Erstellt von Toni Scharle Debattierclub München e.V. Rollenerfüllung in BPS Was ist eigentlich „Rollenerfüllung“? Und warum ist sie wichtig? Ziel ist immer Überzeugungskraft. Daher: Zusätzlich zu den formellen Regeln (Antrag, keine neuen Argumente in der Schlussrede der Opposition) gibt es bestimmte Konventionen, die entweder aus Fairness-Gründen (auch als RegierungsSchlussredner keine neuen Argumente- denn unfaires Verhalten wird- wenn es erkannt wird- nicht überzeugend sein) oder aus schlichter Notwendigkeit und als Ausdruck von Souveränität (eine Ergänzungsrede ohne neue Argumente wird nur sehr schwer überzeugend sein, genau wie technische Antragskritik erst in der Rede des stellvertretenden Oppositionsführers nicht souverän wirkt, da ja der Oppositionsführer diese auch schon gemacht haben könnte) Ein Wort noch zu Begrifflichkeiten: Die Eröffnende Regierung (=Premierminister*in +stellvertretende*r Premierminister*in) bilden ein Team, Eröffnende und schließende Regierung zusammen eine Seite. Die Redner werden hier mit Positionsbezeichnungen bezeichnet. Dabei ist die Redereihenfolge Premierminister*in, Oppositionsführer*in, stellvertretende*r Premierminister*in, stellvertretende*r Oppositionsführer*in, Mitglied der Regierung, Mitglied der Opposition, Einpeitscher*in/Schlussredner*in der Regierung, Einpeitscher*in/Schlussredner*in der Opposition. Eigentlich schade, dass wir kein schönes deutsches Wort für „Whip“ haben. Wenn wir House of Cards Glauben schenken können, würde der/die Whip ja das machen, was ein*e Fraktionsvorsitzende*r bei uns machen würde. Das würde auf Regierungsseite ja noch funktionieren, da ja auch bei uns der*die Kanzler*in und ihre Fraktionsvorsitzenden andere Rollen sind. Bei der Opposition ist das schon schwieriger. Und Parteivorsitzende und Fraktionsvorsitzende können ja auch die gleiche Person sein. Schwierig, schwierig. Und da „Einpeitscherin“ cool klingt, bleibe ich dann einfach bei der wörtlichen Übersetzung. Premierminister*in Hier wird die Debatte gesetzt. Also Obacht, hier trägt man Verantwortung. (ist ja wie in der echten Politik) Der Debattengegenstand muss klar werden. Also: Zuerst ein Problem finden, das gelöst werden soll. Dann einen Antrag formulieren. Vernünftige Ausnahmen sind erlaubt. (Beispiel: DHW Cannabis frei verkäuflich machen. Erlaubte Ausnahme: Aber erst ab 18. Zu weit Erstellt von Toni Scharle Debattierclub München e.V. gehende Ausnahme: Nur für Schmerzpatienten) Dabei gesunden Menschenverstand zeigen, aber lieber zu mutig als zu feige. Dabei hat die Regierung „unbeschränkte“ Macht, ein Gesetz einzuführen. Parlamentarische Mehrheiten sind egal, wir sind keine konkrete Regierung. Auch ist es völlig egal, ob irgendeine Regelung gegen irgendein über dieser stehendes Gesetz verstoßen würde. (Verfassungen o.ä.) Es wird dabei vorkommen, dass Leute Fragen mit dem Stichwort „Unklarheit“ oder „Verständnisfrage“ o.ä. ankündigen. Tendenziell ist es entgegen der sonst gültigen Regel, Fragen erst später in der Rede dranzunehmen häufig von Vorteil diese Fragen schon heranzunehmen. Nichts stört eine Debatte mehr als ein unklarer Streitgegenstand(=Antrag). Und wenn die Debatte durch einen solchen gestört wurde, wird man das auch der Eröffnenden Regierung anlasten. Es gibt Themen, die erfordern keinen Antrag (meist gekennzeichnet durch „Dieses Haus glaubt/verachtet/bedauert/begrüßt“ statt „Dieses Haus würde“). Gerade hier muss aber trotzdem viel Definitionsarbeit geleistet werden. Lautet das Thema also „DH glaubt, die sexuelle Befreiung heute hat mehr Schaden als Nutzen gebracht“, so muss erstmal klar definiert werden, was „sexuelle Befreiung heute“ bedeutet. Dabei gilt wie oben: Nicht zu eng, nicht zu weit. Definiert man „sexuelle Befreiung heute“ als Gleichberechtigung für Homosexuelle: Viel Freude beim Finden des Schadens. Also besser: Das Fallen von Tabus in der Kommunikation von Menschen. Wird dann eine hübsche Debatte. Zusätzlich gibt es noch komplett offene Themen wie „Dieses Haus geht auf Schatzsuche“ oder „Dieses Haus glaubt, Winter is coming“. Hier müssen die Worte des Themas nicht definiert werden, sondern interpretiert. Also: Was ist das Prinzip einer Schatzsuche (großer Gewinn, großes Risiko) oder das von „Winter is coming“ (Lasst und für schlechtere Zeiten Vorräte zusammenhalten und aufhören, uns gegenseitig zu bekriegen)? Und dann wird dieses Prinzip in einen Antrag in unserer Zeit übertragen. (Programm für einen bemannten Marsflug auflegen? Massiver Klimaschutz?) Und noch eine Variation: Es gibt Themen mit einem definierten Akteur. Wir sind also nicht mehr irgendeine fiktive westlich-liberale Demokratie oder gar Deutschland, sondern wer anders, vielleicht sogar in einer anderen Zeit. Wir nehmen also die Perspektive des Akteurs in der Zeit ein. Wichtig hier: Was sind die Ziele und Werte dieses Akteurs? Erstellt von Toni Scharle Debattierclub München e.V. Zur weiteren Begründung sollte eine Argumentationslinie für das Team angelegt werden, das Hauptargument des Teams ausführlich erklärt werden. Dabei nicht die Relevanz und des letzten Schluss („Warum ist das gut/schlecht?“) vergessen. In „Debateland“ sind weder Designerbabies noch Enteignungen per se schlecht. Es sollte am Ende der Rede auch für den schläfrigsten Juroren klar sein, warum das Problem ein Problem ist und wie (möglichst kleinschrittig erklärt) der Antrag dieses Problem löst. Oppositionsführer*in Die Opposition bekommt das Wort. Zunächst wird, wenn es sich anbietet, direkt technisch gegen den Antrag geschossen, z.B.: Sind die Ausnahmen zu schwach oder zu stark, ist irgendetwas unklar geblieben? Dann werden die Argumente und der Mechanismus des Premiers zerlegt. Dabei sind Widerlegungen und „konstruktive“ Argumente sind so getrennt, wie es scheint. Wichtig ist, dass die Punkte der Gegenseite entkräftet werden, nicht wo. Wenn diese Entkräftung in die konstruktiven Punkte eingebaut ist, dann lieber explizit sagen. Juroren mögen es, wenn man es ihnen einfach macht. Die wichtigsten Angriffspunkte gegen den Antrag sind: 1. Das Problem existiert nicht 2. Der Antrag löst das Problem nicht 3. Selbst wenn er es lösen würde, wären die Schäden zu groß Nicht: „Das kriegt ihr nie durch’s Parlament“. „Das verstößt gegen die Verfassung“. (s.o.) Wenn sich die Leute allerdings nicht an eine Regelung halten, kann das schon ein Punkt sein, der die Wirkungskraft eines Antrags abschwächt. Das ersetzt nicht das Erläutern von konkreten Schäden. (Beispiel: DHW Fußgängerampeln aufstellen. (Wir nehmen hier an, dass es noch keine geben würde) Nur weil sich –wie wir ja im realen Leben sehenberechtigterweise kaum Leute an diese Ampeln halten, sind sie trotzdem nicht schlecht) Und: Wenn (wie fast immer) keine Zeit ist, alle Argumente voll zu widerlegen, so wird die stärkste denkbare Version des stärksten Arguments der Gegenseite zerlegt. Also nicht hinter Kleinkram oder Fehlern verstecken. Stellt euch vor, Cambridge A hätte diesen Punkt gebracht und ihr müsst ihn widerlegen. Dabei: Die Welt mit dem Antrag muss schlechter(!) sein als die Welt ohne Antrag. Zwar reicht bei einem nicht existierenden Problem oder einem nichtfunktionierenden Mechanismus ein geringer Schaden, der muss aber Erstellt von Toni Scharle Debattierclub München e.V. aufgezeigt werden. Damit wird Punkt 3 zum wichtigsten Punkt. Es ist nicht Aufgabe der Regierung alle Probleme der Welt zu lösen, noch nicht einmal alle Probleme, die sie benannt haben. Aber: Je