Konfliktrohstoffe identifizieren und Menschenrechte wahren

M A N AG E M E N T
Due Diligence in der Lieferkette
Konfliktrohstoffe identifizieren und
Menschenrechte wahren
Einkäufer stehen immer öfter vor der Mammutaufgabe, angemessene Maßnahmen zu implementieren, um
Konfliktrohstoffe zu identifizieren und größtmögliche Transparenz über den Warenfluss von der Rohstoffgewinnung
bis hin zum Endkunden zu gewährleisten. Supply Chain Due Diligence ist eine dieser Maßnahmen.
D
er Bezug und die Verarbeitung sogenannter Konfliktrohstoffe stellen
eine neue Herausforderung für viele
Unternehmen und deren Lieferketten dar.
Fast eine Million europäische Unternehmen
könnten von der neuen EU-Regulierung betroffen sein. Importierende und nachgelagerte Unternehmen in Lieferketten sollen den
Nachweis erbringen, inwiefern sie sicherstellen, dass die von ihnen verwendeten Rohstoffe nicht aus Krisengebieten stammen. Damit
versucht die EU vor allem zwei Dingen Herr
zu werden: Zum einen wird die existierende
Lücke zum US-amerikanischen Dodd-Frank
Act geschlossen. Dieser verpflichtet alle an
die US Securities and Exchange Commission
berichtenden Unternehmen und ihre Zulieferer, rechtlich verbindlich nachzuweisen, dass
Produkte, Komponenten und ihre Lieferketten konfliktfrei sind. Zum anderen begegnet
man damit dem Stakeholderdruck westlicher
Zivilgesellschaften hin zu nachhaltigeren und
ethischeren Lieferketten.
Risiken entlang der Supply Chain
In einer Studie wurden Einkäufer befragt, wie
adäquate SCDD-Implementierung in der Praxis aussehen könnte und welche Barrieren,
Treiber und Auswirkungen damit in Verbindung stehen.
Welche Möglichkeiten haben Unternehmen?
Compliance-Ansätze basieren primär auf negativen Maßnahmen wie Druckausübung,
strenge Lieferantenauswahl, kontinuierliches
Monitoring und Sanktionen im Falle von Verstößen. Konkret fallen unter dieses Muster
die Erstellung von spezifischen Verhaltenskodizes oder Formulierungen zur Einhaltung
der Vermeidung von Konfliktrohstoffen. Eine
Vielzahl von Unternehmen besteht darüber
hinaus auf derartige Formulierungen in Form
von Vertragsklauseln. Unternehmen, die einem solchen Ansatz folgen, versuchen ihre
Lieferantenportfolios zu reduzieren und sich
in diesem Zusammenhang auf die Zusammenarbeit mit großen und erfahrenen Unternehmen zu konzentrieren. Lieferanten, die
Definition
Konfliktrohstoffe
Unter Konfliktrohstoffen versteht man Rohstoffe, deren systematische Ausbeutung und
Handel Menschenrechtsverletzungen im Land
ihres Abbaus und angrenzenden Gebieten
finanzieren. In erster Linie sind dies die Mineralien Wolfram, Tantal und Zinn sowie Gold aus
dem Gebiet der Republik Kongo.
sich nicht an die Einhaltung der Vorgaben
halten, werden – wenn möglich – umgehend
ersetzt.
Auf Commitment-Ansätze hingegen stützen
sich Unternehmen, die sich kooperativ engagieren und ihre Lieferanten bei der Erfüllung
der SCDD-Anforderungen unterstützen.
Commitment-orientierte Maßnahmen konzentrieren sich vordergründig auf positive
Werte wie kontinuierliches Lernen und die
gezielte Weitergabe von Informationen und
Wissen rund um das Thema Konfliktrohstoffe
an Lieferanten, gegenseitige Kooperation mit
strategischen Lieferanten, Ursachenanalyse
bei auftretenden Problemen sowie positive
Anreizsysteme und gegenseitigen Respekt.
Dazu gehören vor allem Bemühungen zur Bewusstseinsbildung für die Konfliktrohstoffproblematik sowie Weiterbildung und Schulungen von Personal im eigenen Unternehmen und bei spezifischen Zulieferern.
