Hunger 01.11.15 - Weigle-Haus

Hunger
Wie am Anfang gesagt geht es heute um das Thema Hunger! Letzte Woche haben
einige von uns hier im Weigle Haus den Versuch unternommen, den Hunger am
eigenen Leib nachzuvollziehen. Mit der Aktion: Ein Schale Reis! haben sie fünf Tage
lang, täglich nur 100 Gramm Reis gegessen! Ich denke, dass dies eine besondere
Erfahrung war und darum würde ich gerne etwas von ihnen selber hören!
Die Bibel, spricht über das Thema Hunger in besonderer Weise in Matthäus 5, 6
„Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt
werden“
1. Mein erster Punkt lautet also : Was ist Hunger?
Jesus benutzt hier eine gewöhnliches Bild. Die Menschen zu seiner Zeit kannten
Hunger und Durst sehr gut! Und Jesus benutzt hier diese bekannte Bedeutung des
Wortes auf sehr intelligente Art und Weise: das physisch bekannte Bedürfnis nach
Essen nutzt er um ein spirituelle Bedürfnis zu beschreiben.
Hier und heute in Deutschland brauchen wir vielleicht eine solche Aktion wie „Eine
Schale Reis“ um die Erfahrung von Hunger zu machen. Einige ältere unter ihnen und
manch anderer kennt dieses Gefühl vielleicht aber noch.
Bei so einer Aktion geht es um dieses Gefühl des Hungers, mit all der Müdigkeit und
dieser Sehnsucht nach Essen, ja diesen Drang etwas zu sich zu nehmen. In so einer
Fasten Woche kämpft man mit seinen Gedanken und der Verlockung dieses System,
also das Fasten zu brechen und endlich zu sich zu nehmen, was man so dringend
braucht!
Diese Sehnsucht, diesen Drang, ja vielleicht auch diese Not, nutzte Jesus, um den
Menschen „die neue Kreatur der Menschen die mit Gott leben“ zu beschreiben. Sie
leben noch hier und kämpfen mit all den Sehnsüchten und Bedürfnissen wie alle, aber
sie haben noch einen anderen, einen besonderen Hunger, den Hunger nach der
Gerechtigkeit Gottes, der Hunger nach der Ordnung Gottes.
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Es geht um dieses Gefühl von Hunger, und es gibt eben genauso einen Hunger nach
etwas anderem: es gibt den Hunger nach Gerechtigkeit!
Dieser Hunger ist ein Zeichen der Menschen, die das Reich Gottes erwarten, sie
hungern nach Gerechtigkeit, wie man nach Essen hungern kann!
2. Mein zweiter Punkt heißt also: Was ist Gerechtigkeit?
Das ist wirklich eine spannende Frage, die schon bei der Übersetzung des Wortes
„Gerechtigkeit“ aus dem Griechischen beginnt und an der Frage, was die Hörer Jesus
darunter verstanden, nicht vorbei kommt!
Es handelt sich um das alte griechische Wort „Dikaiosyne“ oder in Hebräisch
„Sadaq“. Es ist ein sehr reiches Wort, denn ich habe mehr als 51 Seiten zur
Übersetzung zu diesem Wort, in einem theologischen Wörterbuch dazu gefunden.
Die tiefe Bedeutung dieses Wortes ist nicht eine guter moralischer Wert, denn Gott
von uns erwartet. Es beschreibt viel mehr eine andere Art des Handelns in Beziehung.
In unserer Beziehung mit Gott brauchen wir dieses „Sadak“ oder diese
„Gerechtigkeit“ um mit ihm Leben zu können.
In der Bibel selbst habe ich drei Bedeutungen und Anwendungen von diesem Wort
Gerechtigkeit gefunden:
1- Erstens: Das Wort in der Tradition des Alten Testaments, also das Wort „Sadak“
oder „Gerechtigkeit“ oder „Rechtsordnung“ meint den Akt der Erlösung des Volkes
Gottes durch Gott. Im Alten Testament können wir viele Lieder finden in denen die
Menschen Gott danken für seine „Rechtsordnung“ und seine „Erlösung“. Und
genauso lesen wir dort von dem Hunger nach dieser Erlösung. Zum Beispiel finden
wir dieses Zusammenspiel von Erlösung und Rechtsordnung im Auszug von
Ägypten. Gott erlöst sie aus der Gefangenschaft in Ägypten und führt sie nach seiner
Rechtsordnung in ein Neues Leben.
In unserer Beziehung mit Gott erfahren wir diese Gerechtigkeit. Sie drückt sich, nach
dem alten Testament in Gottes Treue, Zuverlässigkeit und Liebe aus, die er hält in
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seinem Bund mit den Menschen. Wir vertrauen in Gott als den gerechten,
barmherzigen und gnädigen Gott.
Ja, wir sind hungrig nach seiner Erlösung, nach seiner Barmherzigkeit und nach
seiner Gnade, genauso, wie man hungrig ist nach Brot.
2- zweitens ist dieses Wort der Ausdruck der Rechtfertigung
Als Jesus sagt: Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit. Spricht
er nicht über ein bestimmtes moralische Lebensweise. Oder dass diese Menschen ein
besonders Korrektes Leben führen. Er spricht über die Menschen die hungrig und
durstig sind nach Vergebung und Rechtfertigung von Gott.