kleiner die positive Wirkung des Antrags gemacht werden kann, desto einfacher ist die Abwägung mit den Schäden. Für euch und für die Juroren. Ein paar Worte noch zur Möglichkeit eines Gegenantrags: Den gibt es in zwei Variationen: Einmal durch Zurückweisen eines Antrags der entweder komplett am Thema vorbei (Thema: DHW das Mehrheitswahlrecht bei Bundestagswahlen einführen. Antrag: An Bundestagswahlsonntagen kriegt die Mehrheit der Bevölkerung Wal zum Mittag.), der den Status Quo nicht ändert (Lasst uns die Todesstrafe abschaffen) oder keine sinnvolle Gegenargumentation ermöglicht. (Thema: DHG winter is coming. Antrag: Lasst uns Streusalz kaufen) Der*die Oppositionsführer*in stellt dann selbst einen Antrag FÜR die Motion und der*die Hauptjuror*in entscheidet dann, welcher Antrag debattiert wird. Und den Gegenantrag im klassichen Sinn: Es ist zwar meist leichter, den Status Quo zu verteidigen und man ist nicht gezwungen, einen Alternativvorschlag zu machen, man ist aber nicht an den Status Quo gebunden. Wichtig nur: Der Alternativvorschlag und der Antrag müssen sich gegenseitig ausschließen. Die Stellvertreter*innen Was hier passiert: Eigene Argumente wiederaufbauen, gegnerische zerstören, neue hinzufügen. Am ersten Punkt wird klar, warum die wichtigste „Kampflinie“ schon in der ersten Rede klarwerden muss: Da nur die Stellvertreter für das eigene Team Wiederaufbauarbeit nach einem Angriff der Gegenpartei leisten können, sollte man sich diese Möglichkeit gerade für sein Hauptargument nicht nehmen lassen. Die neuen Argumente der Stellvertreter sollten diese Hauptlinie des Teams weiter ergänzen. Die Hauptprinzipien hier ist also Konsistenz und Weiterentwicklung. Es gilt wieder: Ein Team wirkt überzeugender, wenn es zusammenarbeitet, wenn die Punkte „natürlich“ auseinander entwickelt wirken. Das Mitglied der Regierung Wir sind schon in der zweiten Hälfte angekommen. Auf Regierungsseite verliert das Prinzip Konsistenz nichts von seiner Wichtigkeit. Auch wenn wir die erste Regierung schlagen wollen, dürfen wir sie nicht komplett zerstören. Erstellt von Toni Scharle Debattierclub München e.V. Die Frage nach Gewinn und Niederlage wird nicht danach festgelegt, wer wen zerstört hat (Wäre ja auch noch schöner, wenn die eröffnende Regierung prophylaktisch dank hellseherischer Fähigkeiten schon die schließende Opposition kaputtmachen müsste), sondern daran, wer am meisten für seine Seite getan hat. Wenn also meine Seite für den Antrag ist, hilft es meiner Seite von der Überzeugungskraft her nicht, wenn ich dem Team, das diesen Antrag gestellt hat, widerspreche. Technisch wird das so gelöst, dass alles, was gesagt wird und was dem Antrag wiederspricht, von der Jury einfach ignoriert wird. Also los, lasst uns eine Erweiterung bauen! Möglich ist erst einmal alles, was der Regierung nicht widerspricht und unserer Seite hilft. Was das grob sein kann, wird im Erweiterungs-Zoo zusammengefasst: 1. Der Storch: Er bringt ein komplett neues Argument. Mit z.B. einer komplett neuen Betroffenengruppe („Redet doch mal wer über die Kinder“) oder einem neuen Mechanismus („Die Landschaft wird durch Getreideanbau nicht nur schöner, man kann daraus auch Mehl mahlen und dann Brot backen“). 2. Der Maulwurf: Er gräbt tiefer: Ein existierendes Argument wird in der Tiefe erweitert. Also: Neue Schlüsse. Kleinschrittigere Erklärungen. Differenziertere Auswirkungen. 3. Der Adler: Er fliegt hoch nach oben und holt die Debatte auf eine neue Ebene. Pragmatische, kleinteilige Argumente werden plötzlich auf ein großes Prinzip bezogen, zur allgemeinen Maxime erhoben. Motto: „Ihr redet über den technischen Kleinkram, bei uns geht es alle an.