Unternehmen, die sich auf analytische Ansätze konzentrieren, versuchen detaillierte Einblicke in die Zusammensetzung der eingekauften Produkte und Komponenten zu gewinnen. Diese Unternehmen analysieren
selbst oder mit Unterstützung Dritter die
chemischen Strukturen ihres Produktportfolios, um umfassende Informationen über
eventuelle Konfliktrohstoffe zu erhalten. Unter Zuhilfenahme dieser Bewertungen wer-
den kritische Lieferanten identifiziert und aufgefordert, Informationen über Sourcing-Aktivitäten
und verwendete Materialien bereitzustellen. Weiterhin gibt es
Unternehmen, die kritische Produkte und Lieferanten auf
Grundlage spezifischer Risikobewertungen identifizieren.
Nutzen von SCDD-Ansätzen
Neben indirekten positiven Auswirkungen
implementierter
SCDD-Ansätze auf die Marktentwicklung wird eine direkte Steigerung der finanziellen Performance erwartet. Ebenso von Vorteil, wenn auch nur selten betont: Die Implementierung von
SCDD verlangt die Kooperation
verschiedener Akteure entlang Arbeiter mit Kobalt- und Kupfererz (Kobalt l., Kupfer r.). Das Erz muss vor dem Verkauf sortiert, gewaschen und
der Wertschöpfungskette sowie zerkleinert werden. (Bild: Amnesty International)
anderer Stakeholder, deren ständiger gemeinsamer Dialog neue strategische und Unterstützungssysteme ermöglichen ei- mit problematischen Lieferanten weiterzuarNetzwerke und Allianzen erzeugt, die sich als nen standardisierten Informationsaustausch beiten oder sogar von Überlegungen strenger
relationale Effekte und Effizienzsteigerungen zwischen Unternehmen und Lieferanten – Konfliktmineralienstrategien zurückzutreten.
in kommunikativen Prozessen niederschla- ein zentraler Grundsatz des SCDD. Insbeson- Zusätzlich zu diesen Hindernissen kämpfen
gen können. Insgesamt lassen sich durch die dere werden hier die Conflict Free Sourcing fast alle befragten Unternehmen auf allen
SCDD-Umsetzung positive Reputationseffek- Initiative und das International Material Data Positionen der Wertschöpfungskette mit der
te für die Unternehmen und deren Zulieferer System (IMDS) genannt, die die Entwicklung hohen geografischen Komplexität ihrer Liebei Kunden, Investoren und Stakeholdern er- der Governance-Systeme und des Informati- ferketten und zum Teil auch Produkte.
zielen. Kurz- bis mittelfristig können somit onsaustausches zwischen vor- und nachgelagerten Akteuren vereinfachen und Vertrauen Was können Unternehmen tun?
herstellen. Für viele Unternehmen ist die Unternehmen mit Endkundennähe verfügen
SCDD-Implementierung im nicht regulierten üblicherweise über ein hohes Maß an Eineuropäischen Markt eine strategische Ent- fluss innerhalb ihrer Lieferketten. Gleichzeitig
Die Europäische Kommission
scheidung, die sie aus Angst vor Wettbe- sind sie von Konfliktrohstoffen stark betrofforciert derzeit eine EUwerbsnachteilen nur ungern als Erste fällen.