Im Neuen Testament, besonders bei Paulus finden wir diese Bedeutung von
„Gerechtigkeit“. Er spricht von Gott der uns Menschen rechtfertigt durch seine
Gerechtigkeit, die sich Ausdrückt in Gnade und Barmherzigkeit.
Ja, wir sind hungrig nach seiner Vergebung, nach seiner Rechtfertigung und nach
seinem Frieden, genauso, wie man hungrig ist nach Brot.
3- drittens Gerechtigkeit, also „Sadak“ ist unsere Antwort auf die Gerechtigkeit
Gottes.
In der Bibel gehen Gerechtigkeit und die Rechtsordnung dennoch Hand in Hand: Die
Person, die von Gott gerechtfertigt ist, lebt die Gerechtigkeit und tut Recht in dieser
Welt.
Diese Gerechtigkeit beinhaltet somit, gegen die Ungerechtigkeit in dieser Welt zu
arbeiten, den Armen und Schwachen zu helfen. Es ist eine andere Lebensform und
diese Leute sind hungrig nach Gerechtigkeit in dieser Welt.
Im Buch Micha 6, 6-7finden wir dazu diese passende Frage:
„Ihr fragt: Womit soll ich vor den Herrn treten, diesen großen erhabenen Gott? Was
soll ich ihm bringen, wenn ich mich vor ihm niederwerfe? Soll ich einjährige Rinder
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als Opfer auf seinem Altar verbrennen? Kann ich ihn damit erfreuen, dass ich ihm
tausende von Schafböcken und Ströme von Olivenöl bring? Soll ich meinen
erstgeborenen Sohn opfern, damit er mir meine Schuld vergibt?“
Ich denke viele denken in ähnlicher Richtung: Was erwartet Gott von mir?
Die Antwort steht im nächsten Vers in, Micha 6,8:
„Der Herr hat dich wissen lassen, Mensch, was gut ist und was er von dir erwartet:
Halte dich an das Recht, sei menschlich zu deinen Mitmenschen und lebe in steter
Verbindung mit deinem Gott“.
So sieht diese besondere Art des Lebens mit Gott aus:
„Halte dich an das Recht, sei menschlich zu deinen Mitmenschen und lebe in steter
Verbindung mit deinem Gott.“
Das ist das was Gott von uns erwartet als sein Volk und das ist das, was die Welt von
uns erwartet als Gottes Volk. Deshalb heißt es: Selig oder besser gesegnet sind wir,
die wir hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit für diese Welt!
Gesegnet sind wir, die wir kämpfen für die Arbeiter in Afrika und Asien, die leiden
unter dem Missbrauch durch die internationalen Konzernen.
Gesegnet sind wir, die wir uns einsetzen für die Folteropfer, die in ihren
Gefängnissen leiden ohne jede Gnade.
Gesegnet sind wir, die wir kämpfen für die Opfer von Kriegen und von sexueller
Gewalt.
Gesegnet sind wir, die wir uns einsetzen für Frauenrechte im Nahen Osten, für die,
die in Stille und Dunkelheit leiden.
Gesegnet sind wir, die wir kämpfen für die Flüchtlinge, die Leiden in ihren Camps in
der Kälte.
Gesegnet sind wir, wenn wir uns einsetzen für die Armen, die Opfer des
unbarmherzigen Kapitalismus
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durch dieses Tun, werden wir satt werden. Denn wir leben das Reich Gottes. Wir
finden unseren Frieden als das Volk Gottes. Wir finden Jesus zwischen diesen
Armen, Missbrauchten und Schwachen Leuten.
Meine liebe Gemeinde,
Tag für Tag haben wir Hunger nach Brot, und so haben wir auch einen Hunger nach
der Erlösung der Welt, nach Rechtfertigung, nach Gerechtigkeit, ja nach dem Reich
Gottes!
Denn: Tag für Tag sehen wir in den Nachrichten die Geschichten von der
Ungerechtigkeit in dieser verrückten Welt, da spüren wir ihn, diesen Hunger nach
Gerechtigkeit und nach unserer Berufung uns für Gerechtigkeit, für das Reich Gottes
einzusetzen.
Am Ende möchte ich sie und euch segnen mit einem franziskanischen Segen:
Möge Gott dich segnen mit Unbehagen...
über billige Antworten, Halbwahrheiten
und oberflächliche Beziehungen,
so dass du in der Tiefe deines Herzens lebst.
Möge Gott dich segnen mit Zorn...
über Ungerechtigkeit, Unterdrückung
und die Ausnützung von Menschen,
so dass du dich einsetzest
für Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden.
Möge Gott dich segnen mit Tränen...
vergossen für die,
welche an Schmerzen, Zurückweisung, Hunger und Krieg leiden,
so dass du deine Hände ausstreckst,
um sie zu trösten und ihren Schmerz in Freude zu verwandeln.
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Und möge Gott dich segnen mit genug Torheit...
damit du glaubst,
dass du in der Welt einen Unterschied machen kannst,
und das tun kannst,
von dem die andern sagen, es sei unmöglich.
Amen
Lassen sie uns einen Moment der Stille halten und beten in leiser Musik und dann
gemeinsam singen!
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