlichen Vertrag“ mit seiner
Umwelt, augenblickliche, vom Lustprinzip diktierte Bedürfnisse zurückzustellen,
und erwirbt dafür den Anspruch, für langfristig angelegte Investitionen später um so
angemessener belohnt zu werden. Der persönliche Vertrag beinhaltet die Vorstellungen eines Individuums darüber, was es verdient. Ist der persönliche Vertrag einmal
herausgebildet, erhält das Verhalten des Individuums eine neue motivationale Basis:
Gerechtigkeit als Motiv
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Grundlagen
Es bemüht sich nun nicht mehr zu bekommen, was es will, sondern was es verdient.
Um in einer komplexen Umwelt langfristig agieren zu können, ist das Individuum
darauf angewiesen, dass die „Vereinbarungen“ des persönlichen Vertrags Gültigkeit
haben und von allen relevanten Sozialpartnern gleichermaßen beachtet werden.
Beobachtungen von Ungerechtigkeit und Regelbruch stellen Bedrohungen für die
Gültigkeit des persönlichen Vertrags dar. In einem zusätzlichen „sozialen Vertrag“
verpflichtet sich das Individuum daher, auch dafür zu sorgen, dass andere das bekommen, was ihnen gerechterweise zusteht. Experimentell zeigte sich, dass sich
schon Grundschulkinder im Sinne der im persönlichen Vertrag festgelegten Anspruchsberechtigungen nicht nach ihren Wünschen, sondern nach Konzeptionen
des Verdienens orientierten (Lerner, 1977). Sie möchten bekommen, was sie verdienen, aber gleichzeitig auch erleben, dass andere bekommen, was sie verdienen.
Montadas Theorie der relativen Privilegierung
Gerechtigkeitsmotive und Eigeninteressen sind schwer auseinander zu halten, weil
sie in Situationen oft konfundiert sind und das gleiche Verhalten Ausdruck des einen
oder des anderen sein kann. Einige Beispiele (Montada, 2002):
l Proteste gegen eigene relative Deprivation (Benachteiligung) können der Verbesserung der eigenen materiellen Situation dienen. Es gibt aber empirische Indizien
dafür, dass soziale Ungleichheiten nur dann zu Unzufriedenheit und Protest führen, wenn sie als unverdient und nicht unter der Kontrolle einer Gruppe, die
Spielregeln der Gerechtigkeit beachtet, wahrgenommen werden.
l Aggression wird häufig als Folge von Frustration infolge blockierter Eigeninteressen konzipiert (Frustrations-Aggressions-Hypothese). Dem gegenüber stehen
frühe Befunde, nach denen nur willkürliche und ungerechtfertigte Frustration
Aggression auslöst, etwa im Sinne einer Bestrafung des ungerecht handelnden
Frustrators.
l Bürgerkriege können als Konflikte konstruiert werden, in denen beide Seiten
Interessen verfolgen, Vorteile sichern und Nachteile abbauen wollen, aber auch
als Gerechtigkeitskonflikte, in der jede Seite glaubt, für legitime Ansprüche zu
kämpfen.
Besonders aussagekräftig für die Motivation zu Gerechtigkeit sind dagegen Situationen, in denen beide Motive nicht konfundiert sind und Menschen große Mühen und
Verluste in Kauf nehmen, um ihrem Bedürfnis nach Gerechtigkeit gerecht zu werden.
Existentielle Schuld. Die Forschungen Montadas und seiner Gruppe nehmen ihren
Ausgangspunkt in Untersuchungen der Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg und
der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Hier wurden mehrfach moralische Orientierungen als vorrangige motivationale Basis identifiziert. Hoffman diagnostizierte bei
Bürgerrechtsaktivisten, die in der Regel selbst nicht zu den Benachteiligten gehörten,
„existentielle Schuld“ als Handlungsmotiv: Sie fühlten sich schuldig aufgrund ihrer
besseren Lebensumstände, die sie nicht verdient zu haben glaubten (Hoffman, 1979).