fen. Diese Unternehmen verfügen jedoch oftRichtlinie, die Unternehmen
Als eine der großen externen Barrieren kriti- mals über das nötige Know-how zur SCDDdazu veranlassen soll, Konfliktsieren Experten entstehende zusätzliche Kosmineralien in ihren Lieferketten
Vorgehensweise
ten durch SCDD und verweisen auf die intern
zu identifizieren und zu
begrenzten Ressourcen. Die SCDD-Umsetvermeiden.“
zung könnte bei manchen Unternehmen je
Supply Chain Due Diligence (SCDD) besteht im
nach Größe des Lieferantenportfolios sehr
Wesentlichen aus fünf Schritten:
gegebenenfalls höhere Marktanteile erzielt teuer werden. Vor allem upstream der Lieferwerden, da Unternehmen in zukünftigen kette sind erhebliche Investitionen erforderEtablierung effektiver Managementsysteme
Ausschreibungen – vor allem auf dem US- lich, um grundlegende Mechanismen zu
Identifizierung von Risiken innerhalb der
Markt – über Wettbewerbsvorteile gegen- etablieren. Des Weiteren sind Lücken im reguLieferketten und Durchführung von Risikoüber ihren Konkurrenten verfügen. Als direk- lativen Rahmen hinsichtlich der Anforderunbewertungen
ter weiterer Effekt können darüber hinaus gen zu beklagen. Viele Begrifflichkeiten sind
Entwicklung und Implementierung von
Kosten durch ein effektiveres Risikomanage- unterbestimmt und zuverlässige BenchmarKonfliktmineralienstrategien und -richtment gespart werden, da potenzielle Risiken king-Vorgaben nicht vorhanden. Zudem erlinien zu den identifizierten Risiken
bei Sublieferanten besser abgebildet werden öffnt der asiatische oder afrikanische Markt
Durchführung unabhängiger externer Audikönnen.
Unternehmen Schlupflöcher und Einfallstore
tierungen der SCDD-Aktivitäten von
Für die Sensibilisierung und das Engagement für Konfliktrohstoffe auf dem Weltmarkt.
Schmelzereien und Raffinerien
im Kontext des Konfliktmineralienmanage- Hier sollte eine globale Lösung langfristig anJährliche Berichterstattung zu SCDD-Aktiviments ist die Unterstützung durch das Top- gestrebt werden. Auch sind einige Unternehtäten und Ergebnissen
Management unabdingbar. Externe Tools men durch die Marktstruktur gezwungen,
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Implementierung und können auf bereits
etablierte Governance-Systeme zur Lieferantensteuerung zurückgreifen. Daher sollten
sich Unternehmen downstream der Lieferkette auf Compliance-Ansätze fokussieren.
Um dem Compliance-Anspruch gerecht zu
werden, sollten sie sich zudem der Maßnahmen aus dem Commitment-Bereich bedienen, bspw. eine Kultur gemeinsamer Verantwortung leben und verbreiten sowie Lieferanten bei der Erfüllung von Compliance-Anforderungen assistieren. Die daraus resultierenden Markt-Performance-Effekte werden
ergänzt durch mittelfristige relationale Effekte wie bspw. gefestigte und gestärkte Beziehungen innerhalb der jeweiligen Branche.
Direkte Lieferanten (Komponentenhersteller)
unterliegen entweder regulativen Anforderungen zum Konfliktmineralienmanagement
oder müssen SCDD aus Wettbewerbsgründen umsetzen. Abhängig von verfügbaren
Ressourcen und dem Reifegrad der Konfliktmineralienthematik in ihrer Organisation
sollten diese Unternehmen entweder analytische oder Compliance-Ansätze verfolgen.
Sind elaborierte Systeme und ein entsprechendes Bewusstsein für Konfliktrohstoffe
vorhanden, so ist es sinnvoll, die Anforderungen an Lieferanten weiterzugeben. Analytische Ansätze hingegen eignen sich für Unternehmen, die erstmalig mit solchen Compliance-Anforderungen konfrontiert werden.
Kleinere Unternehmen sind stark konfrontiert mit Anforderungen des Gesetzgebers
und ihrer Kunden und verfügen selten über
ausreichende Ressourcen, um den Anforderungen gerecht zu werden. Da Produkte abDie Autoren
Dr. Martin C. Schleper,
German Graduate School of
Management and Law (GGS),
Heilbronn
Prof. Dr. Constantin Blome,
University of Sussex, England, und der
Université catholique de Louvain,
Belgien
Dr. Hannes Hofmann,
EBS Universität für Wirtschaft und
Recht
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wärts der Lieferketten immer komplexer werden und somit einen umfassenden analytischen Fingerabdruck verhindern, bedarf es
oftmals enger Kooperation zwischen den Akteuren in der Lieferkette. Selbst solche Unternehmen, die angeblich auf Armlänge mit den
Rohmaterialhändlern arbeiten, sind überfordert, wenn es um die Durchführung analytischer Verfahren bei mehreren Akteuren geht.