“ Das ist insbesondere hilfreich, wenn die erste Regierung einen zu kleinen, ja feigen Antrag gestellt hat. Wenn also der Debattengegenstand zu eng ist: Über Prinzipien reden, ins Allgemeine gehen. 4. Das Nilpferd: Es setzt sich auf existierende Argumente und walzt sie platt. Das passiert meistens über neue Beispiele oder Vergleiche. Ist aber nicht sonderlich stark. 5. Die Rampensau: Wenn man einfach mal Spaß haben will, kann man auch wirklich abgefahrene Punkte machen. Auch wenn es wahrscheinlich Erstellt von Toni Scharle Debattierclub München e.V. out ist, überhaupt noch yolo zu sagen, sagt man dann eben yolo und erzählt auf eine lustige Art abwegige oder provokante Sachen. Oder auch einfach das Gleiche wie die erste Regierung, nur in schön und lustig. Also: In einer Debatte zur Ausweitung der Massentierhaltung einfach mal anbringen, dass man es für unethisch hält, glückliche Tiere zu töten. Beim Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg aus der Kernenergie muss auch mal gesagt werden, dass wir dann schneller an Kernwaffen kommen würden, falls wir mal aus dem Atomwaffensperrvertrag austreten sollen. In einer Debatte über das Bundesverdienstkreuz für Gerd Schröder sagen, dass er ja schließlich der erste Kanzler seit Bismarck war, der einen Krieg angefangen und gewonnen hat. Wichtiger Hinweis dazu: Auf Turnieren eher weniger zu empfehlen, weil man tendenziell verliert. Es kann allerdings passieren, dass der Punkt so überraschend kommt, dass die Leute sich dann die Zähne daran ausbeißen. Und lustig ist’s allemal. Das Mitglied der Opposition Eigentlich gilt das Gleiche für das Mitglied der Regierung. Nur die Sache mit der Konsistenz braucht man hier nicht zu eng sehen. Man kann aus sehr unterschiedlichen, sich widersprechenden Gründen eine Sache ablehnen und trotzdem seiner Seite helfen. Also nur weil die eröffnende Opposition die Hartz-Gesetze für schlecht hält, weil die Leute ja für’s Nichtstun Geld bekommen, kann ich als schließende Opposition dagegen sein, weil es die Leute stigmatisiert und in die Armut schickt. Die Einpeitscher*innen Jetzt wird’s kritisch: Was soll eigentlich eine Rede, in der ich keine neuen Argumente bringen darf, noch für neue Erkenntnisse bringen? Die Stichworte sind hier das Zusammenwirken der Argumente und ihre Relevanz in der Debatte. Die zwei zu klärenden Grundfragen sind also: Warum hat meine Seite gewonnen? Und warum hat mein Team gewonnen? Gemacht wird das meist am besten anhand der großen Streitfragen der Debatte. Das heißt, wenn es in der Debatte „DHW die Schweiz auflösen“ darum ging, wie sich das auf die Schweiz, auf Deutschland, auf Europa und auf die Welt auswirken würde, kann man das danach gliedern. Die Streitfragen können aber auch nach wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen der Auflösung der Schweiz geordnet werden. Hier muss nach dem konkreten Debattenverlauf entschieden werden. Am Ende muss aber klar sein: Die wichtigste Streitfrage Erstellt von Toni Scharle Debattierclub München e.V. wurde mit Material des eigenen Teams für die eigene Seite gewonnen. Also ist auch zu klären: Warum ist das die wichtigste Streitfrage? (Schon um den Vergleich zu haben, muss man die anderen also auch erwähnen) Mit welchem Material haben wir diese gewonnen? Wie wirkten unsere Argumente dabei gegen die der Gegenseite? Und auf Regierungsseite nicht vergessen: Gern erst direkt die Argumente des Mitglieds der Opposition widerlegen. Dabei ruhig (wenn es explizit dagegen wirkt) auch etwas Neues sagen. Noch ein Wort zu neuen Argumenten in Schlussreden: Die werden (wenn sie nicht direkt gegen die Erweiterung des Mitglieds der Opposition gehen) einfach ignoriert. Es gibt keine Abzüge, aber wir würden unsere Zeit verschwenden. Also einfach seinlassen.
© Copyright 2024 ExpyDoc