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Relative Privilegierung. Montada baute darauf seine Theorie der „relativen Privilegierung“ auf. Im Rahmen mehrerer groß angelegter Fragebogenstudien wurde als
Reaktion privilegierter Probanden auf Nöte, Elend und Probleme von Schlechtergestellten ein Gefühl des unberechtigten Vorteils festgestellt. Die Vergleiche betrafen
dabei die Situation:
l von privilegierten Deutschen gegenüber türkischen Gastarbeitern, Menschen in
der Dritten Welt, Arbeitslosen und Körperbehinderten (Montada et al., 1986;
Montada & Schneider, 1991)
l von Westdeutschen gegenüber Ostdeutschen (Schmitt et al., 1999; Maes, 2001)
l von privilegierten Studierenden gegenüber Indios und Campesinos in Paraguay
(Schmitt et al., 2000).
In all diesen Untersuchungen zeigte sich, dass existentielle Schuld, die zusammen
mit einer großen Vielfalt weiterer Emotionen und Kognitionen erhoben worden war,
einer der wichtigsten Prädiktoren für Verzichtsbereitschaft und Solidarität mit den
Benachteiligten war. Dies galt auch dann, wenn eigene Interessen wie Furcht vor
dem Verlust eigener Privilegien oder Rechtfertigungen der vorteilhaften eigenen
Situation kontrolliert wurden (Montada, 2002).
In weiteren Studien dieser Arbeitsgruppe wurde versucht, Gerechtigkeitsmotive
und Eigeninteressen zu entflechten und systematisch zu vergleichen. Dabei zeigte
sich, dass z.B. ökologisches Engagement stärker moralisch als durch Eigeninteresse
motiviert war. Bei einem substantiellen Teil der Population setzten sich die miterhobenen Eigeninteressen nicht gegen moralische Pflichten und Gerechtigkeitsmotive
durch (Montada & Kals, 1995; Kals et al., 2001).
Schwierigkeiten und Fallstricke der Gerechtigkeit
Die Tatsache allein aber, dass es offensichtlich ein starkes menschliches Bedürfnis
nach Gerechtigkeit gibt, sollte noch nicht zu voreiligem Optimismus in Friedensfragen verführen. Gerechtigkeit kann auch zu Krieg motivieren. Ein Gerechtigkeitsmodell von Krieg und Frieden könnte etwa so lauten: Menschen sind dann zu Krieg und
gewalttätigen Konfliktlösungsversuchen bereit, wenn sie glauben, ein Anrecht auf ein
bestimmtes Gut (ein Territorium, ein Recht, eine Behandlung) zu haben, das ihnen
eine andere Gruppe illegitimerweise vorenthält, und sie in Gewalt die einzige Möglichkeit sehen, diesen Anspruch einzulösen oder wenigstens die „ungerechte andere
Seite“ zu bestrafen und damit ihrem Gerechtigkeitsbedürfnis genüge zu tun.
Zudem hat die Forschung einige Phänomene identifiziert, die einer Verständigung im Rahmen der von allen angestrebten Gerechtigkeit entgegenstehen. Im Folgenden werden wir einige solcher Hindernisse aufzeigen.