Das Commitment-Muster kann an dieser
Stelle als Heilmittel dienen, da sein kooperativer und koordinierter Charakter Komplexi-
tätsprobleme überwinden kann. Ebenso lassen sich bestimmte Maßnahmen an Organisationen auslagern, die von größeren Unternehmen downstream der Lieferketten größtenteils finanziert werden (z. B. CFSI). Dadurch können die Kosten im oberen Bereich
der Lieferkette minimiert werden, während
die Glaubwürdigkeit der Bemühungen der
gesamten Lieferkette zunimmt. Für Schmelzereien und Raffinerien sind analytische Ansätze geeignet, Herkunft und Zusammensetzung von Konfliktmineralien zu ermitteln.
Amnesty International informiert
Lithium-Ionen-Batterien
aus Kinderarbeit
In kongolesischen Minen arbeiten Kinder unter lebensgefährlichen Bedingungen, um
Kobalt für Elektrogeräte abzubauen. Elektronikhersteller haben angeblich nichts davon gewusst, dass in ihren Produkten Kobalt aus Kinderarbeit genutzt wird. Dies geht
aus dem Bericht „This is what we die for“ von Amnesty International und der Organisation Afrewatch hervor.
Kobalt ist ein wichtiger Rohstoff für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien für
Smartphones und Laptops. Amnesty interviewte für den Bericht 87 Arbeiter in den kleinen Minen, in denen oft mit bloßer Hand
oder primitiven Werkzeugen gearbeitet wird.
Die Minen stehen laut kongolesischer Regierung für etwa 20 Prozent der Kobalt-Produktion. Das Kobalt geht von dort Amnesty zufolge
über Zwischenhändler, zumeist Chinesen, vor
allem an Congo Dongfang Mining (CDM), eine Tochter des chinesischen Unternehmens
Huayou Cobalt. Von dort werde das Kobalt an
die Batterieproduzenten verkauft. Diese Unternehmen, darunter Samsung und Apple,
haben angeblich nichts davon gewusst, dass
in den Minen Kinder arbeiten.
Unter den befragten Arbeitern befanden sich
auch 17 Kinder im Alter zwischen neun und
17 Jahren. Sie erklärten, dass sie zwölf Stunden am Tag ohne nennenswerte Schutzmaßnahmen für zwei US-Dollar am Tag in den Minen arbeiten müssten und dabei Staub und
vielen Chemikalien ausgesetzt seien. Viele
Menschen zögen sich für den Hungerlohn
dauerhafte Lungen- oder andere Schäden zu.
Das UN-Kinderhilfswerk schätzte 2014, dass
in den Minen im Süden des Kongos etwa
40 000 Minderjährige beschäftigt sind. „Unternehmen dürfen sich nicht darauf berufen,
dass sie angeblich nicht überprüfen können,
woher wichtige Mineralien in ihrer Produktion kommen“, sagt Verena Haan, Expertin für
Wirtschaft und Menschenrechte bei Amnesty
International in Deutschland. „Alle an der Kobalt-Lieferkette beteiligten Unternehmen
müssen ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen und dies auch öffentlich
machen. Falls sie von Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette erfahren, müssen
sie sofort Abhilfe leisten – so wie es die UNLeitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verlangen“, sagt Haan.
Amnesty fordert: Die Regierungen der Länder,
in denen die im Bericht erwähnten Unternehmen sitzen, also zum Beispiel die USA, Südkorea und Japan, müssen von den Konzernen
mehr Transparenz einfordern. „Ohne entsprechende Gesetze, die Unternehmen dazu verpflichten, Informationen über die Herkunft
der Mineralien und ihrer Zulieferer zu prüfen
und zu veröffentlichen, können die Elektronik-Konzerne weiterhin von Menschenrechtsverletzungen profitieren“, sagt Haan.
Die Regierung in Kinshasa wies die Vorwürfe
des Amnesty-Berichts zurück. Diese seien nur
eine Finte anderer Kobalt-produzierender
Länder, um ihren Marktanteil auszubauen, erklärte der kongolesische Regierungssprecher
Lambert Mende.