Täuschungen über Gerechtigkeit
Die Gerechtigkeitsmotivation von Menschen führt nicht automatisch zur Vermehrung von Gerechtigkeit in der Welt. Im Gegenteil kann gerade die Stärke und DringSchwierigkeiten und Fallstricke der Gerechtigkeit
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lichkeit des Gerechtigkeitsmotivs sogar zum Risikofaktor werden und zu weiterer
Ungerechtigkeit beitragen. Nach Lerners (1980) Konzeption wollen Menschen gerne
glauben, dass sie in einer gerechten Welt leben, in der jeder bekommt, was er verdient, und verdient, was er bekommt. Sie brauchen diesen Glauben, weil er ihnen
hilft, Vertrauen in andere Menschen und gesellschaftliche Instanzen aufzubauen,
weil er es ihnen ermöglicht, sich in zukunftsgerichteten Aktivitäten zu engagieren,
und die Ereignisse ihres Lebens sinnvoll zu interpretieren. Müssten Menschen ständig mit dem Hereinbrechen ungerechter Ereignisse rechnen, machten viele Aktivitäten keinen Sinn, wären Investitionen in die Zukunft nutzlos. Beobachtungen von
Ungerechtigkeit im Alltag bringen leicht die Lebensgrundlagen ins Wanken und
bedrohen den existentiell wichtigen Glauben an Gerechtigkeit. Solche Situationen
erfordern daher Bewältigung, zum Beispiel durch aktive Versuche zur Wiederherstellung von Gerechtigkeit. Ist das Individuum aber nicht in der Lage, bestehende Ungerechtigkeiten abzustellen, versucht es sich häufig zu überzeugen, dass überhaupt
keine Ungerechtigkeit geschehen ist oder dass die Opfer es nicht besser verdient
haben. Zahlreiche Experimente belegen, dass der „Glaube an eine gerechte Welt“ auf
diese Weise zur Abwertung unschuldiger Opfer und zur Bewunderung von Gewinnern führen kann. Das Experiment von Lerner und Simmons (1966; s. Kasten) war
die Initialzündung für die Gerechte-Welt-Forschung und hat bis heute zu mehreren
hundert Studien geführt (Maes, 1998a). Später haben auch Fragebogenstudien immer wieder gezeigt, dass der als Persönlichkeitseigenschaft gemessene Glaube an eine
gerechte Welt mit der Ausgrenzung und Abwertung von Arbeitslosen, Armen, Unfallopfern, Aids-Kranken, Krebskranken und anderen Opfergruppen einhergeht
(Maes, 1998a).
Gerechte-Welt-Glaube und Opferabwertung
Studentische Versuchspersonen glaubten bei Lerner und Simmons (1966), an
einem Experiment über „Eindrucksbildung“ teilzunehmen und sahen im Labor,
wie eine andere Versuchsperson in einem angeblichen Lernexperiment starke
elektrische Schocks erhielt. Es wurden sechs Bedingungen realisiert:
Zwischenphase. Den Versuchspersonen wurde mitgeteilt, dass sie sich in der Mitte eines anderen Experiments befänden und dass ein zweiter Durchgang folge,
nachdem sie einige Fragebögen zur Einschätzung des Opfers ausgefüllt hätten.
Belohnung. Hier hatten die Versuchspersonen die Möglichkeit, dem Opfer zu helfen.
Sie wurden gebeten, geheim abzustimmen, ob der nächste Durchgang ebenfalls eine
Schock- oder stattdessen eine Belohnungsbedingung sein sollte. Als Ergebnis wurde
ihnen dann der nächste Durchgang als Belohnungsbedingung angekündigt.
Belohnungsentscheidung. Auch hier konnte abgestimmt werden, jedoch wurde
der Ausgang der Abstimmung vor dem Ausfüllen der Fragebögen nicht mitgeteilt.
Die Versuchspersonen konnten also nicht sicher sein, ob ihre Hilfe auch erfolgreich sein würde.
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Gerechtigkeit und Gerechtigkeitspsychologie
l
Endphase. Die Versuchspersonen glaubten, dass das beobachtete Experiment
nach diesem Durchgang beendet sei.
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Vergangenes Ereignis. Die Versuchspersonen glaubten, es handle sich um eine
Aufzeichnung vergangener Ereignisse (Videoband). Das Opfer, dem es im Moment sichtlich gut ging, wurde ihnen vorgestellt.
Märtyrer. Das Opfer protestierte anfangs, unterwarf sich dann aber seinem
„Schicksal“ aus altruistischen Gründen, damit die zuschauenden Kommilitonen
ihre Versuchspersonenstunden absolvieren konnten („lab credits“).
Abhängige Variablen: Die Versuchspersonen schätzten sowohl sich selbst als auch
das Opfer auf einer Liste von 15 bewertenden Adjektiven ein (Gesamtscore 15–
135); als Maß für Opferabwertung wurden die beiden Scores voneinander subtrahiert; negative Werte zeigen dann negative Bewertungen des Opfers.
Die Ergebnisse für die sechs Versuchsbedingungen zeigt Tabelle 1.
Tabelle 1. Opferbewertung unter verschiedenen Versuchsbedingungen (nach Lerner & Simmons, 1966)
Mittelpunkt
Belohnung
Belohnungs- Endphase
entscheidung
Vergangenes
Ereignis
Märtyrer
– 25.78
– 5.07
– 25.18
– 11.10
– 34.00
– 12.85
Die Bewertungen fielen umso negativer aus, je ungerechter das Schicksal des Opfers war und je länger diese Ungerechtigkeit andauerte. Das Opfer wird weniger
abgewertet, wenn es sich um ein vergangenes Ereignis handelt, als wenn das ungerechte Leiden im nächsten Durchgang andauert. Besonders belastend ist es offenbar, wenn das Opfer aus offensichtlich guten Motiven leiden muss (MärtyrerBedingung). Alle Versuchspersonen nutzten die Möglichkeit, durch ihre Wahl das
Leiden des Opfers zu beenden. Aber nur wenn sie sicher sein konnten, dass dieses
Engagement die gewünschte Wirkung hatte, reduzierte dies auch die Abwertung
des Opfers.
Gerechtigkeitsparadox. Die Opferabwertung bei starker Ungerechtigkeit wurde auch
als „Gerechtigkeitsparadox“ bezeichnet: Ausgerechnet der Glaube an Gerechtigkeit
führt dazu, dass ohnehin schon Not leidende Opfer zusätzlich noch mit Vorwürfen
und Abgrenzungen ihrer Mitmenschen belastet und damit „sekundär viktimisiert“
werden. Etwas hoffnungsfroher stimmen da neuere Studien, in denen unterschiedliche Varianten des Glaubens an eine gerechte Welt identifiziert wurden. So zeigte
sich einerseits ein Glaube an immanente Gerechtigkeit, nach der beinahe alle Ereignisse als unmittelbarer Ausdruck allseits waltender Gerechtigkeit aufgefasst werden.
Von dessen Korrelationsmustern deutlich unterschieden lässt sich ein Glaube an
ultimative Gerechtigkeit beobachten, nach der zumindest auf lange Sicht eine Wiederherstellung von Gerechtigkeit erwartet wird (Maes, 1998b). Nur immanente GeSchwierigkeiten und Fallstricke der Gerechtigkeit
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rechtigkeit ist fast zwangsläufig mit der Abwertung unschuldiger Opfer verbunden,
während Personen mit hohem Glauben an ultimative Gerechtigkeit aktuelle Ungerechtigkeiten eingestehen können, sich im Rahmen ihrer positiven Zukunftserwartung sozial engagieren und Opfer in positivem Licht sehen können.
Selbstdarstellung
Normative Widersprüche. Die Gerechtigkeitsbedürfnisse von Menschen stehen nicht
unbedingt immer in Einklang mit den wahrgenommenen normativen Erwartungen
der Gesellschaft. Insofern können Menschen in Konflikt geraten zwischen ihrem
Bedürfnis nach Gerechtigkeit und dem Bemühen, sich als „normale“ moderne Menschen zu zeigen. Lerner hat das weitgehend geteilte Selbstbild des modernen Menschen (zumindest in westlichen Gesellschaften) als dreifachen Mythos beschrieben:
(1) Wir wissen, dass Ungerechtigkeiten in der Welt an der Tagesordnung sind.
(2) Wir glauben, die Dinge rational, realistisch und unbeeinflusst durch persönliche
Motive betrachten zu können.
(3) Weil wir die harte und ungerechte Welt so realistisch einschätzen, sehen wir uns
selbst als „vernünftigerweise“ egoistisch motiviert und glauben, dass es unser
wichtigstes Ziel ist, Gewinne zu maximieren.
Aber nur wenn uns Dinge persönlich nicht wirklich berühren, können wir nach
Lerners Auffassung so kühl, objektiv und rational sein, wie wir es gerne von uns
selbst annehmen, während wir im Privaten und bei persönlicher Betroffenheit immer noch an die alte, aber im tiefsten Inneren gut gehütete Geschichte vom gerechten Geschehen glauben. Lerners Forschung hat dies vielfach illustriert.
Mythos Eigennutz? Miller und Ratner (1996) sind der Auffassung, dass insbesondere
Eigennutz als Motiv ein Mythos ist und in seiner Bedeutung überschätzt wird. Mit
vielfältigen Befunden zeigen sie, dass Personen den Einfluss des Eigeninteresses auf
Einstellungen und Verhalten der anderen (z.B. mit oder ohne finanziellen Anreiz
Blut zu spenden) systematisch überschätzen, selbst dann, wenn ihr eigenes Verhalten
deutlich vom Diktat des Eigeninteresses abweicht. Miller (1999) sieht Eigeninteresse
zu einer Norm herangewachsen, die Menschen dazu bewegt sich so darzustellen, als
würden sie sich mehr um materielle Interessen kümmern, als sie es tatsächlich tun.
In einem Experiment konnten Holmes et al. (2002) zeigen, dass Menschen besonders
dann auf karitative Appelle reagieren, wenn sie ihre Hilfe nach außen als günstiges
Geschäft darstellen können. Die Autoren nennen diesen sozialen Mechanismus
„Austauschfiktion“.
Soziale Normierung. Verhalten wird häufig im Sinne von Eigeninteresse sozial normiert. Dies hat Relevanz für politische Prozesse und insbesondere für das Verhältnis
von sozialen Gruppen und ihren Führern/Sprechern. So ist es durchaus möglich,
dass, auch wenn alle Mitglieder einer Gruppe zu gerechten Ausgleichen motiviert
wären, sich als Gruppeninteresse doch die Maximierung eigener Vorteile durchsetzt.
Politische Führer könnten fürchten, die Zustimmung ihrer Gefolgschaft zu verlieren,
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wenn sie nicht im Sinne des unterstellten Eigeninteresses der Gruppe handeln. Korrigiert würden sie in diesem Irrtum kaum, weil auch die einzelnen Mitglieder der Gruppe
Angst haben könnten, sich mit abweichenden Auffassungen gegen die vermeintlichen
Gruppeninteressen zu stellen. Ein politischer Führer, der vom Gerechtigkeitsinteresse
seiner Gefolgschaft überzeugt wäre und dies auch kommunizieren könnte, hätte dagegen einen viel größeren Spielraum in internationalen Verhandlungen.
Unterschiedliche Auffassungen über Gerechtigkeit
Der Begriff Gerechtigkeit wird im Alltag häufig so verwendet, als sei klar, was damit
gemeint sei und als verstehe jeder das Gleiche darunter. Das ist jedoch keineswegs
der Fall. Menschen können sehr Unterschiedliches damit meinen, wenn sie Gerechtigkeit fordern oder Ungerechtigkeit beklagen. Dies lässt sich für alle Bereiche zeigen,
in denen Gerechtigkeitsfragen relevant werden: im Bereich der Verteilungsgerechtigkeit, der Austauschgerechtigkeit und der Strafgerechtigkeit.
Verteilung. Welches Prinzip bei der Verteilung von materiellen (etwa Einkommen) und
immateriellen Gütern (etwa Lob und Tadel) präferiert wird, hängt sowohl vom Gegenstand der Verteilung, von der Verteilungssituation und von individuellen Verteilungspräferenzen ab (Schmitt & Montada, 1982). Experimentell wurden bisher vorwiegend
drei Verteilungskriterien untersucht: grundsätzliche Gleichverteilung, Verteilung nach
Leistung, Verteilung nach momentaner Bedürftigkeit (Deutsch, 1975). Daneben sind
eine große Zahl weiterer Kriterien in Gebrauch: etwa Chancengleichheit, Seniorität,
Status, Besitzstand und Gruppenmitgliedschaft (Montada, 1995).
Austausch. Auch in anderen Gerechtigkeitsfeldern können Menschen je nach Situation und je nach individueller Präferenz sehr unterschiedliche Ergebnisse oder Verhaltensweisen als gerecht oder ungerecht bewerten. Sozialer Austausch von Gütern,
Informationen, Gefühlen oder Umgangsformen kann als gerecht angesehen werden,
wenn subjektiv oder objektiv Ausgewogenheit (equity) von Nutzen und Investitionen herrscht, wenn Reziprozität (Gegenseitigkeit) oder aufgeschobene Reziprozität
(wie im Generationenvertrag) herrscht oder wenn der Austausch so durch Abmachungen oder Verträge festgelegt wurde.
Strafe. Auch im Bereich der Strafgerechtigkeit gibt es höchst unterschiedliche Vorstellungen darüber, was gerecht ist. Gilt z.B. zur Beurteilung von Taten nur das geschriebene Recht eines Staates zu einem bestimmten Zeitpunkt oder dürfen andere Rechtsnormen zur Beurteilung herangezogen werden (eine Frage, die erst in jüngster Zeit wieder
durch die Aufarbeitung des DDR-Unrechts aktuell wurde)? Ist eine Strafe gerecht, wenn
sie dem Täter ein seiner Tat adäquates Leiden auferlegt, wenn sie ihn zur Einsicht
bringt, wenn sie eine Wiedergutmachung gegenüber den Opfern impliziert, usw.?
Kulturelle und individuelle Gerechtigkeitsunterschiede
Variable Gerechtigkeitsvorstellungen. Vorstellungen über gerechte Verteilungen,
gerechten Austausch und gerechte Strafen sind kulturabhängig und können sich
Schwierigkeiten und Fallstricke der Gerechtigkeit
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über die Zeit verändern. Nader (1975) hat im Kulturvergleich festgestellt, dass es
nahezu keinen Wert gibt, der nicht zu irgendeiner Zeit in irgendeiner Gesellschaft
schon einmal als relevanter Beitrag gegolten hat, der Ansprüche auf die in dieser
Gesellschaft relevanten Ressourcen begründet. Nader merkt überdies an, dass Individuen dazu neigen, die Beiträge, mit denen sie aufgewachsen sind, als absolut zu
betrachten. Trotzdem stellen auch Kulturen und Zeitabschnitte keine homogenen
Blöcke dar; innerhalb einer Kultur und innerhalb eines bestimmten Zeitabschnittes
kann es erhebliche Unterschiede in den Auffassungen der Individuen darüber geben,
was in einer bestimmten Situation als gerecht oder ungerecht anzusehen ist.
Gruppengrenzen. Daneben gibt es Unterschiede hinsichtlich des Adressatenkreises,
auf den bestimmte Gerechtigkeitsvorstellungen angewandt werden. Wer Gleichheit
als Aufteilungsprinzip präferiert, muss dies nicht auf die ganze Menschheit beziehen.
Der soziale Vertrag (sensu Lerner, 1977) definiert nicht die Rechte aller Menschen
der Welt, sondern nur die Rechte der für das Individuum relevanten Menschen. Wo
die eigene Welt aufhört und die der „anderen“ beginnt, ist dabei nicht klar definiert.
Deutsch (1975) hat davon gesprochen, dass Menschen unterschiedliche Bandbreiten
(„scopes“) für Gerechtigkeit haben: Während die einen – genannt wird Albert
Schweitzer – grundsätzlich die ganze Welt einbeziehen, beschränken sich die anderen auf die Grenzen der eigenen Familie. An dieser Stelle werden Gruppenidentifikationen und Gruppengrenzen relevant.
Ungerechtigkeitssensibilität. Schließlich unterscheiden sich Menschen im Ausmaß,
in dem sie überhaupt für (Un-) Gerechtigkeiten, die sie selbst erfahren, verüben oder
beobachten, empfindlich sind. Einige fühlen sich z.B. schnell ungerecht behandelt,
für andere liegt die Schwelle für Ungerechtigkeitsempfindungen sehr viel höher.
Schmitt et al. (1995) haben diesbezüglich deutliche Persönlichkeitsunterschiede
demonstriert.
3
Gerechtigkeitskonflikte
Halten wir soweit fest: Eigeninteresse, besser: Eigeninteressen sind nicht die einzigen
fundamentalen Motive von Menschen. Dagegen sprechen viele Indizien dafür, dass
Gerechtigkeit wenn nicht das, dann doch zumindest ein wesentliches Motiv menschlichen Handelns darstellt. Der Wunsch, Gerechtigkeit zu realisieren, kann aber in der
sozialen Wirklichkeit auf zahlreiche Hindernisse stoßen: Gerechtigkeitsmotive können mit anderen Motiven oder den unterstellten normativen Erwartungen der anderen konfligieren und Menschen vor einen Konflikt zwischen Gerechtigkeitsstreben
und dem Streben nach sozialer Akzeptanz stellen. Zudem sind Menschen unterschiedlich sensibel für die Wahrnehmung von (Un-) Gerechtigkeit und unterliegen
in unterschiedlichem Ausmaß Täuschungen und Illusionen über Gerechtigkeit.
Schließlich bestehen sowohl zwischen sozialen Gruppen und Kulturen als auch innerhalb von Gruppen und Kulturen erhebliche Unterschiede darüber, was in einer
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Gerechtigkeit und Gerechtigkeitspsychologie
Teil I
Grundlagen
gegebenen Situation als gerecht oder ungerecht angesehen werden kann. Es gibt
nicht die eine Gerechtigkeit, sondern vielfältige Möglichkeiten, Gerechtigkeit und
Ungerechtigkeit zu konstruieren. Weil von Gerechtigkeit aber meist im Singular
gesprochen wird (Montada, 2002), verabsolutieren Personen häufig ihre eigene Konstruktion von Gerechtigkeit. All dies birgt erhebliches Potential für soziale Konflikte.
Konfliktpotential
Konflikte resultieren nicht nur, wenn zwischen Individuen oder Gruppen nicht vereinbare Eigeninteressen aufeinander prallen oder wenn die eine Gruppe von Nutzenmaximierung und die andere von Gerechtigkeit geleitet ist, sondern auch, wenn
beide Seiten Gerechtigkeit als Ziel verfolgen. Montada und Kals (2001) unterscheiden zwei Arten von Gerechtigkeitskonflikten:
l Prinzipienkonflikt: Die erste Art von Konflikt entsteht, wenn zwei Parteien in
einer konkreten Situation unterschiedliche Gerechtigkeitsprinzipien anwenden.
Bei der Verteilung von Gütern geht zum Beispiel die eine Seite davon aus, dass
Gleichverteilung geboten ist, während die andere eine Verteilung nach dem Leistungsprinzip fordert.
l Anwendungskonflikt: Bei der zweiten Konfliktart wenden beide Parteien zwar das
gleiche Gerechtigkeitsprinzip (z.B. das Leistungsprinzip) an, können sich aber
nicht einigen, wer welche Leistung erbracht hat oder wie die Beiträge beider Seiten zu gewichten sind. Zu solchen Konflikten kommt es, weil Gerechtigkeitsstandards oft sehr allgemein formuliert sind und in der konkreten Ausgestaltung viel
Interpretationsspielraum lassen.
Heiße Konflikte. Es ist wichtig, wie Konflikte theoretisch konzipiert werden, weil aus
einem unterschiedlichen Konfliktverständnis auch unterschiedliche Interventionen
und Handlungsmöglichkeiten in Vermittlungsverfahren resultieren. Handelt es sich
bei einem Konflikt „nur“ um die Konkurrenz zweier Parteien, um nicht vereinbare
Interessen und knappe Ressourcen, oder geht es im Kern des Konflikts um verletzte
Gerechtigkeitsansprüche und erlittene Ungerechtigkeit? Montada (2002) hat darauf
hingewiesen, dass in einem Konflikt, der auf konfligierende Eigeninteressen beschränkt ist, die Parteien sich gegenseitig unterstellen und zugestehen, ihre eigenen
Interessen bestmöglich zu verfolgen. Solche Konflikte führen deshalb nicht zu Ärger,
Empörung und Feindseligkeit und können durch Verhandlung, kooperative Strategien, Kompromisse oder auch Aufgabe des Interesses beendet werden. Konflikte
werden dagegen erst heiß, wenn zumindest eine Partei eine ungerechte Behandlung
seitens der anderen Partei wahrnimmt, sich in ihren Rechten beschnitten oder ihre
legitimen Ansprüche verletzt sieht. Die erlebte Ungerechtigkeit führt zu Empörungsgefühlen, Vorwürfen und Anklagen und rechtfertigt den Ruf nach Ausgleich und
Bestrafung.
Eigenschaften der Eskalation. Es ist ein typisches Kennzeichen solcher eskalierenden
Konflikte, dass rationales Denken zunehmend abgeschaltet wird und klassische
Eigeninteressen nichts mehr gelten, nicht einmal Leben und Gesundheit. Typisch für
Gerechtigkeitskonflikte
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Grundlagen
so eskalierende Konflikte sind auch Perspektivendivergenzen: Die eine Seite ist nur gut,
die andere nur böse, die eine ist nur Opfer, die andere nur Täter (→ Kap. 23 Feindbilder). Weil Gerechtigkeit im Singular benutzt wird, erscheint es den Beteiligten ausgeschlossen, dass es auch andere Sichtweisen geben kann und vielleicht auch die andere
Seite Gerechtigkeit für ihre Sicht ins Feld führen kann. Die Gerechtigkeitsrhetorik muss
aber nicht immer zur Klärung des Konfliktes beitragen, sondern erweitert häufig nur
den Kreis der vom Konflikt Betroffenen. Das starke Gerechtigkeitsbedürfnis von Menschen stellt so gerade keinen Garanten für friedliche Konfliktlösungen dar, sondern
kann im Gegenteil Konflikten mehr Schärfe geben und sie intensivieren.
Konfliktlösung
Wer hier wirkungsvoll intervenieren will, kann sich nicht auf einen reinen Interessenausgleich beschränken, sondern muss den gerechtigkeitspsychologischen Kern
des Konflikts ins Auge fassen und an den Ungerechtigkeitserlebnissen und Gerechtigkeitsvorstellungen der Beteiligten ansetzen. Eine nachhaltige Konfliktlösung wird
nur dann möglich sein, wenn auch die Verletzungen durch starke Unrechtsgefühle
bewältigt und überwunden werden können. Aus der Gerechtigkeitspsychologie lassen sich dabei durchaus Handlungsmöglichkeiten ableiten. Montada und Kals
(2001) empfehlen z.B., Emotionen wie Empörungsgefühle ernst zu nehmen, weil
solche Emotionen auf subjektiven Erkenntnissen und Bewertungen beruhen, die
aber häufig nicht klar artikuliert oder bewusst sind. Über die Reflexion der Emotionen gilt es dann zu einer rationalen Auseinandersetzung mit den Gerechtigkeitsvorstellungen der Parteien zu kommen. Montada und Kals (2001) haben das Verfahren
der Mediation auf eine gerechtigkeitspsychologische Grundlage gestellt und zeigen
eine Vielzahl daraus gewonnener Interventionsmöglichkeiten auf. Ihre Strategie zur
Bearbeitung von Gerechtigkeitskonflikten umfasst die Klärung der Gerechtigkeitsvorstellungen, die Vermittlung von Verständnis für die Gerechtigkeitsvorstellungen
der anderen Parteien, die Vermittlung von Einsicht in die Dilemmastruktur von
Gerechtigkeitskonflikten, die positive und empirische Relativierung von Gerechtigkeitsnormen, die Begründung subjektiver Ansprüche und die Einhaltung von Prinzipien der Verfahrensgerechtigkeit. (→ Kap. 37 Mediation.)
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Literatur
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192
Gerechtigkeit und Gerechtigkeitspsychologie
Literatur
Teil I
Grundlagen
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